In der Kürze liegt die Würze

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Zur Auflockerung mag diese Skizze dienen, welcher der geneigte Leser den Zusammenhang zwischen Interessantheit I und Länge L eines mehr oder weniger beliebigen Textes zu entnehmen vermag, wobei auffällt, dass das Interessantheitsmaximum I0 bei einer gewissen endlichen und meist eher geringen Länge erreicht wird, nach deren Überschreitung das Interesse wieder abnimmt und schließlich Null wird. Dies stimmt mit der allgemeinen Beobachtung, dass in einer gewissen Kürze die Würze liege, auf beeindruckende Weise überein, wenn man erst einmal nachvollzogen hat, dass unter Kürze eine gewisse, exakt bestimmte Länge oder eben auch Kürze des Textes, unter Würze aber das an diesem Punkt erreichte Interessantheitsmaximum I0 zu verstehen ist.

In der Kürze liegt die Würze, sprach schon ein gewisser Prinz von Dänemark in einer Tragödie, die eigentlich von einem Engländer geschrieben wurde, bei dem sich die Kamele bis heute nicht einig sind, ob es ihn überhaupt gab. Mit diesem Sinnspruch, welcher, wenn auch nicht wörtlich aus dem Werk zitiert, zu einem Sprichwort, respektive Idiom, geworden ist – mittlerweile verbreitet im gesamten englischen und deutschen Sprachraum sowie, in entsprechend übersetzter Form, in vielen weiteren Sprachen, die sich in Reichweite des elisabethanisch-britischen Kulturkreises befinden, befanden oder befunden haben – mit diesem Spruch also hat der alte Shakespeare praktisch, ja, eigentlich auch theoretisch, schon all das vorweggenommen, was einem jeden Schreibenden – sei es ein begnadeter Dichter, ein routinierter Schriftsteller, ein einfacher Journalist oder auch nur ein verzweifelter Schüler vor seinem Aufsatz – im Laufe seines Lebens und Schaffens zunächst als winziger Lichtpunkt in der Ferne erscheint, sodann näher und näher rückt, langsam besser zu erkennen ist, weiter heranwächst, sich rascher und rascher ausdehnt, und, äh, noch näher rückt, schließlich größer und größer wird und sich bald zu einer enormen Erkenntnis ausweitet, deren Tragweite der Erleuchtete unmöglich im ersten Moment erfassen kann, auch nicht im zweiten, im dritten dann auch noch nicht, erst im viert… nein, eigentlich auch im vierten noch nicht, im fünften und sechsten auch nicht, … Moment, ich hol' nur kurz meinen Taschenrechner … , … so … , … ja, ziemlich genau um vierundsechzigsten Moment wird es dem Schaffenden dann also klar, was die Erkenntnis eigentlich bedeutet, und während er noch so auf seinem Blatt herumkritzelt, oder in den Stein meißelt, oder seine Tastatur zerhämmert, kommt er zu dem Schluss, dass eigentlich das Essenzielle, der Kernpunkt des Schreibens, die wirkliche Aufgabe des Autoren, weder ist, einen bestimmten Inhalt mitzuteilen, noch jemanden zu unterhalten, jemandem zu helfen oder die Welt zu verbessern, auch nicht, die Fliege auf seinem Bildschirm mit kreisenden Mausbewegungen zu irritieren, und ebenfalls nicht, den Pinball-Highscore zu knacken, sondern dass einzig und allein eine entscheidende Kompetenz des Verfassers zum Gelingen des Textes führt. Genau gesagt handelt es sich dabei um die Fähigkeit, einen bestimmten Sachverhalt, oder sagen wir, einen Aspekt, eine einzelne Facette aus dem erschlagenden Überangebot von Geschehnissen auf dieser Welt, in einer solchen Form darzustellen, dass die vom Leser – oder, verallgemeinert auch vom Hörer bzw. Zuschauer – zur Aufnahme, Kompensation und zum Verständnis, ja, auch zum Speichervorgang in seinem Gedächtnis notwendige Spanne sowohl in räumlicher Hinsicht (gut, das mag von Sprache zu Sprache unterschiedlich sein, und auch bei jedem Alphabet anders, zum Beispiel sind die chinesischen Zeichen ja viel breiter als ein i oder ein l – ja, schon gut, sie stehen auch für mehr als einen Laut, lassen wir das) wie auch in zeitlicher Hinsicht, ein solches Niveau erreicht, dass dessen Wert ein globales Minimum erreicht, oder anders gesagt, dass der in Anspruch genommene Raum und der zeitliche Aufwand auf das Kleinstmögliche reduziert wird, will sagen, dass die Länge des Geschriebenen halt ziemlich, äh, klein ist. Sozusagen.
Dieser soeben geschilderte Zusammenhang wird darum adäquat durch obiges Sprichwort In der Kürze liegt die Würze artikuliert, da ähnlich wie bei der Redewendung von den vielen Köchen, die den Brei verderben, die gewissermaßen, um es auf den Punkt zu bringen, zu viel Würze in, auf oder an den Brei bringen, die Dauer des Würzvorgang also ebenso wie die Anzahl der Würzenden die Würze stark mitbestimmen, also kurz gesagt, dass sowohl die Anzahl der Köche als auch die Würzzeit klein sein müssen, um einen guten Brei herzustellen, mit anderen Worten also könnte man zu dem prägnanten Schluss kommen, um das Fazit vorwegzunehmen, dass das Sprichwort in diskriminierender Weise Kamele mit Hang zu kürzerer und somit auch meist - sofern die Würzmenge pro Zeiteinheit konstant ist - geringerer Würze bevorzugt, da es die Würze an und für sich mit der geringeren Würze gleichzusetzen scheint - was wiederum in gewissen würzigeren Kulturkreisen nicht verstanden werden kann -, es aber trotzdem den Rat beinhaltet, die Fassung wenn, dann kurz zu verlieren … quasi …

