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Abb. 1 Der ruandesische Mhima Kissilerobo als Vorzeigetypus eines Hamiten; die Profilaufnahme soll den Eindruck eines altägyptischen Pharaonenherrschers erwecken; sein Bild zieht sich wie ein roter Faden durch das Schrifttum über die Hamiten; siehe auch die Abb. 3, 27, 30, 31. Max Weiss, Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas…, 1910: Frontispiz. Zum Geleit… Seit der älteren Steinzeit sind die wichtigsten geschichtsbildenden ethnischen Elemente Afrikas wesentlich nichtnegerischer Herkunft. Hermann Baumann 1954 [21961] über die Vorgeschichte Afrikas [Oldenbourgs Abriss der Weltgeschichte] Worauf es ankommt, ist, die Geschichte zu erkunden; was vermieden werden muss, ist sie zu verdrängen oder zu verleugnen. Edward W. Said 1994 über Kultur und Imperialismus 1 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 2 2. Methode und Zielsetzung 8 I) Ideengeschichtliche Wurzeln und soziohistorische Bedingungen des Hamiten-Mythos 1. Der Fluch Noahs in der Bibel, dem Talmud, dem Koran und das Erbe der Antike 13 2. Vom verfluchten Hamitengeschlecht zu den versklavten negroiden Hamiten 33 3. Hamiten als Begründer außerbiblischer Hochkulturen 51 4. Von den dynastischen Hamiten zur noachidischen Rassenteilung 55 5. Vom edlen Mohren-Hamiten zum geschichtslosen Afrika 64 6. Von der Hamitenzivilisation zum Ursprung zivilisatorischer Dekadenz 77 7. Kaukasische Hamiten im Licht des Darwinismus 85 II) Die wissenschaftliche Etablierung der Hamitentheorie 1. Die Rolle der historischen Sprachwissenschaft 94 2. Die Rolle der physischen Anthropologie 122 3. Das ethnografische Genre als Quelle für Hamitentheorien 160 4. Die Hamiten im Licht der ethnologischen Kulturhistorie 179 a) Karl Weule 184 b) Wilhelm Schmidt 189 c) Dominik Josef Wölfel 195 d) Leo Valerian Frobenius 204 e) Hermann Baumann 211 5. Die Hamitic in Großbritannien 226 a) Augustus Henry Keane 227 b) Grafton Elliot Smith 228 c) Charles Gabriel Seligman 232 d) Harry Hamilton Johnston 240 III) Die Hamiten-Mythen 1. Das ägyptische Punt 248 2. Das biblische Ophir 256 3. Die „Weiße Dame” 263 4. Die Hamiten als „atlantisches Erbe” 267 Schlussbemerkung 273 Bibliografie 275 Namenindex 317 2 1. Einführung 3 Abb. 2 Ham hisst seine Flagge in Afrika. Die biblischen Grundlagen der Rassen- und Völkerkunde aus der Reihe „Wissenschaft für Kinder: Bücher lebendigen Wissens”. Zeichnung von Erwin Tintner. In: Ernst Heinrich Schrenzel, Kleine Völkerkunde…, 1937: 47. 4 Als der steirische Afrikanist und Ägyptologe Leo Reinisch [1832-1919] in den 1870er Jahren die sogenannten hamitischen Sprachen afrikanischen Ursprungs deutete, stellte seine Behauptung zu jener Zeit eine Ausnahme dar. Mit dem imperialen Machtanspruch Europas auf den afrikanischen Kontinent ging auch die ideologische Rechtfertigung einher, den sogenannten zivilisatorischen Beitrag Europas in den Mittelpunkt zu stellen. Die Entstehung kultureller Werte wie Sprache, Schrift, politische Organisationsformen etc. wurden dieser voreingenommenen Auffassung gemäß außerhalb Afrikas gesucht. Teilweise zu Unrecht! Wie wir heute wissen, steht der afrikanische Kontinent heute als die „Wiege der Menschheit“ da.1 Der kulturgeschichtliche Beitrag des afrikanischen Kontinents zur Menschheitsgeschichte wurde lange Zeit unterschätzt. So blieb auch das Werk und Erbe von Leo Reinisch innerhalb der Fachwelt der Afrikanistik und darüber hinaus nur wenig berücksichtigt und die Erforschung der „Hamiten“ nahm einen anderen Verlauf. Bald schon wurde der linguistische Begriff „hamitisch“ über den kleinen Kreis der Afrikanistik hinausgehend stereotypisch mit dem Schlagwort „Herrenrasse“ in Verbindung gebracht [Abb. 3]. Der zunächst wissenschaftliche Begriff bekam dadurch zunehmend politischen Charakter. Bereits 1930 stellte der Wiener Linguist und Völkerkundler Dominik Josef Wölfel – der Begründer des Begriffes „Weißafrika“ – fest, dass sich wohl kaum zwei Worte in der Literatur über Afrika so häufig finden, wie die Ausdrücke „Hamiten“ und „hamitisch“. Wenige historisch-wissenschaftliche Konzepte haben in der afrikanischen Sprach- und Geschichtswissenschaft einen derart hohen Stellenwert besessen, wie der Mythos über die kulturtragenden Hamiten. Diesen Mythos zu entschleiern, und die Hintergründe des Entstehens der Konzeption auszuloten, ist Ziel der vorliegenden Arbeit. Seit und vor allem durch Leo Reinisch hat Wien in der Konzeption afrikanischer Problemstellungen durch Jahrzehnte beachtliche Bedeutung besessen.2 Es liegt daher nahe, auch von Österreich aus zur Behandlung und Aufarbeitung der Thematik beizutragen. Über den kolonialpolitischen Aspekt hinaus kommt der Beschäftigung mit der einschlägigen Materie ein großer Aktualitätsbezug zu. Wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten zu afrikanischen Themen werden derzeit in Europa noch wenig angestellt und gefördert, während Untersuchungen über rassenkundliche Fragen allgemein und die Aufarbeitung der Problematik des NS-Schrifttums und verwandter internationaler Themenstellungen besonders in den letzten Jahren weithin betrieben werden. 1 Chris Stringer, Ronin McKie, Afrika - Wiege der Menschheit. Die Entstehung, Entwicklung und Ausbreitung des Homo sapiens…, 1996. 2 Hans Günther Mukarovsky (Hrsg.), Leo Reinisch – Werk und Erbe…, 1987. 5 Abb. 3 Hamiten als Herrenrassentypus Textbeispiel aus Friedrich Keiter, Rasse und Kultur der Menschenrasse als Weg zur Rassenseelenkunde…, 1938: 148. 6 Bei der „Hamitentheorie“ handelt es sich um einen eurozentristischen afrikanischen Kulturmythos, der sich Ende des 19. Jahrhunderts zu einer wissenschaftlichen Theorie manifestierte. Während der Zwischenkriegszeit erreichte die Hamiten-Forschung, die sich als eigener Wissenschaftszweig innerhalb der Afrikanistik und Völkerkunde herausgebildet hatte, ihren Höhepunkt und hielt sich als Disziplin noch weit bis über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst im Zuge der fortschreitenden Dekolonisation Afrikas mit der Herausbildung der unabhängigen afrikanischen Nationalstaaten klang die These von einer angenommenen bis nach Südafrika reichenden hamitischen Einwanderung aus Asien weitgehend ab. Als das wesentliche Anliegen der „Hamitologie“3 galt es, dem vermeintlich geschichtslosen Afrika ein historisches Kleid zu verleihen. Damit war vor allem das prähistorische, also im Wesentlichen vorkoloniale Afrika gemeint, das als schriftlos galt. Bemerkenswert ist, dass zu ihrer Etablierung sämtliche Hilfswissenschaften zu Rate gezogen worden sind, um das seit Hegel propagierte „dunkle“ Afrika weißrassisch „aufzuhellen“. Der Kern der „Hamitenthese“ lautete, dass jegliche auf dem subsaharischen Raum vorgefunden kulturellen Werte, von einer postulierten „weißen Rasse“ herrühren mussten. Zivilisationen mit deren hervorgebrachten staatlichen Organisationsformen wären dieser Auffassung gemäß nicht afrikanischen, sondern außerafrikanischen Ursprungs. Dem damaligen Rassenverständnis gemäß wurde damit der negriden Rasse praktisch die Eigenverantwortung für eine selbständige Entwicklung entzogen. Vor allem im Dekolonisationsprozess wurden die Konsequenzen einer ehemals unter anthropologischen Kriterien betriebenen rassistischen Kolonialpolitik spürbar. Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung ist gegeben, wenn man bedenkt, dass Carl Meinhof, Dietrich Westermann bzw. Charles Seligman zu den Begründern der deutschen Afrikanistik bzw. der British Anthropology gehören. Viele ihrer Werke sind den Bestsellern der ethnologischen Wissenschaftsliteratur zuzuzählen. Seit den 1960er Jahren gibt es kleinere ideologiekritische Aufsätze, die die Hamitenfrage untersuchen.4 Eine umfassende Aufarbeitung, die den gesamten regionalen Teil auf den die Hamitentheorie angewandt wurde, steht in Erforschung und Deutung noch aus. In der kritischen Beleuchtung hat sich bislang ein inhaltlicher Wandel des Hamitenbegriffs bemerkbar gemacht. Verband man bis zur Zeit der Aufklärung mit den Hamiten 3 Im anglophonen Sprachraum setzte sich der Begriff “Hamitic” durch. 4 Beispiele dazu wären Saint-Clair Drake, Détruire le myth chamitique, devoir des hommes cultivés. Présence Africaine 24-25, 1959: 215-231; Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis: its origin and functions in time perspective. JAH 10, 4, 1969: 521-532. 7 ausschließlich die negride Bevölkerung, betonte man seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein vermeintlich weißes Element in den schwarz-afrikanischen Bevölkerungsgruppen vorfinden zu wollen und assoziierte dieses fortan mit dem Hamitenkomplex. Sie wurden als weiß – also von kaukasischer Herkunft – angesehen. Neuere Beiträge aus Deutschland stellen die Genese der „Hamitenwissenschaft“ in vielfach ahistorischer Sichtweise in die Nähe der antisemitisch determinierten NSWissenschaft. Der bedeutende sendungspolitische Aspekt des Kolonialismus und dessen politische Instrumentalisierung auf die Gesellschaften Afrikas fanden bislang kaum Beachtung in der wissenschaftsgeschichtlichen Literatur.5 Diese Tendenz ist umso bemerkenswerter, da einige jüngere Ethnologen Großbritanniens als eine der schwerwiegenden Ursachen des 1994 von der Hutu-Miliz an den Tutsi in Ruanda begangenenen Völkermordes die Hamitentheorie anführen.6 Eine umfassende Untersuchung muss deshalb von einer Gegenüberstellung der britischen und deutschen Hamiten-Konzepte ausgehen. Die Geschichtsbetrachtung Afrikas während der Kolonialzeit, das heißt die Geschichte des Wirkens der Europäer in Afrika, stellte den sogenannten zivilisatorischen Beitrag Europas in den Mittelpunkt. Eine zentrale Tendenz dieser kolonialen Geschichtsschreibung war die Rückführung allen Fortschritts in Afrika auf den Beitrag von eingewanderten Gesellschaften. Einwandernde hamitische viehzuchttreibende Nomadenvölker wurden als die eigentlichen Kulturträger bezeichnet, welche die rückständigen „Neger-Ackerbaugesellschaften“ transformiert hätten. Ein Hauptaspekt der Untersuchung wird daher die kolonialpolitische Instrumentalisierung der Hamitentheorie für die Vorherrschaft einer „weißen“ Siedlergesellschaft in Afrika sein. Hierbei erfolgt die Sichtung einschlägiger Berichte der britischen Kolonialgouverneure, in wie weit die Hamitentheorie als Rechtfertigung des indirekten Herrschaftsapparates herangezogen wurde und auf eine Spannung von Traditionalisierung und Fortschritt afrikanischer Gesellschaften und deren Geschichte setzte. 5 Michael Spöttel, Hamiten. Völkerkunde und Antisemitismus…, 1996; ausgenommen hiervon wäre Franz Rottmann, Hamiten, Neger, Négritude. Zur Geschichte einer afrikanischen Klassifikation. Paideuma 42, 1996: 53-63. 6 Peter Rigby, African Images. Racism and the End of Anthropology…, 1996. 8 2. Methode und Zielsetzung 9 Zu einer umfassenden wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung ergibt sich folgende Problemlage: Die Hamitentheorie hatte ihre Blütezeit, als die Vorherrschaft der Europäer in Afrika nach ihrem erreichten Höhepunkt stagnierte, und die europäischen Kolonialreiche in Afrika durch selbständige afrikanische Nationalstaaten abgelöst wurden. Für die Urteilsbildung einer wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung ist zunächst festzuhalten, dass die Hamitentheorie keinerlei historische Basis aufweisen kann, denn die hypothetische Einwanderung baut nicht auf stichhaltigen archäologischen Artefakte auf – sie hat jedoch mindestens ein Jahrhundert lang das Geschichtsdenken der Kolonialhistoriker, der Ethnologen und Anthropologen wie der Linguisten beschäftigt und brachte ein ganz spezifisches Afrikabild hervor, dass dem afrikanischen Menschen keinerlei Kultur- und Geschichtsleistung zuschreiben wollte. Die Hamitentheorie ist in der Nachkriegszeit aufgegeben worden. Der Begriff „Hamiten“ wurde aus der wissenschaftlichen Literatur zwar getilgt, im populärwissenschaftlichen Schrifttum lebt er jedoch ungebrochen weiter – ein Blick in das moderne Kommunikationsmittel Internet beweist diese Behauptung schlagend. Manche Linguisten halten am Begriff noch fest, jedoch mehr terminologisch als theoretisch. Die wissenschaftsgeschichtliche Rekonstruktion des Hamiten-Mythos erfolgt aus ihrem jeweiligen zeitgeschichtlichen Zusammenhang, wobei von einem historisch-chronologischen Entwicklungsprozess ausgegangen wird. In der Darstellung spannt sich der Bogen von den ideengeschichtlichen Wurzeln des Hamiten-Mythos, vom antiken und biblischen Weltbild ausgehend bis hin zur Etablierung als wissenschaftliche Theorie in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Um die einschlägigen Positionen aus den anthropologischen Fächern wie physische Anthropologie, Prähistorie und Ethnologie sowie der Afrikanistik und der Geschichtswissenschaft einholen zu können, wurden Quellen auch über den Fachbereich der Ethnologie hinausgehend eingesehen. Diese sind nach ihren wissenschaftstheoretischen Bezügen geortet, wie deren interdisziplinäre Beeinflussungen und Verzahnungen aufgezeigt werden. Um den Bedeutungsgehalt des Hamitenschrifttums in einen umfassenderen wissenschaftsgeschichtlichen Kontext zu stellen, werden in einem dritten Teil eurozentrische Geschichtsmythen Afrika betreffend exemplifiziert. Nach der Durchsicht der in Wien vorhandenen Literatur wurden zunächst die Fachbibliotheken des Royal Anthropological Institute [RAI] am Museum of Mankind in London benutzt. Nahezu vollständig konnte dabei das anthropologisch-ethnologische Schrifttum zu Alfred Cort Haddon, Grafton Elliot Smith sowie Charles Gabriel Seligman herangezogen werden, die als „Gründerpersönlichkeiten“ der British Anthropology gelten. Überaus nützlich im Hinblick auf die Genese des britischen Heliozentrismus erwies sich das neupublizierte Archivmaterial zu Seligman im Archiv der London School of Economics 10 [LSE]. An der School of Oriental and African Studies [SOAS], dem Sprachinstitut der University of London, konnte der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Vertreter der deutschen Afrikanistik bzw. der britischen African Studies während der Zwischenkriegszeit miteinander in Verbindung standen. Anhand der einschlägigen Publikationen in der Bibliothek der University of Cape Town [UCT] konnte festgestellt werden, dass die Hamitenfrage in Südafrika weniger im Kontext des altägyptischen Heliozentrismus stand, sondern viel mehr im praktischen Interesse der ethnischen Klassifizierung Südafrikas. Dieses „Forschungsprogramm” während der Apartheidszeit [1948-1994] schloss die verschiedenen anthropologischen Einzeldisziplinen mit ein, deren Wissenschaftstraditionen nachzugehen war. Vor Ort ließen sich in den Museen in Bloemfontein und in Pretoria die bedeutendsten paläoanthropologischen Funde Südafrikas studieren. Der heutige Betrachter steht bei dem ins uferlose gehenden Schrifttum über die Hamiten praktisch vor einem Trümmerhaufen. Für die Rekonstruktion der Hamitentheorie wurde daher zunächst eine umfassende Bibliografie erstellt. Hierbei konnte auf verdienstvolle Einzelarbeiten zurückgegriffen werden.7 Das Ziel meiner vorliegenden Studie ist nicht die Behauptung, dass die Hamiten einen objektiven Seins-Status im wissenschaftlichen Sinn besitzen, sondern die Beweisführung, wie den Hamiten als soziales und intellektuelles Konstrukt über die Jahrhunderte hinweg eine vermeintliche Existenz zugesprochen wurde und so ihren realen Platz in der Wissenschaftsgeschichte einnehmen sollten. In diesem Sinne ist auch der gewählte Begriff „Mythos” zu verstehen.8 Im Gegensatz zur logischen Erkenntnis bildet der Mythos keine Urteile, sondern will Realitäten darstellen, für die er keine rationalen Beweise zu erbringen braucht. Ob Anknüpfungspunkte, Ähnlichkeiten bzw. 7 Als Beispiele sind zu nennen: erstens die eingesehenen Bibliografien zu den einzelnen Regionen, wie diejenige von Marcel d’Hertefelt etwa zu Ruanda und Burundi, zweitens die Quellenangaben des einschlägigen hamitischen Schrifttums, wie Egon von Eickstedt, Das Hamitenproblem. Homo 1, 1949/1950: 105-123 und drittens schließlich die publizierten Werksverzeichnisse zu den einzelnen Autoren, wie Gerhard Böhm, Schriftverzeichnis von Leo Reinisch…, 1987: 333-340. 8 An dieser Stelle ist auch auf den von Fritz Kramer geprägten Begriff „imaginäre Ethnografie” zu verweisen, ein seit den 1970er Jahren eigens herausgebildeter wissenschaftsgeschichtlicher Zweig innerhalb der deutschsprachigen Ethnologie; vgl. dazu das grundlegende Werk von Fritz Kramer, Verkehrte Welten. Zur imaginären Ethnographie des 19. Jahrhunderts…, 1977 und auf Afrika bezogen der Aufsatz von Bernhard Streck, Äthiopen und Pelasger. Zu den Quellen der imaginären Ethnographie. Paideuma 42, 1996: 169-181. 11 Unterschiede zum bislang gut aufgearbeiteten „Arier-Mythos”9 bestehen, werden die folgenden Kapitel zeigen. 9 Das heute in mehreren übersetzten Sprachen vorliegende Werk von Léon Poliakovs “Le Mythe aryen” (1971) zählt zu den Klassikern der anthropologischen Wissenschaftsgeschichte; siehe dazu auch das Kapitel “The role of the Aryans in history” in Gordon Vere Childe, The Aryans. A Study of Indo-European Origins…, 1926: 207-212. 12 I. Kapitel Ideengeschichtliche und soziohistorische Bedingungen des Hamiten-Mythos 13 1. Der Fluch Noahs in der Bibel, dem Talmud, dem Koran und das Erbe der Antike Ideengeschichtlich nimmt der Hamiten-Mythos seinen Ausgangspunkt in der Bibel. Die Hamiten leiten sich von Ham ab, einer der drei Söhne des Noah. Sem, Ham und Japhet, „von ihnen kommen”, so heißt es in der Genesis, 1. Moses 9: 19, „alle Menschen auf Erden her.” Sem und Japhet waren rechtschaffen und gottesfürchtig, Ham war dagegen ohne Schamgefühl, als er seinen betrunkenen Vater entblößt in seinem Zelt liegen sah. Anstatt erste Hilfe zu leisten, erzählte er diesen Vorfall seinen beiden älteren Brüdern, die daraufhin mit abgewandtem Blick und rückwärts gehend die Blöße ihres Vaters mit einem Kleid zudeckten. Als nun Noah von seinem Rausch erwachte und von dem Vorfall erfuhr, sprach er über seinen jüngsten Sohn Ham: „Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte! Gott breite Japhet aus und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan sei sein Knecht.” [Abb. 4, 5]10 Die Interpretation des vermeintlichen Vergehen Hams und die Erörterung der Frage, weshalb dieser Fluch Kanaan und nicht Ham traf, wäre für unser Thema irrelevant, wenn nicht beide Motive in der Folge auf den Kontinent Afrika und seine Bewohner projiziert worden wären.11 Eine wesentliche Eigenheit der biblischen Völkertafel ist, dass sie dynastische, sprachliche, völkische und geografische Klassifizierungen vermengt. Entsprechende Zuordnungen lassen sich daher nur bedingt ableiten, obgleich sie mitunter im Bibeltext bereits vorkommen. Ham wird in den Psalmen poetisch mit dem Land der Ägypter gleichgesetzt: „Und Israel zog nach Ägypten, und Jakob ward ein Fremdling im Lande Hams.”12 Obwohl sich die Datierung dieser Bibelstelle als schwierig erweist, wird die Verknechtung der Israeliten und ihr anschließender Exodus aus „dem Lande Hams” sichtbar angedeutet.13 Offensichtlich scheint Ägypten in der Bibel als das Kerngebiet der hamitischen Genealogie auf. Bemerkenswert bleibt, dass im Text der gesamten Bibelpassage Ham nicht mit den unterworfenen Knechten, sondern mit den herrschenden Sklavenhaltern identifiziert 10 Genesis, I. Mose 9, 26; sämtliche Bibelpassagen sind der Merian-Bibel mit der 1964 revidierten Textform entnommen. 11 Die umfassendste Arbeit zu dieser Thematik kommt vom 1913 geborenen Emeritus des theologischen Instituts der Universität Utrecht, Jan M. van der Linden, Over noach met zen zonen. De Cham-ideologie en de leugens tegen Cham tot vandaag…, 1993; Jean-Paul Messina, La bible et le destin du people noir. Essai de reflexion critique sur le mythe de la malediction de cham. Melanges de science religieuse 53, 2, 1996: 183-199. 12 13 Psalm 105: 23; siehe auch Psalm 105: 27; 106: 22. Gemeinhin wird die Datierung des Auszugs von Ägypten nach Kanaan mit 1280 v. Chr. angenommen; z. B. Immanuel Geiss, Geschichte griffbereit…, 1979 I: 38. 14 Abb. 4 Die Trunkenheit des Noah. Ham sieht die Blöße seines Vaters während Sem diese mit einem Tuch abdeckt; Japhet wendet beschämt seinen Blick ab. Hartmann Schedel, Liber chronicarum…, 1493. Abb. 5 Die bildliche Darstellung des vermeintlichen Vergehens von Ham findet infolge der Arbeiten des Schweizer Kupferstechers Matthäus Merian [1593-1650] starke Verbreitung. Merian-Bibel, Mitte 17. Jhd. 15 wird, einem in der Bibel unkommentierten Widerspruch.14 Der hellenisierte jüdische Stoiker Philon von Alexandria [20 v.- ca. 45 n.Chr.] mag aus diesem Zwiespalt wohl seinen moralischen Schluss gezogen haben, wenn er Sem kategorisch als das „Gute”, Cham als das „Böse” und Japhet als das „Undifferente” bewertete. “These names are symbols of three things in nature”15, wie Philon nun die wesentlichen Eigenschaften der Noachiden für die Gelehrten-Nachwelt festsetzte. Den Veränderungen politischer Grenzziehungen entsprechend werden den Noachiden in späterer Zeit geografische Bezeichnungen hinzugefügt. Auffallend ist, dass in der jüdischchristlichen Rezeption die Landnahme der drei Noachiden „über die ganze Erde” sich zunächst – mehr oder weniger – auf den vorderen Orient beschränkt. In den „Jüdischen Altertümern” des Geschichtsschreibers Joseph Flavius [ca. 37-100] beispielsweise „nahmen des Chamas Söhne das Land in Besitz, welches sich von Syrien und den Bergen Amanus und Libanon bis ans Meer und den Ozean erstreckte.”16 Die Gleichsetzung Ham und Afrika kommt in der jüdischen Tradition selbst in christlicher Zeit also noch nicht vor. Ähnliches lässt sich bei Epiphanius [315-403], Bischof von Salamis und Kirchenlehrer finden. Bei ihm tritt der moralische Aspekt des Fluches zunächst in den Hintergrund. In seiner Schrift „Der Festgeankerte” spricht der Bischof davon, dass Noah von seinen Söhnen einen Eidesschwur eingefordert und danach durch das Los die ganze Erde als Erbe rechtmäßig verteilt hätte. „Dem Erstgeborenen Sem fiel als Anteil das Land Persien und Baktrien bis Indien und das Gebiet von Rhinokurura bis Gadeira gegen Süden zu; dies liegt in der Mitte zwischen Ägypten und Palästina gegenüber dem Roten Meer [also das heutige Saudi-Arabien]. Cham, der zweite, bekam das Gebiet von Rhinokurura bis Gadeira gegen Süden zu; Japhet, der dritte Sohn, das Land von Medien bis Gadeira und bis zu den Rhinokulturen gegen Norden.”17 Rhinokurura, der Ort, in dem die Verlosung stattgefunden haben soll, stellt die Grenzzone zwischen Ägypten und Syrien dar, die gleichzeitig auch geografisch die Hamiten von den Semiten scheidet. Die mitten in der Wüste liegende Stadt soll der Legende nach von einem ägyptisch-äthiopischen König gegründet worden sein.18 Von gewichtigerer Bedeutung ist aber, dass Epiphanius als erster den Versuch durchführt, Sprachenteilung und 14 Vgl. dazu auch Hans Walter Wolff, Anthropologie des Alten Testaments…, 51990 [orig. 1970]. 15 Philo, Quaestiones et Solutiones in Genesin. In: Supplement I, Book I: 55; vgl. auch Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 I: 170. 16 17 Joseph Flavius, Jüdische Altertümer…, 1899 I: 6, 34. Epiphanius, Der Festgeankerte… In: O. Bardenhewer (Hrsg.), Des Heiligen Epiphanius von Salamis Erzbischofs und Kirchenlehrers ausgewählte Schriften…, 1919: 171. 18 Beer, Rinocorura. In: Paulys Realencyclopädie…, 1914: 841-842. 16 Völkertrennung als einen menschlichen Vorgang zu beschreiben, der des göttlichen Eingriffs gar nicht bedurfte.19 Es ist hervorzuheben, dass die Vorstellung, wonach bestimmte Erdteile den Noachiden20 zugewiesen werden, aus der Bibel generell nicht ableitbar ist. Epiphanius weiß dagegen zu berichten, dass Hams Nachkommen mit der zuvor aufgelisteten Gebietsaufteilung nicht zufrieden waren. „Der gewaltige Sohn”, so nennt Epiphanius den Kanaan, „[fiel] in das spätere Palästina oder Judäa ein, da Palästina und die umliegenden Landschaften durch das Los dem Sem zugefallen [waren] und raubte es.”21 Der leidenschaftliche Verteidiger der Heiligen Dreifaltigkeit und damit entschiedener Gegner der monophytischen „Irrlehren” Arians scheint den Aspekt der gewaltsamen Eroberung umgekehrt zu haben, da dem Bibeltext gemäß semitische Israeliten das von Gott verheißene Land Kanaan eroberten. Aus heutiger Sicht mag das Erscheinen von Kanaan und dessen Söhne, die südarabischen Patriarchen Sedan und Dedan innerhalb der Genealogie Hams überhaupt überraschen, da hinsichtlich linguistischer Kriterien jene zu den semitischen Sprachen gezählt werden. Die mit einem Fluch beladenen Nachkommen Hams werden also zunehmend mit der weltlichen Begierde, der Macht und der Gottlosigkeit in Verbindung gebracht, eine Auslegung, die vor allem beim Kirchenlehrer Aurelius Augustinus radikalisiert wird. Ein über eine Familie lastender Fluch könnte die Vorstellung erwecken, dass damit Unfruchtbarkeit einherginge. Das Gegenteil weiß die Bibel zu berichten. Die Hamiten erscheinen dort als der fruchtbarste Spross Noahs. Zunächst stimmt es zwar, dass bei Ham lediglich von vier Söhnen gesprochen wird; Sem hatte fünf und Japhet gar sieben Söhne. Von den im Bibeltext mit insgesamt 72 angegebenen Nachkommen des Noah werden Ham jedoch 31, Sem 27 und Japhet lediglich 14 zugeschrieben. Der verfluchte Kanaan zeugte allein bereits 11 Söhne.22 Dieser Aspekt ist deshalb bedeutsam, da Ham in der Folge nur einen kleineren Gebietsanspruch zugestanden erhielt, Sem dagegen kam das größte Gebiet zu. Der symbolische Bedeutungsgehalt der Zahl 72 geht aber bei näherer Betrachtung über die Sichtweise einer lückenlosen patriarchalen Dynastiereihe hinaus. Neben der jüdischen 19 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 I: 247-248. 20 Ich folge der Aussage von Borst, der auch von noachitisch spricht; Voltaire verwendete bereits „Noachide”. 21 Epiphanius, Der Festgeankerte… In: O. Bardenhewer (Hrsg.), Des Heiligen Epiphanius…, 1919: 173. 22 Am ausführlichsten dazu das Monumentalwerk von Arno Borst, Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker…, 21995 [orig. 19571963]. 17 Kabbala verlieh besonders die mittelalterliche Scholastik dieser Zahl eine hohe Bedeutung. Die 72 Bücher der Bibel, aber auch die älteste griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta (LXX), werden mit dieser Zahl assoziiert, da sie von 70 oder 72 Gelehrten bewerkstelligt worden sei. Neben der Vorstellung, der menschliche Leib wäre aus 72 Körperteilen zusammengesetzt, bildete die Zahl 72 bis in die Aufklärungszeit hinein eine Konstante für die Gesamtzahl aller Sprachen und Völker der Erde. Die Wortbedeutung von „Ham” ist unbekannt.23 Das mutet zunächst überraschend an, da für seine beiden Brüder eine solche bekannt ist: Sem wird mit „der Ansehnliche” wiedergegeben24 und Japhets Name ist mit der Kausativform des hebräischen “pata” [weitmachen] verknüpft.25 Dennoch haben sich um das hebräische Wort „Ham” zahlreiche etymologische Auslegungen gerankt. Der österreichische Arabienreisende Eduard Glaser [1855-1908] beispielsweise identifizierte es mit „Amu”, dem ägyptischen Namen für die Beduinen und erblickte in den noachidischen Patriarchen Gottheiten.26 Andere wagten gar, Ham als eine Abkürzungsform von Hammurabi zu deuten, nach dem Namen des frühen babylonischen Königs. Die eine Richtung orientierte sich am Problemkreis der Herkunft der Viehzucht in Afrika, die andere an der historischen Tatsache, dass die Assyrer unter Hammurabi das Land Kanaan erobert hatten, und jene infolge dessen zu „Hamiten” geworden wären.27 Derartig waghalsige Auslegungsversuche sind bereits im frühen Christentum, bei den Kirchenvätern zu finden. Der aus Dalmatien stammende Heilige Hieronymus [ca. 347-419/420] übersetzte das Wort „Ham” ins Lateinische schlicht mit “calidus”, was soviel wie „das Heiße” bedeutet. Dies kommt der eurozentrischen Sichtweise für den Kontinent Afrika als das „Land im heißen Süden” bereits nahe. Bis dahin gab es eine Vielzahl lateinischer Versionen des Bibeltextes, die zum Teil nicht unwesentlich miteinander differierten. Die von Hieronymus in 25jähriger Arbeit bewerkstelligte lateinische Übersetzung der gesamten Bibel aus dem Hebräischen – die vulgata [allgemeiner Text] –, gewann bereits bei seinen Zeitgenossen kanonische Gültigkeit. Die Kirchenväter orientierten sich bei ihren Auslegungsversuchen jedoch mehr an moralischen Wertmaßstäben, weniger an geografischen Begrifflichkeiten. Der Heilige Aurelius Augustinus [354-430] folgte als Kirchenvater der fragwürdigen Übersetzungsstelle von Hieronymus und in der Auslegung 23 Herbert Lang (Hrsg.), Ham. In: Bibellexikon…, 1956: 284. 24 Herbert Lang (Hrsg.), Sem. In: Bibellexikon…, 1956: 1503. 25 Herbert Lang (Hrsg.), Japhet. In: Bibellexikon…, 1956: 777. 26 Eduard Glaser, Jehowah-Jovis und die drei Söhne Noah’s…, 1901; diesbezügliche Vorarbeiten veröffentlichte Glaser bereits 1891 in der Zeitschrift „Das Ausland”. 27 T. K. Cheyne; J. Sutherland Black (Hrsg.), Ham. In: Encyclopaedia Biblica…, 1901. 18 des Bibeltextes seines 22bändigen Werkes „Der Gottesstaat” fügte er das Element der Häresie hinzu. Darin stellte sich für Augustinus die Frage „[…] bedeute er [Ham] nicht das hitzige Geschlecht der Häretiker, deren Glut nicht die Glut des Geistes der Weisheit, sondern die der Unduldsamkeit ist, in der das Innere der Häretiker so häufig kocht, um den Frieden der Frommen zu stören.”28 Augustinus scheint hier, die moralisierende Sichtweise vom bösen Ham des Philon weiter ausgeschmückt zu haben. Die christliche Exegese, stets um die Tilgung falscher Deutungsversuche bemüht, sieht also in Ham die Quelle der Herkunft sämtlicher Irrlehren. Dieser Aspekt wird noch radikalisiert, da Augustinus angibt, Ham wäre über die Blöße des Vaters nicht mit Stillschweigen hinweggegangen, sondern hätte sie seinen Brüdern obendrein noch verraten.29 Als einer der einflussreichsten christlichen Denker wird er von afrozentristischen Vertretern gerne als der „erste Kirchenlehrer Afrikas” hingestellt.30 Augustinus, in Thagaste im heutigen Algerien geboren, kam im Gegensatz zu Hieronymus aus bescheidenen Verhältnissen, seine Mutter Monika war Christin, er selbst war erst bei seiner Mailandreise 387 zum Christentum übergetreten. In seinen jungen Jahren war Augustinus eigentlich neun Jahre Mitglied der gnostischen Manichäersekte. Erst sein Bekehrungserlebnis sollte ihn zum entschiedenen Gegner häretischer Gruppierungen machen. Nach seinem erstellten Ketzerkatalog gab es achtundachtzig verschiedene häretische und schismatische Gruppen in der Kirche seiner Zeit. Seine zentrale Auseinandersetzung mit den häretischen Bewegungen galt dem entschiedenen Kampf des Donatismus, einer nach 300 in Nordafrika entstandenen, nach dem Bischof Donatus von Karthago (gest. um 355) benannte Sonderkirche. Mit ihrer eigenen Hierarchie und Gemeindeorganisation wie mit ihren sozialreformerischen Ideen bildete der Donatismus zeitweise eine religiöse und innenpolitische Gefahr innerhalb des im Zerfall begriffenen Imperium Romanum. Das 19. Jahrhundert übersetzt das “calidus” des Augustinus gar mit „der Schlaue […], der sich von seinen Brüdern abgesondert hat, und sich mit glühendem Herzen der Häresie hingab.”31 Jedoch nicht nur das Ketzertum wurde mit dem Noachiden Ham verwoben, auch als Ahnherr der sexuellen Laster steht er da. Der für die Entdeckungsreisen interessante Landgeistliche aus Essex, Samuel Purchas [ca. 1575-1626], unterstellte Ham, mit sämtlichen 28 Aurelius Augustinus, De civitate dei…, 1979 Liber XVI, 2: 97, 29 Aurelius Augustinus, De civitate dei…, 1979 Liber XVI, 1: 95. 30 Beispielsweise Robert E. Hood [1936-1994], Direktor für “African-American Studies” an der US- amerikanischen Adelphi Universität, Begrimed and Black. Christian Traditions on Blacks…, 1993. 31 Zitiert nach der Übersetzung der Kösel’schen-Ausgabe „Bibliothek der Kirchenväter”, 1879 III: 334. 19 nach der Sintflut als schändlich geltenden Sexualpraktiken vertraut gewesen zu sein: “Sodomie, Incest, Buggery: and was therefore branded with the name Chemesenna, that is, Dishonest Cham [hervorgehoben im Original].”32 Der englische Barockdichter John Milton [1608-1674] thematisierte unter dem Eindruck der englischen Revolution den Einbruch des Bösen in die menschliche Seele als Weltthema. Im letzten Buch seines christlichen Blankvers-Epos “Paradise Lost” (1667) erscheint der Hamitenfluch im Zusammenhang der göttlich vorherbestimmten Tyrannei. Göttliche Gerechtigkeit degradiert den Knecht aller Knechte zur „bösartigen Rasse”: “But Justice, and some fatal curse annext Deprives them of their outward liberty Their inward lost: Witness th’irreverent Son [respektlos] Of him who built the Ark, who for the shame Done to his Father, heard this heavy curse, Servant of Servants, on his vicious Race.”33 Selbst nach der Aufklärungszeit, in der deutschen Romantik, konnte die Ham-Mythe noch als Metapher für opportunen Sophismus verwendet werden. Als Clemens Brentano [1778-1842], ein Vertreter der Heidelberger Romantiker, 1810 nach Berlin übersiedelte, setzte er die Berliner mit den Philistern gleich, vergaß aber nicht anzumerken, dass die Philister Hamiten wären, die nach Meinung vieler Gelehrten „hauptsächlich den Turmbau zu Babel betrieben, dessen dumme Hoffart ihnen ganz ähnlich sieht, und ich zweifle gar nicht daran, da das verwirrte Schwätzen der Philister heutzutage noch nach der babylonischen Sprachverwirrung schmeckt.” Nach Brentano wäre im nüchternen Realitätssinn der Berliner Literaten der Fluch an Hams Nachkommen wahr geworden.34 Die Folgen derartiger Bedeutungswandel hinsichtlich der Namenentschlüsselung des Noachiden hätten sich in Grenzen gehalten, wenn nicht noch der Aspekt der „Schwarzheit” mit all seinen negativen Nebenassoziationen hinzugekommen wäre. In Anlehnung an die schwarze, fruchtbare Nilerde wurde Ham mit dem Eigennamen Ägyptens “Km-t”, „das schwarze Land” in Verbindung gebracht.35 Der davon abgeleitete und später rassisch gedeutete Begriff „Schwarzafrika“ war also zunächst auf das Niltal beschränkt und bezeichnete einen realen Sachverhalt. „Chemia, wie das Schwarze im Auge”, beschrieb der 32 Samuel Purchas, His pilgrimage, or relations of the world…, 31617: 714. 