Detailansicht

Libyen
eine Dritte Welt; Revolution in der Transition
Andreas Vrabl
Art der Arbeit
Diplomarbeit
Universität
Universität Wien
Fakultät
Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät
Betreuer*in
Gerhard Drekonja
Volltext herunterladen
Volltext in Browser öffnen
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved
DOI
10.25365/thesis.846
URN
urn:nbn:at:at-ubw:1-29495.28568.548966-1
Link zu u:search
(Print-Exemplar eventuell in Bibliothek verfügbar)

Abstracts

Abstract
(Deutsch)
Die libysche Revolution ist heute alleine schon aufgrund ihres langen Bestehens eine Besonderheit. In den mittlerweile fast 40 Jahren seiner Herrschaft hat das Regime Gaddafis atemberaubende Richtungswechsel vollzogen, die in dieser Arbeit auf ihre Wesenszüge untersucht werden. Dem Putsch von 1969 maß man im Westen zuerst wenig Bedeutung zu, verstand man ihn doch mehr als regionale Üblichkeit denn als gravierende Zäsur. Dass die libysche Revolution im Vergleich mit anderen Revolutionen durchaus typische Charakteristika aufweist, wird ein einem eigenen Kapitel dargelegt. Libyens internationale Bedeutungslosigkeit verschwand jedoch schlagartig, als Gaddafi begann, Freiheits- und Dissidentenbewegungen aller Art zu unterstützen - bis hin zur eigenen Ausführung terroristischer Akte in der ganzen Welt. Schnell geriet das Land ins Visier der USA und wurde, wenn auch zu Unrecht, als sowjetischer Vorposten bezeichnet. Gaddafi suchte vor allem in der ersten Dekade seiner Herrschaft intensiv nach Partnern für seine Arabische Einheit und in diesem Zuge vollzogen sich immer wieder rasche Verwandlungen von Freunden in Feinde und umgekehrt. Die libysche Außenpolitik handelte sich aus internationaler Sicht Attribute wie „unberechenbar“ oder „widersprüchlich“ ein, eine Einschätzung, der in dieser Arbeit entgegengetreten wird. Vielmehr ist von einer äußerst konsequenten Politik mit gewichteter Prioritätensetzung auszugehen. Es wird geschildert, wie sich Libyen Image eines Schurkenstaaten erarbeitete, wenn auch nur teilweise in eigener Verantwortung. Erst der nur schwer nachvollziehbare Hass Ronald Reagans auf Gaddafi trieb den Konflikt mit dem Westen auf die Spitze und das Land selbst in die absolute Isolation. Widersprüchlich ist vor allem die Innenpolitik der libyschen Jamahiriya, predigte Gaddafi doch die Volksherrschaft und schloss dennoch das Volk in den Schlüsselbereichen von der Herrschaft aus. Einem Rentenstaat bisher unbekannten Ausmaßes stand eine repressive Herrschaft gegenüber, in der von der versprochenen Freiheit nicht viel übrig blieb. Immer wieder fanden Putsch- und Attentatsversuche statt, und im Laufe der Achtziger entstand zunehmend eine islamistische Opposition, die spätestens mit den Heimkehrern aus dem Afghanistankrieg ein Problem für das Regime wurde. Mitte der Achtziger sah sich die libysche Revolution in ihrer Existenz bedroht, die desaströse Außenpolitik nicht nur im Tschad führte gemeinsam mit den US - Luftangriffen auf Libyen und einer schweren Wirtschaftskrise zu einer totalen Änderung der libyschen Innen – und Außenpolitik. Nach innen begann eine langsame Liberalisierung der Wirtschaft, nach Außen 142 setzte man von nun an auf Kooperation statt Konfrontation – der Terror hatte als politisches Instrument ausgedient. Nur wenige Jahre nach der Kurskorrektur explodierten Flugzeuge über dem schottischen Lockerbie und dem Niger. Libyen wurde der Urheberschaft beschuldigt, ob mit Recht oder nicht, wird sich wohl nie vollständig klären lassen. Zumindest werden in dieser Arbeit gute Gründe aufgezeigt, weshalb die Anschläge nicht ins neue Konzept Gaddafis passen konnten. In der Folge verhängten die Vereinten Nationen während der 90iger Sanktionen gegen Libyen, nachdem die USA dies schon lange zuvor auf unilateralem Weg getan hatten. Libyen reagierte darauf vor allem mit der Fortsetzung der eingeschlagenen Öffnungspolitik und gründete nach der Maghreb – Union auch eine Sahara – Staatengemeinschaft. Gaddafi profilierte sich zunehmend als Vermittler in Krisensituationen und erlangte mit geschickter Politik eine herausragende Position in Afrika. Die OAU honorierte dies mit der geschlossenen Forderung nach einer Aufhebung der Sanktionen und setzte den Westen mit Erfolg unter Druck, einem Kompromiss in der Frage der Auslieferung der libyschen Verdächtigen im Lockerbiekonflikt zuzustimmen. Nach deren Überstellung in die Niederlande suspendierten die UN ihre Sanktionen 1999. Aufgehoben wurden sie jedoch erst Jahre später, als Libyen die Verantwortung für die Anschläge übernommen hatte und Entschädigung zahlte. Die US-Sanktionen hingegen blieben weiter intakt und wurden schrittweise ab 2004 abgebaut, als Libyens Wiedereingliederung in die Weltgemeinschaft schon längst in vollem Gange war. Rasant steigende Ölpreise und Investitionen aus dem Ausland lassen Libyens Wirtschaft nun erstarken wie nie zuvor und ermöglichen dem Staat, im Ausland immer wieder als Wohltäter aufzutreten. Im Rahmen der von Gaddafis Sohn Saif al-Islam geführten Wohlfahrtsstiftung fließen Millionen in Lösegelder für entführte Touristen, wodurch sich das internationale Ansehen Libyens noch weiter verbessert. Saif profiliert sich aus westlicher Sicht immer mehr als potentieller Nachfolger, doch der Westen begeht dabei wiederholt den Fehler, die Nachfolgefrage nicht durch eine libysche Brille zu betrachten. Welche Rolle Gaddafis Kinder spielen und ob sie eine Chance auf sein revolutionäres Erbe haben, wird in einem der abschließenden Kapitel diskutiert.

Schlagwörter

Schlagwörter
(Deutsch)
Libyen Gaddafi arabischer Sozialismus Wirtschaft Außenpolitik Innenpolitik Frauenpolitik Diktatur Lockerbie Sanktionen Reintegration Öffnung Nachfolgedebatte Ölboom
Autor*innen
Andreas Vrabl
Haupttitel (Deutsch)
Libyen
Hauptuntertitel (Deutsch)
eine Dritte Welt; Revolution in der Transition
Publikationsjahr
2008
Umfangsangabe
143 S. : graph. Darst.
Sprache
Deutsch
Beurteiler*in
Gerhard Drekonja
Klassifikationen
15 Geschichte > 15.06 Politische Geschichte ,
15 Geschichte > 15.09 Wirtschaftsgeschichte ,
15 Geschichte > 15.91 Nordafrika
AC Nummer
AC06961763
Utheses ID
637
Studienkennzahl
UA | 192 | 313 | 884 |
Universität Wien, Universitätsbibliothek, 1010 Wien, Universitätsring 1