Die Autoren sind der Meinung, dass dieser Artikel das Thema nur unzureichend behandeln kann. Eine vollständige Betrachtung der Sachlage ist in Arbeit, hier der erste von zehn geplanten Bändern der Abhandlung.

Um nun den Leser nicht unwissend in die Wüste zu schicken und sich somit dem (verfrühten und zutiefst bedauerlichen, aber unvermeidlichen) Ende dieses kleinen Artikelches zu nähern, sei abschießend noch einmal betonend darauf hingewiesen, dass die Verständlichkeit eines Textes gleich welcher Art wenn auch nicht immer, so doch oftmals reziprok ist zu dessen Länge; eine Erkenntnis, die den Autoren dieses Artikels selbstverständlich schon vor langer Zeit gekommen ist, weswegen sie sich nicht unlängst bereits verpflichtet haben, dementsprechend zu handeln und folglich niemals und unter keinen Umständen zu viele Worte zu verlieren, zumal man ja nie sagen kann, wer diese dann findet.
Ja, gut, dann wollen wir mit dieser wichtigen Erkenntnis diesen Artikel mal beenden. Sie könnten ja als nächstes mal einen anderen Artikel lesen, oder vielleicht bei einem lustigen Projekt mitmachen. Schauen Sie sich einfach mal um, ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei. Kommen Sie gut nach Hause! Auf Wiedersehen, und alles Gute, und äh, frohe Weihnachten schon mal und frohe Ostern auch, falls wir uns nicht noch einmal sehen! Passen Sie gut auf sich auf, und ziehen Sie sich immer schön warm an, nachts ist es kälter als draußen! Schwimmen Sie nicht so weit raus, es wird bald dunkel. Und bleiben Sie immer mutig und neugierig, man lernt sein ganzes Leben lang, und bleibt innerlich doch für immer und ewig strohdumm. Also machen Sie's gut, und grüßen Sie mir den Neffen zweiten Grades der Schwägerin ihrer Großtante. Sie können ja mal fragen, ob er mich noch kennt, da war er gerade … warten Sie … ja, ich glaube zwei Monate. Als dann, Tschüss! Und gute Heimfahrt! *wink … wink … wink … wink … wink … wink … wink … wink …*

Literatur[bearbeiten]

  • Habermas, Jürgen. Theorie des kommunikativen Handelns. (Band 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung; Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft), Frankfurt a.M. 1981, ISBN 3-518-28775-3.
  • Mann, Thomas. Der Zauberberg. Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Band 5/1-2., S. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-10-048324-3.
  • Mayer, Hans. Thomas Manns Zauberberg als Pädagogische Provinz. In: Sinn und Form – Beiträge zur Literatur. Aufbau-Verlag, Berlin 1.1949. ISSN 0037-5756.
  • Berger, Clemens. Der späte Hans Mayer. Aspekte im Lebens-Werk eines Außenseiters., Wien, 2003
  • Hildesheimer, Wolfgang. Genügendes über Clemens Berger., Wolkenkuckucksheim, 2011.
  • Ohne Ende, Michael. Die unendliche Geschichte., Stuttgart, 1979.