33 John Milton, Paradise Lost…., 1989 [Orig. 1667] XII: 283. 34 Clemens Brentano, Der Philister vor, in und nach der Geschichte. In: Hermann Hesse (Hrsg,), Brentano als Erzähler…, 1998: 280; vgl. Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 2: 1559. 35 Karl R. H. Frick, Die Erleuchteten…, 1973: 67. 20 Neuplatoniker Plutarchos von Chaironeia [45- ca. 120] das Land Ägypten, als er nach seinen ausgedehnten Reisen von dort zurückkehrte und verlieh damit dem Begriff bereits gewisse anthropomorphe Züge. Im Übrigen beschränkte sich Plutarchos diesbezüglich auf Gottheiten, wenn auch seine Behauptung, der Pflanzengott Osiris sei schwarzhäutig gewesen, bereits die Vorstellung weckt, das ägyptische Pantheon wäre afrikanischen Ursprungs.36 Der Ausdruck í für Ägypten setzte sich zwar nicht durch, das Wort lebte jedoch in seiner arabischen Form „al-chemie” fort, wodurch auch die Erinnerung des Ursprungsgebietes der mittelalterlichen „Schwarzkunst” aufrecht erhalten blieb. Im sechsten nachchristlichen Jahrhundert erinnert allein die latinisierte Schreibweise “Kam” für die geografische Eigenbezeichnung der Ägypter an den Noachiden. Dieser neue etymologische Zusammenhang findet sich erstmals beim spätantiken Kompilator Isidorus Hispalensis [ca. 560-636], der das „schwarz-ägyptische” Kam auf den alttestamentlichen Ham zurückführt und es mit dem “calidus” des Heiligen Hieronymus vermischt. Im “De Deo, Angelis et Sanctis”, dem siebenten Buch seiner 20bändigen “Etymologiarium” heißt es: “Cham calidus, et ipse ex praesagio futuri cognominatus. Posteritas enim eius eam terrae partem possedit, quae vicino sole calentior est. Unde et Aegyptus usque hodie Aegyptiorum lingua Kam dicitur.”37 Es kommt also zu einer Synthese der jüdisch-christlichen Tradition mit jener der griechisch-römischen. Ideengeschichtlich ist damit erstmals ein semantischer Zusammenhang des biblischen Noachiden mit dem heißen Schwarzafrika gegeben. Der daraus abgeleitete und noch heute verwendete geografische Begriff „Schwarzafrika” für den Großraum „südlich der Sahara” erscheint damit als Relikt dieser Traditionskette. Da er jedoch seit dem 19. Jahrhundert eng mit dem Rassenbegriff in Zusammenhang steht und im Übrigen jeglicher empirischen Grundlage entbehrt, wird er von manchen 38 Afrikahistorikern vehement abgelehnt. Fest steht, dass der fragwürdige Begriff in seiner im portugiesisch-spanischen Sprachraum eingeführten lateinischen Entsprechung für die Bezeichnung eines Flusses und zwei souveränen Nationalstaaten in Westafrika bis heute 36 Der Osiris-Mythos in griechisch-deutscher Übersetzung und kommentiert in Theodor Hopfner, Plutarch über Isis und Osiris. Monographien des Archiv Orientální 9, 2, 1940: 155. 37 Isidori Hispalensis Episcopi, De Deo, Angelis et Sanctis. Libri VII, 6, 17. In: Etymologiarum Siue Originum…, 1957; vgl auch Ernest Brehaut, An encyclopedist of the Dark Ages: Isidore of Seville…, 1912. 38 Dieser wird jedoch von afrozentrischen Historikern wie beispielsweise Joseph Ki-Zerbo, einem weit über sein Fach hinaus bekanntgewordenen Gelehrten aus Burkina Faso, bewusst hervorgehoben; vgl. dazu Joseph Ki-Zerbo, Histoire de l’Afrique Noire…, 1978 und die vom Hammer-Verlag in Wuppertal herausgegebene Übersetzung mit dem Titel „Geschichte Schwarzafrikas” (1979). 21 fortlebt: nämlich Niger und Nigeria. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der 1831 von den beiden Geografen Gregoire Louis de Rienzi und Dumont d’Urville eingeführte Name „Melanesien”, zu deutsch auch „Schwarzinselwelt” für den südwestlichen Großraum der Pazifik, deutlich von diesem schwarz-magischen Begründungszusammenhang abweicht. Das „Melanin”, abgeleitet vom griechischen “mélas”, zu deutsch „schwarz”, bezeichnet im Allgemeinen diejenige Farbe, die durch die enzymatische Oxidation der Aminosäure Tyrosin bei Tieren und Menschen entsteht. Wenn auch die dabei sichtbar werdenden Hautpigmente sich niemals „schwarz” präsentieren, ist immerhin ein empirisch feststellbarer Zusammenhang gegeben. Fragwürdig bleibt allerdings, warum die geografisch-rassische Wissenschaftssprache des 19. Jahrhunderts sich mit Vorliebe auf Afrika bezieht. Jedenfalls sind diesbezüglich denkbare Bezeichnungen wie „Rotamerika” oder „Gelbasien” in die Wissenschaftssprache nicht eingeführt worden.39 Der in Leipzig tätige Enzyklopädist Johann Heinrich Zedler [1706-1763] nennt 1733 in seinem Universallexikon Ham den „Erfinder der Chymie und Alchymie” und begründet dies dahingehend: Ham sei „nachdem er sich an seinem Vater vergriffen, gantz schwartz worden, daher noch bis ietzo unter seinen Nachkommen so viel schwartze Völcker seyn sollen.”40 Dabei hebt der Universalgelehrte hervor, dass dem Bibelfluch ein „ziemliches Gewicht” beizumessen wäre, da „die Schwartzheit” „weder die Chinesen noch die amerikanischen Völker haben, obleich diese mancherorts in der gleichen Klimazone leben würden, zutrifft.”41 „Denn nachdem ihn Noah verfluchet, wäre der Fluch alsbald dermassen an ihm geblieben, dass er zum Zeichen dessen von Stund an eine kohlschwartze Haut bekommen, dieselbe behalten, und auf seine Kinder und Nachkommen, fortgepflanzet und daher wären die schwartzen Mohren kommen.”42 Die frühchristliche Tradition kennt, wie bereits gezeigt wurde, die „schwarzen Hamiten” zwar noch nicht, ein Zusammenhang besteht jedoch mit der Alchemie, jener „schwarzen Kunst”, aus der zahlreiche gnostische Lehren entstanden sind. Johannes Cassianus, Mönch und Kirchenschriftsteller [um 360-435] meditierte 10 Jahre lang in der nitrischen Wüste in Ägypten, bevor er den Entschluss fasste, in Marseille ein Männerkloster zu gründen und seine Mitwelt über die hintergründigen Zusammenhänge der Sintflut informiert. Nach Ansicht des Mönchs fühlte sich Ham stets in verwegener Weise 39 Ausnahmen bilden dahingehend beispielsweise das mit Chinesen assoziierte „Gelbe Meer” bzw. der „Gelbe Fluss”; davon überhaupt auszuklammern sind etwa das „Rote Meer” – rot wie die Wüstenfarbe – und das „Schwarze Meer”. 40 Johann Zedler, Nigritien. In: Großes vollständiges Universal-Lexikon…, 1740 XXIV: 887-891. 41 Johann Zedler, Nigritien. In: Großes vollständiges Universal-Lexikon…, 1740 XXIV: 887-891. 42 Johann Zedler, Nigritien. In: Großes vollständiges Universal-Lexikon…, 1740 XXIV: 887-891. 22 von den geheimnisvollen Zauberkünsten angezogen, deren Inhalte er akribisch niederzuschreiben pflegte. Cassianus weiß nun zu berichten, dass Ham kurz vor der Sintflut diese „unschändlichen Künste und unheiligen Erklärungen” auf Metallplatten geschrieben und danach eingegraben hatte, um sie auf diese Weise für die Nachwelt zu erhalten. Cassianus schließt daraus, dass Hams „Blendwerk des Aberglaubens” sich von Kain über Seth auf Ham und seine Nachkommen, allesamt dem „gottlosen Geschlechte angehörig”, übertragen hätte. „Cham” ist im Index einer deutschen Übersetzung gar als der „Vater der Zauberei” angeführt.43 Unmissverständlich deutet Cassianus auf die zu seiner Zeit in großer Zahl auftauchenden gnostischen Gruppen hin, die wie die frühchristliche Gemeinde um ihre Anerkennung zu kämpfen bemüht war. Genauso offenbart sich darin bereits der von Augustinus viel propagierte Dualismus, wonach die Menschen in zwei Gruppen geteilt werden: in „die eine, die nach dem Menschen, [und in] die andre, die nach Gott lebt.”44 Da nach Augustinus mit Kain, der erste Gründer eines irdischen Staates, gleichzeitig auch ein Brudermörder war, wären alle Menschensöhne, die zu diesem Staat gehören und nicht nach Gott leben, zur Verdammnis verurteilt. Im 19. Jahrhundert werden die Hamiten zum „gottlosen” und „herrschsüchtigen” Volk abgestempelt. Die von Cassianus angegebenen „Schriftplatten” geben einen klaren Hinweis auf die von Ägypten ausgegangene Alchemie. Allgemein sieht sich die Alchemie als eine „hermetische Kunst”, deren Urheber meist der mythischen Figur Hermes Trismegistos zugeschrieben wird. Der Inhalt eines nur mehr in lateinischer Sprache erhaltenen Textes war der alchemischen Tradition gemäß auf steinernen Tafeln eingegraben. Der Inhalt der so bezeichneten “Tabula Smaragdina” wird auch als Schlüssel des alchemischen Verständnisses genannt. Die Ägypter identifizierten den Ahnherrn der Alchemie mit Thot, dem Bringer der Schriftkunst; die Griechen setzten ihn in ihrem Pantheon mit dem Götterboten Hermes als Schutzpatron der Reisenden und Kaufleute gleich, bei den Römern wurde Hermes schließlich zum Mercurius. Die hermetische Wissenschaft bildete im Laufe der Zeit ihre eigenen Traditionen. Rein historisch gesehen wird Hermes Trismegistos mit dem aus Alexandrien stammenden Priester Hermon gleichgesetzt, der im ersten nachchristlichen Jahrhundert lebte. In der frühchristlichen Phase ist also ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Ham der Bibel und den häretischen Lehren gegeben, der in späterer Folge durch die duale Unterscheidung der magischen Wissenschaften in eine „schwarze” und eine „weiße” verstärkt und zusehends mit diabolischen Attitüden versehen wurde. Der Begriff 43 Johannes Cassianus 1879 I: 533 in: Sämmtliche Schriften des ehrwürdigen Johannes Cassianus aus dem Urtexte übersetzt. In der Reihe: Kösel’sche Bibliothek. 44 Aurelius Augustinus, De civitate dei…, 1979 Liber XV 1: 3. 23 „Schwarzmagie” bewertete ja zunächst nichts Negatives. Er beschrieb lediglich das schmutzige Aussehen eines Alchemisten, hervorgerufen – als unangenehme Begleiterscheinung – durch seine metallverarbeitende Tätigkeit. Die Verwendung gefährlicher Giftsubstanzen führte dabei nicht selten zu körperlichen Verunstaltungen. Der „Klumpfuß des Saturn” wurde in der hermetischen Tradition stets mit dem giftigen Schwermetall Blei in Verbindung gebracht und mit dem Tod versinnbildlicht.45 Das bisher Dargelegte spricht also dafür, dass der biblische Fluch Kanaans bei den frühen Kirchenlehrern die Funktion erfüllte, die Bekämpfung der Häretiker plausibel erscheinen zu lassen. Dieser Zusammenhang lässt sich bereits in „vorsintflutlicher Zeit“ am Bibeltext festmachen. Kain trifft der Fluch, als er seinen Bruder Abel erschlug, da Gott zuvor dessen dargebrachtes Opfer nicht gewürdigt hatte. Den frühchristlichen Theologen erschien daher die Verfluchung Kanaans wie eine der göttlichen Vorsehung inszenierte Neuauflage der Verfluchung Kains. Erst die Freimaurerei des 18. Jahrhunderts wird die Söhne Hams von ihrem Fluch erlösen, indem sie den Noachiden mit der Hiramslegende in Zusammenhang bringt. Die Verbreitung der Behauptung, Ham wäre der Vater des legendären Königs Menes und damit Begründer der ägyptischen Dynastie, versetzte der althergebrachten Vorstellung des verfluchten und damit von Gott abtrünnigen Hamitengeschlechts den Todesstoß.46 Dies erscheint umso bemerkenswerter, da theologischerseits eigentlich, also aus der Perspektive des Neuen Testaments gesehen, der Fluch von Babel mit dem Pfingstfest als aufgehoben gelten müsste, als sich im Sprachenwunder Japhetiten, Semiten und Hamiten vereinten. Im christlichen Glauben erscheint Babel zwar als überwunden, nicht jedoch der lastende Fluch über Kanaans Söhne. Dieser wird erst durch das Sakrament der Taufe, im Zusammenhang der expandierenden christlichen Mission, aufgehoben. Nicht erst die Latiner verlegten den Kontinent Afrika in den Bereich der Sagen und Mythen, dies taten bereits die Griechen der Antike. Der Begriff Afrika war ihnen unbekannt, mit “Aithiopia” war ein nicht genau lokalisiertes legendäres Land im Südosten gemeint, das vom Titanen Okeanos – ein die Erde umgebener Weltstrom oder Ozean – umgeben ist. „Dies sind die Menschen am Rande”, heißt es in der Odyssee Homers von den „fernen Aithiopen”, „ihr Volk ist geteilt; bei den einen steigt Hyperion [Vater des Helios] empor, bei den anderen senkt er sich nieder.”47 Es wird dem Kulturmorphologen Leo Frobenius vorbehalten sein, bei 45 Hans Biedermann, Handlexikon der magischen Künste…, 1973; das „saturnische” Blei stand dahingehend in der untersten der siebenskaligen Entwicklungsreihe, die durch das „solare” Gold abgerundet wurde; auch auf Arsenvergiftungen ist zu verweisen. 46 Karl R. H. Frick, Licht und Finsternis…, 1978: 179. 47 Homer, Odyssee…, 91990 I: 23-25. 24 den „Aithiopen” den Ursprung seines hamitischen Sonnenkultes zu suchen.48 Das griechischmythologische Weltbild verlegte Aithiopien also in die östliche Ökumene, die bis nach Indien reichte. Noch in hellenistischer Zeit glaubte der Makedone Alexander bei seinem Vorstoß in das Industal, sich im Quellgebiet des Nils zu befinden.49 In der „Ilias” des Homer werden die „Aithiopier” vom griechischen Pantheon regelmäßig aufgesucht, um dort ihre Feste zu feiern: „Zeus ist nämlich hinab zum Okeanos zu den Aithiopen gestern speisen gegangen, von allen Göttern begleitet.”50 Hesiod kennt bereits äthiopische Helden, die er mit dem trojanischen Sagenkreis zu verknüpfen wusste. „Eos gebar dem Tithonen den Memnon in eherner Rüstung, ihn den König Aithiopiens…”51 Der Held Memnon, König Äithiopiens war der Sage nach der Sohn der Göttin der Morgenröte und kam den von den Griechen bedrängten Troern zu Hilfe, wurde aber von Achilleus getötet. Der erste anthropomorphe Hinweis findet sich bei Herodot, der „Aithiopia” als das „Land der Brandgesichter” bezeichnet, um auf die dunkle Hautfarbe der hiesigen Bevölkerung zu verweisen.52 Ähnlich wie Ham ist auch das Wort „Afrika” unbekannter Herkunft, wenn es auch Versuche gab, den Begriff im Bibeltext wiederzufinden.53 Joseph Flavius und Samuel Purchas beispielsweise leiteten Afrika nicht von Ham ab, sondern von „Epher” oder „Afer”, einem Nachkommen Abrahams, der aus der zweiten Ehe mit Ketura hervorgegangen war.54 Das lateinische „Africa” bezeichnete in römischer Zeit keinen Erdteil, sondern ein politisches Gebiet, das die Küstenebene nördlich der Sahara sowie den mittleren östlichen und westlichen Abschnitt des Atlasgebirges umfasste und in die Provinzen “Africa proconsularis”, “Numidia”, “Mauretania Caesarensis” und “Mauretania Tingitana” eingeteilt war.55 Dieser mythologische Kern des europäischen Afrikabildes wurde im Christentum im Wesentlichen beibehalten bzw. den veränderten Wertmaßstäben neu angepasst. Die Welt48 Leo Frobenius, Der Sonnenkult…, 1904. 49 Herman Bengtson, Griechen und Perser…, 1965: 301. 50 Homer, Ilias…, 91989 I: 423. 51 Hesiod, Theogonie…, 1991: 985. 52 Siehe dazu auch das ethnologische Standardwerk von Klaus E. Müller, Geschichte der antiken Ethnographie und ethnologischen Theoriebildung…, 1972/1980. 53 Vgl. Johann Zedler, Africa. In: Grosses vollständiges Universal-Lexikon…, 1732 I: 728-733; Johann Schmidt, Africa. In: Paulys Encyclopädie…, 1893: 713-715. 54 Vgl. 1 Gen. 25: 2-4; Flavius Josephus, Jüdische Altertümer…, 1899 I 15: 53; Samuel Purchas, His pilgrimage…, 31617: 703. 55 Die Numidii, Mauri und die Gaetuli galten den Römern als Barbaren und wurden zu „Berber” zusammengefasst. 25 und Wertvorstellungen des frühen europäischen Mittelalters brachten ein ganz spezifisches Afrikabild zu Tage. Menschen in „Afrika” und „Indien” wurden zumeist als am südlichen Erdrand lebende Monster vorgestellt.56 Der geozentrischen Lehre entsprechend, die von einer Erdscheibe ausging, bildeten die sogenannten Mondberge das Randgebirge des Südens, wo monströse Menschengruppen vermutet wurden: nämlich Zwerge und Riesen. Freilich hatten dieses Afrikabild bereits die geografischen Werke des kyrenäischen Eratosthenes [276-194 v. Chr.] und die des alexandrinischen Claudius Ptolemäus [100-160 n. Chr.] geprägt. Jene waren es, die die verheißungsvollen Mondberge mit der Ursprungsgegend des Nils verbunden hatten. Im jüdisch-christlichen Weltbild erscheint der Nil aber nun als einer der vier Ströme, die das Paradies bewässerten. Trotz der Säkularisierung hielt sich dieser bildliche Zusammenhang auf den Karten Afrikas bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. In den zahlreichen mittelalterlichen Landkarten – meist von arabischen Historikern überliefert57 –, erscheint die Erde als flache, annähernd kreisrunde Landmasse, durchzogen von Flussschläuchen und Gebirgszügen, umringt von Meeren und Seen. Ihre Umrisse haben wenig Ähnlichkeit mit der heute bekannten Gestalt von Asien, Europa und Afrika. Aus diesen Erdperspektiven hat sich ein vereinfachtes Grundschema entwickelt, die sogenannte T- oder Radkarte. Diese von den Babyloniern erfundene Darstellungsart geht anscheinend auf eine kulinarische Vorstellung zurück [Abb. 6]. Nach ihr ist die Erde ein aufgeteilter Kuchen. Das größte Stück davon, die gesamte östliche Hälfte entfällt auf Asien, je ein Viertelstück auf Europa und Afrika. Alle drei Stücke sind voneinander durch ein dickes T getrennt. Die bekannteste T-Kartenform stammt vom bereits genannten Isidor von Sevilla, der diese Einteilung den drei Noachiden zuordnet. Die gebietsmäßige Aufteilung ist bei Isidor jedoch nicht mehr wie bei Epiphanius gleichwertig und durch das Los bestimmt, sondern von vornherein ungleich verteilt. Sem bekommt zwei Viertel, da er der Erstgeborene ist, Japhet und Ham erhalten dagegen jeweils lediglich ein Viertel. “Divisus est autem trifarie: e quibus una pars Asia, altera Europa, tertia Africa nuncupatur. Quas tres partes orbis veteres non aequaliter diviserunt.”58 Der der T-Karte zugrundeliegende Horizontalbalken “mare magnum sine” steht für das Schwarze Meer bzw. für den Nil, 56 Vgl. dazu die 1240 entstandene Weltkarte aus dem Benediktinerkloster Ebstorf (Original 1943 verbrannt). Als Pilgerkarte ist sie geostet, die Stadt Jerusalem erscheint im Zentrum als der „Nabel der Welt”. 57 Zum Beispiel in den überlieferten Handschriften von Ibn Chaldun; wobei anzumerken ist, dass arabische Weltkarten gesüdet waren, das heißt: Afrika lag in der „oberen” Hemisphäre. 58 Isidori, De Terra et Partibus. In: Etymologiarum. Libri XIV, ii, 1. 26 während “mediterranum”, der Vertikalbalken, das Mittelmeer symbolisiert [Abb. 7].59 Die entworfene Karte des Erzbischofes von Sevilla ist wie alle anderen mittelalterlichen Landkarten gemäß der räumlichen Lokalisierung des Paradieses geostet. Seine Schriften bildeten die Hauptgrundlage für die Weltsicht des Mittelalters. Ham und seine Nachkommen, die der Bibeltext noch mit Ägypten identifizierte, sind nun geografisch auf den Kontinent Afrika als Ganzes festgeschrieben. Die Frage, wie die zuvor erwähnten merkwürdigen Monsterstämme nach Afrika gelangt waren und wie ihre Stellung zu den übrigen Völkern einzuschätzen wäre, stellte ein massives Problem für die forschenden Theologen dar. Stets um redliche Beantwortung bemüht, bedienten sie sich des Bibeltextes einerseits und den Überlieferungen aus der Antike andererseits. Der Historiker Plinius der Ältere [23/24-79] hat in seiner 37bändigen “Naturalis Historiae” als erster den Versuch gewagt, in enzyklopädischer Kompilation sämtliche Erscheinungen der Natur darzustellen. Die Auflistung seiner seltsamen Völkerstämme hat ihm manchen Tadel eingetragen, da er sich nicht scheute, so viele ungereimte, dem Reich der Fabel angehörende Dinge aufzuzählen: Menschen mit nach hinten gekehrten Füßen, ohne Nacken, mit Augen auf den Schultern und dergleichen.60 Monstervölker haben in der Antike eine lange Tradition. Bereits Herodot kannte die Skiapoden, die einbeinigen Schattenfüßler, menschenähnliche Gestalten mit einem Riesenfuß, der bei starker Sonnenhitze als Schattenspender stets zu Diensten stand. Herodot verlegte die Skiapoden in das afrikanische Äthiopien. Augustinus setzte nun jene von Plinius aufgelisteten „merkwürdigen Seltsamkeiten” in den Kontext der biblischen Schöpfungserzählung. Dabei lässt Augustinus den hypothetischen Aspekt bei Plinius völlig außer Acht und macht die “monstrosa hominum genera” zu rechtmäßigen Ebenbildern Gottes, die nun wie alle Menschen von Adam und Eva abstammen müssten [Abb. 8].61 Übrig blieb die Frage nach der geografischen Herkunft derartiger Monstervölker. Einer richtigen Auslegung des Bibeltextes gemäß findet sich nämlich in der Bibel kein den antiken Vorstellungen entsprechendes Monster. Eva gebar jedoch neben Abel und Seth jenen Kain, der seinen Bruder Abel erschlug.62 Kain wurde durch diesen Totschlag und des Fluches, der deswegen von Gott über ihn verhängt worden war, zum Monstrum. Die Ansicht, Kain sei ein solches bereits von Geburt an gewesen, abgeleitet aufgrund eines Seitensprungs von Eva mit dem Satan, hat sich theologischerseits 59 Alexander Perrig, Erdrandsiedler oder die schrecklichen Nachkommen Chams. Aspekte der mittelalterlichen Völkerkunde. In: Thomas Koebner (Hrsg.), Die andere Welt…, 1987: 31, 73. 60 Plinius Secundus, Naturalis Historiae…, 1975: VII, §23. 61 Aurelius Augustinus, De civitate dei…, 1979 Liber, XVI 8. 62 Genesis 1. Mose: 4, 11-12. 27 Abb. 6 Babylonische Weltkarte mit Babylon als Weltmittelpunkt, 6. Jhd. v. Chr, London, British Museum. Dale M. Brown (Hrsg.), Mesopotamiens mächtige Reiche…, 1995: 132. Abb. 7 Frühchristliche T-Weltkarte des Isidor von Sevilla mit Jerusalem als Weltmittelpunkt, 6. Jhd. n. Chr. Alexander Perrig, Erdrandsiedler… In: Thomas Koebner, Andere Welten…, 1987. 28 Abb. 8 Mittelalterliche T-Weltkarte aus einem englischen Psalter des 13. Jahrhunderts, British Museum. Die Monstervölker des Plinius des Älteren erscheinen im christlichen mittelalterlichen Weltbild als Söhne Hams am südlichen Rande der Erdscheibe, deshalb auch „Erdrandsiedler“ genannt. Jones Terry, Die Kreuzzüge…, 1995: 23. 29 nicht durchgesetzt. Kain wurde zum menschlichen Urmonstrum schlechthin. Kains monströse Nachkommen sind jedoch, um im Bild zu bleiben, zusammen mit all den übrigen Nachkommen Adams in der Sintflut ertrunken, mit Ausnahme der Familie Noahs. Die sich daraus ergebende Schlussfolgerung hat der Kunsthistoriker Alexander Perrig prägnant ausgedrückt: „Cham wurde […] zum nachsintflutlichen Doppelgänger des vorsintflutlichen Mörders und damit zum Produzenten der zweiten Erdrandsiedlerserie.“63 Welche Freude die spätere Zeit an solchen Wundererzählungen hatte, mag daraus hervorgehen, dass in der berühmten Weltchronik des Hartmann Schedel, Nürnberg 1493, die von Plinius genannten seltsamen Menschen nicht nur erwähnt, sondern auch abgebildet werden.64 Die Bedeutung des Werkes liegt daran, dass sie seit der Verbreitung durch den Buchdruck populär wurde. Zahlreiche Reisende nahmen seit dem Mittelalter derartige Vorstellungen als Grundlage ihrer Berichterstattungen. Ihre Überlebensfähigkeit war so groß, dass sie auch mit den Entdeckungen und den besseren Kenntnissen Afrikas durchaus nicht untergingen, sondern in pseudowissenschaftlicher Form bis ins 17. und 18. Jahrhundert weiter lebten [Abb. 9].65 Afrika wurde auf diese Weise nicht nur Stammesheimat aller Monstervölker, sondern – da dessen Stammvater ja dazu verdammt worden war, „der niedrigste Knecht“ seiner Brüder zu sein – auch zum Sklavenreservoir der Araber und Europäer. Der Babylonische Talmud [hebr. „Lehre”], das nachbiblische Hauptwerk des Judentums, wurde in mehrhundertjähriger mündlicher und schriftlicher Überlieferung um 600 n. Chr. abgeschlossen. Im Sanhedrin [hebr. „Gerichtshof”], einer seiner 37 Traktate wird die Verfluchung der Nachkommen des Noachiden Ham mehrfach erwähnt. Das Besondere daran ist, dass das biblische Motiv der Schamverletzung nun bereits als Missachtung eines sexuellen Gebots erscheint. „Drei vollzogen den Beischlaf in der Arche und alle wurden bestraft, und zwar: der Hund, der Rabe und Ham. Der Hund wird angeschlossen, der Rabe spukt und Ham wurde mit seiner Haut bestraft.”66 Dem Talmudtext folgend hatten die noachidischen Familienmitglieder in der Arche keinen Nachwuchs, da ihnen der Beischlaf 63 Alexander Perrig, Erdrandsiedler… In: Thomas Koebner (Hrsg.), Die andere Welt…, 1987: 46. 64 Hartmann Schedel, Die Schedelsche Weltchronik…, 1978 [Nürnberg, 1493]; dazu auch Elisabeth Rücker, Die schedelsche weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit…, 1973. 65 Rudolf Wittkower, Die Wunder des Ostens: Ein Beitrag der Geschichte der Ungeheuer. In: Rudolf Wittkower, Allegorie und Wandel der Symbole in Antike und Renaissance…, 1996 [1977]: 87-151; als “Marvels of the East” erstmals im Journal of the Wartburg and Courtauld Institute 5, 1942: 159197 in London erschienen; siehe dazu auch die neuere Arbeit von John Block Friedman, The Monstrous Races in Medieval Art and Thought…, 1981. 66 Sanhedrin, 70a. In: Lazarus Goldschmidt (Hrsg.), Der Babylonische Talmud…, 1964. 30 Abb. 9 Afrikanische Monoculi, Sebastian Münster, Basel, 1542. In der neuzeitlichen Kartografie werden die Monstervölker des Plinius des Älteren und des Mittelalters übernommen und auf die rezenten afrikanischen Völker projiziert. Jeffrey C. Stone (Hrsg.), Norwhich’s Maps of Africa…, 21997: 6. 31 verboten war. Gleich den Tieren gab Ham sich jedoch seinem sexuellen Bedürfnis hin und musste dies mit einer Veränderung seiner Haut büßen. Ob diese sich „schwarz” färbte, wird nicht ausdrücklich erwähnt.67 „Und Ham, der Vater des Kanaan, sah die Scham seines Vaters und sagte es seinen beiden Brüdern draußen. Und Sem und Japhet nahmen das Obergewand und legten es auf ihre Schulter und gingen rückwärts heran und bedeckten die Scham ihres Vaters, und ihr Gesicht. Und Noah erwachte von seinem Rausche, und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte” (Sanhedrin 70a). An dieser Stelle ist der Talmud zunächst Bibelkonform (Genesis 10, 5). Der Talmud, dessen innere Charakteristik nicht die Stützung des Überlieferten, sondern die Ergänzung zu diesem kennzeichnet, erörtert nun die Schuldfrage Hams. Einer der nun zu Wort kommenden Rabbiner führt an, Ham hätte seinen Vater beschlafen, also gegen das Inzesttabu verstoßen, ein anderer bringt ein, Ham habe seinen Vater während des Rauschzustandes schlicht kastriert, also entmannt. Der glaubkräftigen Auslegung der Talmudtextstellen entsprechend fragen die rätselnden Rabbinergelehrten, weshalb Noah seinem Sohn einen Fluch auferlegt habe. Als durchaus einsichtiger Grund wird angeführt: Noah konnte aufgrund des fatalen Geschehens keinen vierten Sohn mehr zeugen, deshalb verfluchte Noah Kanaan, den vierten Sohn Hams. Nur vereinzelt finden sich Stellen, die die Ursache des anstößigen Verhaltens von Ham erörtern. In der Genesis Rabbah, dem ältesten Buch der Midrasch [hebr. „Forschung”], wird ein Begründungszusammenhang angeführt. Als Ham seinen betrunkenen Vater nackt daliegen sah, schritt Ham zur Tat, und gibt anschließend folgendes von sich: „Adam hatte zwei Söhne, und der eine erschlug den anderen; Noah hat drei Söhne, daher wünscht er einen vierten zu zeugen” (Genesis Rabbah 36, 5). Hier kommt also die frühchristliche Tradition, die eine Verbindung zwischen Kain und Ham herzustellen bereit war, deutlich zum Tragen. Die an und für sich positive Absicht Hams, einen weiteren Bruderkrieg zu verhindern, wird nicht weiter kommentiert. Stattdessen werden andere Versionen angeführt, die zur hamitischen Verfluchung geführt haben soll. Kanaan hätte Noah kastriert, also seinen Großvater. An anderer Stelle kommt auch noch die Sodomie ins Spiel, die Noah und Ham gemeinsam getrieben hätten (Sanhedrin 70a). All diesen Auslegungsversuchen ist gemeinsam, dass die Ursache sittlichen Verstoßes stets auf die Nachkommen Hams übertragen wird. Das Verhalten des Patriarchen Noah, etwa sein Trinkgelage oder seine 67 Lazarus Goldschmidt, Der Babylonische Talmud…, 1964; in dieser Talmud-Ausgabe ist jene Stelle mit folgendem Zusatz wiedergegeben: „Der Hund wird [bei der Begattung] angeschlossen, der Rabe spukt [den Samen] und Ham wurde mit seiner Haut-[farbe] bestraft” (Sanhedrin 70a). Ob mit dem Motiv des schwarzen Raben die Hautfarbe Hams gemeint ist, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, der Gedanke drängt sich jedoch förmlich auf. 32 inzestiös veranlagten homosexuellen Neigungen gegenüber seinem Sohn findet bei den jüdischen Gelehrten keinen Anlass der Erwägung.68 Weder Ham und Kanaan noch seine beiden Brüder werden im Koran erwähnt. Nuh dagegen, die arabische Form des Noah, ist im Koran eine beliebte Figur, wie er auch in den muslimischen Legenden vorkommt. Im Koran hat sich der ehemals jüdische Patriarch der Bibel in den ersten Strafpropheten der Menschheit verwandelt, dem der islamischen Rechtstradition gemäß noch sechs weitere folgen sollten. Wie im Bibeltext bereits, tritt auch hier Nuh als der Retter der noch unbescholtenen Menschheit in Erscheinung, indem er diese vor der Sintflut warnt. In der Sure 11: 42ff. wird ein anonymer Sohn Nuhs erwähnt.69 Nuh fordert diesen im Namen Allahs dazu auf, die Arche zu betreten. Anstatt dem Rat seines Vaters zu folgen, zog der ungehorsame Sohn es lieber vor, einen naheliegenden hohen Berg zu besteigen. Dennoch sollten Nuhs Sohn und sein Familienanhängsel dieser Ungehorsamkeit zufolge in der Sintflut umkommen. Nachdem Noah um seinen Sohn trauert, erwiderte Allah: „Wahrlich, Noah, er gehörte nicht zu deiner Familie, denn er hat ungerecht gehandelt.”70 Die Koran-Exegese hat den anonym erscheinenden Sohn des Nuh gerne mit Kanaan identifiziert, ungeachtet dessen, dass dieser eigentlich der Enkel Nuhs ist. Die islamischen Gelehrten zogen bei ihren Bemerkungen zum Koran auch die biblischen Noachiden Sem, Ham und Japheth heran. Den mitunter recht freizügigen Umgang in der Auslegung des Korans veranschaulicht der persisch-arabische Historiker At-Tabari [839923].71 In seiner Weltchronik gibt er den Sohn Nuhs als „Yam” wieder, der Jesus für eine Weile wieder zum Leben erweckt haben soll. Wichtig bleibt zu vermerken, dass auch die islamische Tradition Ham und seine Nachkommen abzusondern weiß. 68 David H. Aaron, Early Rabbinic Exegesis on Noah’s Son Ham and the so-called “Hamitic Myth“. Journal of the American Academy of Religion 95, 63, 4, 1995: 721-761. 69 A. Wensinck; J. H. Kramers, Nuh. In: Handwörterbuch des Islam…, 1976: 589-591. 70 Koran, Sure 11: 46. 71 Eigentlich Abu Jafar Muhammad Ibn Jarir at-Tabari. 33 2. Vom verfluchten Hamitengeschlecht zu den versklavten negroiden Hamiten Entgegen der Auffassung Edith Sanders72 werden die Hamiten in den frühen nachchristlichen Jahrhunderten noch nicht mit der „schwarzen Hautfarbe” identifiziert, jedoch deutlich erkennbar mit negativen Eigenschaften besetzt. Ham ist der sündhafte Patriarch, der degenerierte Nachkommen hinterließ. Diese Stereotype setzt sich im Mittelalter fort. Zunächst ist zu sagen, dass das Farbadjektiv „schwarz” im europäischen Mittelalter durch die verheerenden Pestseuchen besonders negative Assoziationen einnahm. Neben Trauer, Tod und Krankheit symbolisierte schwarz den Satan und den Antichristen bzw. den Glauben an die bevorstehende eschatologische Endzeit. Das europäische Hochmittelalter hat jedoch infolge seiner „orientalisch-äthiopischen Perspektive” Afrikas ein durchaus positives Afrikabild hervorgebracht. Zu fragen gilt daher folglich, wann die anthropologische Komponente der „schwarzen Hautfarbe” in die Betrachtung der mittelalterlichen Geschichtstheologie Eingang erlangte. Im Folgenden wird also der Versuch gestartet, diejenigen Elemente herauszugreifen, die zu der Sichtweise von vermeintlich schwarzen Hamiten geführt haben. Um es vorwegzunehmen: es sind im Wesentlichen zwei konträre Blickwinkel auf Afrika, die das ehemalige biblische Bild von einem verfluchten Patriarchen hin zu einem degenerierten völkischen Begriff verwandeln: der aristokratischäthiopische und der sklavisch-guinesische.73 Wie das Weltbild im Allgemeinen, so waren auch die Vorstellungen über Afrika im europäischen Mittelalter in erster Linie mythologisch und in den Kontext der Heilsgeschichte und ihrer zahllosen philosophischen Interpretationen eingebaut. Mit den Kreuzzügen eröffnete sich für das christliche Europa auch ein ferner Weltteil. Die Ritter repräsentierten auf den Kreuzzügen ein geschlossenes christliches Gemeinschaftsgefühl, aus dem ein eigenes Standesbewusstsein erwuchs. Das erste Auftreten eines freien Bürgertums und die Herausbildung des Städtewesens brachten auch eine Neuinterpretation der noachidischen Genealogie hervor. Der in Regensburg lebende Scholastiker Honorius von Autun [ca. 10901156] führte in seiner mittelalterlichen Enzyklopädie “De Imagine Mundi” die ständische Scheidung der Noachiden ein: Die Freien stammen dahingehend von Sem ab, die Ritter von Japhet und die Knechte von Ham. Freilich sollte diese Lehre die aristokratische Struktur der deutschen Reichskirche rechtfertigen, in der lediglich freiständische Personen zu höheren 72 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis…, JAH 10, 4, 1969: 522; siehe auch die kritische Stellungnahme von David H. Aaron, Early Rabbinic Exegesis on Noah’s Son Ham and the so-called “Hamitic Myth”. Journal of the American Academy of Religion 95, 63, 4, 1995: 721-761. 73 Bei diesem Begriffspaar stütze ich mich auf Walter Sauer, Das afrikanische Wien…, 1996. 34 Ämtern aufsteigen konnten.74 Dieser Perspektive scheint der Afrikabezug jedenfalls völlig abhandengekommen zu sein. In der Tat blieb bis zu den euphorischen Kreuzzugsaufrufen der Kontakt Europas mit Afrika auf die iberische Halbinsel beschränkt. Es mag daher auch nicht verwundern, wenn der Zisterzienser und Bischof Otto von Freising [1114-1158] kurz vor seiner Teilnahme am zweiten Kreuzzug die Noah-Geschichte ohne Schwarze oder überhaupt anthropologische Aspekte anzusprechen, ja sogar, ohne auch nur zu sagen, welcher der Söhne Noahs denn eigentlich die Sünde auf sich geladen hätte: „Als Noah nach der Sintflut einen Weingarten pflanzte und Wein trank, wurde er trunken und lag infolge der Trunkenheit nackt da. Der eine seiner Söhne lachte ihn aus, als er ihn [so] sah, der andere [aber] deckte ihn zu. Diese beiden Brüder waren also nach der Sintflut die ersten Bürger der beiden Staaten, von denen wir handeln. Von diesen und dem dritten, also Sem, Ham und Japhet, deren Söhne und Enkel sich überallhin verbreiteten, stammt das gesamte Menschengeschlecht ab.”75 Spätestens der zweite Kreuzzug [1147-1149] jedoch, an dem der eben erwähnte Otto von Freising, dessen Stiefbruder, der staufische Kaiser Konrad III. [1098-1152] aber auch der aus dem Geschlecht der Babenberger stammende Heinrich II. teilnahmen, sollte das europäische Bild Afrikas revidieren. Den zuhauf ins Schlachtfeld eilenden frommen Gottesstreitern wurde zwar durch die militärisch überlegeneren Seldschuken eine gehörige Niederlage erteilt, diese Schmach zog jedoch eine liebevolle Hinwendung an den byzantinischen Hof in Konstantinopel nach sich. Durch die Heirat Heinrich II. mit Theodora Komnena, der Nichte des damaligen byzantinischen Kaisers Manuel I., gelangten auch „orientalische” Traditionen an die mitteleuropäischen Höfe. Bald schon beauftragte der gottesfürchtige Heinrich Jasomirgott den Goldschmied und Emailmaler Nikolaus von Verdun, einen Flügelaltar für das Augustiner Chorherrenstift in Klosterneuburg bei Wien herzustellen. Unter den 68 vergoldeten und emaillierten kunstvoll verarbeiteten Kupfertafeln findet sich auch eine bildliche Darstellung der Königin von Saba. Sie ist mit schwarzer Hautfarbe dargestellt [Abb. 10].76 Nicht zufällig nimmt die bildliche Darstellung dieser Königin, die in dieser Form überhaupt als die erste in Mitteleuropa gilt, auf das Alte Testament und den mit der Figur des Königs Salomon verbundenen Legendenkomplex Bezug. Das Reich Saba wurde mit Äthiopien [Kusch] gleichgesetzt, in welchem, wie angenommen wurde, der Nil und somit einer der vier Ströme des Paradieses 74 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 II, 2: 771. 75 Otto Bischof von Freising, Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten…, 1960: 64f. 76 Brigitte Vacha; Walter Poch, Die Welt der Babenberger…, 1995. 35 Abb. 10 Nikolaus von Verdun, die Königin Saba vor Salomon, Emailaltar von 1181, Chorherrenstift Klosterneuburg. Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren..., 1993: 330. 36 entsprang.77 Die „afrikanische” Königin, die nach der Legende dem israelitischen König Salomo einen Sohn gebar, galt als Stammmutter der äthiopischen Herrscher. Afrika als geografischer Terminus blieb deshalb auf „Äthiopien” beschränkt und wurde als Teil des „orientalischen” Asiens gesehen. Es war dem Geschichtstheologen Otto von Freising vorbehalten, erstmals den äthiopischen Menelik mit dem aus europäisch-mittelalterlicher Sicht wichtigsten Erzpriester namens Johannes gleichzusetzen.78 Ein ähnlicher äthiopisch-orientalischer „Einzug” fand in Köln statt. Um den Legendenkomplex der „Heiligen Drei Könige” entstand in der Rheinmetropole ein Kult, der bis heute die Pilger ungebrochen in Scharen anzieht. Die Heiligen Drei Könige symbolisierten zunächst die drei Lebensalter des Menschen. Der für das europäische mittelalterliche Denken so einflussreiche angelsächsische Benediktinermönch und Historiker Beda [672-735], dem die spätere Zeit den Beinamen „der Venerable – der Ehrwürdige” beigefügt hat, betrachtete die drei Könige jedoch erstmals als die Vertreter der damals bekannten drei Erdteile: Europa, Asien und Afrika und verwob damit die Noachiden des Alten- mit den drei Weisen des Neuen Testaments.79 Für das Verständnis der allegorischen Gleichsetzungen der drei Magier [Melchior, Balthasar, Kaspar] mit den drei Noachiden [Sem, Japhet, Ham] und deren Reiche [Nubien und Arabien, Godolia und Saba, Tharsis und Egryskulla] schließlich der drei biblischen Gaben [Gold, Weihrauch, Myrrhe] ist das mittelalterliche Afrikabild einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Zunächst ist zu erwähnen, dass bis ins Mittelalter das heutige Afrika lediglich der Teil „Äthiopien” entsprach, seit dem Eroberungszug Alexander des Großen 326 v. Chr. konnte es auch Indien bezeichnen. Meist wurden die beiden Begriffe jedoch einfach als Synonyme gebraucht. In den frühchristlichen Darstellungen der Heiligen Drei Könige ist kein geografischer Bezug gegeben, sowohl was Afrika als auch Asien anbelangt. Der „Mohr” ist der christlichen Ikonographie des zweiten Jahrhunderts noch unbekannt. Die biblischen Magier sind nirgendwo weder namentlich genannt noch als Könige bezeichnet. Origines von Alexandria [185-253] war der erste, der von „drei” Magiern spricht. In der 77 Neben Euphrat und Tigris sind in Genesis 2: 8-13 die Paradiesströme Pischon und Gihon erwähnt. Die Geografen der Antike assoziierten die Stelle „Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch” mit dem Nil, Pischon wurde mit dem Ganges gleichgesetzt. 78 Walter Sauer, Das afrikanische Wien…, 1996; Quellenmaterial zur legendären Gesandtschaft des Priester Johannes und die dazu entstandene Heilserwartung in Richard Hennig, Terrae incognitae…, 2 1944: II, III. 79 Herbert Lang (Hrsg.), Weise aus dem Osten. In: Bibellexikon…, 1956: 1700. 37 Katakombenmalerei schwankte die Zahl anfangs zwischen zwei und vier.80 Der Karthager Tertullian [160-220] setzte die Magier des Evangeliums mit dem Psalmvers 72,10 gleich, der dem volkstümlichen Bild der „Drei Weisen aus dem Morgenlande” im Wesentlichen entspricht: „Die Könige von Tarsis und auf den Inseln sollen Geschenke bringen, die Könige aus Saba und Scheba sollen Gaben geben. Alle Könige sollen vor ihm [Salomo] niederfallen und alle Völker ihm dienen.” Erst Caesarius von Arles [-542] assoziierte die Magier mit drei „Königen”. Seitdem die christliche Religion zur römischen Staatsreligion [380] erhoben wurde, repräsentierte das Motiv der Magierhuldigung die verkörperte Idee eines christlichen Imperium Romanum.81 In der Kirche San Vitale in Ravenna erscheint unter dem Triumphbogenmosaik neben dem Kaiserpaar Justinian und Theodora auch die „Huldigung der Magier”. Nichts Afrikanisches ist an dieser bildlichen Darstellung erkennbar. Erst im 9. Jahrhundert bekommen die Drei Magier nach etlichen Schwankungen die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar, während ihre Dreizahl wegen der im Matthäusevangelium genannten drei Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe schon früher angenommen wurde. Als deren spärlichen Überreste 1164 durch den Raub Friedrich Barbarossas von Mailand nach Köln gebracht worden waren, erlangte die rheinische Kurfürstenstadt durch den einzigartigen Reliquienschatz hohes Ansehen. Wiederum war es Nikolaus von Verdun vorbehalten, einen Schrein für die Gebeine der drei Könige anzufertigen. Auch hier kommt die Synthese orientalisch-byzantinischer Formen zum Ausdruck. Aus dieser Zeit war auch die Legende entstanden, dass die Leiber der Heiligen Drei Könige in den Besitz der Heiligen Helena, der Gemahlin Konstantins des Großen gelangt waren. Von Konstantinopel sollen sie dann durch Bischof Eustorgius nach Mailand gekommen sein. Als „königliche” Reliquien legitimierten sie das staufische Königtum und den Anspruch des Kölner Erzbischofs auf die Königskrönung in Aachen. Die Heiligen Drei Könige repräsentierten durch die Nähe zum göttlichen Kind von Bethlehem gewissermaßen das von Gott eingesetzte Königtum, und legitimierten dahingehend das über Karl den Großen und über die Staufer das im Abendland erneuerte Kaisertum. Unter der Berufung der Heiligen Drei Könige konnte der Machtanspruch der Heidenwelt geltend gemacht werden. Entgegen der volkstümlichen Auffassung, die Kaspar als den Mohrenkönig darzustellen pflegte, wurde diese Rolle zunächst dem Balthasar zugeschrieben. “Rex Balthasar, qui niger”, soll Elisabeth [1129-1164], eine seit ihrer Kindheit visionär veranlagte Nonne im 80 Ernst Dassmann, Epiphanie und die Heiligen Drei Könige. In: Rainer Budde (Hrsg.), Die Heiligen Drei Könige…, 1982: 16-19. 81 Johannes G. Deckers, Die Huldigung der Magier in der Kunst der Spätantike. In: Rainer Budde (Hrsg.), Die Heiligen Drei Könige…, 1982: 20-32. 38 Kloster Schönau in Hessen, in einem ihrer zahlreichen Dankensgebete ausgerufen haben. Das Bild des „schwarzen Balthasar” setzte sich auch in weltlichen Darstellungen fort. Köln war im 13. Jahrhundert die bedeutendste Handelsmetropole diesseits der Alpen. Ihre Aktivitäten reichten bis in das fernöstliche Karakorum. Nicht geringeres Ansehen verlieh ihr der Sitz desjenigen Erzbischofs, der den deutschen Kaiser zu krönen hatte. Wie auf den Kreuzzügen im Orient gesehen und gelernt, entwickelten die Kölner Kaufleutegeschlechter einprägsame Wappen. Zunächst als Kennzeichen von Waffen in Gebrauch, repräsentierten sie alsbald Stand und Familienabstammung. Das Motiv des schwarzen Balthasars erfreute sich in der Heraldik zunehmend an Beliebtheit. In dieser Form präsentiert sich erstmals das Wappenbuch des niederrheinischen Herolds Gelre um 1370. Der Schild des Kaspar zeigt auf blauem Grund einen goldenen Halbmond und einen sechsstrahligen Stern aus dem gekrönten Helm wächst als Helmzier ein bärtiges Haupt. Der Schild des Melchior zeigt auf blauem Grund sechs goldene Sterne; als Helmzier einen Stern. Der Schild des Balthasar zeigt auf goldenem Grund einen rotgekleideten Mohren, der eine Fähnleinlanze hält; als Helmzier überragt ein Mohrenkopf den Kübelhelm.82 Es ist also zunächst der „König” Balthasar, der mit der schwarzen Hautfarbe identifiziert wurde. In einem von Wolfgang von Goethe wieder aufgefundenen Manuskript aus dem 14. Jahrhundert kommt jedoch Kaspar als der “rex niger” vor. Darin erscheint der Mohrenkönig jedoch nicht mehr in verehrungswürdiger Form, sondern wird mit der Ketzerei, also vermeintlich degenerierten Christen in Verbindung gebracht. Anhand der berühmtgewordenen Drei-Königslegende des Johann von Hildesheim [gest. 1375], von Gustav Schwab 1822 erstmals ins Deutsche übertragen, kann dieser Wandel nachvollzogen werden. „Darnach, so Leute geboren aus dem Lande Tharsis und aus der Insel Egryskulla, da Jaspar, der Mohrmann, ihr König und Herr, regieret hatte, der dem Herrn die Myrrhen opferte; die Leute heißen in allem Orient Nestorianer, denn sie wurden verfälscht indem Glauben und verführet von einem Ketzer, der hieß Nestorius.” […] „Und diese werden in allen Landen des Orient von allen Christen gehasst und verachtet. Und mit ihrer Ketzerei sind bei vierzig Reiche und Lande verfälscht worden; und sind zum meisten Teile schwarze, hässliche Mohrenleute. Und in allen ihren Reichen machen sie in ihren Kirchen Gott, und die selige Jungfrau, und Sankt Thomam, und die heiligen drei Könige schwarz, und die Teufel weiß, zum Spotte der andern.”83 Nach dieser Legende gab es also drei Indien, worunter auch 82 Heiko Steuer, Die Heiligen Drei Könige und das Wappen der Stadt Köln. In: Rainer Budde (Hrsg.), Die Heiligen Drei Könige…, 1982: 97-111. 83 Johannes Hildesheimiensis, Die Legende von den Heiligen Drei Königen…, 1980 [orig. 1925]: Kap. XXI: 114-115; die Handschrift stammt aus dem 14. Jahrhundert. 39 das christliche Äthiopien gerechnet wurde, das offensichtlich wenig mit dem heutigen geografischen Begriff Afrika gemein hatte. Die Legende erwähnt als das erste Indien das Land und Königreich Nubien und Arabien, da herrschte Melchior, der das Gold opferte; jenseits des Roten Meeres gab es noch ein Indien, das von Priester Johann beherrscht wurde. Arabien gehörte jedoch einst dem Erzpriester Johann und nicht dem Melchior. Das zweite Indien war das Reich Godolia und das alte Königreich Saba, wo Balthasar herrschte, der Weihrauch opferte. Das dritte Indien war das Reich Tharsis, das von Kaspar regiert wurde, der Gott Myrrhe gegeben hat. Darunter war auch die Insel Egryskulla, wo der Leichnam des Heiligen Thomas aufbewahrt war. Kusch, der zweite Sohn Hams, repräsentierte im ausgehenden Mittelalter weniger Afrikanisches, sondern eher Orientalisches. Zudem kommt das augustinische Bild des ketzerischen Hamitengeschlechts wieder zum Vorschein. Mit den frühen Entdeckungsfahrten, die gleichsam mit den Expansionsbestrebungen Europas Hand in Hand gingen, verlagerte sich das orientalisch-äthiopische Bild Afrikas hin zu einem guinesischen. Der „edle Mohr” aus dem „indischen” Äthiopien – oder „Mohrenland” wie Luther das hebräische Wort „Kusch” übersetzt hat – wird zum „schwarzen Teufel”, gleichsam zum heidnischen Sklaven degradiert. Dieser Wandel setzt erst in der Folge des Aufstiegs des transatlantischen Sklavenhandels ein, der zunächst die Küste Guineas – das portugiesische Wort für “ghana” – später auf die Küsten Angolas ausgedehnt wurde. In der Barockzeit ist der ehemals „königliche Mohr” Kaspar bereits in eine lustige Figur im Puppenspiel umfunktioniert, während der hebräische Beiname „König des Lichts” allein für den Melchior bestimmt bleibt. Hinsichtlich anthropologischer Zuordnungen im Sinne der späteren Rassevorstellungen zeigt sich die Farbe schwarz im christlichen Mittelalter durchaus als ambivalent. Hochmittelalterliche Darstellungen weisen daraufhin, dass der Mohr auf der einen Seite als der geborene Antichrist verdammt sei, da er der verfluchten Ham-Natur angehöre. Auf der anderen Seite zeigt er sich jedoch in einer durchaus verehrungswürdigen Rolle. Dieses Wesensmerkmal zieht sich bis in die Neuzeit herauf durch und sei exemplarisch illustriert. Der Heilige Mauritius, ein aus dem oberen Nil stammender afrikanischer Offizier, soll der christlichen Legende nach als Anführer der thebaischen Legion vom Tetrarchen Marcus Maximianus [um 240-310] zur Christenverfolgung eingesetzt worden sein. Als Mauritius seinen Gehorsam verweigerte, starben der dunkelhäutige nubische Offizier und seine treue Soldateska den Märtyrertod.84 Seine christliche Loyalität und sein heldenmütiger Charakter 83 Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren…, 1995: 34. 84 Zur Mauritius-Legende siehe Johann Zedler, St. Mauritius. In: Großes vollständiges Universal- Lexikon…, 1739 XIX: 2217; Otto Wimmer, Das Handbuch der Namen und Heiligen…, 1993: 87; der 40 lebten jedoch in der christlichen Legende fort. Die Ottonen machten den Heiligen Mauritius zum wichtigsten Repräsentanten des deutsch-römischen Reiches. Das Reichsschwert oder das Schwert des Mauritius, wie es auch genannt wurde, zählte zu den wichtigsten Hoheitsabzeichen des römisch-deutschen Kaisers vom zehnten Jahrhundert bis zur Reichsniederlegung 1806. Das Standbild des Heiligen Mauritius im Magdeburger Dom [ca. 1240] weist deutlich negroide Züge auf [Abb. 11]. Etwa zwei Jahrhunderte später ist man sich seiner positiven Einschätzung jedoch nicht mehr so sicher, wie ein sächsisches Altarbild veranschaulicht. Als „schwarz vor Verachtung seiner selbst”, umschreibt nun die Legende die Hautfarbe des nunmehr etablierten Schutzpatrons von Magdeburg. Das 1425/30 entstandene Retabel in der Nikolaikirche von Jüterborg zeigt neben dem Bischof und einem Priester den Heiligen gerade bei seiner christlichen Taufe [Abb. 12].85 Eigenartigerweise steckt Mauritius mit seinem Körper zur Gänze im Taufbecken. Ein Engel hält ein weißes Tuch für das „Bad” bereit, um die sakrale Handlung einzuleiten. Offensichtlich sollte mit dem Taufakt auch die Vorstellung einer „Weißwaschung” des Mohren assoziiert werden, ein Zusammenhang, den vereinzelte Theologen so erklärten, dass die Seele eines Mohren nach seiner Bekehrung zum Christentum ebenfalls „weiß” gewaschen werde. Das Motiv des abfärbenden Mohren, den man reinwaschen könne, bildete ein beliebtes Motiv in der Jugendliteratur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Es ist aber keinesfalls so, dass sich der Übergang von der äthiopischen zur guinesischen Perspektive abrupt vollzogen hätte. Der mit Albrecht Dürer in engem Kontakt stehende Maler Matthias Grünewald [1460/1470-1528] stellte den afrikanischen Offizier in der Begegnung mit dem Märtyrer Erasmus, einem der vierzehn Nothelfer, als einen Dunkelhäutigen im Renaissancestil dar [1521-1523, Alte Pinakothek München]. Der transatlantische Sklavenhandel war ja erst im Entstehen begriffen. Die menschliche Hautfarbe als Kriterium einer rassischen Zuordnung lässt sich im Mittelalter nur bedingt finden, im Wesentlichen ist es ein Gedanke der Neuzeit. Die Behandlung Hams und seiner Nachfahren in den mittelalterlichen Genealogien macht dies deutlich. Eine Pergamentrolle aus dem Jahre 1230 zeigt anhand der „Genealogie Christi“, Noah und seine Söhne Sem, Ham und Japhet deutlich mit heller Hautfarbe, ebenso Hams Söhne Canaan, Futh (Phut) und Mersius (Mizraim). Chus (Kusch), der vierte Sohn Hams, dessen Wohnort mit „Äthiopien” angegeben wird, „das jetzt Afrika heißt”, wird dagegen mit dunkler Hautfarbe dargestellt. Darauf sind die Abkömmlinge Hams abgebildet. Hams Linie neuere Beitrag von Erich Sommerauer, Die Lanze des Heiligen Mauritius. In: Walter Sauer, Das afrikanische Wien…, 1996: 14-16. 85 Werner Jade, Die Taufe des Mohren…, FAZ 6.7.1998: Feuilleton. 41 Abb. 11 Standbild des Heiligen Mauritius, ca. 1240, Magdeburger Dom. Der aus dem „Sudan“ stammende christliche Märtyrer Mauritius wurde von den Ottonen zum Reichsheiligen erhoben [siehe auch Mauritiusschwert und -Lanze, Wiener Schatzkammer]. Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren..., 1993: 333. 42 Abb. 12 Die Taufe des Heiligen Mauritius, Retabel der Nikolaikirche, Jüterborg, 1425/30. Die „nachträgliche“ Taufe des dunkelhäutigen Märtyrers erscheint hier als „Weißwaschung“ des Mohren. Der kausale Zusammenhang von dunkler Hautfarbe und sündhafter Seele wird hier mit der Taufe gerechtfertigt. Werner Schade, Die Taufe des Mohren…, FAZ 6.7.1998. 43 wird lediglich über seinen schwarzen Sohn Nimrod – mit dem Turmbau zu Babel dargestellt – weitergeführt. Nimrod ist merkwürdigerweise wieder hellhäutig, obwohl Chus zuvor mit Wollhaaren und dunkler Gesichtsfarbe versehen wurde. Ähnlich geht der Nürnberger Stadtphysiker Hartmann Schedel [1440-1514] mit seinem hamitischen Stammbaum um. Die heute vorliegende Weltchronik aus dem Jahr 1493 zeigt Chus als einen „Weißen”. Im darin vorkommenden Holzschnitt von Michel Wolgemut [1434-1519] erscheint Hams Nachkomme Dadan dagegen mit dunkler Hautfarbe, obwohl dessen Vater augenscheinlich zuvor hellhäutig dargestellt wurde. Die Autoren der Pergamentrolle bzw. Hartmann schweigen sich über jegliche Erklärung aus, wie es möglich sein konnte, dass der weiße Ham dunkelhäutige Nachkommen zu zeugen imstande war [Abb. 13, 14]. Der Mediavist Horst Borst hat zu den dargestellten bärtigen Patriarchen Hartmanns kritisch bemerkt, dass sie aussehen würden wie Nürnberger Patrizier.86 Offensichtlich gewannen die Bibelschreiber bis in die frühe Neuzeit hinein, der menschlichen Hautfarbe wenig Bedeutung ab. Von weit entscheidender Bedeutung stellte sich während des Mittelalters die Aufrechterhaltung der Weltordnung heraus. Häretische Schriften rüttelten seit dem 12. Jahrhundert an der Monogenese als ein Dogma des christlichen Glaubens. Zudem entblößten die seit dem 13. Jahrhundert mehrenden ethnografischen Berichte den „katholischen” Anspruch der Kirche als alleinige Weltreligion. Die verschiedenen Apologeten sahen sich dahingehend gezwungen, die Völkertafel und die groben Einteilungen der alttestamentlichen Erzählungen von der babylonischen Sprachverwirrung und der anschließenden Zerstreuung der Menschen in „alle Welt” im wortgetreuen Sinn einer Neuinterpretation zu unterziehen. Ihre Bemühungen richteten sich dahingehend, das neue ethnografische Material systematisch auf Adam oder Noah zentriert, in eine bibelkonforme genealogische Ordnung zu bringen, um den Gedanken der großen Seinskette zu retten.87 Die Verteidigung der Einheit der Schöpfung durch die Hervorhebung des verwandtschaftlichen Elements – die Unilinearität –, zog die Konsequenz nach sich, die bestehenden Differenzen zwischen den verschiedenen Völkern zu nivellieren. Die Zuordnung nach ethnischen Gruppen erscheint im Mittelalter sehr komplex. Die legendären Reisen des John von Mandeville, ein in Frankreich lebender Engländer, verdeutlicht dies exemplarisch. Sein 1356 auf Französisch erdichteter Reisebericht wurde 86 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1041. 87 Arthur Owen Lovejoy, The great chain of being…, 1964 [1933]. 44 Abb. 13 Die Abkömmlinge Hams, Ausschnitt einer Genealogie Christi (Rotulus) aus der Kathetrale von St. Patroklus, Soest, ca. 1230, Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz. Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren..., 1993: 278. Abb. 14 Die Genealogie Hams, Michael Wolgemut und Werkstatt. Hartmann Schedel, Liber chronicarum…, Nürnberg, 1493. Der Vergleich dieser beiden Ham-Genealogien veranschaulicht, dass während des europäischen Mittelalters die dunkle Hautfarbe willkürlich verwendet wurde. Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren..., 1993: 279. 45 bald ins Englische, später sogar ins Lateinische übersetzt.88 Dieser war stets begehrt, wegen seiner Veranschaulichung zeitgemäßer historischer Themenstellungen. Er gehörte rund 250 Jahre zu den beliebtesten Reisebüchern. Seine Glaubwürdigkeit wurde in dieser Zeit nie ernsthaft angezweifelt. Als kleine Weltgeschichte dokumentiert Mandeville bewegende Ereignisse seiner Zeit, wie den gewaltsamen Kontakt der christlichen Kreuzritter mit den arabischen Sarazenen; oder den nach langer Zeit wieder erfolgten Austausch mit den in Syrien lebenden christlichen Gemeinden. In besonderem Maße hob Mandeville die Eroberungszüge der Tartaren heraus, welche er als besonders grausam schilderte. Das bemerkenswerteste bei Mandeville ist, dass er die noachidische Aufteilung verdrehte: “And this Cham, for his crueltee, toke the gretter and the best partie, toward the est, that is clept Asya. And Sem toke Affryk. And Japheth toke Europe. And therfore is alle the erthe departed in theise iii. parties be theise iii. bretheren.”89 Die hier durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnende Gebietsaufteilung erscheint als ein reiner Gewaltakt, wobei sich Ham unter seinen Brüdern als der Mächtigste hervortut. Als grausamer Tyrann gibt er sich nicht mit dem Kontinent Afrika zufrieden, sondern reißt Asien als den besten Erdteil an sich. Diese Umkehrung verfährt jedoch nicht beliebig. Nach Mandeville wären aus dem Geschlechte Sems, die Sarazenen hervorgegangen, da sie Semiten sind. Von den in Syrien lebenden Christen hätte er erfahren, dass die heutigen Israeliten die Söhne Japhets repräsentierten. Der Name des hamitischen Geschlechts schließlich leite sich schlicht von “Khan”, dem Titel der Tartaren ab. Das verbreitende Böse, die Verfluchung mitsamt den von Plinius aufgebrachten Monstervölkern verweist Mandeville partout in das entlegene Asien. In anschaulicher Weise werden in der 1499 erstellten deutschen Straßburger-Ausgabe die Monstervölker mittels Holzschnitten dargestellt. Über „Cham” heißt es wörtlich: „Zu der Zeit kamen die Teufel etliche Male, schliefen mit den Weibern der Nachkommen Chams und zeugten Ungeheuer und missgestaltete Menschen: ohne Köpfe, andere mit großen Ohren oder nur einem Auge, oder gar mit Pferdefüßen. Von diesen Nachkommen stammen die Heiden ab, die auf den Inseln vor Indien leben. Wie sich Cham Sohn Gottes und Herr der Erde nannte, so heißt auch der Kaiser von China Khan und Herr der Erde. Die Tataren sind die Nachkommen von Chams.”90 Auf der anderen Seite spricht Mandeville von den afrikanischen Nubiern 88 Der originale Text, um 1355 in Liège geschrieben, ist nicht erhalten; es sind jedoch mehr als 300 Mandeville Handschriften bekannt; siehe auch A. Bovenschen, Johann von Mandeville und die Quellen seiner Reisebeschreibung. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 23, 1888: 177306. 89 John Mandeville, Mandeville’s Travels..., 1967: 160-161. 90 John Mandeville, Die Reisen des Ritters John Mandeville…, 1965: 143. 46 keineswegs abschätzig, ganz im Gegenteil: „Die Menschen in Nubien sind Christen, doch sind sie schwarz von der heißen Luft und der Sonne, denn die Sonne brennt gar heiß in jenem Land. Und nach ihrer Meinung sind sie ums so schöner, je schwärzer ihre Haut ist.”91 Darüber hinaus berichtet Mandeville, er habe einen Mann gesprochen, der „immer gen Osten wanderte, bis er wieder nach Hause kam.”92 Mandeville hat auch Christoph Kolumbus in seiner Meinung bestärkt, dass die Erde eine Kugel ist. Abermals zeigt sich, dass die Autoren des Mittelalters und genauso in der frühen Neuzeit noch den Noachiden eher moralische Werte in symbolischer Form zuschrieben als den geografischen und ethnischen Gegebenheiten entsprechen zu wollen. Geschickt werden die genealogischen Stammbäume mit historischer Erfahrung vermischt. Wie Martin und Borst stichhaltig dargelegt haben, präsentierte die Völkertafel sich im Mittelalter „als ein wildes Gewächs, das keiner logischen Gliederung folgt; die geografische, ethnologische, sprachliche und politisch-historische Gliederung sind ohne Prinzip nebeneinander verwendet; auch eine rassografische oder klimatologische Gliederung lässt sich nicht ohne Zwang herausschälen.”93 Es wurde bereits angedeutet, dass der Bibeltext die Hamiten sowohl als sklavische Knechte als auch tyrannische Machtusurpatoren charakterisiert, ein Gegensatz, der im Kontext des arabischen Sklavenhandels und des Investiturstreits zwischen Kirche und Kaisertum neue Bedeutung erlangt. Während Mitteleuropa erst durch die Kreuzzüge mit dem Islam konfrontiert wurde, zeigt sich auf der iberischen Insel ein ganz anderes Bild: Hier hatte sich seit 711 eine jahrhundertelang währende Kulturtradition islamischer, jüdischer und christlicher Prägung herausgebildet, die erst infolge des Falls von Granada 1492, der letzten islamischen Bastion, und der anschließenden Vertreibung der Juden durch die spanischen Katholiken abreißen sollte. Während dieser Zeit kommt es zu einer Vermischung jüdischer und christlicher Auslegungsversuche der Bibel. Ein beliebtes Motiv stellt dahingehend die Entmannung Noahs dar: Nach der jüdischen Tradition kastrierte Ham seinen Vater im trunkenen Zustand, worauf dieser Kanaan verflucht habe. Diejenigen christlichen Theologen, die sich mit den hebräischen Mythen auseinandersetzten, führten derartig negativ besetzte Oraltraditionen Ham betreffend auf den Umstand zurück, dass die Unterwerfung der Kanaaiten durch die Israeliten rational gerechtfertigt werden müsste.94 Während des Mittelalters bildete die Haggada [hebr. „Erzählendes”], einem Teil der mündlichen Lehre 91 92 John Mandeville, Die Reisen des Ritters John Mandeville…, 1965: 40. John Mandeville, Die Reisen des Ritters John Mandeville…, 1965: 119; Mandeville gibt den Umfang der Erde mit 31500 Meilen an. 93 Peter Martin, Schwarze Teufel, edle Mohren…, 1993: 279. 94 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis…, JAH 10, 4, 1969: 521-532. 47 [Gemara] des Talmuds, die Hauptquelle für das rabbinische und jüdische Schrifttum. Reisende des Mittelalters waren offensichtlich sowohl mit jüdischen als auch mit christlichen Traditionen vertraut, wie der Bericht von Benjamin Ben Jonah von Tudela, einem der bedeutendsten Reisenden des 12. Jahrhunderts, verdeutlicht. Seine zwischen 1160 und 1173 unternommenen Reisen führten ihn vom nordspanischen Navarra ausgehend in den Mittelmeerraum bis ins nordöstliche Afrika. Nach einer beschwerlichen Fahrt durch das ägyptische Wüstengebiet bot sich dem Reisenden am ersten Katarakt des Niltals folgende gesellschaftliche Situation: “Thence to the land of Assuan is a journey of twenty days through the desert. This is Seba in the river Pishon (Nile) which descends from the land of Cush. And some of these sons of Cush have a king whom they call the Sultan Al-Habash. There is a people among them who, like animals, eat of the herbs that grow on the banks of the Nile and in the fields. They go about naked and have not the intelligence of ordinary men. They cohabit with their sisters and any one they find. The climate is very hot. When the men of Assuan make a raid into their land, they take with them bread and wheat, dry grapes and figs, and throw the food to these peoples, who run after it. Thus they bring many of them back to prisoners, and sell them in the land of Egypt and in the surrounding countries. And these are the black slaves, the sons of Ham.“95 Hier erscheint also die Gleichsetzung der Söhne Hams und schwarzer Sklave erstmals in expliziter Form. Die Nachkommen Hams sind demnach die Unfreien, die Barbaren, die der Reisende von den offensichtlich freien Kuschiten unterschieden wissen wollte. Genealogisch betrachtet war Kusch jedoch ein Sohn Hams, ein Widerspruch, der bei Benjamin unkommentiert bleibt. Welche soziohistorischen Umstände führten einen derartigen Wandel in der Betrachtungsweise herbei? Der Bericht ist kurz vor dem Fall des fatimidischen Kalifats 1171 in Kairo einzuordnen, danach erst konnte sich das christliche Nubien wieder entfalten. Seit der Besetzung Ägyptens 963 durch die Fatimiden kam es zu regelrechten Kriegszügen ins obere Niltal. Das Geschäft der Sklaverei florierte und nahm, wie dem Bericht Benjamins zu entnehmen ist, oft grausame Formen an. Unklar bleibt bei der Erwähnung der „primitiven Nackten”, um welche ethnische Gruppen es sich hierbei handelte. Lediglich die Hinweise einer unsteten Wohnbleibe und das Fehlen einer Kleidung deuten auf eine nomadische Lebensform hin, die etwa an die nilotischen Dinka oder Nuer denken lässt.96 Wichtig für unser Thema bleibt festzuhalten, dass hier erstmals die ideengeschichtliche Komponente des verfluchten Hamitengeschlechts mit der Sklaverei in Afrika in Verbindung gebracht wird. Benjamins Bibelmetapher sollte in der Folge als Stereotype immens dazu beitragen, den Sklavenhandel in den christlichen Ländern 95 Marcus Nathan Adler, The Itinerary of Benjamin of Tudela…, 1907: 68. 96 Robert L. Hess, Travels of Benjamin Tudela. JAH 6, 1, 1965: 20. 48 legitimieren zu helfen. Unter Betracht der historischen Rekonstruktion der Entstehung des Hamiten-Mythos, aber auch um der Einordnung des Mittelalters gerecht zu werden, ist die Wirkungsgeschichte des Reiseberichts wegen ihrer Aussagekraft von Bedeutung. Benjamin, zwar von manchen als der „größte Reisende des Mittelalters” gewürdigt, sein „Buch der Reisen” [hebr. Sefer ha-Massa’ot] spielte jedoch für seine zeitgenössische Periode praktisch keine Rolle. Es ist während des gesamten Mittelalters unbekannt geblieben. Erst als der Bericht 1543 in hebräischer Sprache in Konstantinopel publiziert wurde, geriet er langsam ins öffentliche Bewusstsein.97 Allgemeine Verbreitung fand er in der Folge besonders im franko- und anglophonen, weniger im deutschen Sprachraum; also in jenen Ländern, die am atlantischen Sklavenhandel am intensivsten beteiligt waren. Zwischen 1625 und 1904 kamen sechs englische und zwischen 1729 und 1830 vier französische Ausgaben heraus; die erste deutsche Ausgabe erschien erst 1904.98 Benjamin ist insofern auch bedeutsam, da er erstmals die Idee der Suche nach den „zehn verlorenen Stämme Israels” auf Afrika übertrug. Dahingehend identifizierte er die Danakil [Eigenname ist Afar mit der Bedeutung „Freie”], eine Gruppe von muslimischen Hirtennomaden in Nordäthiopien, mit dem „verlorenen Israel-Stamm” Dan, als dessen Stammvater nach der Genesis (1. Mose 30: 3-6) der fünfte Sohn Jakobs gilt. Dadurch kam ein weiteres Moment hinzu, den Bibeltext im Kontext Afrikas zu sehen. Als dessen Nachkommen identifizierte er die Afer, ein bei Bad-el-Arab lebende Hirtengruppe. Die Ethnografie des 19. Jahrhunderts bezeichnete diese nomadische Viehzüchterkultur schlicht als etwas Unafrikanisches, da sie der bibelzentrischen Perspektive gemäß aus Asien nach Afrika gekommen sein muss. Da im äthiopischen Buch der Jubiläen 8, 15 Ophir als Afra erscheint, war hier ein hypothetischer etymologischer Zusammenhang gegeben. Aufgrund ihres „hamitischen” Aussehens machte der österreichische kaiserliche Rat und Geograf Philipp Paulitschke [1854-1899] die Afer in der internationalen Gelehrtenwelt bekannt.99 Folgerichtig wurden die Hamiten in die Nähe der Genese des hebräischen Volkes gestellt. Das geschichtstheologische Bestreben nach eigenen Urahnen zu fahnden, führte zu einem Ineinanderfließen der Herrscher- und Völkergenealogien. Bei den einzelnen Kirchenreformern erfährt die Sichtweise der Noachiden eine völlig neue Einschätzung. Dem 97 Robert L. Hess, Travels of Benjamin Tudela. JAH 6, 1, 1965: 15-24; damit ist Hennig korrigiert, der die erste Ausgabe mit 1764 angibt; vgl. Richard Hennig, Terrae incognitae…, 21950 II: 423-437. 98 Auch die beiden holländischen Ausgaben aus den Jahren 1666 und 1698 bestätigen diese Annahme; vgl. Robert L. Hess, Travels of Benjamin Tudela. JAH 6, 1, 1965: 16, Anm. 5. 99 Philipp Paulitschke, Ethnographie Nordost-Afrikas…, 1893; Paulitschke hielt sich zwischen 1880 und 1885 in Nordostafrika auf. 49 Oxforder Theologieprofessor und Reformer John Wyclif [ca. 1320-1384] war es ein Anliegen, die Kirchengeschichte der sündigen weltlichen Herrschaft bloßzulegen. Durch Bibelstudien zu einem radikalen Verfechter des frühkirchlichen Armutsideals geworden, kritisierte Wyclif auf dieser Grundlage die Besitzkirche und bestritt dem Papst jeglichen politischen Machtanspruch. Dabei kehrte er das Bild der Hamiten als Knechte völlig um. Als der Erfinder weltlicher Herrschsucht wäre der erste Städtebauer Kain anzuführen; der hamitische Riese Nimrod erweiterte diese zur Tyrannei, als er den Turm zu Babel erbauen ließ. Auch in Ägypten knechteten die Hamiten die Juden, und die Reihe der Großreiche, die ihr Recht auf Eroberung stützten, gipfelte bei den Römern. Bei Martin Luther [1483-1546] wird der Hamite Nimrod zum Kaiser der Welt hochstilisiert.100 Wyclif regte die erste Bibelübersetzung ins Englische an. Mit der Ausbildung von Laienpredigern, den sogenannten Lollarden oder „Unkrautsäer”, rief er indirekt eine Volksbewegung ins Leben, deren Ideen sich auf die Vorreformation in Prag auswirkten.101 Die Epoche des Humanismus mit seinen Reformbestrebungen veränderte das noachidische Ständedenken. Luthers bedeutendster Mitarbeiter, Phillipp Melanchthon [1497-1560], verlagerte 1539 die landeskirchliche Stände-Trias „Prediger-Fürst-Kirchenvolk” mittelalterliche Ständegenealogie hin zu einem neuen Geschichtsmythos. Das Priestertum verknüpfte er mit den asiatischen Semiten, den Adel mit dem europäischen Japhetiten und die Dienstbarkeit mit Ham und Afrika. Letztere wurden auf der Gesellschaft Europas mit den unfreien Bauern gleichgesetzt.102 Um 1600 war die Gleichsetzung der Hamiten als Negroide weitgehend bekannt. Der aus Granada stammende maurische Geograf, Al Hasan Ibn Muhammad Al Wassan [1490ca.1550], besser bekannt als Leo Africanus, bereiste ab 1508 Nordafrika, vielleicht auch Vorderasien. Nachdem er 1520 zum Christentum übergetreten war, engagierte ihn Papst Leo X., der Sohn des einflussreichen Lorenzo de’Medici, zum christlichen Protegé. In seinem Hauptwerk “Descrittione dell’Africa” (1526) sind die Afrikaner durchwegs als schwarze Hamiten angeführt. Es galt in Europa lange Zeit als die wichtigste Quelle über Nordafrika. Das in arabischer Sprache konzipierte Werk, das Leo Afrikanus 1526 eigens ins Italienische übersetzte, kam 1805 verhältnismäßig spät in den deutschsprachen Lesekreis. John Pory103, der 1600 das Werk im Auftrag der Hakluyt-Society ins Englische übersetzte, hob das Motiv 100 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1064. 101 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1003. 102 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1071. 103 Leo Africanus, History and Description of Africa. Translated by John Pory; John Brown (Ed.)…, 1896 XCII-XCIV. 50 der Bestrafung Hams in seinem einleitenden Kommentar hervor, was gravierend zur modernen Mythenbildung beitrug.104 104 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis… JAH 10, 4, 1969: 521-532. 51 3. Hamiten als Begründer außerbiblischer Hochkulturen Die jesuitische Chinamission des 17. Jahrhunderts übertrug die Hamiten auf die „heidnischen Chinesen”. Das christliche noachide Weltbild kam damit mit der dynastischen chinesischen Geschichtsschreibung in Konflikt. Für über hundertfünfzig Jahre bildete die Einordnung der chinesischen Kulturgeschichte in die biblische Chronologie einen Gegenstand der theologischen Diskussion. Mit der Anerkennung einer vor- und außerbiblischen Kultur, das wesentliche Ergebnis davon, ging auch die Methode des Vergleichens anderer gleichwertiger Hochkulturen einher. Auf diese Weise erblickten die jesuitischen Gelehrten in der ägyptischen und chinesischen Dynastienkette etwas Gemeinsames und fanden in Ham deren ursprünglichen Ahnherrn. Die europäische Heilsgeschichtsschreibung wurde traditionell in zwei Stränge geteilt: in die kirchliche und in die weltliche. Die Kirchengeschichte gründete sich auf die Bibel und die späteren kirchlichen Schriften, die weltliche Geschichte auf andere Dokumente. Doch die Frühgeschichte des Menschen war, mangels anderer Quellen, eine Domäne der Kirchenhistoriker. Nur das inspirierende Alte Testament gab darüber Auskunft, alles andere galt als Fabeln und Mythen. Kirchliche und weltliche Geschichte hatten also dieselbe Wurzel. Die Gelehrten hatten auf Grund der biblischen Angaben eine sorgfältige Chronologie erarbeitet, die in mindestens drei Versionen existierte. Nach den hebräischen masoretischen Texten lagen zwischen Erschaffung der Welt und Sintflut 1656 Jahre, nach dem samaritanischen Pentateuch nur 1307 Jahre, nach der Septuaginta jedoch 2242 (oder auch 2262 oder 2256) Jahre. Die fast allgemein akzeptierte Chronologie der „christlichen Welthistorie” war die der hebräischen Masora, wie sie der deutsche Augustiner Martin Luther und der irisch-anglikanische Erzbischof James Ussher [1580-1656] präsentierten. Nach Luther war die Welt im Jahre 3960 v. Chr., nach Usshers Berechnungen um ein halbes Jahrhundert früher im Jahre 4004 v. Chr. erschaffen worden; beide hielten jedoch den vorgegebenen masoretischen Zeitraum von 1356 Jahren zwischen Schöpfung und Sintflut ein. Luther gab in seiner “Supputatio annorum mundi” (1541) sogar die Geburtsjahre Noahs und seiner Söhne an. Danach erblickten Noah 2905 v. Chr., Japhet 2405 v. Chr., Sem 2403 v. Chr. und Ham schließlich 2401 v. Chr. das Licht der Welt.105 Wie angesehen auch Usshers “Annales Veteris et Novi Testamenti” (London 1650-1654) war, lässt sich daraus ersehen, dass seine Chronologie nach 1700 auf den Rändern der englischen autorisierten Version der Bibel, der Douay Bible, vermerkt wurde. James Usshers letzte komplette Ausgabe seines 105 Der lateinische Text erschien zuerst in Wittenberg 1541. Er ist abgedruckt in „D. Martin Luthers Werken”…, 1968 DIII: 44. 52 Gesamtwerkes erschien noch nach der Publikation Darwins “Origin of Species” (1859) in der siebzehnten Edition 1847-64 in Dublin, wo diese Chronologie noch festgeschrieben stand. Das Alte Testament samt dieser kalkulierten Periodisierung war die Basis der historiografischen Darstellung und Mitteilungen über die Frühgeschichte anderer Völker wurden an dessen Daten geprüft, und sofern sie damit nicht in Einklang zu bringen waren, gewöhnlich als unzuverlässige Sagen abqualifiziert. In der Tat schienen nur die Juden eine bis in die frühesten Zeiten zurückreichende Geschichtsschreibung zu haben. Durch die zunehmenden Geschichtsstudien anderer Kulturen blieb die von Luther und Ussher festgeschriebene Chronologie jedoch nicht unherausgefordert. Isaac de La Peyrère [1596-1676], jüdischer Herkunft und der kalvinistischen Konfession angehörig, legte 1655 seine präadamitische These der Öffentlichkeit vor – zunächst noch anonym. Darin beschränkt er Adam lediglich auf den Ahnherrn der Juden. Die Kultur der Chaldäer, Ägypter und Chinesen wären dagegen älter als die jüdische. Die Sintflut war nicht allgemein, die Völkeraufteilung betraf nur das Heilige Land, auch die in Genesis 11.1 erwähnte Einheit der Sprache und die Sprachenverwirrung waren bloß lokal gemeint. Die Präadamiten-Lehre brachte La Peyrère in den Kerker der Inquisition, er musste widerrufen und rettete sich durch Konversion.106 Diese höchst moderne Deutung der Bibel wollte den Juden den universalen Primat entreißen und wirbelte sofort viel Staub innerhalb der Gelehrtenwelt auf. Doch selbst die papsttreuen Jesuiten mussten einsehen, dass die biblische Chronologie lediglich kulturrelativitischen Wert besaß. Es waren italienische Jesuiten, die auf den Spuren von Matteo Ricci bei der China-Mission entdeckten, dass die biblische Chronologie mit den Geschichtsquellen exotischer Kulturvölker schwer zu vereinbaren ist. Der Jesuitenmissionar Martin Martini [1614-1661] aus Trient gab 1658 dem Abendland erstmals Kenntnis von den chinesischen Historien. Er fand in ihnen, dass die Chinesen sich bereits vor der Sintflut von der übrigen Menschheit getrennt hätten. „Ich bin mir sicher”, schrieb Martini, „dass Ostasien vor der Flut bewohnt war.”107 Es schien, dass die chronologische Ordnung der christlichen Heilsgeschichte immer mehr durchlöchert wurde. Nach Martinis Rechnung beginnen die chinesischen Annalen mit dem ersten Kaiser Fuxi im Jahre 2952 v. Chr. Damit legte er die Behauptung nahe, dass bereits sieben Kaiser vor der Sintflut [2349] regiert hätten. Martin blieb jedoch genau bei Usshers Vorgaben, dass die Erde am 23. Oktober 4004 v. Chr. erschaffen worden sei. Das Erscheinen von Martinis “Sinicae historiae decas prima”108 zog den sogenannten Ritenstreit nach sich und revolutionierte die europäische Historiografie 106 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1277. 107 Zitiert in Hartmut Walravens, China illustrata…, 1987: Ausstellungskatalog. 108 Martin Martini, Tridentini, e Societate Iesu, Sinicae historicae decas prima…, 1659. 53 einerseits und deren Sprachgeschichte andererseits. 1669 erwog John Webb bereits die Möglichkeit, dass das Chinesische und nicht das Hebräische die Ursprache der Menschheit gewesen sein könnte, bevor die babylonische Sprachenverwirrung eintrat. Wenn die modernen Chinesen nicht dieselbe Sprache redeten wie die Gründer ihres Reiches, so das durchschlagkräftige Argument Webbs, musste das Chinesische die Ursprache gewesen sein. Athanasius Kircher [1601-1680] gehörte zu den umstrittensten barocken Universalgelehrten, die zugleich Bahnbrecher der modernen Wissenschaften, aber durch die feste Verwurzelung in überkommene Ansichten auch deren Hemmnis waren. Kircher, der sich als einer der ersten um die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen bemühte, trachtete durch den Vergleich sämtlicher Religionen eine Ursprache herauszuschälen. Freilich arbeitete er dabei nicht mit linguistischen Kriterien, seine Leitgedanken bildeten die unterschiedlichen Sitten in der Gottesverehrung. So war für Kircher ein Zusammenhang zwischen der chinesischen und der ägyptischen Sprache erwiesen: Die Chinesen besänftigten zornige Götter wie die Ägypter. Demgemäß hätten die Ägypter und die Chinesen die gleichen Götter. Weiterhin seien die Riten und die Zeremonien gleich und die Hieroglyphen und die chinesischen Schriftzeichen seien einander sehr ähnlich. Nach seiner Ansicht wanderte Noahs dritter Sohn, Cham mit seinem Stamm von Ägypten nach Persien und Baktrien und siedelte sich in der Nähe des Königreichs Mogor ab, von wo die Kenntnisse der Hieroglyphen nach China gelangten. John Webb trat der Theorie Athanasius Kirchers insofern entgegen, dass China von den Ägyptern besiedelt worden sei.109 Webb erachtete die Sprachen für nicht ähnlich. Sein Grund war, dass die Chinesen nur vom ältesten Sohn Sem aber nicht vom götzendienenden Nachkommen Ham abstammen könnten.110 Der Dominikaner Domingo Fernandey de Navarrete, der sich energisch gegen die Jesuitenmission in China wandte, stellte den jesuitischen Anspruch von der ursprünglichen Religion der Chinesen wiederum in Frage. Er behauptete, die Chinesen hätten keine Kenntnisse von Gott gehabt. Er stimmte aber den Berechnungen Martinis zu und identifizierte dann Fuxi mit Noahs Sohn Ham und damit mit dem persischen Religionsstifter Zoroaster.111 Dieser lebhafte Streit um chinesische oder ägyptische Hamiten führte einen wichtigen Wandel herbei. Denn von nun an galten Hamiten nicht mehr als seltsame Monster oder versklavte Neger, sondern als Begründer hochstehender Kulturen, zwar heidnischen Ursprungs, aber an Größe und Erhabenheit den biblischen Völkern um nichts nachstehend. 109 Athanasius Kircher, Oedipus aegyptiacus…, 1652-1654. 110 John Webb, An historical essay endeavouring a probability that the language of the empire of China…, 1669. 111 Navarette, An account of the empire of China…, o. J. [span. Orig. Madrid, 1676]. 54 Es sei hier gesondert hervorgehoben, dass ideengeschichtlich sich die spätere Betrachtung, die chinesische und außerafrikanische rassische Einflüsse in bestimmten afrikanischen ethnischen Gruppen ortet, hiervon ableitet. 55 4. Von den dynastischen Hamiten zur noachidischen Rasseneinteilung Eine Neuinterpretation in der Betrachtung der biblischen Völkertafel lieferte der renommierte Leidener Ordinarius Georg Horn [1620-1670], Autor von “Arca Noaesive Historia” (1666). Als erster anerkannter Universalhistoriker wollte Horn in diesem Epoche machenden Werk den Zusammenhang aller Menschen und Völker darstellen. Horn, ursprünglich aus Deutschland stammend, war derjenige, der den Noachiden die drei bekannten „Rassenfarben” hinzufügte. Er kam jedoch noch ohne den Begriff der Rasse aus. Nach Horn teilte sich die Nachkommenschaft Noahs folgendermaßen auf: “Alias pro colorum diversitate commode quoque distinxeris posteros Noachi in albos, qui sunt Scythae & Japhetaei, nigros, qui sunt Aethiopes & Chamaei, flavos, qui sunt Indi & Semaei [hervorgehoben im Original].“112 Horn machte aus den Japhetiten also die „Weißen”, aus den Semiten die „Gelben” und aus den Hamiten die „Schwarzen”. Zu Geografie, Geschichte und Mythologie trat damit ein neues Klassifikationsprinzip hinzu: das Prinzip der Hautfarbe.113 Dem barocken, gewöhnlich kreativen Entsprechungsdenken gemäß werden die Noachiden mit einer Fülle von Sinnbildern assoziiert. So hatte Horn kosmologische Entsprechungen vor Augen als er Japhet mit Neptun, dem Herrn der Inseln, gleichsetzte, weiters Ham mit JupiterAmmon, Kanaan mit Merkur, Noah mit Saturn und Sem schließlich mit Pluto. Es ist durchaus bemerkenswert, dass dieses vermehrte Rückgreifen auf die griechische Mythologie seit der Renaissance das jüdisch-christliche Weltbild weniger zum Einzustürzen brachte als es dieses vielmehr ergänzte. Mit dem bildhaften Denken des barocken Zeitalters ließen sich die Noachiden mit den klassischen Göttern systematisch gleichsetzen, eine Methode, die auf den Zeitgenossen Horns Samuel Bochart [1599-1667] zurückgeht, einem kalvinistischen Pfarrer aus Caen.114 Dennoch werden die herkömmlichen Charaktereigenschaften der Noachiden aufs Pedanteste beibehalten. Bei Horn erscheint sowohl Ham als auch Kanaan mit einem Fluch beladen (maledictus); ihr Aussehen daher “nigri instar corvi” – schwarz wie ein Rabe – wie Horn nun die Andeutungen aus dem Babylonischen Talmud vervollständigt. Sem dagegen war mit Lob (benedictus) bedacht, sein Aussehen dunkelbraun und herrlich (fusci & pulchri); Japhet schließlich weiß und mit anmutiger Gestalt (albi & formosi).115 Fast anachronistisch für das 17. Jahrhundert mutet es an, wenn Horn die herkömmliche noachide Einheit aufrecht112 Georg Horn, Arca Noaesive historia imperiorum et regnorum…, 1666: 37. 113 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1, 1306. 114 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1, 1279. 115 Georg Horn, Arca Noaesive historia imperiorum et regnorum…, 1666: 38. 56 erhalten will. Entgegen der zu dieser Zeit aufkommenden Chinesenschwärmerei führte Horn deshalb die Chinesen auf den bösen Kain zurück.116 Nur so kann Horn das herkömmliche Bild beibehalten, indem Noah die Welt in 72 Sprachen und Völker teilte. Da bei Horn die drei Noachiden jedoch nicht mehr nur einen Sprachstamm oder eine Völkergruppe vertreten, sondern auch eine Hautfarbe, leitet er in seinem weltgeschichtlichen Entwurf auch das Denken in menschliche Rassen ein.117 Denn, von nun an, war es nur mehr ein kleiner Schritt in Richtung der Einteilung nach menschlichen Rassen. Bereits 1684 veröffentlichte der Asienreisende François Bernier [1620-1688] seine neue Einteilung der Erde “par les différentes Espèces ou Races à hommes qui l’habitent.”118 Die Klassifikation der Natur nach Arten oder Rassen kann zwar bis in die Antike zurück verfolgt werden, Bernier, Schüler des französischen Materialisten Pierre Gascendi [1592-1655], wagte aber als erster, den Begriff Rasse auf den Menschen anzuwenden. Etymologisch ist das Wort Rasse unbekannter Herkunft, wenn auch manche es vom Arabischen ableiten wollen. Der sächsische Philosoph und in Paris tätige Diplomat Gottfried Wilhelm Leibniz [1646-1716] übertrug es erstmals ins Deutsche, wo es zunächst synonym mit „Stamm” verwendet wird. Hervorzuheben ist, dass die Gleichsetzung der drei Stammrassen mit den Noachiden nicht unmittelbar mit der Einführung des menschlichen Rassenbegriffs erfolgte. Weder Carl von Linné noch Friedrich Blumenbach, wohl die renommiertesten Rassensystematiker des 18. Jahrhunderts, machten bei ihren Einteilungen Gebrauch von der Bibel. Sie lehnten den noachidischen Mythos, dem aufklärischen Denken entsprechend, geradezu ab. Umweltfaktoren wie das Klima werden nun hervorgehoben, um die Unterschiede in Hautfarbe und Gestalt zu erklären. George Leclerc de Buffon [1707-1808] entwickelte in seinem berühmten Monumentalwerk “Histoire naturell de l’homme” (1778) als einer der ersten eine Umwelttheorie. Er war davon überzeugt, dass Klima, Ernährung, Sitte und Bräuche die menschliche Rasse weit mehr bestimmen würden als etwaige Faktoren der Vererbung. Die Haut der Neger war dieser Auffassung gemäß wegen der Tropenhitze schwarz, und sie würde sich mit dem kälteren Klima ändern. Die Klimatheorie wurde auch von deutschen Aufklärern vertreten. „Dass die Hitze des Erdstriches und nicht ein besonderer Elternstamm hieran schuld sei, ist daraus zu ersehen,” notierte der in Königsberg lebende Aufklärungsphilosoph Immanuel Kant 1803 in seiner „Physischen Geografie”, dass in eben demselben Lande diejenigen, die in den flachern Theilen desselben wohnen, weit schwärzer sind als die in hohen Gegenden lebenden. Daher am Senegal schwärzere Leute als in Guinea und in Kongo und Angola schwärzere als in 116 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1305. 117 Arno Borst, Der Turmbau von Babel…, 21995 III, 1: 1306. 118 François Bernier, Nouvelles division de la Terre…, Journal des Sçavans 12, 1684: 148-155. 57 Oberäthiopien oder Abessinien.“119 Auf diese Weise erklärte Kant sich die hellere Hautfarbe der Äthiopier. Die materialistische Klimatheorie fungierte bei den Aufklärern als Gegenkonzept zur biblischen „Vererbungslehre”. Kant schreibt: „Einige bilden sich ein, Ham sei der Vater der Mohren und von Gott mit der schwarzen Farbe bestraft, die nun seinen Nachkommen angeartet. Man kann aber keinen Grund anführen, warum die schwarze Farbe in einer vorzüglichern Weise das Zeichen des Fluches sein sollte als die weiße.“120 Dennoch war Kant davon überzeugt, dass jeder Mensch zunächst mit „weißer Hautfarbe” zur Welt kam. Hinsichtlich der Entstehung der schwarzen Hautfarbe, weiß der Buch- und Verstandesgelehrte, der angeblich seinen Geburtsort Zeit seines Lebens nie verlassen hatte, einige Merkwürdigkeiten zu berichten: „Die Neger werden weiß geboren außer ihren Zeugungsgliedern und einem Ringe um den Nabel, die schwarz sind. Von diesen Theilen aus zieht sich die Schwärze im ersten Monate über den ganzen Körper.”121 Zeitgleich zur Klimatheorie kam das ästhetische Kriterium auf, Menschenrassen zu klassifizieren, das nun meist mit geistigen Eigenschaften korreliert wurde. Bereits der schwedische Biologe Carl von Linné [1707-1778] hielt die weiße Rasse allein für schöpferisch, erfinderisch, ordentlich und mit Gesetzen regiert. Sie schien für ihn die überlegenste Rasse zu sein. Im Gegensatz dazu waren die Neger mit allen negativen Eigenschaften besetzt. Sie wurden für faul, unaufrichtig und für unfähig gehalten, sich selbst zu regieren. Auch der in Göttingen tätige Anatom Johann Friedrich Blumenbach [17521840], der den Mensch im Gegensatz zu Linné nicht nach Rassentypen, sondern nach Varietäten einteilte, spricht von „anziehendsten Gestaltungen”, benutzte also das ästhetische Urteil der Schönheit. Seine „kaukasische Varietät” ergab sich aus der Einsicht, dass im asiatischen Gebiet des Kaukasus die schönsten Menschen lebten. Darum müsse man auch „das Vaterland des ersten Menschen hier suchen.”122 Blumenbach stützte sich hierbei auf zeitgenössische Reisebeschreibungen, die folgendes Orientbild vermittelten. „Der Stamm der Georgier ist der schönste des Orients, und ich kann wohl sagen der Welt. Ich habe in diesem 119 Immanuel Kant, Physische Geographie…, 1803. In: Kant’s gesammelte Schriften…, 1923 I, 9: 314. 120 Immanuel Kant, Physische Geographie…, 1803. In: Kant’s gesammelte Schriften…, 1923 I, 9: 313. 121 Immanuel Kant, Physische Geographie…, 1803. In: Kant’s gesammelte Schriften…, 1923 I, 9: 312. 122 Johann Friedrich Blumenbach, Über die natürlichen Verschiedenheiten…, 31789: 213; diese Einschätzung geht zurück auf den Reisebericht von Jo. Chardin, Les voyages de Jo. Chardin…, Amsterdam, 1835 I: 171. 58 Lande kein häßliches Gesicht bemerkt; aber ich habe Engelsgesichter gesehen. Die Natur hat hier die meisten Weiber mit Reizen geschmückt, welche man sonst nirgends sieht. Mir scheint es unmöglich sie zu sehen, und sie nicht zu lieben. Reizendere Gesichter, schöneren Wuchs als die Georgerinnen, kann man nicht mahlen.“123 Für Blumenbach war die weiße Hautfarbe auch die ursprünglichere, da „eine Verartung in Schwarz leicht ist, weit schwerer hingegen aus Schwarz in Weiß [...].”124 Für die Entstehung der schwarzen Hautfarbe bei der Erstellung seiner „äthiopischen Varietät” hatte Blumenbach auch einigen Erklärungsbedarf: „Ich glaube dann, dass man die nächste Ursache der verbrannten oder schwarzen äußeren Hautbedeckungen, in einem Übermaße von Kohlenstoff (carbonceum elementum) im menschlichen Körper suchen müsse, welcher mit dem Hydrogen durch das Fell ausgesondert, durch den Zutritt eines atmosphärischen Oryxens aber prävcipitirt, und an dem malpighischen Schleime angesetzt wird. Es ist allgemein bekannt, dass selbst den Negern ihre Nationfarbe nicht angeboren wird, sondern dass sie dieselbe nach der Geburt, wenn das Band, welches die Frucht mit der Mutter zusammengehalten hatte, getrennt ist, durch Hinzukunft der äußern Luft erhalten.“125 Andere erblickten das Schönheitsideal in den „göttlichen” Werken der griechischen Kunst. Vom anatomischen Ideal der Mäßigung und Ordnung griechischer Skulpturen inspiriert, entwickelte der holländische Anatom und Maler Peter Camper [1722-1789] den Gesichtswinkel, den er durch den Vergleich der Schädel von Europäern, Neger und Affenschädel bestimmte. Zuerst vermaß Camper den Winkel von der Oberlippe zur Stirn und dann horizontal über das Gesicht. Danach berechnete er die Winkel zwischen diesen beiden Linien. Bildeten Vertikale und Horizontale einen Winkel von hundert Grad, dann hatte man den Winckelmann‘schen griechischen Idealtypus. Da eine solche proportionale Perfektion jedoch selten auftritt, verschaffte Camper sich einen Spielraum für Varianten. Er postulierte daher, dass jeder Winkel unter siebzig Grad dem Gesichtswinkel der Neger entspräche, und diese Messzahl stünde den Linien von Menschenaffen näher als denen der Menschen [Abb. 15, 16]. Von da an, war es nur mehr ein kleiner Schritt zu der Behauptung, dass der Grund der rassischen Unterschiede beim Menschen auf die unterschiedliche Herkunft zurückzuführen sei. Der Sohn eines Postmeisters, Christoph Meiners [1747-1810], seit 1772 ordentlicher Lehrer der Weltweisheit und später sogar Königlicher Großbritischer Hofrath in Göttingen, kam zur Einsicht, dass sämtliche Menschen sich auf zwei Arten unterschiedlicher 123 Johann Friedrich Blumenbach, Über die natürlichen Verschiedenheiten…, 31789: 213. 124 Johann Friedrich Blumenbach, Über die natürlichen Verschiedenheiten…, 31789: 214. 125 Johann Friedrich Blumenbach, Über die natürlichen Verschiedenheiten…, 31789: 98. 59 Abb. 15 Die Entwicklung von Schädel und Gesichtsausdruck vom Affen über den Negroiden zum durchschnittlichen Europäer und zum griechischen Idealtypus. Aus Peter Camper, Dissertation sur les Variétés Naturelles…, 1791. George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa…, 1990: 136. Abb. 16 Der „Gesichtswinkel“. Aus Robert Knox, The Races of Men…, 1862. George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa…, 1990: 136. 60 Herkunft reduzieren ließen. „Ich war sehr oft dazu geneigt, die dunkelfarbigen und häßlichen Völker auf der einen, und die weißen und schönen auf der anderen Seite nicht bloß für verschiedene Stämme”, notierte Meiners in seiner Hauptschrift 1811, „sondern für ganz verschiedene Arten von Menschen zu halten, die nicht eines gemeinschaftlichen Ursprunges, oder eine von der andern entsprossen seien.“126 Dieser Glaube an getrennte Ursprünge wurde Polyphylismus genannt. Der Polyphylismus führte die weiße Rasse auf Adam zurück, die schwarzen Rassen hingegen mussten auf Ereignisse geschaffen worden sein, die außerhalb der biblischen Schöpfungsgeschichte lagen. Der Monophylismus konnte Rassen als Varianten auffassen, der Polyphylismus musste die Unterschiede absolut nehmen. Soziohistorisch gesehen richtete sich Meiners Schrift gegen die Ideen der Französischen Revolution, dass alle Menschen von Natur aus gleich, und somit alle Völker Brüder, seien. Deshalb blieb seine Klassifikation, Menschen im Namen der Wissenschaft in schöne und hässliche aufzuteilen, nicht unangefochten. „Diese angeblichen Grundsätze fanden bey der Jugend, bey dem größten Theile der Journalisten und modischen Schriftsteller nur zu viel Eingang. Man hörte nicht mehr, wenn ich bewies, dass die Neger, die Amerikaner, u. s. w. von Natur weit unter den Europäern stünden. Man entbrannte vor Unwillen darüber, dass ich die Rechte des Adels vertheidigte, und mich sogar gegen eine plötzliche Aufhebung der Knechtschaft der Neger erklärte. Unter den modischen Schriftstellern war keiner in seinen Angriffen auf mich heftiger und leichter, als der jüngere Forster.“127 Die Rede ist hier von Johann George Adam Forster [1754-1794], der sich an der französischen Revolution beteiligte. Er und sein Vater Johann Reinhold Forster [1729-1798] wurden 1772-1775 vom englischen König dazu ausgewählt, James Cook auf seiner zweiten Weltreise zu begleiten. Gerade anhand Meiners Rassebegriff lässt sich das gesellschaftliche Konstrukt entlarven, das in dieses magische Wort hinein projiziert wurde.128 Zwei gesellschaftlich voneinander getrennte Welten, zwei „Rassen” geradezu, schienen da mit einem Mal aufeinander zu prallen: hier der Adel, der im Wesentlichen auf die Werte des ancien régime beharrte und sich deshalb für die Sklaverei aussprach und dort das emporstrebende Bürgertum, das genau diese Werte ablehnte und sich den Werten eines abstammungsfreien „Weltbürgertums” verschrieb. 126 Christoph Meiners, Untersuchungen über die Verschiedenheiten der Menschennaturen…, 1811 I: XVI. 127 Christoph Meiners, Untersuchungen über die Verschiedenheiten der Menschennaturen…, 1811 I: XIX. 128 Vgl. auch Christoph Meiners, Geschichte der Ungleichheit der Stände unter den vornehmsten Europäischen Völkern…, 1792. 61 Aus diesem soziohistorisch determinierten Dilemma schien es keinen Ausweg für einen neuen Inhalt des Rassebegriffs zu geben. So setzt wider Erwarten in einer postaufklärerischen Phase zunehmend die Rückbesinnung auf die Bibel ein. 1817 bereits leitete der französische Naturforscher George Baron de Cuvier [1769-1832] seine drei Menschenrassen von den drei Söhnen Noahs wieder ab und erachtete Japhet als den Ahnherrn der kaukasischen, Sem als den der mongolischen und Ham als den der äthiopischen Rasse, deren schwarze Hautfarbe auf den auferlegten Fluch Noahs auf Kanaan entstanden sei.129 Gerade de Cuvier veranschaulicht, wie sich der Übergang des Optimismus der Revolution zum Pessimismus der Restauration auch in der Entwicklung anthropologischer Ideen ausdrückt. 1790, in seiner Jugend, kritisierte er noch die Autoren, die von angeborener Minderwertigkeit der Schwarzen sprachen und diese neben die Menschenaffen stellten. In seinem Hauptwerk “Règne animal” (1817) befleißigte de Cuvier sich selbst dieses klassischen Vergleichs. Ham erscheint nun zum Affen degradiert [Abb. 17, 18]. De Cuvier stellte sich strikt gegen die Vorstellung, das Leben habe seit seiner Entstehung sich unilinear stetig weiterentwickelt. Die Unterschiede fossiler Wirbeltiere mit rezenten erklärte sich de Cuvier mit der „Katastrophentheorie”, derzufolge das Leben auf der Erde periodisch durch große Katastrophen vernichtet und anschließend immer wieder neu erschaffen worden ist. Die Sintflut bildete dahingehend das „rezenteste” Beispiel für ihn. Rückblickend sah der irische Anthropologe Augustus H. Keane erst in den Arbeiten de Cuviers den entscheidenden Beginn für die Auseinandersetzung der monogenetischen und polygenetischen Theorien.130 Die Lehre vom Hamitentum, wie sie im 19. Jahrhundert entstanden ist, konnte nur auf der Grundlage der von der Aufklärungsphilosophie eingeführten Einteilung der Menschheit in Rassen entstehen. 129 George de Cuvier, Le Règne animal distribué d’après son organisation…, 1817 I: 94; 1829 wurde es neu aufgelegt und nach de Cuviers Tod 1838-1840 ins Englische übertragen; siehe dazu auch Léon Poliakov, Der arische Mythos…, 1993: 249; Alfred Cort Haddon, History of Anthropology…, 21934: 73. 130 Augustus Keane, Ethnology…, 1896: 164. 62 Abb. 17 Königreich der Tiere. – Durch den Gesichtswinkel wird Prognathie vorgetäuscht. M. F. E. Guérin-Méneville, Iconographie de G. Cuvier, Représentation d’après nature de l’une des espèces les plus remarquables et souvent non encore figurées, de chaque genre d’animaux…, 18291844 I: Plate B. 63 Abb. 18 Königreich der Tiere. – In de Cuviers bekanntem zoologischen Werk erscheint der biblische Ham als äthiopischer Rassetypus zum Affen degradiert. M. F. E. Guérin-Méneville, Iconographie de G. Cuvier, Représentation d’après nature de l’une des espèces les plus remarquables et souvent non encore figurées, de chaque genre d’animaux…, 18291844 I: Plate A. 64 5. Vom edlen Mohren-Hamiten zum geschichtslosen Afrika Edith Sanders hat die Expedition Napoleons nach Ägypten 1798 als den historischen Katalysator bestimmt, innerhalb der westlichen Welt die Hamiten als weiße Kaukasier zu sehen.131 Die Ursprünge dieser Betrachtung lassen sich jedoch wesentlich früher festmachen. Martin Luther war derjenige, der Hams Erstgeborenen, Kush, als „Mohr” wiedergab. Damit wollte er den Afrikabezug herstellen, leistete dabei jedoch vielen Missverständnissen Vorschub, da mit den dunkelhäutigen Mohren auch die hellhäutigen Mauren – die Berber – gemeint sein konnten. Bald schon wurde eine Differenzierung nach der Hautfarbe als notwendig empfunden, die ohne diese Begriffsverwirrung gar nicht entstehen hätte können. Heinrich Bünting [1545-1606], ein deutscher Kartograf, teilte demgemäß 1592 Afrika in ein „schwartses” und ein „weißes Moren Land”, wobei mit letzterem dasjenige regionale Gebiet in Nordafrika gemeint war, wo die verschiedenen Berbergruppen leben, also die Mauren [Abb. 19].132 Bis zu de Gobineau, einem der ersten, der definitiv von „weißen Hamiten” spricht, herrscht jedoch die Ansicht vor, die Ägypter, verkörpert durch Mizraim, wären negroid, dunkelhäutig und afrikanischen Ursprungs. An der Gestaltung dieses afrozentrischen Ägyptenbildes wirkte in besonderem Maße die Freimaurerei mit, ein Zusammenhang, der bislang nur wenig untersucht worden ist. 1717 in England entstanden, war die Freimaurerei vor allem in Frankreich Träger der Aufklärung. Von den Gedanken der Aufklärung begeisterte Männer strömten förmlich in die Logen. Unter dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen fanden sie sich über alle trennenden gesellschaftlichen Schienen hinweg zusammen, um als „bloße Menschen” am sozialen Gerüst einer „moralischen Internationalen” zu arbeiten. Für den Einsatz der Toleranz auf religiöser Ebene haben sich vor allem Gottfried Ephraim Lessing [1729-1781] und Jean-Marie Arouet, genannt Voltaire [1694-1778] ausgesprochen. Auf politischer Ebene ist Charles de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu [1689-1755] zu nennen, der als Rechts- und Staatsphilosoph in seiner kulturphilosophischen Schrift “De l'esprit des lois” für die Gewaltenteilung als Prinzip des inneren Staatsaufbaus eintrat, wodurch die ausgeübte Willkür des Einzelnen oder von Gruppen vermieden werden sollte.133 Nach den Vorstellungen Montesquieus sollte eine Veredelung durch Aufklärung die Gesellschaft ergreifen. Für diesen Prozess gebrauchte er 131 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis… JAH 10, 4, 1969: 521-532. 132 Oscar I. Norwhich, Norwich’s Maps of Africa…, 21997 [1983]: 25. 133 Während die meisten der deutschen und französischen Aufklärer Logenmitglieder waren, ist dies bei Jean-Jacques Rousseau [1712-1778] und Immanuel Kant [1724-1804] nicht der Fall. 65 Abb. 19 Schwarze und weisse Mohren, Heinrich Bünting, Hannover, 1592. Martin Luther übertrug Kusch [hebr. kuŝ], erster Sohn Hams, als „Mohr“ ins Deutsche. Für die Nachwelt war unklar, ob damit die hellhäutigen Berber-Gruppen [Mauren] oder die dunkelhäutigen Äthiopier gemeint sind. Seit dem 16. Jahrhundert teilen die Kartografen afrikanische Völker in „weiße“ und „schwarze Mohren“ ein. Jeffrey C. Stone (Hrsg.), Norwhich’s Maps of Africa…, 21997: 28. 66 als einer der ersten den zum Leitbegriff avancierten Begriff „Zivilisation”, allerdings noch mit einem negativen Akzent in Abgrenzung zu den als dekadent aufgefassten „höfischen Sitten” an den französischen Fürstenhöfen. Den visionären Aspekt des „Zivilisationsbegriffs” hob in besonderem Maße Voltaire hervor, der einen Wandel hin zu einer inneren Pazifizierung der Gesellschaft vor Augen hatte, die sich schließlich durch gehobene äußere Verhaltensweisen kenntlich machen solle. Etwa zur gleichen Zeit stellte Jean Jacques Rousseau der Zivilisation die Natur gegenüber und schuf mit seinem Konzept des zivilisationsfernen “l’homme nature” die Grundlagen für die vor allem in Deutschland erfolgreiche Zivilisationskritik. Um sich den abwertenden Bezeichnungen „Barbar” oder „Wilder” zu entledigen, sah sich Johann Gottfried Herder dazu genötigt, 1784 dafür den Begriff „Naturvolk” einzuführen.134 Den Rassebegriff wollte Herder nicht auf den Menschen angewandt haben, die Rasseeinteilungen seien künstlich, natürlich gegeben nur die Völker. Ebenso geht der ethnografische Reisebericht auf der Grundlage wissenschaftlicher Expeditionen auf die Arbeit von Logenmitgliedern zurück. Exemplarisch erwähnt seien an dieser Stelle die britische “Endeavour-Expedition” (1768-1771) nach der Südsee und die Erkundungsreisen nach den Nilquellen in Äthiopien, deren Ergebnisse das Bild der antiken „Alten Welt” gänzlich revidieren sollte. Durch die nachhaltige Forderung, die feudale Ständeordnung aufzuheben zugunsten der Errichtung eines von humanistischen Werten getragenen Weltbürgertums, handelten sich die Freimaurer den Vorwurf ein, „Thron und Altar” zu unterminieren. Die kritische Auseinandersetzung der Logenmitglieder mit ihrer eigenen Gesellschaft, ihre intensive Suche nach einem Ideal in außereuropäischen Gesellschaften, dann noch ihre Hervorhebung eines gegen den Adelsstand gerichteten „abstammungslosen” Bürgerstandes leitete einen neuen Mythos ein, nämlich den der Zivilisation. “Ex oriente lux – aus dem Osten kommt das Licht” – eigentlich bezeichnete dieser Wahlspruch zunächst den Ort der rituellen Raumordnung innerhalb des Tempels einer Freimaurerloge. Die Seite des Tempels, die Arbeitsstätte der Maurer, an welcher der Meister des Stuhls sitzt, weist in östliche Richtung. Von dort, am Altar, empfängt der Suchende das „maurerische Licht”. Da die Sonne, also das Licht, im Osten aufgeht, wird der Osten als Quelle des geistigen Lichts, der Wahrheit und der Weisheit angesehen, wie auch allgemein üblich war, die Loge selbst schlicht „Orient” zu 134 Emil Mühlmann, Geschichte der Anthropologie…, 1948: 67; Karl-Heinz Kohl, Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation…, 1986 [Orig. 1981]. 67 nennen.135 Diesen mystischen Erkenntnisweg übertrugen die Freimaurer auf die Entstehung der menschlichen Zivilisation, eine Assoziation, die sich bereits bei James Bruce von Kinnrad [1730-1794], der als der Entdecker des blauen Nils gilt, finden lässt: „Wer die Geschichte der ältesten Nationen lieset”, heißt es bei diesem berühmten schottischen Afrikareisenden, der „wird finden, dass der Ursprung von Macht und Reichthum im Orient zu suchen sey, dass sie sich allmählig gegen Westen zogen, und zugleich gegen Süden und Norden ausbreiteten. Er wird sehen, dass Reichthum und Bevölkerung abnimmt, als sich dieser Handel wegzieht.“136 De Montesquieu hatte jene Herrschaft mit „orientalische Despotie” bezeichnet. Eine der ersten Logenvereinigungen Frankreichs wurde mit “Grand Orient de France” betitelt. Desweiteren kommt dieser mystische Aspekt im Namen der „Loge zur Wahren Eintracht im Orient von Wien” zur Geltung, aber auch der “Chevalier de l’Orient” im Hochgradsystem verdeutlicht diese Hinwendung nach dem Osten. Erst Ende des 19. Jahrhundert entwickelte sich das “ex oriente lux” zu einem Schlagwort, das den Ursprung sämtlicher Kulturpflanzen und Haustiere aus dem asiatischen Mesopotamien ableitet. Diese orientzentrische Sichtweise erhob der baltische Kulturhistoriker Victor Hehn [1813-1890] zum Axiom des kulturhistorischen Arbeitens. Hehns 1870 erstmals publiziertes „Kulturpflanzen und Haustiere aus ihrem Übergang aus Asien nach Griechenland und Italien sowie das übrige Europa” erhielt bis 1911 beachtenswerte acht Neuauflagen und avancierte zu einem normativen Standardwerk vor allem innerhalb der kulturhistorischen Ethnologenschulen. Die Universität Göttingen, 1737 von der deutsch-englischen Dynastie Hannover gegründet, wurde rasch zur Hochburg der deutschen Bildung. Das Vorwort zur deutschen Übersetzung des vorhin genannten Bruce von Kinnard schrieb 1790 der in Göttingen tätige Anthropologe und Logenbruder Jakob Friedrich Blumenbach [1752-1840]. Gerade anhand Blumenbach kann gezeigt werden, dass sich die Aufklärer von der biblischen Geschichtstheologie strikt distanzierten. Seine 1775 nach Haut- und Haarfarbe, Schädel- und Gesichtsform geordneten fünf Menschgruppen, kaukasisch, mongolisch, äthiopisch, amerikanisch und malaiisch sind nicht der biblischen Völkertafel entnommen. Die Dreizahl der Noah-Söhne als Ursprung des Menschengeschlechts weist er geradezu ab. Damit verlor auch die Genesis mit seinem Babelturm als bestimmendes Element im Geschichtsdenken 135 Eugen Lennhoff, Osten, Orient. In: Internationales Freimaurer-Lexikon…, 1975: 1167; vgl. dazu Gustav Adolf Schiffmann, Die Entstehungsgeschichte der Rittergrade in der Freimaurerei um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts…, 1882: 121-130. 136 Johann Friedrich Blumenbach, Vorrede und Anmerkungen. In: James Bruce von Kinnard, Reisen zur Entdeckung der Quellen des Nils…, 1790 I: 414. 68 zunehmend an Bedeutung. Blumenbachs Hervorhebung einer „kaukasischen Varietät” als varietas primigenia oder Stammrasse verlegte den zivilen Menschen weißer Hautfarbe gänzlich in den Orient. Die anderen Varietäten wären aus der kaukasischen durch die Aussetzung extremer Klimaverhältnisse entstanden. Blumenbachs Afrikabegriff ist daher genauso von einem metaphorischen Bild des Orients bestimmt, wenn er die Ägypter aus einer „äthiopischen Varietät” abzuleiten weiß. Die Mystik der Freimaurerei schöpfte weitgehend aus den altägyptischen MysterienReligionen, ordnete jene aber in eklektischer Weise dem jüdisch-christlichen Weltbild unter und umgekehrt.137 Obwohl grundsätzlich orientzentriert wird Ägypten nunmehr nicht mehr orientalisch, sondern „äthiopisch-afrikanisch” gesehen. Daraus entwickelte sich eine präjüdische und damit afrozentrische Perspektive des Bibeltextes. Die für unser Thema wohl auffälligste entstandene Loge geht auf Karl Friedrich von Köppen [1734-1797] zurück. Bereits als 15jähriger in der Berliner Loge „Zu den drei Erdkugeln” aufgenommen begründete er 1765 den Bund der „Afrikanischen Bauherren”. Die Exotik des Namens leitete er von der Bibelgestalt Ham ab, den er als den ersten Großmeister des Bundes deklarierte. Ham ging nach Ägypten, wurde dort König und verfasste die Konstitution “Crata Repoa”, ein siebengradiges freimauererisches System.138 Zu den geheimen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts gehörten dann zwei hervorzuhebende Hochgradsysteme, die unter dem Namen „ägyptische” Maurerei bekannt wurden: der Memphis- und der Misraim-Ritus. Insbesonders in Frankreich erlangten jene nach den Napoleonzügen eine Wiederbelebung.139 Der Name Misraim, als dritter Sohn Hams wird nun mit der Reichseinigung Altägyptens verbunden. Durch die Gleichsetzung Menes, des legendären Begründers der altägyptischen Dynastie mit Misraim, erscheint die gesamte Pharaonenliste als Weiterführung der dynastischen Reihe Hams. In den Schulen der Magier von Chaldäa erzogen, habe Misraim auf diese Weise die Wissenschaften und Künste nach Ägypten gebracht, wo er sich anschließend mit der Göttin Isis vermählte. Als König dieses Landes gründete dieser dann den Misraim-Ritus, der später bei den Mysterienspielen von Isis und Osiris übernommen wurde – so wie es von Plutarch überliefert war. Der schwarzhäutige Osiris leitet sich damit über Mizraim von Ham ab, wodurch der Afrikabezug begründet wird.140 137 138 Karl R. H. Frick, Licht und Finsternis…, 1978: 132. Hans Biedermann, Das verlorene Meisterwort…, 1986; Eugen Lennhoff; Oskar Posner, Afrikanische Bauherren. In: Internationales Freimaurer-Lexikon…, 1975 [1932]: 26. 139 F. M. R., Esprit du dogme de la Franche-Maçonnerie…, 1825; zu Menes findet sich im Index folgender Hinweis: “Menès (fils de Cham), on le dit premier habitant de l’Egypte.” 140 Karl R. H. Frick, Licht und Finsternis…, 1978: 170. 69 Zum anderen kommt in der Hiramslegende141, jener konstitutierenden Überlieferung, die sich um den Salomonischen Tempel rankt, die phönikische Perspektive zum Tragen. Dem Bibeltext zufolge war der phönikische König Hiram I. von Tyros [979-945 v. Chr.]142 ein Verbündeter und Handelspartner von David und Salomon, der für die Erbauung des Tempels zu Jerusalem wichtiges Baumaterial und Handwerker zur Verfügung stellte. 143 Hiram wird darin auch in dem Zusammenhang erwähnt, der eine Schiffsexpedition nach Ophir, dem legendären biblischen Goldland entsandt haben soll. „Und Hiram sandte auf die Schiffe seine Leute, die gute Schiffsleute und auf dem Meer erfahren waren, zusammen mit den Leuten Salomos. Und sie kamen nach Ophir und holten dort vierhundertundzwanzig Zentner Gold und brachten‘s dem König Salomo.”144 Kanaan und Put entsprossen der Völkertafel gemäß den Lenden Hams. Das historische Verständnis der Aufklärung sieht nun in dem einstigen verfluchten Patriarchen die Phönizier, also eine präjüdische Kultur. Auf ähnliche Weise verändert sich auch die Perspektive zu Mose: der aus dem Stamme Levi geborene Befreier der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft [Exodus], wird nun zum vermittelnden Träger der Pharaonenkultur; und damit der semitische Monotheismus auf ein Erbe der ägyptischen Hamiten reduziert. In späterer Folge wurde dadurch die Beantwortung der Ophirfrage auf das Innere Afrikas gelenkt. Der Feldzug Ägyptens 1798 des Feldherrn Bonaparte Napoleon galt nicht nur der militärischen Strategie, den begehrten Handelsweg nach Indien gegenüber Großbritannien abzusichern, er galt auch der Aufklärung der „ägyptischen Altertümer”. Napoleon war durchaus ein Freund der Wissenschaft und Forschung und führte bei seinem militärischen Vorhaben eine Reihe von Archäologen und andere wissenschaftliche Experten in seinem Tross mit. Den Forschern gelang die bahnbrechende Entdeckung, dass das alte Ägypten lange vor den Römern und Griechen eine Hochkultur ausgebildet hatte. Vielleicht mag es aus heutiger Sicht verwundern, wenn die französischen Gelehrten die alten Ägypter als negroid beschrieben. Vor den Hintergrund der freimaurerischen Ideologie gestellt erscheint diese Einschätzung jedoch als durchaus schlüssig. Bei Vivant Denon [1747-1825], der als Zeichner des napoleonischen Heers unzählige Bilder von den ägyptischen Altertümern anfertigte, kommt diese Sichtweise besonders markant zum Ausdruck: „Ich glaubte in den Kopten den alten Aegyptischen Stamm deutlich zu erkennen, eine Abart der schwarzbraunen 141 Abgedruckt in Hans Biedermann, Das verlorene Meisterwort…, 1986. 142 Auch Chiram kommt vor; siehe Herbert Lang (Hrsg.), Chiram. In: Bibellexikon…, 1956: 293; worin Flavius Josephus als Quelle für die Regierungszeit Hirams angegeben wird. 143 Vgl. das Alte Testament, 2. Sam. 5, 11; 1. Kön. 5, 15-32. 144 Vgl. das Alte Testament, 1. Kön. 9, 26-28. 70 Nubier, so wie man ihre Bildungen in den alten Bildhauerarbeiten findet. Flache Stirnen und halb wollichte Haare darüber, die Augen nur wenig offen, und nach den Winkeln zu empor gezogen, hervorstehende Backenknochen, Nasen, die mehr kurz als stumpf sind; der Mund groß und platt, weit von der Nase entfernt, und begränzt [!] durch breite Lippen.”145 Die Suche nach dem Ursprung der zivilen Gesellschaft bildete die romantische Kehrseite der gescheiterten französischen Revolution. Einher ging damit auch die Idee einer geistigen Morgenlandfahrt als Rückkehr zu den Ursprüngen des Abendlandes. Diesem Zug „nach Osten” folgten aufklärerische Denker, wenn sie einen Besuch in den Siwah-Oasen den Jupiter-Amun Tempel abstatteten, einer seit der Antike bekannten Ruinenstätte, gelegen in der Senke der libyschen Wüste (heutiges Ägypten).146 Diese einsetzende „Ägyptomanie”, die Nachahmung ägyptischer Formen, folgte einer seit der Antike fundierten Tradition.147 Bereits bei den Griechen, vor allem seit Alexander und später bei den Römern wurde Amun, „der Verborgene” mit Zeus bzw. Jupiter gleichgesetzt. Zedler weiß noch zu berichten, dass einige den ägyptischen Gott Amun [Amun-Re] gar nicht als Gottheit sahen, sondern mit dem Patriarchen Ham gleichsetzten.148 Im Ersch-Gruber ist die Ham-Assoziation zwar nicht mehr angeführt, dagegen erwähnt er in Anlehnung Herodots, Amun hätte einen Tempel in Äthiopien gehabt, bzw. Ägypten wäre von Meroe aus besiedelt worden.149 Die von Sanders hervorgehobene Sichtweise, dass die Ägypter negroid und hochstehend zivilisiert wären, existierte offensichtlich bereits vor dem Napoleon-Feldzug.150 Ein Besuch bei den ägyptischen Pyramiden, veranlasste den französischen Reisenden und Philosoph Constantin François Chasseboef Comte de Volney [1757-1820] über die Bedeutung der afrikanischen Kulturleistung nachzusinnen. Bei seiner Rückkehr in Paris, nachdem ihn seine Reisen seit 1783 über vier Jahre durch Ägypten und Syrien geführt hatten, kommt er in Anlehnung an Herodot151 zu folgendem Schluss: „Welch ein weites Feld zum Nachdenken eröffnet sich, […] wenn man sich vorstellt, dass diese schwärzliche Menschengattung heut zu Tage unsre Sklaven und der Gegenstand unsrer Verachtung, die nämliche ist, der wir unsre Künste, 145 Pierre Prud’hon Dominique Vivant Devon, Reisen durch Ober- und Unter=Aegypten während Bonaparte’s Feldzügen. Aus dem Französischen übersetzt…, 1803: 101 [franz. Original 1802]. 146 Frank Bliss, Siwa – die Oase des Sonnengottes…, 1998. 147 Erik Hornung, Das esoterische Ägypten…, 1999. 148 Johann Zedler, Ammon. In: Großes vollständiges Universal-Lexikon…, 1732 I: 1750-1753. 149 Ersch-Gruber, Amun. In: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften…, 1818-1889. 150 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis… JAH 10, 4, 1969: 521-532. 151 „Nach meiner Meinung sind die Kolchier eine Kolonie der Ägypter, weil sie wie diese eine schwärzliche Haut und krause Haare haben”, Herodot II: 150. 71 unsre Wissenschaften und selbst den Gebrauch der Sprache verdanken; und wenn man endlich als möglich denke, dass man mitten unter denjenigen Völkern, die sich für die größten Freunde der Freyheit und Menschlichkeit ausgeben, die barbarische aller Sklavereyen hat einführen, und beynahe zu einer Aufgabe machen können, ob wohl die schwarzen Menschen einen Verstand von der Art wie die weißen haben?” [hervorgehoben im Original].152 Das bedeutet, den weiteren Ausführungen des Barons folgend, „die alten Aegyptier waren würklich Negern von der Art, wie alle Eingebohrne von Afrika.”153 De Volneys Einforderung des Gleichheitsanspruches aller Menschen repräsentiert abolitionistisches Denken und offenbart seinen tiefen Glauben an die bevorstehende gesellschaftliche Revolution Frankreichs. Darüber hinaus verweist sein offensichtlicher Philanthropismus in die Logenzirkel der französischen Freimaurerei. Vom Philosophen Claude Helvétius beeinflusst, einem der damaligen wichtigsten Logenvertreter Frankreichs, versucht Volney dem afrikanischen Kontinent die rechtmäßige Stellung innerhalb der europäischen Kulturgeschichte wieder zu geben. Mit dreizehn Auflagen erreichte Volneys Reisebeschreibung eine hohe Breitenwirkung in der Gelehrtenöffentlichkeit, die zusätzlich mit dem versehenen Vorwort zur deutschen Übersetzung des Reisenden und Logenbruder Georg Forster [1754-1794] bei den philanthropen Kreisen im deutschen Sprachraum rasche Anerkennung fand. Die Farbe der Haut der alten Ägypter entwickelte sich alsbald zum Streitpunkt der Auseinandersetzung. Der englische Reisende William George Browne [17681813], entschiedener Gegner Volneys, hielt sich von 1791-1798 in derselben Region auf und versuchte anhand der ägyptischen Mumien glaubhaft zu machen, dass die Ägypter eine weiße Hautfarbe besessen hätten. Nachdem er über den Philanthropismus des Girondisten Volney polemisiert, führt er an: „Da nämlich die alten Egypter gleichsam voraussahen, dass sich vielleicht die Nachkommen dereinst von ihren äußern Ansehen einen ganz unrichtigen Begriff machen möchten, so sorgten sie dafür, ihre ganze körperliche Gestalt auf eine solche Art aufzubewahren, dass sowohl die Farbe ihrer Haar, als auch jeder Gesichtszug, vollkommen kenntlich blieb. Dies geschah durch das Einbalsamieren der Mumien. […] Diese gleichsam wieder auflebende Zeugen, überführen uns zugleich, dass […] sie vor andern Bewohnern Egyptens durch ihre dunkelbraune Farbe, schwarze Haare und Augen, etwas dickere Lippen, Habichtsnasen, und andere charakteristische Kennzeichen, sich 152 Constantin François Volney, Reise nach Syrien und Aegypten in den Jahren 1783, 1784, 1785…, 1788: 65 [franz. Orig. 1787]. 153 Constantin François Volney, Reise nach Syrien und Aegypten…, 1788: 64. 72 auszeichnen, folglich mit den Negern ganz und gar keine Aehnlichkeit haben.“154 Brownes Annahme klingt geradezu absurd, die Sitte der altägyptischen Mumifizierung ginge auf die Sorge einer späteren Verwechslung mit anderen Völkergruppen zurück. Freilich stand hinter dieser anthropologischen Debatte die afrikanische Sklavenfrage, um deren Beendigung die Vertreter der Revolution und Teilnehmer der Abolitionsbewegung bemüht waren. Dennoch sollte sich langfristig die Sichtweise des offensichtlich antiliberalen Briten George Browne durchsetzen: die altägyptischen Mumien werden in der Folge der kaukasischen Rasse zugeordnet. Mittelfristig herrschte jedoch die äthiopische Perspektive Ägyptens vor. Ob das in Halle tätige Professorenteam Johann Gottfried Gruber [1774-1851] und Samuel Ersch [1766-1828] regen Logenkontakt gepflegt hatte, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ihre seit 1818 herausgegebene Monumentalenzyklopädie, die nach ihrem Tod bis 1889 auf die stattliche Zahl von 159 Bänden heranwuchs, steht jedenfalls, was ihre Aussagen zu Ägypten und Afrika anbelangt, deutlich in der Tradition der Freimaurerei. Aufschlussreich ist dahingehend das eigens angeführte Stichwort der bereits erwähnten Freimaurerloge namens „afrikanische Bauherren”. Der ausführliche Beitrag zum Begriff „Äthiopier” enthält die überaus bemerkenswerte Passage: „In den hebräischen Urkunden werden die Äthiopes Chusch genannt, und von den Chamiten abgeleitet. […] Die Chamiten bevölkerten aber auch Ägypten, Äthiopien und ganz Afrika. Unter ihnen wurde der Name Chusch vorzüglich gerühmt, weil Nimrod, ein Sohn des Chusch, das älteste Reich in Babylonien stiftete.”155 Die biblische Völkertafel wird hier in durchaus bemerkenswerter Weise afrozentrisch interpretiert. Folgerichtig gebühre also den hamitischen Afrikanern der Anspruch, in der Weltgeschichte als Zivilisationsgründer aufzutreten. Ähnliches wird unter der Heranziehung der Werke von Plutarch über Ägypten behauptet: „Eines von den Ländern der Erde, das wir als eine Wiege des Menschengeschlechts betrachten können; […] Nach der heiligen Tradition wandte sich hieher der Noachide Cham, der Mensch von dunkler Hautfarbe, und gab dem Lande den Namen.”156 Nämliches wird von der ägyptischen Hieroglyphensprache 154 William George Browne, Travels in Africa, Egypt, and Syria, from the year 1792 to 1798…, 1799: 175. Browne gilt als der erste Europäer, der sich in Darfur aufhielt, einem muslimischen Sultanat in Bilad as-Sudan, im heutigen Sudan. M. E. Sprengel, gab diese Reisebeschreibung ein Jahr darauf in seiner großangelegten „Bibliothek der neuesten und wichtigsten Reisebeschreibungen zur Erweiterung der Erdkunde nach einem systematischen Plane” in Weimar heraus; 1800 erschien es auch in Paris, herausgegeben von M. de Belloy, Mitglied der Académie Française. 155 Ersch-Gruber, Äthiopes. In: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften…, 1818-1889: 102-119; sämtliche Beiträge von „A-H” sind noch vor 1848 herausgegeben worden. 156 Ersch-Gruber, Ägypten. In: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften…, 1818-89: 16-39; das angeführte Autorenkürzel „Hug.” konnte nicht identifiziert werden. 73 behauptet, die vor allem durch die umstrittenen Arbeiten von Athanasius Kircher bekannt geworden war. Die ägyptische Kultur als Gesamtes müsste diesen Überlegungen einer afrikanischen vorausgehen: „Wenn eine verwandte Mundart irgendwo übrig ist, so dürfte sie am ehesten im innern Afrika einem künftigen Forscher begegnen. Denn von daher sind die Altägypter, nach Lage des Landes zu urtheilen, gekommen, wenn man sie nicht als Autochthonen denken will. Die erste Besitznahme konnte nur von Oben herab geschehen. […] Man könnte sie nach einigen Anzeigen für einen Stamm des Negergeschlechtes halten.”157 Ob sich der in Wien tätige Ägyptologe Leo Reinisch bei diesem Satz angeprochen fühlte, kann nicht mehr rekonstruiert werden; er wird jedenfalls der erste sein, der diesen Aufruf ernst genommen hat: die Herkunft der Hamitensprachen aus dem Innern Afrikas abzuleiten. Schließlich werden im „Ersch-Gruber” durch die Heranziehung der anthropologischen Arbeiten Blumenbachs und den detaillierten Beschreibungen von Volney die steinernen Monumente Altägyptens der afrikanischen Hand zugeschrieben. „Wenn man nun eines der bekanntesten Werke des ägyptischen Meisels, die Sphinx am Fuße der Piramyden desfalls zu Rathe zieht, so bieten das hervortretende Kinn, die zurückgeworfene Stirn, von den Lippen nicht zu reden, unverkenntliche Merkmale des Negergeschlechtes an.”158 Der Streit um die Hautfarbe der alten Ägypter setzte sich an den philosophischen Lehrkanzeln Deutschlands fort, namentlich zwischen G. W. F. Hegel und seinem 18 Jahre jüngeren Kathederkollegen Arthur Schopenhauer und wurde damit auf die geschichtsphilosophische Ebene verlagert. Georg Wilhelm Friedrich Hegel [1770-1831], neben Karl Marx der wohl bedeutendste geschichtstheoretische Systematiker des 19. Jahrhunderts, prägte das Geschichtsbild Afrikas insofern, indem er Ägypten von Afrika ausklammerte. „Egypten wird im Uebergange des Menschengeistes von Osten nach Westen betrachtet werden”, konnte man Hegel 1830 an der Berliner Universität während seiner Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte hören, „aber es ist nicht dem afrikanischen Geiste zugehörig; was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist, und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden musste.“159 Im 157 Ersch-Gruber, Ägypten. In: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften…, 1818-89: 35. 158 Ersch-Gruber, Ägypten. In: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften…, 1818-89: 35. 159 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Geographische Grundlage der Weltgeschichte. In: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 1822-1831…, 51971 XI: 145; zur Frage der Debatte über die Zugehörigkeit Ägyptens nach Afrika siehe L. Keita, Two Philosophies of African History: Hegel and Diop. Présence Africaine 91, 1974. 74 Wesentlichen spiegelt sich bei Hegel das “ex oriente lux” der Logenphilosophen wider – „Ägypten macht den Übergang vom Orientalischen zum Okzidentalischen”160 – nur mit dem wesentlichen Unterschied: Hegel spielt die afrikanische Kulturleistung im weltlichen Gesamtgefüge gänzlich herunter; im Übrigen hatte Hegel wie Kant keinen Logenkontakt. Für Hegel ist Geschichte lediglich die Geschichte von Staaten. Deshalb sind für ihn auch vorstaatliche Gesellschaften oder Gesellschaften ohne Staat nicht geschichtsfähig. „Die wahre Bedingung für die Weltgeschichte ist, dass Staaten sind.“161 Daher sind die afrikanischen Menschen für ihn nicht wirklich Menschen, ihre rudimentäre Geistigkeit lässt sich auf keine Weise mit dem Geist und seiner Geschichte vermitteln. Der Mensch, das ist der europäische (männliche) Bürger in einem konstitutionellen Staat. Die Weltgeschichte, das ist die orientalische und griechisch-römische Vorgeschichte Europas, dessen eigene Geschichte seit dem „Byzantinischen Reich“ und seine amerikanische Nachgeschichte. Alles, was außerhalb dieser Grenzen fällt, und was dem Menschlichen und der Geschichte gleicht, ist in Wirklichkeit zwischen Menschlichem und Tierischem angesiedelt und mit der Geschichte nicht zu vermitteln.162 Hegel deutete die Geschichte als Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, die sich im politischen Staat als sittliches Prinzip verkörpere.163 Der afrikanische Mensch hätte diese Freiheit noch nicht erlangt: „in ihrer Heimath herrscht der entsetzliche Despotismus”.164 Wie für Hegel der afrikanische Kontinent lediglich die Vorhalle der Weltgeschichte bildete, so betrachtete er die Afrikaner als auf der Kindheitsstufe stehend, im Übrigen ein Gedanke, der bereits von Friedrich Schiller zum Diktum in der Betrachtung der unilinearen Menschheitsentwicklung erhoben wurde. „Die Neger sind als eine ihrer uninteressirten und interesselosen Unbefangenheit nicht heraustretende Kindernation zu fassen. Sie werden verkauft und lassen sich verkaufen, ohne alle Reflexion darüber, ob dies recht ist oder nicht. Ihre Religion hat etwas Kinderhaftes.“165 „Hegels Philosophie bedeutet alles für Europa, und sie bedeutet nichts für Afrika“, wie Heinz Kimmerle das problematische Verhältnis zwischen Hegel und Afrika in seinen 160 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Der Ägyptische Volkscharakter. In: Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, 1822-1831…, 51971 XI. 161 Heinz Kimmerle, Hegel und Afrika: Das Glas zerspringt. Hegel-Studien 28, 1993: 303-325. 162 Heinz Kimmerle, Hegel und Afrika: Das Glas zerspringt. Hegel-Studien 28, 1993: 324. 163 Heinz Kimmerle, Hegel und Afrika: Das Glas zerspringt. Hegel-Studien 28, 1993: 303-325. 164 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, System der Philosophie. Dritter Teil. Die Philosophie des Geiste, 4 1965 X: 74, Anthropologie. 165 4 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, System der Philosophie. Dritter Teil. Die Philosophie des Geiste, 1965 X: 73, Anthropologie. 75 geschichtswissenschaftlichen Überlegungen auf den Punkt bringt, mit der Randbemerkung, dass Hegel für Afrika dennoch nützlich sein kann, um den Prozess der Europäisierung Afrikas zu begreifen.166 Einer der ersten Denker, der die Existenz einer „weißen Rasse” gänzlich leugnete, war Arthur Schopenhauer [1788-1860]. Schopenhauer promovierte in Jena 1813 „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“. Dort traf er Goethe, der ihn in seine Farbenlehre einführte. Ihm widmete Schopenhauer auch seine zwischen 1814-1819 verfasste Hauptschrift „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Schopenhauers Vorlesungen waren jedoch nur wenig besucht und seine Dozentur an der Universität in Berlin stand im Schatten seines Rivalen Hegels. Ganz seinem zugeschriebenen Charakterzug als „Querdenker” war Schopenhauer davon überzeugt, dass der Mensch in den Tropen Afrikas entstanden und dementsprechend in seinem Urzustand ein Schwarzer war. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen hatte Schopenhauer eine sehr schlechte Meinung von der weißen Hautfarbe, die er schlicht als Verkümmerung bezeichnete. Im Gegenzug Hegels formulierte Schopenhauer: „Dies also ist, ohne Unterschied der Rasse, die wahre, natürliche und eigenthümliche Farbe des Menschengeschlechts, und nie hat es eine von Natur weiße Rasse gegeben; ja von einer solchen zu reden und die Menschen, kindischerweise, in die weiße, gelbe und schwarze Rasse einzuteilen, wie noch in allen Büchern geschieht, zeugt von großer Befangenheit und Mangel an Nachdenken.“167 Der Passus liest sich aber auch wie eine Vorwegnahme de Gobineaus in negativer Hinsicht. Ähnliche Gedanken hatte Schopenhauer bereits 1819 in seiner „Welt als Wille und Vorstellung” formuliert. Seine Schrift fand jedoch lange Zeit keine Beachtung. Nachdem Hegel an Cholera gestorben war, führte Schopenhauer in Frankfurt am Main ein zurückgezogenes Leben. „Demnach nun muss jedenfalls der Adam unserer Rasse schwarz gedacht werden”, hält Schopenhauer auch in seiner Spätschrift “Parerga und Paralipolima” unerbittlich fest, „und lächerlich ist es, wenn Maler diesen ersten Menschen weiß, in der durch Verbleichung entstandenen Farbe, darstellen: da ferner Jehova ihn nach seinem eigenen Bilde geschaffen hat, so ist auf Kunstwerken auch dieser schwarz darzustellen.”168 Beinahe paradox mutet es an, dass die 166 Heinz Kimmerle, Hegel und Afrika: Das Glas zerspringt. Hegel-Studien 28, 1993: 324; Fritz Kramer (1977: 58) dazu: „Hegel zeichnet eine afrikanische Welt, in der alles anders sein soll als in der europäischen. Afrika ist eine Verkehrung Europas, und das heißt für Hegel – eine verkehrte Welt.” 167 Arthur Schopenhauer, Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur. In: Parerga und Paralipolima, 1851 II §92: 115-194. 168 Arthur Schopenhauer, Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur. In: Parerga und Paralipolima, 1851 II §92: 115-194. 76 “Parerga und Paralipolima“ von 1851, Schopenhauers letztes Werk, sehr bald zum Hausund Andachtsbuch des gebildeten Bürgertums in Deutschland anvancierte, dessen „solider Realitätssinn plötzlich Geschmack am Kitzel des Abgrunds findet.”169 Schopenhauers Auffassungen vom Aussehen des ersten Menschen waren sowohl in wissenschaftlichen als auch in theologischen Kreisen revolutionär und standen im Widerspruch zu den gängigen poly- und monogenetischen Anschauungen. Zudem weist Schopenhauer die Idee des Ursprungs und der Abstammung von einem Menschenpaar als überholt von sich, und leugnet dabei gleichzeitig die Übertragung des zeitgenössischen Rassebegriff auf den Menschen. Schopenhauer kann – wie Charles Darwin übrigens170 – als Vorläufer des heutigen “Out-ofAfrica-Modells”171 betrachtet werden. 169 Rüdiger Safranski, Schopenhauer. Reihe: Philosophie jetzt!…, 1995: 15. 170 Charles Darwin, The origin of species…, 61872: XV. 171 Chris Stringer, Ronin McKie, Afrika – Wiege der Menschheit. Die Entstehung, Entwicklung und Ausbreitung des Homo sapiens…, 1996. 77 6. Von der Hamitenzivilisation zum Ursprung zivilisatorischer Dekadenz Es war der britische Sprach- und Altertumsforscher Charles Beke [1800-1874], der die Hamiten mit dem Zivilisationsgedanken verknüpfte. 1834 legte er sein berühmtes Werk “Origines Biblicae”172 der Öffentlichkeit vor, worin er den Vorschlag unterbreitete, sämtliche Sprachen auf drei „Klassen” oder „Familien” zurück zu führen: erstens die „japhetitische” oder „indo-europäische” Familie; zweitens die „hamitische” oder „mitzritische” und drittens, die Sprachen Ostasiens und Amerikas, ferner Polynesiens und Australiens, wofür Beke aber noch keinen übergeordneten Begriff zu finden imstande war. Ins Auge fällt hier, dass bei dieser Einteilung der biblischen „Weltbevölkerungstafel”173 – wie sie mittlerweile genannt wurde – zwar festgehalten, das „Semitische” aber gar nicht mehr ausdrücklich vorkommt. Vor allem bei den deutschen Gelehrten stieß dieses Schema auf Ablehnung, und Beke fühlte sich dahingehend sogar veranlasst, eine „Verteidigungsschrift” zu verfassen, in der er hervorhob, dass es bei seinem Entwurf sich lediglich um einen Versuch handele, „die biblische Geografie und Geschichte von der irrigen, jüdischen Auslegung zu reinigen, welche hauptsächlich durch die Septuaginta auch in die christliche Kirche übergegangen ist.”174 Weniger antisemitische Attitüden sind bei dieser Aussage festzustellen, sondern wie Beke betonte, solle eine „profane Geografie“ die „sakrale” ablösen. Es wurde bereits gezeigt, dass die meisten Aufklärer in ihren Weltgeschichts-Entwürfen der Bibel eine klare Absage erteilt hatten. Bei Beke zeigt sich nun das gegenteilige Bestreben: nämlich die Bibel nach ihrem historischen Sachverhalt rational ausloten zu wollen. Diese postaufklärerische Auseinandersetzung mit dem Bibeltext hatte zur Folge, dass der wissenschaftlich begründete „Hamitenbegriff” von Anfang an mit einem antiklerikalen Beigeschmack versehen wurde, eine Tendenz, die sich markant bei de Gobineau, aber auch bei den späteren Darwinisten, wie Friedrich Müller als Leitmotiv veräußert. Die vermehrt historisch-kritischen Auslegungsversuche der Bibel konnten sich jedoch ihres mythologischen Kerns nicht entledigen, sondern verwickelten sich zusehends in Widersprüche, die neue Mythen entstehen ließen. “We are led”, fasst Beke seine historische Untersuchung der Bibel zusammen, “that the first state of society after the Flood, being that of Noah and his sons, was one of a comparatively high degree of civilisation; and we shall, probably, not be wrong in asserting that it was, at the least, as high as that of the Egyptians, 172 Charles Beke, Origines Biblicae: or Researches in Primeval History…, 1834. Darin hatte er bereits den Begriff “Hamitish Hottentots” vorweggenommen; vgl. Beke, 1834: 97. 173 Charles Beke, Vertheidigung gegen Herrn Dr. Paulus in Betreff seiner Recension…, 1836: 8. 174 Charles Beke, Vertheidigung gegen Herrn Dr. Paulus in Betreff seiner Recension…, 1836: 1. 78 Phoenicians and Assyrians, who are nations of antiquity known to us as being their descendants in the nearest degree.”175 Zunächst fällt auf, dass „hamitisch” geradezu konträr zum Ham in der Bibel verwendet wird. Hier wird der „vorgeschichtliche” Aspekt erstmals mit dem Zivilisationsbegriff in Zusammenhang gebracht. Demgemäß erscheinen die Noachiden als frühe Staatengründer. Zeitlich weit zurücktradiert sind sie nunmehr Vorläufer der späteren Hochkulturen. Dieser den Hamiten zugeschriebene „Zivilisationscharakter” will Beke jedoch als Gegensatz zu den „Barbaren” im Innern Afrikas verstanden haben. Im Übrigen erscheint Bekes Zivilisationsmodell dem evolutionistischen geradezu gegenläufig, da dessen „Anfang” historisch ungreifbar in eine „urzeitliche” – hier vorsintflutliche Zeit – entrückt wird. Jean Babtiste Champollions [1790-1832] vortreffliches Geschick und unermüdliche Ausdauer ermöglichten ihm, dass er 1822 die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern vermochte. Nachdem ihm das Pariser Colège de France 1831 kurz vor seinem Tod einen Lehrstuhl für Ägyptologie geschaffen hatte, gilt er als der Begründer dieses Faches. Champollion lieferte anhand der dreisprachigen Inschrift des Steins von Rossette den Nachweis, dass die Hieroglyphenschrift im Gegensatz zu den Schriftsprachen eine Lautschrift ist. Die Besonderheit dieser Feststellung forderte die Gelehrtenwelt heraus, diese neu entzifferte Sprache innerhalb der damals als gültig erachteten indoeuropäischen und semitischen Stammbäume einzuordnen. Für die Gewährleistung einer solchen Aufgabe musste jedoch erst eine Chronologie der „Ägyptischen Denkmäler” erstellt werden. Nach einer Vorarbeit von Lepsius war es Christian Carl Bunsen [1791-1860], der eine solche Herausforderung annahm. Als sprachwissenschaftlich ausgebildeter Theologe stand dieser außerdem dem König Friedrich Wilhelm IV. als preußischer Botschafter zu Diensten. Bunsen schrieb „Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte”, ein fünfbändiges Monumentalwerk, an dem er seit der Annahme seiner Funktion als Generalsekretär des archäologischen Instituts in Rom arbeitete.176 Dort hatte er auch Champollion kennengelernt und auch den jungen C. Richard Lepsius, dessen Freundschaft er gewinnen konnte und dessen großer Förderer er noch werden sollte. Sein großes Interesse an der ägyptischen Kultur entstand aber zunächst indirekt in der jahrelangen Zusammenarbeit mit dem preußischen Diplomaten Barthold Georg Niebuhr [1776-1831], dem Bunsen als Sekretär diente. Die von Niebuhr herausgegebene „Geschichte Roms” (1830-1843) beruhte zu einem Großteil auf den Vorarbeiten Bunsens. In der Auseinandersetzung mit der römischen 175 176 Charles Beke, Origines Biblicae…, 1834: 51, Kapitel “A State of High Civilization”. Christian Carl Josias Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte. Deren Geschichtliche Untersuchung in fünf Büchern…, 1845-1857 [ins Englische übertragen von 1848-67]. 79 Entstehungsgeschichte kam Bunsen zu dem Ergebnis, dass Rassen und Sprache in der Kultur der Italiker einander deckten. Dieser Ansatz wurde für Bunsen der Ausgangspunkt für seine intensiven Studien der ägyptischen Kultur. Die ersten drei Bände erschienen 1845; der vierte und fünfte Band folgten erst 1856 und 1857. In seiner Vorrede stellt er bereits klar, dass die Erstellung der Chronologie der ältesten Menschheitsgeschichte aus der Sprache erschlossen werden müsse. Zuwider war ihm die etymologische Arbeitsweise, die stets in Gefahr stand, ins mythologische abzugleiten. Methodisch folgte er Schlegel, der die historische Rekonstruktion zugrundeliegender sprachgenealogischer „Sprachstämme” Beziehungen anstrebte. Nach mittels vielen der recht Herausarbeitung komplizierten Einzelüberlegungen siedelte Bunsen die Sprache des Ägyptischen zeitlich zwischen dem Semitischen und Indogermanischen an. Die ägyptische Kultur als gesamtes schätzte er aber als die älteste der Menschheit ein. Diese Behauptung basierte jedoch auf einer Schlussfolgerung, die sich aus seiner Theorie der vier Weltalter ergab. Die Erschaffung des Menschen setzte er nämlich um 20.000 v. Chr. in Nordasien an, den Zeitpunkt der Sintflut um 10.000 v. Chr. Entscheidend ist nun, dass Bunsen sowohl die Herausbildung eines chamitisch-turanischen Sprachstamms als auch die Einwanderung nach Ägypten vorsintflutlich um 12.000 ansetzt. Arier und Semiten wären dahingehen lediglich eine nachsintflutliche Erscheinung und damit deutlich jüngeren Datums. „Ägypten als Zeitmesser der Weltgeschichte” – mit Bunsens neuer Einschätzung der ägyptische Kultur ging auch die Frage nach ihrer Stellung zu anderen Hochkulturen Hand in Hand. Der erste, der Bunsens vorsintflutlichen „Khamitismus” aufgriff, war kein geringerer als Joseph Arthur Comte de Gobineau [1816-1882]. Ebenso dem Diplomatenkreise angehörig entwickelte der französische Schriftsteller eine Rassentheorie, in der er die weiße Rasse für allein kulturfähig und die indogermanischen Arier für deren wertvollste Ausprägung erklärte. Von den Werken Charles Beke beeinflusst, arbeitete de Gobineau den Zivilisationsgedanken bei den Hamiten stärker heraus. Deutlich erscheint sein Hamitenbegriff in Bekes aufgebrachtem antijüdischen und antiklerikalen Kleide. De Gobineau stellte in seinem 4bändigen Œuvre “Essai sur l’inégalité des races humaines” (1853-55) Adam und Noah als die „Stifter der weißen Rasse”177 hin. „Dass Adam der Stammvater unserer weißen Rasse sei, müssen wir gewiß für wahr annehmen. Es ist ganz klar, dass die Schrift es so verstanden 177 Joseph Arthur Comte de Gobineau, Die Hamiten. In: Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen. Deutsche Ausgabe von Ludwig Schemann…, 1898-1901 II: 13; sämtliche Zitate wurden mit der französischen Originalausgabe verglichen. 80 haben will, da von ihm Geschlechter abstammen, welche unbestreitbar weiß sind.”178 Der vielbelesene de Gobineau, der von vielen als der „geistige Vater” des Rassismus179 bezeichnet wird, nahm für seine Beweisführung der geistigen Verschiedenheit der Menschenrassen die Bibel zur Hand. Tatsächlich hielt sich de Gobineau strikt an die biblische Chronologie. Das Alter der Menschheit nahm er mit fünf- bis sechstausend Jahren an. Aus der Schöpfungsgeschichte entnahm er, dass die weiße Rasse in Nordasien entstanden sei, die sich dann in drei Stämme geteilt habe: in die Stämme Ham, Sem und Japhet, die späteren Arier. Alle drei waren gleichermaßen mit Tugenden und Gaben ausgestattet und verfügten über die wichtigsten Elemente der Zivilisation: Religion und Geschichte. Von den zehn „Civilisationen” die de Gobineau in seiner weltgeschichtlichen Darstellung erblickte, wären sieben arischen Ursprungs. Die beiden anderen Rassen, die de Gobineau mit den Farben „schwarz” und „gelb” charakterisiert, hätten an dieser Entwicklung keinen Anteil gehabt. Seine dreigliedrige Rassenaufteilung verfährt jedoch nicht typologisch, sondern ergibt sich aus der vermeintlichen Ungleichheit ihrer geistigen Befähigung, wonach die schwarze an der untersten Stufe und die weiße Rasse an der Spitze stehe. Das sich daraus ergebende Geschichtsbild über die außereuropäischen Gebiete hatte bereits Hegel zum Paradigma erhoben: „Ich brauche nicht erst darauf hinzuweisen, dass da, wo die schwarzen Racen nur einander im Kampfe lagen […] keine Geschichte möglich ist. In dieser Lage befindet sich Amerika, der größte Theil von Afrika und ein nur zu beträchtliches Stück von Asien. Geschichte entspringt einzig der Berührung mit den weißen Rassen.”180 Das Neue bei de Gobineau ist, dass er den Begriff „Degeneration” einführt, den er zum Schlüsselbegriff seiner pessimistischen weltgeschichtlichen Betrachtung erhebt: „Ich meine also, dass das Wort degenerirt, auf ein Volk angewandt, bedeuten muss und bedeutet, dass dieses Volk nicht mehr den inneren Werth hat, den es ehedem besaß, weil es nicht mehr das nämliche Blut in seinen Adern hat, dessen Werth fortwährende Vermischungen allmählich eingeschränkt haben.”181 De Gobineau kehrt damit den von den Aufklärern vertretenen 178 De Gobineau, Die Unterschiede zwischen den Racen sind dauernd. In: Versuch über…, 1898-1901 I: 154. 179 Michael Denis Biddiss, Father of Racist Ideology…, 1970; Louis Snyder (1962: 46) prägte für de Gobineau das Schlagwort „Apostel des Ariertums”; siehe dazu auch den anregenden Aufsatz von Alfred Frisch, De Gobineau und der französische Rassismus. Berichtigung einiger Fehlurteile. Dokumente. Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 53, 3, 1997: 224-227. 180 De Gobineau, Geschichte gibt es nur bei den weißen Völkern. In: Versuch über…, 1898-1901 III: 4. 181 De Gobineau, Was man unter dem Worte Degeneration zu verstehen hat. In: Versuch über…, 1898-1901 I: 32. 81 unilinearen evolutiven Geschichtsverlauf, der sich von unten aufsteigend nach oben hin orientierte, praktisch um. Indem de Gobineau Hegel auf den „Kopf” stellt, ergibt sich seine pessimistische Grundhaltung, da damit der Anschein erweckt wird, dass es in der Geschichte Zivilisationen gegeben habe, die in der Entwicklung höher standen. Auch dieser Ansatz ist grundsätzlich nicht neu, er lässt sich beispielsweise bereits bei Hesiod und in der indischen Mythologie finden. De Gobineau geht es jedoch nicht wie dem römischen Dichter Ovid darum, ein „goldenes Zeitalter” als sagenhafte Zeit des Friedens und der Glückseligkeit nachzuweisen, sondern Gesetzmäßigkeiten darzulegen, die den vermeintlichen Verfall der Zivilisationen einleiteten. Léon Poliakov hat in seiner brillanten Darstellung des „Ariermythos” nachgewiesen, dass der geschichtliche Degenerationsgedanke erstmals von Pierre Louis de Maupertuis [1698-1759] zu einer wissenschaftlichen Theorie ausformuliert wurde. Zu ungeahntem Erfolg führte sie jedoch erst Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon [1707-1788], der auch als Begründer der Katastrophentheorie gilt. Letzterer wagte auch als einer der ersten die biblische Chronologie vehement in Frage zu stellen, indem er das Alter der Erde von den ehemals 6.000 auf 74.000 Jahre ausdehnte.182 Nach de Gobineaus aristokratisch-exzentrischer Vorstellung hafte dem Menschengeschlecht ein eigentümlicher „Geist der Absonderung” an, der sich Kreuzungen widersetze. Er nennt es das Gesetz der „Repulsion”. Die Qualität der weißen Rasse, ihr Expansionsdrang durch Eroberungszüge hätte jedoch eine entgegengesetzte Tendenz hervorgebracht: das Gesetz der „Attraktion”. Daher sei die weiße Rasse und folglich auch deren Zivilisation sehr zerbrechlich, denn die „Beimischungen minderwertigen Bluts”, die durch das Gesetz der Anziehung unvermeidlich geworden seien, nahmen bald verheerende Folgen an. Das Hervorzuhebende für unser Thema ist nun, dass de Gobineau mit den Hamiten diesen Verfallsprozess beginnen lässt. Mit dieser Pseudo-Geschichtsphysik verschafft er seiner Betrachtungsweise ein plausibles Fundament. Die Hamiten hätten sich der Qualität der weißen Rasse gemäß in ihren Eroberungszügen von Zentralasien ausgehend „in ganz Asien und längs der arabischen Küsten bis nach Ostafrika ausgebreitet.”183 Dem Gesetz der Anziehung gemäß wären sie dadurch mit der schwarzen Rasse in Berührung gekommen und hätten sich vermischt. De Gobineau, dem es ja obliegt, Ursachen für den Untergang vergangener Zivilisationen zu finden, beschreibt diesen Vermischungsablauf entsprechend detailliert: „Die ehemaligen weißen Hamiten verloren mit jedem Tage mehr und verschwanden endlich ganz. Ihre mulattische Nachkommenschaft, welche ihren Namen noch sehr wohl als einen Ehrentitel tragen konnte, wurde allmählich ein über und über 182 Léon Poliakov, Der arische Mythos…, 1993: 187-190 [fr. Orig. 1971]. 183 De Gobineau, Die Hamiten. In: Der Versuch über…, 1898-1901 II. 82 schwarzes Volk.”184 Den Übergangsprozess von „weiß” auf „schwarz” überträgt de Gobineau auch auf die Sprache. Hatten die Hamiten anfänglich noch eine der weißen Rasse spezifische Sprache, deren Eigentümlichkeiten de Gobineau nicht weiter interessiert, stellte sich nach der Vermischung als Resultat das „Verschwinden der angeborenen Sprache” infolge der „Überwucherung mit den Mundarten der Schwarzen” ein.185 „Das erste Herabsteigen der weißen Völker”, so stellt sich der Beginn des Verfalls aller Zivilisationen für de Gobineau dar, „ist das der Hamiten.”186 Von den Hamiten in Asien ausgehend hätte sich dieser fatale Prozess über die Semiten, die Kanaaniten, die Assyrer bis hin zu den Ägyptern und den Äthiopiern nach Afrika erstreckt. Damit gibt de Gobineau den entscheidenden Impuls für die späteren Linguisten, die eine reine „hamitische” Sprache als Substrat aus den verschiedenen afrikanischen Sprachen freilegen wollen und diese damit als rekonstruierbar erachteten. „Nichts in den alten Zeugnissen berechtigt dazu”, schimpfte der adelige Rebell über die Theologen, „den Patriarchen, […] als durch den väterlichen Fluch mit den leiblichen Merkmalen der verworfenen Racen befleckt zu betrachten.”187 Indem er die „Söhne Hams” gleich den Semiten und den Japhetiten der weißen Rasse zugehörig dachte, wusste de Gobineau, dass er damit die lange theologische Tradition auf den Kopf stellen werde. „Nie hat der Ausdruck Kanaan [vierte Sohn Hams] ein Negervolk oder auch ein völlig schwarzes bezeichnet”, führt er unbeirrt fort. Wie aus den vorigen Kapiteln ersichtlich, hatte de Gobineau damit völlig Recht, die „schwarze Rasse” kommt eben in der Bibel, wenn sie wörtlich verstanden werden will, nicht vor.188 Den gleichen pseudoaufklärerischen Ton spielt de Gobineau bei seiner Darstellung der biblischen Verfluchung Hams an. Er interpretiert den Fluch nicht mehr als eine Verurteilung zum Sklaventum, sondern schlicht als Degeneration, die sich im Zustandekommen der „Mischlingsvölker” allzu genau nachweisen ließe. De Gobineaus antitheologische Einstellung richtete sich jedoch vor allem gegen Herder, dessen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit” er lediglich Spekulation zusprach. Soziohistorisch gesehen spiegelt sich in den Werken de Gobineaus deutlich die Verteidigung des Adelstandes wider. Ein Stand, der sich durch die natürliche Erbfolge legitimierte, schien durch die Herausbildung eines freien Bürgertums mit seinen demokratischen Idealen seit der französischen Revolution und der Unabhängigkeitserklärung 184 De Gobineau, Die Hamiten. In: Der Versuch über…, 1898-1901 II: 17. 185 De Gobineau, Die Hamiten. In: Der Versuch über…, 1898-1901 II: 17. 186 De Gobineau, Die Hamiten. In: Der Versuch über…, 1898-1901 II: 13. 187 De Gobineau, Die Hamiten. In: Der Versuch über…, 1898-1901 II: 14, Anm. 188 Genauso wenig kann von einer weißen oder sonstigen Rasse in der Bibel gesprochen werden. 83 der Vereinten Staaten Amerikas anachronistisch. Dass nun manche Sklaven sich als freie Bürger bewegen konnten, dass sich bürgerliche Kaufleute mit ihren Unternehmen infolge des Industrialismus Handelsimperien aufbauen konnten, war aus der Sicht des Adels ein Verlust von Herrschaft, gleichsam einer in Dekadenz ausufernden Anarchie. Der berühmtgewordene Briefwechsel zwischen dem französischen Verfechter der Demokratie, Alexis de Tocqueville [1805-1859] und de Gobineau, illustriert diesen Gegensatz wohl am deutlichsten.189 Als Diplomat wurde de Gobineau von Alexis de Tocqueville 1849 ins Außenministerium geholt. Nach der Herausgabe seines Werkes schickt er ein Exemplar an seinen politischen Förderer und bittet ihn um seine Stellungnahme. Die Reaktion war eindeutig. „Sehen Sie nicht”, entgegnete de Tocqueville de Gobineau in seinem Brief vom 17. November 1853, „dass aus ihrer Lehre natürlicherweise alle Übel, die die dauernde Ungleichheit hervorbringt, erzeugt werden: der Hochmut, die Gewalt, die Verachtung des Gleichen, die Tyrannei und die Gesamtheit in allen Formen?”190 Kategorisch lehnte de Tocqueville die von de Gobineau vertretene rassische Erklärung der Geschichte ab, da sie „wahrscheinlich falsch sei, und sicherlich verderblich.” Es war die in Hannover geborene jüdische Philosophin Hannah Arendt [1906-1975], die im Exil der U.S.A. vorbildlich jene soziohistorischen Bedingungen für die Entstehung eines vorimperialistischen Rassebegriffs nachzeichnete.191 In seinem eigenen Lande während der letzten Jahrzehnte seines Lebens völlig vergessen, verdankte de Gobineau seine Wiederbelebung dem deutschen Professor Ludwig Schemann, einem begeisterten Wagnerianer, der 1894 in Straßburg eine de Gobineau-Vereinigung gründete und ihn zum Apostel des Pangermanismus auserkor. Die Beschäftigung mit den semitischen Sprachen warf die Frage auf, ob auch das Altägyptische dieser Sprachfamilie einzureihen wäre. Der französische Religionshistoriker und Orientalist Ernest Renan [1823-1892] schlug in seiner 1855 erschienen Geschichte der semitischen Sprache vor, für die Familie der Sprache und der Kultur Ägyptens den Terminus “chamitique” zu gebrauchen, um sie somit vom Semitischen abzugrenzen. “Il faut donc former pour la langue et la civilisation de l’Egypte une familie à part, qu’on appellera, si l’on 189 Lettre de Alexis de Tocqueville et de Arthur de Gobineau. Revue de Deux Mondes 199 (1907). Brief vom 17. November 1853. In: Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft…, 1955: 261. 190 Karl Pisa, Alexis de Tocqueville. Prophet des Massenzeitalters. Eine Biographie…, 1984: 209. 191 Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft…, 1955 [am. Orig. “The Origins of Totalitarianism. (Harcourt) New York, 1951]. 84 veeut, chamitiqque.”192 Diesee Differenzieerung zog ein ne weitreichende Bedeuttungsverschiebung naach sich. “Onn ne peut dou uter”, holt Reenan weiter aus, “que less Sémites, enn se portant vers v le suud et l’ouest,, n’aient trou uvé sur quelqques points des d établisseements cham mites ou cousschites anntérieurs. Cela parait certtain, du moiins pour l’Yéémen et l’Ab byssinie: en général, c’est aux Chhamites et aux a Couschiites qu’appaartiennent les premières fondations de la civilisation m matérielle enn Orient.”1993 Ähnlich wie Beke, dem eigentlichen W Wortschöpferr der Haamitenzivilissation, war Renan R zunäcchst von der Linguistik ausgegangen, a , dann erst sttattete err jener Spracche mit „staaatlicher Zivillisation” auss. Rasse und d Sprache schheinen bei beiden b beeliebig miteinnander austaauschbar. Miit einem Mall lösten die Hamiten H in dder Frage nacch der errsten Zivilissation der Menschheiit die Sem miten ab. Nicht N mehrr das asiaatische Zw wischenstrom mland stand d dahingeheend im Brrennpunkt des d Interessses, sondern n das affrikanische Niltal, N das jed doch für Bekke, de Goubineau und Renan R nicht zzu Afrika, so ondern zuum „Orient”” zählte. Die Hervorhebbung einer vermeintlich h vorschriftllichen und damit prrähistorischenn hamitisch hen Zivilisaation zielte eindeutig auf die H Herabspielung g des Seemitischen. „Ich bin der erste, anzuerkenn nen, dass die semitissche Rasse eine m minderwertigeere Gesamtheeit der menscchlichen Kultur ist”194, heißt h es bei R Renan unverb blümt. Obbwohl Rennan mit seeiner Worttschöpfung „Antisemitismus” zunnächst nichtt die Geegnerschaft, sondern eher e ein „aanstatt” herv vorheben wollte, war mit der psseudowiissenschaftliichen Geburtt der prähisttorischen Haamiten auch die Judenfeeindlichkeit in der euuropäischen Gelehrtenwe G elt hoffähig ggemacht worden.195 1922 1933 Ernest Renann, Histoire gén nérale et systèème comparé des langues séémitique…, 311863 [1855]: 89. 3 Ernest Renaan, Histoire générale…, g 11863: 35; Neeben Beke geelten Renan uund Lepsius als a die W Wortschöpfer des d sprachwisssenschaftlicheen Terminus „h hamitisch”. 1944 1955 Ernest Renann 1855, zitiertt nach Alfred F Frisch, De Go obineau…, Do okumente 53, 33, 1997: 227. Vgl. dazu Jüdisches Leexikon, 1927 I: 331; Ren nan leitete daas Wort „Anntisemitismus”” vom Anntichristen ab. 85 7. Kaukasische Hamiten im Licht des Darwinismus Den entscheidenden Durchbruch in der Anerkennung des vorsemitischen Hamitismus verhalf der Darwinismus, im Besonderen der vom Wirtschaftsjournalisten Herbert Spencer begründeten Sozialdarwinismus. Dass Spencer sein populistisches Schlagwort “survival of the fittest” weit über den engen Kreis elitärer Gelehrter salonfähig machen konnte, verdankte er aber der im starken Wandel begriffenen westeuropäischen Gesellschaft. Soziohistorisch gesehen ist der Sozialdarwinismus in erster Linie Ausdruck einer allgemeinen Verindustralisierung der europäischen Gesellschaft, die Herausbildung der beiden neuen komplementären Gesellschaftsschichten: der Arbeiterschicht- und dem Unternehmertum, eingebettet in den großen Problemkreis des 19. Jahrhunderts der „sozialen Frage”. Charles Darwin [1809-1882] war in erster Linie Zoologe, und es braucht auch nicht zu verwundern, wenn er in seinem epochemachenden Werk “Origin of Spezies” (1859) den Hamitenbegriff gar nicht gebrauchte. Wie schon angedeutet, vertrat Darwin den „undarwinistischen” Standpunkt, die Menschheit hätte in Afrika ihren Ursprung genommen. Das schien aber zu der damaligen Zeit niemanden zu interessieren. Entscheidend für die Gelehrtenwelt waren seine Überlegungen über die Entstehung der pflanzlichen und tierischen Arten, die er sich von der „natürlichen Zuchtwahl” her ableitete. Danach führt eine zu große Nachkommenzahl der Lebewesen zu einem Konkurrenzkampf bei dem nur die jeweils am besten angepassten überleben. Darwin war davon überzeugt, dass nur diese sich vermehren würden, woraus eine allmähliche Umbildung der Arten und eine Höherentwicklung folgen müsste. Mit dieser Selektionstheorie stellte er die bis dahin vorherrschende Meinung, die von der Konstanz der Arten ausging, vehement in Frage. Während in Großbritannien Darwins Selektionslehre nur allmählich Zustimmung fand, wurde sie in den deutschen Landen als wissenschaftliche Revolution gefeiert. Der deutsche Naturforscher Ernst Haeckel [1834-1919] lernte Darwins Theorie in der bereits 1860 erfolgten deutschen Übersetzung kennen und gewann sogleich die Überzeugung der „Wahrheit des Darwinismus”. Haeckel, der im Gegensatz zu Darwin ein Medizinstudium absolviert hatte, erweiterte dessen Lehre von der Umwandlung der Arten durch die Einbeziehung des Menschen. Mit seiner entschiedenen Verfechtung der Vererbung erworbener Eigenschaften stellte er dahingehend die biogenetische Grundregel auf. Als einer der ersten in Deutschland vertrat er die These, dass das Prinzip des Fortschritts auch auf der historische Analyse und politischen Umgestaltung von kulturellen und sozialen Leistungen anzuwenden sei. Dadurch wurde die Anwendung des Darwinismus auf andere Einzelwissenschaften ermöglicht. Ernst Haeckel gilt als einer der Schöpfer und 86 Propagandisten des „darwinistischen Hamitismus”, ein Begriff, der noch näher darzustellen ist. Charles Darwin hatte sich keineswegs vorgestellt, dass seine Lehre auch von Philologen übernommen werden würde. Bereits 1863 legt der Sprachwissenschafter August Schleicher [1821-1868] in einem offenen Sendschreiben an Ernst Haeckel in etwas umständlicher Form sein Bekenntnis zu Darwin ab: „Von den sprachlichen Organismen gelten nämlich ähnliche Ansichten, wie sie Darwin von den lebenden Wesen überhaupt ausspricht, theils fast allgemein, theils habe ich zufällig im Jahre 1860, also in demselben Jahre, in welchem die deutsche Uebersetzung von Darwins Werk erschien, über den „Kampf ums Dasein“, über das Erlöschen alter Formen, über die grosse Ausbreitung und Differenzierung einzelner Arten auf sprachlichem Gebiete mich in einer Weise ausgesprochen, welche, den Ausdruck abgerechnet, mit Darwins Ansichten in auffälliger Weise zusammen stimmt.“ […] „Darwins Lehre ist eine Nothwendigkeit.”196 Schleicher gilt als der Begründer der sprachlichen „Stammbaumtheorie”. „Die Glottik, die Wissenschaft von der Sprache”, führt nun Schleicher weiter aus, müsste nach derselben Methode verfahren wie die Naturwissenschaften. Sprachen werden als Organismen betrachtet, die wachsen und wieder vergehen können und müssten dahingehend dem selben Selektionsprinzip folgen. Dieser Auffassung zufolge gebe es primitivere (einfach strukturierte) Sprachen und höher entwickeltere (komplexere) Sprachen. Dieser Unterschied wird nun in direkter Weise mit den geistigen Fähigkeiten der diese Sprache sprechenden Völker korreliert. Aus diesen rein typologischen Zuordnungen ließen sich Schleicher zufolge kulturelle Bewertungen und historische Verbindungen ableiten. Schleicher maß den flektierenden Sprachen den höchsten erreichbaren Sprachzustand zu. Isolierende Sprachen bildeten dieser Lehre entsprechend dagegen die niedrigste Stufe, da sie bereits erstarrt wären und sich nicht mehr weiterentwickeln könnten. Schleicher war davon überzeugt, dass das Kriterium der Flexion sich besonders deutlich bei den Trägern der Hochkulturen der alten Welt zeige, da sie sich überwiegend flektierender Sprachen bedient hätten. Während Schleicher die Darwinsche Theorie im Wesentlichen auf das Indogermanische und das Semitische auslegt, erwähnt er das Hamitische an keiner Stelle. Die Konsequenzen aus diesen Überlegungen für die afrikanischen Sprachen wird in der Folge Carl Meinhof ziehen, einer der Begründer der deutschen Afrikanistik. Auch die vergleichende Geografie in Deutschland konnte sich dem Darwinismus als neue Strömung nur schwer entziehen. Es mag als merkwürdiger Zufall anmuten, aber im Todesjahr der beiden Geografen Alexander von Humboldt und Carl Ritter war Darwins 196 August Schleicher, Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Offenes Sendschreiben an Herrn Dr. Ernst Häckel…, 21873 [1863]: 4; 11. 87 Entstehung der Arten erschienen. Erst 1871 war mit Oskar Peschel [1826-1875] nach Ritter wieder ein Lehrstuhl für Geografie in Leipzig besetzt worden. Das erste wissenschaftliche Organ in den deutschen Landen, das zuerst grundsätzliche Notiz zur Darwinschen Lehre nahm, war die 1828 gegründete geografische Wochenzeitschrift „Das Ausland”.197 Diese Tendenz ist aus der zunehmenden Konkurrenz zu erklären, die seit den Neugründungen naturwissenschaftlicher Zeitschriften entstanden war. 1858 war durch August Petermann die „Geografischen Mitteilungen”, 1862 durch Karl Andree „Der Globus” gegründet worden. Der Darwinismus sollte sich als Erneuerung für „Das Ausland” erweisen. Noch bevor Ernst Haeckels populäre „Natürliche Schöpfungsgeschichte” (1868) herauskam, bemerkte der Herausgeber des „Auslands”, Oskar Peschel: „Für das große Laienpublicum besitzt die Darwinsche Lehre nur das eine Anziehende oder Abstoßende, nämlich die Frage der Abstammung des Menschen von den Affen.”198 Peschel teilte in seinem Hauptwerk „Die Völkerkunde” (1874)199 die Menschheit in sieben Menschenrassen und stellte wie Müller und Haeckel die mittelländische Rasse mit den Hamiten als der zweiten Unterabteilung an die Spitze seiner mit den Australiern beginnende Evolutionsskala. Oskar Peschel war Offizierssohn und sächsischer Herkunft. Er zog es jedoch vor in Bayern zu leben. Nach der Schlacht von Königgrätz 1866 wandten sich Wissenschafter mit deutschpatriotischer Gesinnung vermehrt dem Darwinismus zu. Oskar Peschel und sein wichtigster Schüler Friedrich Ratzel, also jene, die die Anthropogeografie darwinistisch betrieben, galten als entschiedene Anhänger kleindeutscher Politik. Die Etablierung des darwinistischen Rassenbegriffs innerhalb der vergleichenden Geografie veränderte auch das Afrikabild grundlegend, eine vermeintliche historische Tiefenschau des Kontinents schien nun rekonstruierbar. Aus der Sicht der darwinistischen Evolutionisten lebten Afrikaner nicht nur auf dem gleichnamigen Kontinent, sondern auch in Asien, Australien und in Polynesien. „Biogeografisch betrachtet erscheint Afrika als eine 197 Oskar Peschel, Eine neue Lehre über die Schöpfungsgeschichte der organischen Welt. 1. Die Darwin’sche Theorie. Das Ausland 33, 1860: 97-101. 198 Oskar Peschel, Neue Zusätze zu Charles Darwins Schöpfungsgeschichte der organischen Welt. Das Ausland 40, 1867: 74-80. 199 Oskar Peschel, Völkerkunde. Mit einem Vorwort von Ferdinand Freiherrn von Richthofen…, Leipzig, 7 1897 [1874]; Peschels siebenteilige von unten nach oben steigende rassische Evolutionsskala: 1. Australier, 2. Papuanen, 3. Mongolen, 4. Dravida, 5. Hottentotten und Buschmänner, 6. Neger, 7. Mittelländische Rasse (Hamiten, Semiten, Indogermanen); 1876 bereits als “The races of man and their geographical distribution” ins Englische übertragen zählte es über Jahrzehnte hinweg zum Standardwerk der anthropogeografischen Schule. 88 Halbinsel von Asien”200, wie nun Peschel und Ratzel den Rahmen nach der Ursprungsfrage der „Neger” absteckten. Damit war Afrika als Ganzes zu einem Rückzugsgebiet Asiens erhoben. Auch der Begriff „pygmaios” galt den Anthropogeografen nicht mehr allein als Beschreibung der zentralafrikanischen Bambuti-Gruppen, sondern wurde auch auf die südostasiatischen „Zwergrassen” ausgedehnt und damit apriori eine genetische Verwandtschaft angenommen. Solch eine „globale” Perspektive auf das Weltganze war grundlegend nicht neu, sie leitete sich von den iberischen Seefahrern ab, die bereits im 16. Jahrhundert den afrikanisch-portugiesischen Namen „Guinea” auf die Papua übertragen hatten, offensichtlich, um die anthropologische Ähnlichkeit der Bevölkerungen zu unterstreichen. „Es ist unmöglich, zwischen gewissen melanesischen und afrikanischen Negern irgend einen Unterschied zu finden”201, lautet nun das Credo des anthropogeografischen Afrikabilds, wie es Friedrich Ratzel prägte. Der in München und in Leipzig tätige Friedrich Ratzel war jedoch kein „Anthropologe”, sondern in erster Linie Geograf, der zuvor sogar ein Zoologiestudium absolviert hatte und von seinem Lehrer Carl Ritter [1779-1859] stark beeinflusst war. Carl Ritter war es, der in seiner geografischen Lehre den Menschen in den Mittelpunkt der Erde gestellt hatte, um damit auf die Wechselwirkung zwischen Natur und Mensch hinzuweisen. Die Anthropogeografie als Ganzes ging aus einem Geodeterminismus hervor, der die Abhängigkeit des Menschen von seinen Naturbedingungen beschreibt. Damit erscheint die Anthropogeografie als Bindeglied zwischen darwinistisch geprägter Naturbetrachtung und historisch geprägter Kulturbetrachtung.202 Dabei sollte nicht das von den Darwinisten erhobene Axiom der natürlichen Zuchtwahl entscheidend werden, sondern die natürliche Umwelt galt nun als erste Bedingung, um die Frage der Artenvielfalt zu beantworten. So waren „alle Gebirgsstufen”, „Inseln” im Wesentlichen „Rückzugsgebiete” und damit „natürliche Versuchsstationen zu neuen Rassenbildungen”,203 wie 1868 der Zoologe Moritz Wagner [1818-1887] den Umweltgedanken methodisch für die Kulturhistorie umfunktionierte. Um nicht wie die Klimatheoretiker des 18. Jahrhunderts in die statische Betrachtung der kausaldeterminierten Wechselbeziehung zwischen Umwelt und Kultur zurückzufallen, 200 201 Friedrich Ratzel, Die Naturvölker Afrikas. In: Völkerkunde…, 21894 I: 666. Friedrich Ratzel, Die Naturvölker Afrikas. In: Völkerkunde…, 1887-1888 I: 665-671; bereits Immanuel Kant notierte 1803 in seiner „Physischen Anthropologie”: „Man kann sagen, dass es nur in Afrika und Neuguinea wahre Neger giebt.” 202 Detaillierter in der Dissertation von Ulrich Eisel, Die Entwicklung der Anthropogeographie von einer „Raumwissenschaft” zur Gesellschaftswissenschaft…, 1980. 203 Moritz Wagner, Die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen…, 1868: 27. 89 führten die Anthropogeografen als Gegenthese den „historischen Wanderungsbewegungsgedanken der Völker” ein; sie gingen also von einem dynamischen Geschichtsbild aus. Damit kam auch der Kolonialgedanke ins Spiel, der nun auch auf die „Naturvölker” geltend gemacht wurde. Eine ganze Reihe von folgenreichen Wanderungsbewegungen wurden beispielsweise im südlichen Afrika des frühen 19. Jahrhunderts durch die militärische Expansionspolitik der Zulu ausgelöst; einzelne NguniGruppen mussten bis nach Ostafrika ausweichen, da vom Süden her die von den Briten vertriebenen holländischen Buren [Voortrekker] sich jenseits des Vaal-Flusses anzusiedeln begannen; Ndebele-Gruppen, die über den Limpopo-Fluss ausgewichen waren, kamen dort mit Shona-Gruppen in militärischen Konflikt. Ein solche Kettenreaktion von Wanderungen, die durch eine Elitegruppe mit militärischer Überlegenheit [bei den Zulu war es die Einführung des mehrfach einsetzbaren Kurzschwertes] ausgelöst wird, wurde nun zum Axiom für die Erklärung soziokultureller Umwälzungen, Rassenmischungen und der Entstehung von Hochkulturen erhoben.204 „Die Migration der Organismen und deren Colonienbildung ist nach meiner Ueberzeugung”, notiert Moritz Wagner, Begründer des darwinistischen Migrationsgedanken,205 im Vorwort seines epochemachenden Büchleins, „die nothwendige Bedingung der natürlichen Zuchtwahl.”206 Dabei definiert er Migration als „das fortdauerende Streben einzelner Individuen, sich vom Verbreitungsgebiet der Stammrasse zu entfernen um durch Colonienbildung für sich und ihre Nachkommen bessere Lebensbedingungen zu finden.”207 Es war Friedrich Ratzel [1844-1904], Anthropogeograf und entschiedener Darwinist, der den zoologisch-kolonialistischen Migrationsgedanken auf die menschliche Gesellschaft übertrug.208 „Ein Herrscher sendet eine Truppe Krieger aus”, heißt es 1888 in seiner dreibändigen Völkerkunde, „um ein Land oder eine Stadt zu erobern, was diesen nicht gelingt, worauf sie sich ruhig niederlassen und sich mit den Töchtern derer 204 Leroy Vail, The political economy of East-Central Africa. In: David Birmingham; Phyllis M. Martin, History of Central Africa…, 1983 II: 301. 205 Dem Verfasser ist bekannt, dass Lafiteau als der Vorläufer des Migrationsgedanken gilt; Moritz Wagner war mit Karl Scherzer [Novara-Expedition] befreundet; zur wissenschaftsgeschichtlichen Stellung Moritz Wagners siehe H. Ganslmayr, Moritz Wagner und seine Bedeutung für die Ethnologie. Verhandlungen des 38. Internationalen Amerikanistenkongresses 1968…, 1972 IV: 459470. 206 Moritz Wagner, Die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen…, 1868: VII. 207 Moritz Wagner, Die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen…, 1868: VII. 208 Johannes Steimmetzler, Die Anthropogeographie Friedrich Ratzels und ihre ideengeschichtliche Wurzeln…, 1956. 90 verheiraten, welche Überlagerungsthese, sie unterwerfen wonach eine wollen.“209 stratifizierte Damit Gesellschaft formuliert aus der Ratzel die ethnischen Überschichtung eines aus der Fremde kommenden Eroberervolkes erklärt wird. Dieses ethnologische Theorem, das vom Ansatz her sich bereits bei Ibn Khaldun finden lässt, hat übrigens der Nilquellen-Entdecker Hanning Speke erstmals ethnologisch ausformuliert.210 Ratzel sah in den Hirtennomaden vor allem diejenigen Gruppen, die sich überkontinental ausbreiteten und erblickte in der ethnologischen Überlagerungstheorie die Entstehung des Staates. Bei Hirten und Nomaden, so Ratzel, gehe die Staatenbildung rascher vor sich als bei Ackerbauern.211 Als Anthropogeograf sieht Ratzel den Zuzug fremder überlegener Eroberervölker sowohl auf den indischen Subkontinent als auch auf Afrika, drüben die Arier, hüben die Hamiten. Eine ganze Reihe ethnischer Gruppen wie Nubier, Abessiner, Galla, Somal, Fulbe Mandingo, Haussa, Wahuma, Sandeh und Mangbettu zählt er zum „indoafrikanischen Völkerkreis”, den Ratzel wie folgt charakterisiert: „Innerhalb der dunkelhäutigen Bevölkerung Afrikas gibt es Stämme, deren Gesichtsbildung edleren Formen der Weißen nahekommt, trotzdem ihre Färbung ebenso dunkel ist wie bei den typischen Negern.”212 Ein „fremder Einfluss”, so Ratzel und sein Mitarbeiterstab213 der 1894 völlig neuausgearbeiteten „Völkerkunde”, ist bei allen jedenfalls „höchst wahrscheinlich.”214 Im Index dieser Ausgabe ist der Begriff „hamitische Völker“ bereits eingeführt, daneben wird auch von „hellen Stämmen Afrikas” gesprochen.215 Bereits den Ägyptern schien aufgefallen zu sein, so Ratzel, dass die Hamiten „edle Körperbildung hätten mit heller Hautfarbe heller als alle Nachbarn. Sie legten diesen Völkern den Beinamen „Tehennu” bei, das heißt die Hellen. Für die darwinistischen Anthropografen galt es nun, alte Wander- und Völkerstraßen ausfindig zu machen, auf denen Ideen und materielle Kulturgüter transportiert worden sind.216 „Und endlich teilen sich in das nördlichste Afrika die hamitischen Sprachen der wahrscheinlich aus Asien eingewanderten altägyptischen, libyschen und kuschitischen Stämme und die semitischen der Abessinier und Araber. Alte Verbindungen dieser bisher immer nur 209 Friedrich Ratzel, Völkerkunde…, 1887-1888: 96. 210 Siehe dazu auch das Kapitel „Ethnografisches Genre…” 211 Friedrich Ratzel, Völkerkunde…, 21894 I: 123. 212 Friedrich Ratzel, Afrika und der Indo-afrikanische Völkerkreis. In: Völkerkunde…, 21894 I: 664. 213 Felix von Luschan, Karl Weule, Eduard Seler (alle Berlin) und Heger (Wien). 214 Friedrich Ratzel, Afrika und der Indo-afrikanische Völkerkreis. In: Völkerkunde…, 21894 I: 664. 215 Friedrich Ratzel, Völkerkunde…, 21894. 216 Friedrich Ratzel, Völkerkunde…, 21894 III: 199. 91 auseinander gehaltenen Sprachen aufzusuchen, wird eine Hauptaufgabe der Völkerkunde sein. Wenig ist hierin geschehen. Anregend war der Lepsiusche Gedanke, das Hottentottische sei mit den hamitischen Sprachen aus Asien und Afrika eingedrungen.“217 Friedrich Ratzel gilt in der deutschsprachigen Ethnologie neben Fritz Graebner und Bernhard Ankermann zu den Begründern der kulturhistorischen Ausrichtung. Als Umweltdeterminist und Vertreter der Überlagerungstheorie der Staatsentstehung folgte er sozialdarwinistischen Gedanken. Bei Vorkommen formal gleicher Elemente in verschiedenen Kulturen schloss er auf vorausgegangene Völkerwanderungen. Sowohl der Diffusionismus der Kulturkreislehre als auch der Organismus der Kulturmorphologie geht daraus hervor.218 Mit den hypothetisch angenommenen vorsemitischen Hamiten gab die darwinistisch orientierte Kulturgeschichte einen neuen Standard vor. Die sprachhistorischen Komparatisten prägten den Begriff „Staatssprache”, deren Genese sie bei den Hamiten ansetzten. Darwinisten sahen hinter der bisherigen typologischen Sprachgliederung in isolierend, agglutinierend und flektierend eine organisch gewachsene Entwicklungsreihe, das zum bestimmenden genealogischen Prinzip des Menschen erhoben wurde. Es war der in Großbritannien tätige Indologe Max Müller [1823-1900], einer der Schöpfer des ArierBegriffs, der diese Konzeption auf die soziogenetische Entwicklung übertrug. Fortan galten isolierende Sprachen als Familiensprachen, da jene über den Zustand der Familie nicht hinausgekommen wären; die anfügenden oder agglutinierenden Sprachen als Nomadensprachen; allein Völker mit flektierenden Sprachen schließlich hätten es zur Gründung dauernder Staaten gebracht, weshalb Müller dafür eigens den Begriff „Staatssprache” einführte.219 Am deutlichsten nahm der von den Darwinisten kreierte hamitische Staatskulturmythos in den allgemeinen Nachschlagewerken der 70er und 80er Jahre des 19. Jahrhunderts Einzug. In der dritten Auflage des Meyer-Konversationslexikons [1874-1878] kommt der wissenschaftliche Hamitenbegriff nämlich noch gar nicht vor. Darin wird lediglich der biblische Fluch ohne Referenzliteratur mit Nationalitätenhass in Verbindung gebracht: „Als Stammvater der Kanaaniter ist Ham in der Sagengeschichte der Israeliten Träger des aus Nationalhass hervorgegangenen Fluchs, wodurch die Unterjochung der kanaanitischen Stämme als Gebot Jehovahs sanktioniert wurde.”220 In der allgemeinen 217 Friedrich Ratzel, Völkerkunde…, 21894 I: 665, unterstrichen im Original. 218 Woodruff D. Smith, The social and political origins of German diffusionist ethnology. Journal of the History of the Behavioral Sciences 14, 1978: 103-112. 219 Friedrich Müller, Grundriss der Sprachwissenschaft…, 1876 I: 69. 220 Meyers Konversations-Lexikon, Ham. 31876 VIII: 472. 92 deutschen Real-Encyclopädie von 1884 findet sich dann aber das Stichwort „Hamitische Völker und Sprachen”, worin es nun heißt, jene „sind die dem 10. Kapitel der Genesis entnommenen Bezeichnung, unter denen die moderne Ethnologie und Sprachwissenschaft eine Reihe von Völkern und Sprachen zusammenfassen, welche über den Norden und Nordosten Afrikas sich verbreiten und weder zu den Negern noch zu den später eingewanderten Semiten (Abessinier und Araber) gehören.”221 Der einstige Afrikabezug südlich der Sahara scheint hier völlig abhandengekommen zu sein. Unter Einbeziehung der Werke von Müller, Lepsius und Cust wurde die ehemalige Hypothese, wonach der Stammsitz der Hamiten im Südwesten Arabiens angenommen wurde, bereits als vermeintlich handfeste Tatsache umfunktioniert. Die von Ratzel und Gräbner eingeführte historische Methode, alte Kulturschichten aus geografischen Rückzugsgebieten zu rekonstruieren, scheint bei der folgenden Feststellung bereits vorgenommen worden zu sein: „Diese Einwanderung [der Hamiten] ging lange vor Beginn des ägyptischen Reichs vor sich, da die Ägypter, welche auch zu den Hamiten gehören, die letzten Einwanderer waren, da sie sich am Nordosten Afrikas, an der Schwelle Asiens, niedergelassen hatten. Man wird daher die Einwanderung der Hamiten in Afrika in das 8. Jahrtausend v. Christus versetzen können.”222 Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1884, also dem Jahr, an dem der europäische Wettlauf um Afrika einsetzt. Hand in Hand mit der europäischen Kolonisation Afrikas verbreitete sich die Annahme, hellhäutige Hamiten ließen sich im Innern Afrikas finden. Daraus wird bereits deutlich, dass die darwinistisch konzipierte Hamitentheorie zunächst die kolonialpolitische Funktion erfüllte, den vermeintlich dunklen und geschichtslosen Kontinent in einen geschichtsträchtigen Boden mit entsprechender zivilisatorischen Unterlage umzuwandeln. 221 Brockhaus’ Conversations=Lexikon, Hamitische Völker und Sprachen…, 131884 VIII. 222 Brockhaus’ Conversations=Lexikon, Hamitische Völker und Sprachen…, 131884 VIII. 93 II. Kapitel Die wissenschaftliche Etablierung der Hamitentheorie 94 War die Hamitentheorie und ihr Wandel ideengeschichtlich und soziohistorisch ganz bestimmten Bedingungen unterlegen, soll nunmehr nachgezeichnet werden, wie Einzelwissenschaften die Hamiten als wissenschaftliche Theorie zu untermauern versuchten. Die Gliederung entspricht zwar nicht genau dem historischen Ablauf, aber aufgrund der Materialdichte und aus Gründen der Übersichtlichkeit, erschien es sinnvoll, die Teilung in linguistisch, anthropologisch, ethnologisch und ethnografisch zu treffen. Es ist dies eine Differenzierung, wie sie auch die Hamitentheoretiker vorgenommen haben. 1. Die Rolle der historischen Sprachwissenschaft Der Übergang vom biblischen Ham zum wissenschaftlichen Terminus „Hamiten” vollzog sich innerhalb der vergleichenden Sprachwissenschaft. Dabei ist die Geschichte einer als hamitisch klassifizierten Sprachgruppe auf der eine Seite vor dem Hintergrund der Erforschung der semitischen und indoeuropäischen Sprachgruppen zu sehen. Auf der anderen Seite forderten die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreich gesammelten Wortlisten afrikanischer Sprachen eine klare Systematisierung heraus. Die ersten wissenschaftlichen Versuche, die Geschichte der Sprachen zu ergründen, wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts unternommen. Gelehrte begannen Sprachgruppen systematisch zu vergleichen, um etwaige Übereinstimmungen zwischen ihnen auszumachen. Ließen sich solche Parallelen nachweisen, mussten die Sprachen miteinander verwandt sein. 1781 führte der in Göttingen tätige Historiker und Philologe August Ludwig Schlözer [1735-1809] nach Genesis 10, 21-31; 11, 10-26 den Begriff „semitische Sprachen” als „Sprachen der Söhne des Sem” ein.223 Bis dahin galten Hebräisch, Arabisch, Aramäisch und Äthiopisch als „orientalische Sprachen” und bildeten zusammen mit asiatischen Sprachen den Forschungsgegenstand der „Orientalistik”. Semitische Sprachen wie Akkadisch waren damals noch nicht entdeckt. Die komparative Methode im Sprachvergleich erlaubte jedoch nicht nur die Klassifikation nach dem Sprachtypus, sondern auch nach der Herkunft. Die dahingehend benannte genealogische Klassifikation ist vorrangig geschichtlich orientiert und stützt sich auf die Annahme, dass Sprachen von einem gemeinsamen Vorläufer abstammen. In Europa waren Belege für einen gemeinsamen Ursprung von Sprachgruppen leicht zu finden, da Französisch, Spanisch, Italienisch und die anderen romanischen Sprachen 223 August Ludwig Schlözer, Repertoire für Biblische und Morgenländische Literatur…, 1781 VIII: 161 [Eichhorn’s Repertorium, 1781 VIII: 161]; vgl. Hans-Jürgen Sasse, Afroasiatisch. In: Bernd Heine (Hrsg.), Die Sprachen Afrikas…, 1991: 131-148. 95 eindeutig auf das Lateinische zurückgehen. Der Indoeuropäistik als Sprachwissenschaft wurde die Basis gelegt, als 1786 der britische Orientforscher und Jurist William Jones [17461794] als Präsident der Bengalisch-Asiatischen Gesellschaft in seinem Vortrag das Sanskrit zum gemeinsamen Vorläufer der europäischen Sprachen bestimmte. Damit wurde die Möglichkeit geboten, die sprachliche Rekonstruktion früherer Entwicklungsstufen über die kontinentale Grenze hinausgehend durchzuführen. Während die genealogische Klassifikation in Eurasien aufgrund der reichen Schrifttradition recht erfolgreich war, hat sie in Afrika und anderswo aufgrund der vorhandenen Schriftlosigkeit höchst hypothetischen Charakter. Ideengeschichtlich ist die Geschichte der sprachlichen Hamitenforschung überhaupt vor dem Hintergrund der Suche nach der menschlichen Ursprache zu sehen. Europäische Gelehrte hielten nämlich bis ins 17. Jahrhundert daran fest, dass dafür das Hebräische zu gelten habe.224 Als Vertreter dieser „Ursprache” wurden die Söhne des biblischen Sem herangezogen. Der Bibeltext bietet Hinweise dafür, mehrere Semitenvölker vom geografischen Ort „Arpachsad” herleiten zu können, dem heutigen Grenzland der Türkei und Armenien (Genesis, 10, 22, 24ff 1, 12ff.). Diese Vorstellung war jedoch wiederum vom altbewährten Sintflutmythos des Alten Testaments geprägt und beinhaltete einen nicht zu übersehenden Zirkelschluss. Die Herleitung der Hebräer und ihrer nächsten Verwandten von Arpachsad hatte ja darin ihren Grund, weil der Berg Ararat als die Landestelle der Arche des Noah angegeben wurde.225 Das Wort „hamitisch” taucht als wissenschaftlicher Terminus erstmals bei Sprachgelehrten in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts auf. Er gilt als einer der ältesten und auch umstrittensten Termini in der Afrikanistik, da er von Anbeginn auf ganz unterschiedlichste Weise Sprachen zu Gruppen zusammenfasste. Zunächst fällt auf, dass „hamitisch” geradezu konträr zum Ham in der Bibel verwendet wird. Beim bereits erwähnten britischen Sprach- und Altertumsforscher Charles Beke [1800-1874] zeigt sich dieser Übergang wohl am deutlichsten. In sprachwissenschaftlicher Hinsicht ergab sich für Beke die Notwendigkeit einer Herausarbeitung eines „hamitischen Sprachbegriffs” vor allem deswegen, da der Begriff „semitisch” auf die „ganze Klasse verwandter Sprachen Afrikas und des südwestlichen Asiens” zu kurz greife und dahingehend die Sprachen der Phönizier, Kopten und Berber, ferner die „afrikanischen Dialekte” nicht einbeziehe. Nach einem dreijährigen Abessinienaufenthalt hielt Charles Beke 1845 vor der nur wenige Jahre zuvor gegründeten Philological Society in London einen Vortrag über die „Sprachen und Dialekte Abessiniens und der südlich angrenzenden Länder”. Darin gab Beke eine Antwort auf seinen 224 Siehe dazu das Kapitel „Hamiten als Begründer außerbiblischer Hochkulturen” 225 Theodor Nöldeke, Die semitischen Sprachen. Eine Skizze…, 21899 [1887]. 96 kurz zuvor erhaltenen Brief des französischen Reiseschriftstellers M. Antoine d’Abbadie kund: “M. d’Abbadie classes the Agau [eine Zentralgruppe des Kuschitischen] and Gonga languages together in one family, which he names ‘Chamitic’. To this classification and denomination I cannot object, inasmuch as they are only in accordance with my own views with respect to the Hamitish origin of all the languages of Arabia and Africa. But it will be understood that I do not agree with him in the narrow sense in which he uses the term ‘Chamitic’, as opposed to ‘Semitic’.”226 Hier zeigt sich bereits, dass der sprachliche Hamitenbegriff in erster Linie in Abgrenzung zum Semitischen definiert worden war, und weniger auf nachgewiesenen genealogischen Sprachbeziehungen Afrika betreffend. Die Geburtsstunde des Hamitischen als Sprachgruppe ist also zugleich die einer Kontroverse. Die dem Vortrag zugrundeliegende Problematik war, ob der sprachliche Begriff „hamitisch” in Abgrenzung zum Semitischen in eingeschränkter Form eher afrikanische Sprachen oder viel mehr eine umfassendere Sprachgruppe bezeichnen sollte, in der das Semitische lediglich als Teil erschien. Diese Unsicherheit hatte durchaus seine Berechtigung, die sich aus der Sachlage ergab. Eine Reihe von Sprachen auf dem afrikanischen Kontinent, wie etwa das Amharisch, können aufgrund ihres grammatikalischen Aufbaus mühelos der semitischen Sprachgruppe angereiht werden. Auf der anderen Seite weisen aber die „berberischen Sprachen” Strukturen auf, die eine solche Zuordnung wiederum nicht erlaubt. Diese komplexe Sachlage brachte innerhalb der vergleichenden historischen Sprachwissenschaft zwei Standpunkte hervor, die einander diametral im Gegensatz standen. Der eine fasste die in Afrika vorgefundenen „semitoiden” Sprachen als eigenständige hamitische Gruppe zusammen, der andere hingegen ordnete die fraglichen Gruppen den semitischen Sprachen in gleichwertiger Weise zu. Die erste Sichtweise, die in der Folge als die „Hamitenthese” bekannt werden sollte, ist der Sache nach zweifellos Afrika zentriert, da sie ihren Blick vom Semitischen freimachen möchte. Die Vertreter des zweiten Standpunktes dagegen sehen die einzelnen Gruppen (Berberisch, Ägyptisch, Semitisch etc.) als gleichberechtigte Glieder einer großen Sprachgruppe an. Jene sprechen daher von einem „Hamito-Semitischen Sprachstamm”. Der in Rede stehende „afrikanische Typus” trat dadurch ein wenig in den Hintergrund. Die Hamitenthese wurde populär und sollte die Afrikanistik und die Ethnologie für mehr als ein Jahrhundert dominieren. Dem zweiten Standpunkt, in der Folge auch „Schwesternfamilien-These” bezeichnet, haftete naturgemäß ein gewisser Semitozentrismus an, da die beachtliche Dominanz des Semitischen innerhalb der erweiterten Sprachgruppe nicht beiseite gestellt werden kann. Während die Hamitenthese 226 Charles Beke, On the languages and dialects of Abyssinia and the Countries to the South. Proceedings of the Philological Society 2, 33, 1845: 94, unterstrichen im Original. 97 mittlerweile verworfen wurde, ist die Schwesternfamilienthese als „Afroasiatische Sprachgruppe” von wenigen Ausnahmen abgesehen anerkannt. Das bisher Dargestellte ergibt also zunächst die völlig unerwartete Sachlage. Es hat den Anschein, dass der sprachwissenschaftlichen Hamitenthese in ihrer ursprünglichen Form eigentlich nichts Afrophobes oder gar Rassistisches anhaftete. Ganz im Gegenteil: die Hamitenthese beinhaltete geradezu etwas „Afrozentrisches” und verdient diesbezüglich unsere Aufmerksamkeit. Die Entwicklung der afrozentrischen „Hamitenthese” lief analog mit der Erforschung der Sprachen des inneren Afrika. Ganz deutlich ist diese Hinwendung auf „Afrika” bei Johann Ludwig Krapf [1810-1881] zu spüren, ein für die Church Missionary Society [CMS] tätiger Missionar in Ostafrika. Krapf ging bei seinen linguistischen Erkundungen weniger von den bestehenden semitischen Sprachen aus, sondern vielmehr von den Sprachen in Afrika selbst. Demgemäß bezeichnete er die Sprachen in Ostafrika als “Hamitic”227 oder “NiloHamitic”228, die er von “Nigro-Hamitic”, den westafrikanischen Sprachen unterschieden wissen wollte. Allein seine als Adjektiv gebrauchten Termini setzen auf die Hervorhebung des Afrikanischen. In der Rolle eines Missionars braucht es nicht zu verwundern, wenn Krapf zu diesem Zweck wiederum das Motiv des vermeintlich dunkelhäutigen Ham heranzuziehen bereit war. Auf jeden Fall ist Krapfs Hamitenbegriff noch fernab von jedweder Gleichsetzung mit einer Viehzüchterkultur. In geradezu gegenteiliger Absicht startete Krapf in seiner bekannt gewordenen Reisebeschreibung „Reisen in Ostafrika” (1858) den Versuch, die ackerbautreibenden Wakanda als „orphno-hamitisch” oder „schwarzbraunhamitisch” zu klassifizieren. Diese kryptischen Bezeichnungen blieben jedoch unbeachtet.229 Die klare Absage vom „Semitischen” hatte bei Krapf auch eine leidvolle Parallele in seinem Leben als Missionar. Krapf musste seine missionarische Stellung im „semitisch-sprachigen” Abessinien stets behaupten zu versuchen, da der dortige Klerus seine Missionsbestrebungen nicht duldete. Mehrmals wurde Krapf vertrieben, ehe er als CMS-Missionar in Ostafrika Fuß fassen konnte. An der Küste Tansanias sah der Missionar seine Chance, die christliche Kultur ins bis dahin für Europäer verschlossene Innere Afrika zu verbreiten. “Christianisation of Africa”, davon war Krapf überzeugt, “carries discovery of Africa in the train”.230 Als Missionar und Reisender kam Krapf mit zahlreichen afrikanischen Sprachen in 227 Johann Ludwig Krapf, Outline of the Elements of the Kisuaheli Language…, 1850 [Reprint 1970]. 228 Johann Ludwig Krapf, Vocabulary of Six East African Languages…, 1850 [Reprint 1967]. 229 Johann Ludwig Krapf, Reisen in Ost-Afrika, ausgeführt in den Jahren 1837-1855…, 1858 [Reprint 1964] I: 234. 230 Johann Ludwig Krapf, Outlines…, 1850: IX. 98 Berührung. Besonders interessierte er sich für das Kisuaheli, in dessen Erlernung er den Schlüssel für den Zugang ins Landesinnere ansah. Er musste mit Bedauern feststellen, dass diese Mischsprache bei Sprachwissenschaftern bisher nur wenig gewürdigt worden war, obwohl die darin enthaltenen afrikanischen Sprachelemente überaus aufschlussreich für den Sprachvergleich gewesen wären. Dahingehend trat Krapf für eine Philologie ein, die sich allein auf die afrikanischen Sprachen konzentrieren solle: “It [African Philology] has its own stamp and typus, which I may call the Hamitic in distinction from the Semitic and Japhetitic.”231 Für den Missionar stellte sich keineswegs die Frage, wie die Söhne Hams nach Afrika gekommen waren, da die Bibel ohnehin diesen Ort für die Söhne Hams bestimmt hatte. Krapfs „Nilo-Hamitisch” beinhaltete sämtliche afrikanische Sprachen vom “Bahr ElAbiad down to the Cape of Good Hope“ und erinnert daher eher daran, was später unter dem Namen „Bantusprachen” Verbreitung fand. Daneben kennt Krapf auch bereits einen rassischen Hamitenbegriff, den er mit Leichtigkeit mit der hamitischen Sprache zur Deckung bringt. “The black colour”, so Krapf über seine “Hamitic Race”, “with which the negroes were imbued of his descendants must supposed to tinctured his immediate offspring with that complexion, which under certain climatic (and other) circumstances was to be developed and realised”.232 Die Eigenschaft der schwarzen Hautfarbe der „Nilo-Hamiten” sieht er also nicht mehr von einem Fluch her begründet, für ihn ist sie rein klimatisch bedingt, welches er überhaupt zum allgemeingültigen Axiom des Menschheitsgeschlechts erhebt. Die philanthropische Haltung Krapfs erlaubt ihm zu argumentieren, dass dieselbe Hautveränderung auch seinen beiden Brüdern widerfahren hätte können, wenn ihnen Afrika als Wohnort zugewiesen worden wäre. Das als Adjektiv gebrauchte Wort „hamitisch” kennzeichnete zunächst die klare Distanz zur biblischen Völkertafel und lässt bereits die Zuordnung gewisser typologischer sprachlicher oder anthropologischer Eigenschaften zu. Aufgrund der ständigen Rückbesinnung auf den Bibeltext kam es jedoch zu einer schädlichen Vermengung von „geografischer Zuordnung” mit der „genealogischen Abstammung”. Dieser Grundproblematik unterstand einem circulus vitiosus und lief darauf hinaus, dass „hamitisch” weder etwas spezifisch Afrikanisches bezeichnen konnte – der Bibel gemäß kamen die Hamiten ja aus Asien – noch etwas spezifisch Asiatisches, da eine Klassifizierung rezenter Volks- oder Sprachgruppen als hamitisch ausschließlich auf dem Kontinent Afrika vorgenommen wurde. Als Ausweg aus dieser Begriffsverwirrung bot die „mosaische Wissenschaft” – wie sie aus heutiger Sicht von Kritikern belächelt wird –, die Idee der 231 Johann Ludwig Krapf, Outlines…, 1850: 7. 232 Johann Ludwig Krapf, Outlines…, 1850: 31. 99 anthropogeografischen Völker-Migration, was zum bestimmenden Axiom der afrozentrischen Hamitentheorie erhoben wurde. Ein historisches Klassifikationssystem auf Basis afrikanischer Sprachen war bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts mangels sprachwissenschaftlicher Erhebung nicht möglich. Den ersten Schritt in diese Richtung setzte der schwäbische Missionar Sigismund Koelle [18231902], der innerhalb der Church Missionary Society am Fourah Bay College in Freetown tätig war. Seine 1854 in London publizierte Polyglotta Africana wies eine Kompilation von annähernd 300 Wörtern aus mehr als 100 afrikanischen Sprachen auf.233 Dieser Vorarbeit bediente sich der in Berlin tätige Ägyptologe C. Richard Lepsius [1810-1884], der in seiner „Nubischen Grammatik” die erste Gesamtgliederung und historische Interpretation aller damals bekannten Völker und Sprachen Afrikas zusammenstellte. Im Hamitenschrifttum wird der Name C. Richard Lepsius immer wieder als Wortschöpfer für den „hamitischen Sprachstamm” in Zusammenhang gebracht.234 Lepsius sah neben den rassischen Einteilungen nach Haaren oder Hautfarbe die Alternative im grammatikalischen Gesetz der Sprache. Erstere lehnte Lepsius kategorisch ab und forderte dahingehend die strikte Trennung von Sprache und Rasse. Im Gegensatz zu Darwinisten wie Friedrich Müller war Lepsius von der Einheit der noachidischen Sprachfamilien überzeugt. Seine Behauptung beruhte auf dem lautlichen Ausdruck des grammatikalischen Geschlechts, das ausschließlich, in „der damaligen civilisirten Welt” – die noachidische Völkerfamilie – vorkomme. Im hamitischen, so ergab es sich für Lepsius, wäre sowohl das maskuline als auch das feminine Geschlecht zu finden, im semitischen fehle dagegen bereits das maskuline, im japhetischen schließlich wären davon überhaupt nur wenige Spuren zu finden. Lepsius glaubte daraus ein genealogisches Prinzip ableiten zu können, das die Erstellung einer kulturgeschichtlichen Chronologie erlaube. Das grammatikalische Geschlecht wäre „eine von den vielen Anzeigen, dass der Hamitische Stamm am frühesten seine Urheimath verlassen hat, dann der Semitische, zuletzt der Japhetische.”235 Auch den Bibeltext konnte Lepsius dafür heranziehen: sprach jener nicht von Japhet als dem jüngsten Sohn Noah’s? Die angenommene hamitische Migration nach Afrika unterlag dabei der völligen historischen Willkür, in methodischer Hinsicht kam sie einem Kunstgriff gleich. Sie war jedoch eine Notwendigkeit, wenn hamitisch etwas spezifisch Afrikanisches bezeichnen sollte. Die sich daraus durchaus reizvolle Hypothese ergab: ließ sich in Afrika eine Sprache mit dem 233 Sigismund Koelle, Polyglotta Africana…, 1854 [Reprint 1963]. 234 Beispielsweise Carl Brockelmann, Gibt es einen hamitischen Sprachstamm? Anthropos 27, 1932: 797; oder Werner Vycichl, Was sind Hamitensprachen? Africa 8 1935: 76. 235 Carl Richard Lepsius, Nubische Grammatik…, 1880: XXVII. 100 grammatikalischen Geschlecht nachweisen, so könne mit einem Alter gerechnet werden, das dem Semitischen oder dem Indogermanischen vorausgegangen ist. Da deutsche und angelsächsische Missionare bei den im südlichen Afrika lebenden Hottentotten das grammatikalische Geschlecht nachgewiesen hatten, entwickelte sich das „Hottentottische” zu einem Standpfeiler der sprachlichen Hamitentheorie. Hinzu kam noch, dass das Hottentottische im Unterschied zu vielen anderen Sprachen in Afrika seit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen Ende des 15. Jahrhunderts in Europa bekannt war. Bevor also Lepsius das Hottentottische zu einer hamitischen Sprache erhoben hatte, und das ist von wissenschaftsgeschichtlicher Seite entscheidend, ging eine jahrhundertealte Diskussion hinsichtlich der Frage nach der Einordnung und Herkunft des durch die europäischen Kolonisation „verarmten Hirtenvolkes” voraus. Es lohnt sich deshalb an dieser Stelle, einen diesbezüglichen wissenschaftsgeschichtlichen Exkurs durchzuführen. Einer der wichtigsten Anknüpfungspunkte der Hamitentheorien bildete die Frage nach dem Ursprung der Hottentotten236 im südlichen Afrika. Die Behauptung, die Hottentotten seien nicht autochthon, sondern von Asien her nach Afrika eingewandert, entstand zwar erst im 19. Jahrhundert. Hinweise dazu lassen sich jedoch bereits beim arabischen Entdeckungsreisenden al-Mas’udi (franz. Maçoudi) [ca. 900-956] finden.237 Der in Köln tätige Afrikanist Wilhelm Möhlig hat sich dahingehend ausgesprochen, dass dieser aus Irak stammende Gelehrte die Legende aufgebracht habe, die Hottentotten stammen aus dem chinesischen Lande „Wak-Wak”.238 Das stimmt nicht ganz, da diese Zuschreibung erst in späterer Zeit erfolgte und überhaupt einem geografischen Missverständnis zugrunde liegt, das einer Aufklärung bedarf. Es stimmt zwar, dass al-Mas’udi über Ostafrika bis nach Indien gereist war, fest steht aber, dass er niemals „Hottentotten” begegnet war. Für die arabischen Geografen und Reisenden war „Wak-Wak” ein legendäres Land von unsagbarem Reichtum, nicht genau lokalisierbar, irgendwo zwischen Indien und Japan gelegen.239 Ohne auf das Aussehen der Bewohner genauer einzugehen, stand für al-Mas’udi fest, dass Wak-Wak ein Land war, “qui produit de l’or en abondance et d’autres merveille; le climat y est chaud et la 236 Dem Verfasser ist bekannt, dass der Begriff „Hottentotte” heute ein abschätziges Wort bedeutet. Er wird jedoch im Text beibehalten, um ihn mit den konventionellen Begriffen „Khoisan” und „KhoiKhoi” nicht zu vermengen; vgl. auch G. S. Nienaber, The origin of the name „Hottentot“. African Studies 22, 2, 1963: 65-90. 237 238 Friedrich Embacher, Masudi. Lexikon der Reisen und Entdeckungen…, Leipzig, 1882: 203. Wilhelm J. G. Möhlig, Wakwak. In: Hermann Jungraithmayr; Wilhelm J. G. Möhlig (Hrsg.). Lexikon der Afrikanistik…, 1983: 262. 239 Rana Kabbani, Mythos Morgenland…, 1993: 15; engl. Orig. “Europe’s myth of Orient” (1986). 101 terre fertile.”240 „Östlich von China befindet sich ein Land namens Waq waq”, wusste auch bereits der arabische Geograf Ibn Khurdadbih [820-912]241 zu berichten, „das so viel Gold besitzt, dass die Eingeborenen aus diesem Metall Ketten für ihre Hunde und Halsbänder für ihre Affen herstellen.”242 Das geografische Missverständnis hinsichtlich dieses „paradiesartigen Wunderlandes” beruht nun darauf, dass die arabischen Geografen, die nach dem antiken Vorbild die ostafrikanische Küste nicht von Norden nach Süden, sondern von Westen nach Osten verlaufen ließen, und Wak-Wak an Sofala anschlossen, jener für die Araber „östlichste” bekannte Teil Afrikas. Gleichzeitig ordnete al-Mas’udi in seiner erstellten Weltkarte Wak-Wak dem „Land der Neger” – also Afrika – zu. Für die Anthropogeografen des 19. Jahrhunderts wie Oskar Peschel und Friedich Ratzel erschien nun „Wak-Wak” als verlängerter Küstenteil in die südliche Richtung des afrikanischen Kontinents, dort wo bis ins 18. Jahrhundert die „Hottentotten” gelebt hatten [Abb. 20].243 Diese geografische Missinterpretation brachte die Legende auf, die Hottentotten seien chinesischen Ursprungs und wurde insofern noch erhärtet, als das rasche Aussprechen dieser rätselhaften Doppelsilbe an die Verschlusslaute des Hottentottischen erinnerte. Darüber hinaus lebt seitdem in der vorkolonialen Betrachtung Afrikas die Legende ungebrochen fort, die nunmehr verarmten Hottentotten hätten, bevor sie die Europäer antrafen, Unmengen an Reichtum besessen. Die Vorstellungswelt der Holländer des 17. Jahrhunderts über die Hottentotten war noch davon geprägt gewesen. Selbst van Riebeek stellte Nachforschungen an, ob die Hottentotten nicht mit Wak-Wak in Verbindung zu bringen wären.244 Die zahlreichen ethnografischen Berichte der Portugiesen und Holländer aus dem südafrikanischen Kapland zogen das Bestreben einer anthropologischen Klassifikation in der 240 Maçoudi, Les prairies d’or…, 1864 III: 6; eigentlich Abu’l Hasan ‘Ali Mas’udi; vgl. auch die deutsche Erdmann-Ausgabe von 1978 mit der Übersetzung von Gernot Rotter, der al-Mas’udi auch den „arabischen Herodot” bezeichnet. 241 Eigentlich Ubaid Allah Ahmad Ibn Choradadhbeth; stand als Leiter im Nachrichtenwesen im Dienste des Kalifen Mutamid [870-892]; sein Hauptwerk „Buch der Wege und Länder” gibt einen Einblick in die historische Geografie Vorderasiens. 242 243 Rana Kabbani, Mythos Morgenland…, 1993: 15. Maçoudi, Les prairies d’or…, 1864 III: 5. Die mittelalterlichen arabischen Weltkarten waren „gesüdet”, wodurch die innerafrikanischen Mondberge und Wak-Wak zusätzlich hervorgehoben wurden; vgl. dazu den ausführlichen Kommentar von Richard Hennig, Terrae Incognitae…, 21950 II: 290-294. 244 D. B. Bosman, H. B. Thom (Hrsg.), Daghregister gehouden by den Oppercoopman Jan Anthonisz van Riebeek, Deel III: 1659-1662…, 1957. 102 Aufklärungsperiode nach sich. John Hunter [?-1809]245, ein schottischer Physiker, der in Edinburgh Medizin studiert hatte, ordnete in seinem “De hominum varietatibus et harum causis” (1775) die Hottentotten als eigenständige Varietät der von Carl von Linné erstellten asiatischen Subspezies zu.246 Damit war der wissenschaftliche Grundstein für eine außerafrikanische Herkunft der Hottentotten gelegt. John Barrow [1764-1848], dem als Sekretär in Kapstadt mitunter ausgedehnte Reisen ins Innere Südafrikas vorbehalten waren, vermeinte bei den Gesichtskonturen der Hottentotten eine auffällige Ähnlichkeit mit den Chinesen feststellen zu müssen.247 „Nimmt man die außerordentlich platte Nase”, belehrt Barrow ungeniert in seinem Reisebericht von 1801 darauf los, „und das kurze buschige Haar aus, so hat sie [die hottentottische Nation] mit den Chinesen sowohl in Ansehnung der Farbe als der Gesichtsbildung die meiste Ähnlichkeit, so sonderbar es auch scheinen mag, eine Vergleichung zwischen dem civilisirtesten und sinnreichsten Volke und einer auf der niedrigsten Stufe der Menschheit stehenden Nation anzustellen.”248 Barrow war von seiner unorthodoxen Feststellung dermaßen überzeugt, dass er sich nicht scheute, diese in seinem Reisebericht abbilden zu lassen. Ein junger männlicher Hottentotte mit überzeichneten schmalen Augenlidern erscheint darin als „Chinese” [Abb. 21].249 Da Barrow sich zuvor einige Jahre in Chocinchina aufgehalten hatte250, verblasste sein offensichtlich subjektives Moment zugunsten einer erhöhten Glaubwürdigkeit. Die Bezeichnung „chinesischer Hottentotte” setzte sich bei den europäischen Kapbewohnern sukzessive durch.251 Auch das Bestreben Georges Bory de Saint-Vincent’s 1825, jene durch den anthropologischen Begriff 245 Nicht zu verwechseln mit dessen Namensvetter John Hunter [1728-1793], der als Chirurg tätig war. 246 Der von Hunter eingeführte Terminus lautete “homines sapientes asiatici subnigri”; vgl dazu Ilse Schwidetzky, Bevölkerungsbiologie der frühgeschichtlichen Zeit. In: Fritz Valjavec (Hrsg.), Historia Mundi…, 1952: I. 247 Ivan Hannaford, Race…, 1996: 269. 248 John Barrow, Reisen in das Innere von Südafrika…, 1801: 346 [engl. Orig. 1801: 282]. 249 John Barrow, An account of travels…, 1801 [21806]; das Bild des „chinesischen Hottentotten” ist lediglich in der englischen Originalausgabe beigelegt; siehe dazu auch M. van Wyk Smith, The iconography of the Khoikhoi. JSAS 22, 3, 1996: 323. 250 251 John Barrow, A voyage in Chocinchina in the years 1792 and 1793…, London, 1806. John Barrow, Reisen in das Innere von Südafrika…, 1801: 195, dt. Ausgabe; eine englische Neuauflage erfolgte bereits 1806; vgl. dazu die zu Barrow erstellte Biografie von Christopher Lloyd, Mr. Barrow of Admiralty. A Life of Sir John Barrow 1764-1848…, 1970: 59. 103 Abb. 20 Ibn Khalduns 1401 erstellte arabische Handschrift „Muqaddima“. Mittelalterliche arabische Weltkarten sind gesüdet, Afrika liegt dem entsprechend in der „oberen Hemisphäre“; das südliche Afrika und das asiatische „Wak-Wak“ laufen scheinbar ineinander über. Von diesem Weltbild sind die „chinesischen Hottentotten“ abgeleitet. Abb. 21 Barrows „Chinese Hottentote“. John Barrow, An account of travels into the interior of Southern Africa…, London, 1801 [21806]. 104 “Homo Hottentotus”252 der Vorstellung eines autochthonen Ursprungs Vorschub zu leisten, änderte am Vorurteil ihres außerafrikanischen Ursprungs wenig. Der bereits erwähnte Charles Beke spricht 1834 bezeichnenderweise von “Hamitish Hottentots”.253 Barrows grobe Fehleinschätzung ist jedoch nicht nur auf ein plumpes Kokettieren mit dem Exotischen zurück zu führen. Als überzeugter Philanthrop und in den Funktionen als Sekretär des englischen Grafen von Macartney und Oberrechnungsrat in Kapstadt trachtete Barrow mit seinem Reisebericht die gesellschaftlichen Missstände in der Kapkolonie aufzudecken und nahm die Herausforderung an, die holländischen Buren der Sklaverei zu bezichtigen. Seine Mission galt der Befreiung der geknechteten Hottentotten. Dazu zog er das Konzept des “Noble Sauvage” heran.254 Barrows Beschreibung zufolge lebten die Buren stets im Müßiggang und gingen keiner körperlichen Tätigkeit nach, die Hottentotten dagegen mussten für sie hart arbeiten und fristeten ein unwürdiges Dasein, das der Sklaverei nicht unähnlich war.255 Dieses sozialkritische Bild verfehlte die Realität der südafrikanischen Gesellschaft zur Wende des 19. Jahrhunderts zwar nicht, Barrows Aussage, die Sklaven der Buren seien eigentlich keine primitive Afrikaner, sondern hochzivilisierte Chinesen, beinhaltete politische Sprengkraft in hohem Maße. Das dahinter stehende politische Kalkül legte die zweite Besetzung der Briten des Kaps im Jahre 1805 frei. Barrows Behauptung, die Hottentotten wären chinesischer Herkunft, zog unweigerlich die Frage nach sich, wie man sich diese interkontinentale Verbindung vorzustellen habe. Dabei verweist Barrow auf die altägyptische Kultur, der er eine Brückenfunktion zuschreibt. Hier wird das geistige Erbe des Jesuitenstreits übernommen, wenn Barrow die beiden Kulturen – die ägyptische und die chinesische – hypothetisch auf eine gemeinsame ältere zurückführt und deren Reste in den rätselhaften Hottentotten erblickt. Der für die London Missionary Society [LMS] tätige Missionar Robert Moffat griff den Gedanken des chinesischen Ursprungs von Barrow auf und stellte die Hottentotten an die Spitze einer hypothetischen Einwanderung nach Afrika. “It may not be considered chimerical to suppose that when the sons of Ham entered Africa, by Egypt, and the Arabians, by the Red Sea, that the Hottentot progenitors took the lead, and gradually advanced in proportion as they were urged forward 252 G. Bory de Saint-Vincent, ‘Homme. In: I. B. Audouin, Dictionnaire classique d’histoire naturelle…, 1825 VIII: 269-346. 253 Charles Beke, Origines Biblicae: or Researches in Primeval History…, 1834: 97. 253 Charles Beke, Vertheidigung gegen Herrn Dr. Paulus…, 1836: 8. 254 Mangubane Zine, The Body of the Savage: Humanitarian Narratives, 1800-1827. Social Dynamics 23, 1, 1998: 1. 255 Dorothy Hammond, Alta Jablow, The Africa that never was…, 1970: 39-40. 105 by an increasing population in their rear, until they reached the ends of the earth.”256 Moffat schwebte also eine großflächige Völkerwanderung vor Augen, die von den Hottentotten angeführt worden sei. Damit hat Moffat das kulturhistorische Axiom der räumlichen Lage vorweggenommen, das die Hottentotten zurückblickend besonders „alt” erscheinen lässt. Die Leipziger anthropogeografische Schule erklärte in späterer Folge den Kontinent Afrika als Gesamtes als Rückzugsgebiet. Moffat, der 23 Jahre in Karroo als Missionar stationiert war, konnte profunde Kenntnisse in den Lokalsprachen erwerben. Die zahlreichen Gruppierungen Südafrikas mit heller Hautfarbe: die Hottentotten, Korannas, Namaquas und Buschmänner wären nicht nur rassisch homogen, sondern auch in sprachlicher Hinsicht auf einen gemeinsamen Ursprung zurück zu führen. Bereits Moffat zieht dafür das Altägyptische heran, ohne jedoch näher darauf einzugehen. Damit brachte er aber innerhalb der Afrikanistik einen Stein ins Rollen, der nicht mehr aufzuhalten schien. Die These, wonach altägyptische Sprachreste bei südafrikanischen Gruppen wiederzufinden seien, zog die hottentottische Sprache ins Rampenlicht komparatistischer Betrachtungen. Dieser Zusammenhang steht 1851 bereits im Mittelpunkt der in lateinischer Sprache abgefassten Dissertation von W.H.I. Bleek [1827-1875], der während seines Studiums eifrig die Vorlesungen von C. Richard Lepsius in Berlin besucht hatte.257 Bleek, auf den die Bezeichnung „Bantusprachen” zurückgeht, war von der nordafrikanischen Herkunft der Hottentottensprache überzeugt, da sie mehr Ähnlichkeit mit den in Nordafrika vorkommenden aufweisen würde als mit den benachbarten „schwarzen Nationen” Südafrikas. Bleek räumte somit dem Hottentottischen innerhalb der Afrikanistik eine ähnliche Stellung ein, wie dem Sanskrit in der Indoeuropäistik.258 Um wieder zurück zu kommen: der aus einer thüringischen Kleinstadt stammende C. Richard Lepsius hatte zuerst klassische Philologie und vergleichende Sprachkunde bei Schleiermacher und Bopp studiert, bevor er 1833 nach seiner Promotion über den in Rom tätigen preußischen Botschafter Carl Bunsen auf die Ägyptologie zu sprechen kam. Bunsen war der Lehrer und der große Förderer von Lepsius; beide verband zunächst ein freundschaftliches Verhältnis. Von 1842 bis 1846 hielt Lepsius sich im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. in Ägypten, Äthiopien (bis Dongola und Gebel Barkal) und der Insel Sinai auf. Der Kontakt mit den afrikanischen Gesellschaften bzw. die Beschäftigung mit den Lokalsprachen des Bega, Kongara und dem Nubischen führten Lepsius zur Erkenntnis, dass Rasse und Sprache nicht zur Deckung gebracht werden können. 256 Robert Moffat, Missionary labours and scenes in Southern Africa…, 1842: 5. 257 W.H.I. Bleek, De Nominum Generibus Linguae um Africae Australis…, 1851: 45-60. 258 W.H.I. Bleek, A comparative Grammar of South African Languages…, 1862. 106 Dies stand im Widerspruch zu seinem Lehrer Bunsen, dessen Hauptwerk „Die Ägypter” er ablehnte.259 Bei seiner genealogischen Gruppierung hielt er an der richtigen Einsicht fest, dass das Kriterium der Hautfarbe für ein hohes Alter einer Sprache nicht ausschlaggebend sein kann. „In der That kann es nicht zweifelhaft sein, dass der älteste Afrikanische Sprachtypus, […] nicht bei den schwärzesten Negervölkern nördlich vom Aequator”, wie Lepsius in seinem Spätwerk zu Papier bringt, „sondern bei den braunen südlicheren [zu suchen ist].”260 Man muss sich den „revolutionären Gehalt” dieser Aussage bewusst machen. Bis Lepsius war auf Afrika bezogen die Assoziaton geläufig: je dunkler die Hautfarbe von Menschen, desto „altertümlicher” ihre Erscheinungsbild, und umgekehrt: je heller, desto „jünger”. Lepsius hatte nun mit seinem „grammatikalischen Gesetz” dieses Bild geradezu umgekehrt. Jetzt hieß es, je heller die Hautfarbe, desto früher musste die Migration nach Afrika stattgefunden haben. Mit dieser Gegenreaktion auf Bunsen leistete Lepsius indirekt und paradoxerweise der Überbetonung einer anthropologischen Analyse afrikanischer Völker nach der Hautfarbe geradezu Vorschub, ein Zusammenhang, der besonders in der Kontroverse zwischen Robert Hartmann und seinem Schüler Felix Luschan veranschaulicht zur Geltung kommen wird.261 Für Lepsius bedeutete es zunächst, dass er den Thesen von Moffat und Bleek mit ruhigem Gewissen Folge leisten konnte: das Hottentottische war nun „erwiesenermaßen” eine hamitische Sprache und das Volk der Hottentotten musste dem genealogischen Prinzip und der räumlichen Lage entsprechend noch vor den Ägyptern von Asien nach Südafrika eingewandert sein. Darauf baute Lepsius sein genealogisches Sprachschichtmodell auf, wonach sämtliche Sprachen auf drei Sprachfamilien zurück zu führen seien. Aus grammatikalischer Perspektive standen die nördlich gelegenen hamitischen Genussprachen, zu denen Lepsius auch das Hottentottische rechnete, im schärfsten Gegensatz zu den Klassenpräfixen der Bantu-Sprachen. Seine Dreiteilung der Sprachen Afrikas in Sudanesisch, Bantu und Hamitisch, beinhaltete nun die Hypothese, dass die Sprachen des Sudans aus einer Mischung der Bantu-Sprachen [südlich des Äquators] und den hamitischen Sprachen [nördlich des Äquators] hervorgegangen wären. Für diese „junge” Sprachschicht führte er einen eigenen Begriff ein, den er mit „Misch-Negersprachen” umriss. Sein „Dreischichtenmodell”, das innerhalb der Afrikanistik zukunftweisend sein sollte, beruhte auf zwei hypothetischen Säulen: zum einen die historische Migrationsthese, zum anderen das zum geneologischen Prinzip erhobene grammatikalische Geschlecht. 259 Siehe dazu das Kapitel „Von der Hamitenzivilisation…” 260 Carl Richard Lepsius, Nubische Grammatik…, 1880: XVIII. 261 Siehe dazu das Kapitel „Die Rolle der physischen Anthropologie”. 107 Europäische Sprachgelehrte gingen nun daran, weitere Sprachen diesem Dreisprachenmodell zuzuordnen, auch in Westafrika. Ein wichtige Stütze dahingehend stellte die sprachgeschichtliche Stellung des Haussa dar. Das Haussa war vor allem durch die Expeditionsreisen des Hamburger Geografen Heinrich Barth [1821-1865] am Nigerbogen in Europa bekannt geworden. Während seiner zweijährigen Reise 1853-54 nach dem westlichen Timbuktu konnte er sich profunde Kenntnisse des Haussa erwerben. Diese Sprache erhob 262 Konstruktion” er aufgrund ihrer „gänzlich verschiedenen grammatikalischen bald zu seiner Lieblingssprache. Dahingehend sah er sich veranlasst, den Haussajungen Dorugu nach Europa mitzunehmen, dem er dem Missionar Jakob Friedrich Schön [1803-1889] anvertraute. Die daraus entstandenen Sprachaufzeichnungen schufen die Grundlage für die erste Haussa-Grammatik [1862], worin Schön das Haussa genealogisch noch dem Semitischen zuordnete.263 Dieser grammatikalischen Besonderheit entsprechend hob Friedrich Müller das Ful als eigene Nuba-Fula-Gruppe heraus, die vor allem Carl Meinhof in Abrede zu stellen bestrebt war. C. Richard Lepsius gilt als derjenige, der im Haussa erstmals eine Hamitensprache erblickte. Bei seiner Klassifikation bediente er sich jedoch nichtlinguistischen Kriterien, da er die Haussa aufgrund ihres physischen Typus als keine Neger erachtete. „Nach dem Gesagten wird man wohl nicht anstehen dürfen, die Haúsa-Sprache für eine stark abseits gedrängte, aber ursprünglich Hamitische und zwar dem Libyschen Zweig angehörige Sprache ansehen. [...] Wenn ich sie dennoch unter den Negersprachen bespreche, so geschieht dies, weil der physische Typus, wenn auch der Gesichtsausdruck regelmäßiger und anmutiger als der weit negerhaftere der Kanuri ist, doch im Ganzen, wenigstens in gewissen Punkten, dem Hamitischen Typus jetzt ferner steht als dem der Negervölker, in deren Mitte sie wohnen.”264 Ein ähnliches Schicksal sollte dem Ful bestimmt sein. Die Fulsprache wurde erst 1884 von Gottlob Adolph Krause [1850-1938] in Beziehung zum Hamitischen gesetzt. Die Teilnahme an mehreren afrikanischen Expeditionen und seine langjährigen Aufenthalte in Westafrika (Goldküste und Nigerbogen) ermöglichten ihm das Erlernen des Haussa, das er neben dem Arabisch ausgezeichnet beherrschte. Er galt als heftiger Kritiker der europäischen Kolonialpolitik und widmete sich vor allem dem Problem der Entwicklung der afrikanischen Sprachen und ihrer historischen Zusammenhänge. Er sieht die „Haussa-Musukaner” als „Mischlinge von Negern und Hamiten” an, das Ful schätzte er jedoch nicht als eine hamitische, sondern dem 262 263 Heinrich Barth, Sammlung und Bearbeitung Central-Afrikansicher Vocabularien…, 1862: VIII. Jakob Schön, Magána Hausa: Native Literature or Proverbs, Tales, Fables and Historical Fragments in the Hausa Language…, 1885. 264 Carl Richard Lepsius, Nubische Grammatik…, 1880: Einleitung, LI. 108 evolutionistischen Bekenntnis entsprechend als eine „proto-hamitische” Sprache ein: „Ich denke, dass die Fulen und Hamito-Semiten und ihre Sprachen gleichen Ursprungs seien und dass wir die ersteren als Proto-Hamiten in Anspruch nehmen dürfen.”265 Mit dieser Behauptung gab er dem Ful in der Rekonstruktion des Hamitischen eine ähnliche genealogische Stellung wie dem Hottentottischen. “Ful had mystified Africanists for many decades”, wie Gerhardt Ludwig in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Arbeit gesondert hervorhob, mit der Zusatzbemerkung: “apparantly it was – and still is – a class language.”266 Carl Meinhof dagegen glaubte im Ful die „vermutlich älteste uns zugängliche Form einer Hamitensprache“ zu erblicken.267 Als Carl Meinhof 1912 seinen sprachhistorischen Hamitenentwurf zu Papier brachte und damit die „moderne” afrikanistische Hamitik begründete, war das Standardwerk von Lepsius bereits gänzlich veraltet, nicht zuletzt deshalb, weil sich nicht nur die Sprachenlandschaft, sondern auch das politische Bild Afrikas seit dem Tod Lepsius 1880 vollkommen verändert hatte [Abb. 22]. Inzwischen war der zum Teil verzweifelte Widerstand der Autochthonen gegen die europäischen Kolonialherren größtenteils gebrochen, die Phase der imperialistischen Landnahme eingeleitet und die kolonialen Grenzen gezogen. Vor allem die infolge systematischer Erhebungen vielfach neu „entdeckten” Sprachen Westafrikas und der Sahelzone bedurften in klassifikatorischer Hinsicht einer gründlichen Revision. Es war Dietrich Westermann [1875-1956], der zunächst als Missionar der Norddeutschen Missionsgesellschaft, seit 1910 auch als Professor des Berliner Orientalischen Seminars, der durch seine Feldforschungen über Ewe, Ful, Haussa und Shilluk neue Fragen in Bezug auf die Verwandtschaft der Bantu-Sprachen mit den von Lepsius bezeichneten „MischNegersprachen” aufwarf. In den letzteren, so das Ergebnis Westermanns, war das grammatikalische Geschlecht nicht zu finden, waren also konsequenterweise nicht mit „hamitischen Elementen” vermischt, so wie es Lepsius noch postuliert hatte. Westermann zog daraus den Schluss, dass beiden Sprachfamilien ein gemeinsames „nigritisches Sprachsubstrat” zugrunde liegen müsste, schließlich sprach er von einer „Urverwandtschaft” des Bantu und dem Sudanesischen, ein von Westermann eigens eingeführte geografische Bezeichnung für die Sprachen zwischen dem Atlantik im Westen und Äthiopien, Uganda und Kenia im Osten. Das bedeutete aber auch, dass die genealogische Abfolge des Dreispra265 Gottlob Adolph Krause, Ein Beitrag zut Erkenntnis der Fulischen Sprache in Afrika. Mitteilungen der Riebeck’schen Niger-Expedition 1, 1884. 266 Ludwig Gerhardt, The place of Carl Meinhof in African Linguistics. Afrika und Übersee 78 1995: 163-175. 267 Carl Meinhof, Die Sprachen der Hamiten…, 1912: Einleitung. 110 Abb. 22 Carl Meinhofs sprachlicher Hamiten-Entwurf zeigte die von Robert Moffat erstmals ausformulierte grammatikalische Verbindung zwischen dem „Hottentottischen“ und dem Altägyptischen auf. Carl Meinhof, Die Sprachen der Hamiten…, 1912: Anhang [Ausschnitt]. 111 chenmodells von Lepsius „Hamitisch-Bantu-Sudanesisch” nicht mehr aufrecht zu halten war. Nicht nur das, auch das von Lepsius aufgestellte grammatikalische Gesetz schien in genealogischer Hinsicht quasi auf den Kopf gestellt. „Dieser Tatbestand hat uns genötigt, die Theorie von Lepsius zu verwerfen”, wie Carl Meinhof aus Westermanns Vorarbeit resolut die Konsequenzen zieht und damit den neuen Status quo zum Ausdruck bringt, „und wir sind davon überzeugt, dass die genuinen Negersprachen im Sudan gesprochen werden, wo auch die schwärzesten Menschen leben, und das Bantu nicht die Sprache der Unterworfenen in Zentral- und Südafrika ist, sondern die Sprache der Herren.”268 Damit war die einstige säuberliche Trennung von Sprache und Rasse wieder verwischt. Das ist insoweit faszinierend, da Meinhof im gleichen Aufsatz darauf hinweist, dass selbiges nicht geschehen sollte, ein von ihm unkommentierter Widerspruch.269 Carl Meinhof hatte bereits 1899 die neue Gleichung konzipiert270, wonach sich aus den beiden älteren Sprachschichten, dem Sudanesischen und dem Hamitischen, als Mischform das „jüngere” Bantu entwickelt habe. Dieses genealogische Sprachmodell hatte Meinhof von der „Anthropologie” entlehnt, genauer aus den Reiseberichten Franz Stuhlmanns und Oskar Baumanns.271 Mit Meinhof war nun auch der sprachwissenschaftliche Nachweis geboten, dass die Bantu-sprechenden Gruppen – um im Jargon zu bleiben – keine genuinen Neger waren, sondern eine hamitisch beeinflusste sekundäre Mischform. „Nicht das Bantu stellt das Ur-nigritische dar”, wie Meinhof unmissverständlich hervorhebt, „[…], sondern die „Sudan”sprachen sind das Urnigritische, und das Bantu ist eine Mischsprache, dass ich so sage, von hamitischem Vater und nigritischer Mutter.”272 Carl Meinhof [1857-1944] war nach seinem Studium in Theologie und Germanistik in Halle, Tübingen und Greifswald zunächst als Gymnasiallehrer [1879-86] in Wolgast und Stettin tätig, bevor er seinem Vater folgend die Priesterweihe erlangte. Während seiner Tätigkeit als Pfarrer in Zizow in Hinterpommern [1886-1903] begann Meinhof sich mit den Bantusprachen zu beschäftigen, die er mit Hilfe von Missionaren und einem Häuptlingssohn 268 Carl Meinhof, Afrikanistik. Die Entstehung der Bantusprachen. ZfE 70, 1938: 145. 269 Dazu das Zitat „Wir wollen, ehe wir weiter gehen, nicht unterlassen, dass es misslich ist, Sprachen nach einem rassischen Gesichtspunkt, wie es die Hautfarbe ist, einzuteilen.” Carl Meinhof, Afrikanistik. Die Entstehung der Bantusprachen. ZfE 70, 1938: 144. 270 Carl Meinhof, Grundriß einer Lautlehre der Bantusprachen… Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes 9, 2, 1899 [21910]. 271 Siehe dazu das Kapitel „Ethnografisches Genre…” 272 Carl Meinhof, Sudansprachen und Hamitensprachen. Zeitschrift für Kolonialsprachen 1, 1911: 164-165. 112 aus Kamerun erlernte. Noch in Zizow veröffentlichte er die Lautlehre der Bantusprachen. Nach einer Forschungsreise in Ostafrika 1902-1903 erhielt er 1904 die Lehrerlaubnis am Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin, wo er den Direktor des Völkerkundemuseums Felix von Luschan kennenlernte. Eine erste fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich bereits ein Jahr darauf, als beide gemeinsam am wissenschaftlichen Kongress in Südafrika teilnahmen. Daraus sollte sich eine innige Freundschaft entwickeln, und den aus dem Darwinismus entstandenen Gegensatz (theologische) Missions- und (naturwissenschaftliche) Kolonialwissenschaft aufhob. Nach der Gründung des Kolonialinstituts 1909 in Hamburg wurde Meinhof von Franz Stuhlmann nach Hamburg berufen, wo er als ernannter Professor das Seminar für Kolonialsprachen leitete, Afrika- und Südseesprachen betreffend. Nach der Gründung der Hamburger Universität 1919 leitete Meinhof das erste deutsche Ordinariat für Afrikanistik, das er bis 1936 innehatte. Ähnlich wie sein Freund und Kollege von Luschan wandte sich auch Meinhof in einer Reihe von Publikationen gegen die These der „Kulturlosigkeit” des afrikanischen Kontinents, das Erbe Hegels und der Darwinisten. Solche Kulturleistungen der Bewohner des subsaharischen Raumes wären der frühe Gebrauch des Eisens, der ausgedehnte Hackbau, die Rinder- und die Schaftzucht, die Existenz von Handwerk, Handel und ansehnlicher Städte, ja sogar nennenswerter Staatenbildungen, schon vor Erscheinen der Europäer, und vor allem Meinhofs Fach entsprechend die Verfügung hochentwickelter Sprachen.273 Es überrascht, wenn in diesem offensichtlich afrophilen Bild, das hier Meinhof zeichnete, genauso auch das Gegenteil zu finden ist. Es kommt hier vor allem die paternalistische Haltung eines Missionars zur Geltung. „Weil wir im Durchschnitt sittlich und intellektuell überlegen sind und einstweilen auch bleiben werden, ist es nicht mehr als in der Ordnung”, heißt es in Meinhofs 1912 erschienenem „Deutschlands Pflichten in Afrika”, „dass wir uns als die Herren des Landes ansehen und verlangen, als solche von den Eingeborenen betrachtet zu werden.”274 Vom missionarischen Pioniergeist ist der Sprung hin zum unverblümten Bekenntnis des kolonialen Herrentums offensichtlich nur ein geringer. “What is great in his work”, versuchte in jüngster Zeit der bereits erwähnte Ludwig Gerhardt das 273 Brigitte Reineke; Wolfgang Dodt, Sprache und Kultur im Werk nach Carl Meinhof. EAZ 27, 1986: 463. 274 Brigitte Reineke; Wolfgang Dodt, Sprache und Kultur im Werk nach Carl Meinhof. EAZ 27, 1986: 464. 113 Œuvre Meinhofs auf den Punkt zu bringen, “is his own achievement, and what is not good in his work, is due to the spirit of his time.”275 Meinhof sah die Bedeutung der Hamitensprachen zunächst im Kontext des Studiums der semitischen und indogermanischen Sprachenfamilie. Seiner evolutiven Einschätzung gemäß glaubte er bei den Hamitensprachen die Gesetzmäßigkeiten der Sprache „im Werdezustand“ beobachten zu können, etwas, was in den „fertigen“ Sprachen Asiens und Europas nicht mehr möglich sei.276 Auf dem Berliner Kolonialkongress 1924 hebt Carl Meinhof diesen Aspekt gesondert hervor: „Wenn es wahr ist, dass zwischen den Sprachen der Hamiten und Semiten eine Verwandtschaft besteht, so eröffnet sich hier für sie ein weites Feld der Tätigkeit, und wenn es weiter richtig ist, dass die afrikanischen Klassensprachen die Vorstufe zu diesen Hamitensprachen sind, so wird hier ein Weg gezeigt, auf dem wir verstehen können, wie seiner Zeit flektierende aus agglutinierenden Sprachen entstehen konnten.“277 Unter dem Eindruck der Arbeiten der Junggrammatiker278, namentlich der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen von August Schleicher, konzipierte Meinhof das Urbantu, eine hypothetische Urform aller Bantusprachen. Meinhofs reizvolle Absicht bestand darin, mit dieser rekonstruierten Urbantu-Wortstammliste, jene mit der urindogermanischen in Beziehung zu setzen. „Ich habe die Meinung vertreten”, führt Meinhof in der von ihm begründeten „Zeitschrift für Eingeborenensprachen” aus, „dass das grammatikalische Geschlecht in den Sprachen der Indogermanen, der Semiten und Hamiten auf eine Klassenbildung zurückgeht, von der es gewissermaßen nur der Rest ist.”279 Da bei den Bantusprachen nach heutigen Erkenntnissen bis zu achtzehn Klassen auftreten, bei den Genussprachen hingegen maximal drei Geschlechter, klingt die These, wonach „logisch die Entstehung des Genus verständlicher” sei, „wenn ihr eine Klassenbildung vorausgegangen ist”280, zunächst plausibel. Abgesehen davon, dass Meinhof hier der Versuchung unterlegen ist, zwei unterschiedliche Dinge miteinander zu vergleichen. Das Wichtige seiner Vorgehensweise ist aber, und das ist das eigentlich Revolutionäre bei Meinhof, dass er den 275 Ludwig Gerhardt, The place of Carl Meinhof in African Linguistics. Afrika und Übersee 78, 1995: 171. 276 277 Carl Meinhof, Die moderne Sprachforschung in Afrika…, 1910: 96. Carl Meinhof, Der Stand der afrikanischen Sprachforschung…, Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses…, 1924: 306. 278 Eine in den 1870er Jahren abschätzige, von älteren Kollegen aufgebrachte Bezeichnung für die Vertreter der Philologen der „Leipziger Schule“, die das Schlagwort prägten: „Lautgesetze haben keine Ausnahmen.“ 279 Carl Meinhof, Zeitschrift für Eingeborenen-Sprachen XV 1925: 180-213; 266-272. 280 Carl Meinhof, Die Entstehung der flektierenden Sprachen…, 1936: 77, Anm. 3. 114 Versuch wagte, arisches Sprachgut von afrikanischem abzuleiten. Wer Meinhofs außergewöhnliche Gedankenfährte jedoch weiterverfolgt, wird sich bald auf Irrwegen wiederfinden, die umso mehr belegen, dass Meinhof als Kind seiner Zeit zu betrachten ist. Meinhof ging nämlich davon aus, dass die Träger des Urbantu keine genuinen Afrikaner wären, sondern in unbestimmter prähistorischer Zeit nach Afrika eingewandert wären. „Ich halte es für ausgemacht, dass die Träger der Klassensprachen nicht in Afrika heimisch und dass sie keine Neger waren. Wo aber ihre Heimat gewesen ist, darüber lässt sich heute noch keine Vermutung aufstellen.”281 Mit anderen Worten: Meinhof übertrug das Konzept der „Weißwaschung” der Hamiten auch auf die Bantu-sprechenden Gruppen. Anzunehmen ist, dass die Überlegung, wonach die Träger des Urbantu ursprünglich dem „kaukasoiden Rassenkreis” angehörten offensichtlich eine wichtige Rolle spielte. Das Paradoxon daran ist, dass hier die Historizität Afrikas mit „Nichtafrikanischem” zu steigern versucht wird, jedoch mit vermeintlich afrophilen Vorzeichen. Was in diesem „sprachgenealogischen Modell” noch fehlt, ist der Nachweis einer entwicklungsgeschichtlichen Kontinuität des Urbantu hin zum arischen Sprachenkreis. Als Bindeglied hierfür erwählte Meinhof das sprachhistorische Hamiten-Modell. Das 1912 von Carl Meinhof angelegte „Hamitische Sprachwörterverzeichnis“ ist mit folgendem erläuternden Kommentar versehen: „Es ist ja bei einem Blick auf die Sprachenkarte evident, dass die hamitischen Sprachen als Sprachen von Leuten kaukasischer Rasse zusammengetroffen sind mit den Sprachen der Nigritier. Wie es scheint hat sich der Vorgang im Lauf der Geschichte mehrmals wiederholt, dass hamitische Stämme als Herrenvolk unter dunkelfarbigen, anderssprachigen Völkern auftraten, sie unterwarfen und beherrschten. Dabei fand selbstverständlich ein sprachlicher Austausch zwischen der herrschenden Minorität und der beherrschten Majorität statt. Die Hamiten wurden in anthropologischer und sprachlicher Hinsicht mehr oder weniger negerähnlich, und die dunkelfarbigen Afrikaner nahmen umgekehrt hamitisches Blut und hamitische Sprache auf.”282 Damit war der Mythos eines kulturbringenden hamitischen Herrenvolkes ausformuliert. Als Missionar fühlte sich Meinhof geradezu verpflichtet, den aus der Bibel entlehnten Begriff entsprechend einer Korrektur zu unterziehen, wobei er sich dabei offensichtlich von einem eher hypothetischen anthropologischen Erscheinungsbild leiten ließ als sich auf sachliche Sprachgesetze zu stützen. „Ich möchte noch ein Missverständnis 281 282 Carl Meinhof, Die Entstehung der flektierenden Sprachen…, 1936: 63. Carl Meinhof, Die Sprachen der Hamiten…, 1912: 2; Meinhof behandelte sieben Hamitensprachen: Haussa, Schilh, Somali, Bedauye, Masai, Nama; Ful schätzte er als die älteste zugängliche Form einer Hamitensprache ein. 115 beseitigen”, heißt es in den „Sprachen der Hamiten”, „das in populären Kreisen häufig ist und bei der großen Unbekanntschaft der afrikanischen Linguistik sogar Gelehrten begegnet. Wir nennen „Hamiten” linguistisch n i c h t die Neger, sondern im Gegenteil die Leute, deren Zugehörigkeit zur kaukasischen Rasse trotz allerei negerischer Beimischung nicht zu bestreiten ist. Diese „Hamiten“ treten somatisch durchaus an die Seite der „Semiten“. […] Ob die alttestamtlichen Stellen gen. 9, 18. 19, Gen. 10. Mit der Terminologie übereinstimmen, ist allerdings eine andere Frage. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass in Gen. 9 und 10 die drei großen Völkertypen gemeint sind, die heute noch vorliegen, dass Sem die weiße, kaukasische Rasse, Ham die schwarze Rasse, Japhet die gelbe, mongolische Rasse bezeichnet. Dann wären also „Hamiten“ die Nigritier, die ich oben gerade von den Hamiten unterschieden wissen wollte.“283 Abgesehen davon, dass Meinhof hier offensichtlich die Noachiden Sem und Japhet vertauschte, stellte er den „biblischen” Hamiten die „anthropologischen” gegenüber. Deutlich ist dabei die Distanzierung des Darwinisten Friedrich Müller zu erkennen. „Im Norden hat Müller dann die Sprachen der lockenhaarigen hellfarbigen Menschen als Sprachen der Hamiten bezeichnet. Der Ausdruck ist gewählt, weil in der Völkertafel Genesis 10 eine Reihe von Stämmen, die hierzu gehören, als Nachkommen Hams bezeichnet werden. Ich halte die Sache für ein Missverständnis und glaube, dass der biblische Bericht bei den Söhnen Hams an dunkelfarbige Rassen gedacht hat. Aber da der Terminus eingeführt ist, sehe ich keinen Grund ihn abzuschaffen.”284 Die Vorstellung von den hamitischen Herrenvölkern wurde angeregt auf der einen Seite durch die soziohistorischen Verhältnisse in den ostafrikanischen Königreichen Ruanda und Burundi und die nomadisierenden Fulbe-Hirten in Westafrika auf der anderen. Meinhof brachte bereits 1905 in einem Aufsatz beide „Hamiten-Gruppen” mit den Begriffen Herrenvolk und Herrensprache in Verbindung.285 Als der eigentliche Wortschöpfer gilt jedoch Felix von Luschan. Meinhof und von Luschan, sie beide standen seit 1898 miteinander in wissenschaftlichem Austausch und beide waren davon überzeugt, dass 283 Carl Meinhof, Die Sprachen der Hamiten…, 1912: VIII. 284 Carl Meinhof, Sudansprachen und Hamitensprachen. Zeitschrift für Kolonialsprachen 1, 1911: 163. 285 Carl Meinhof, Probleme der afrikanischen Linguistik. Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 19, 1905: 82 sowie Carl Meinhof, Über die Sprache der Hottentotten und Buschmänner. Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen VIII, 1905: 104-176; „Soviel ich sehe, ist dieser Austausch zwischen Hamiten und Nigritiern in einer Reihe von Fällen nachzuweisen. Ich bin sogar zu der Überzeugung gekommen, dass die Entstehung der Bantusprachen sich am einfachsten so erklärt, dass eine dem Ful ähnliche Sprache als Herrensprache unter Nigritiern auftrat und sich nigritisches Sprachgut assimilierte.” 116 „Hamitenstämme erst unter den umwohnenden Bantu zu einer Herrenstellung und zu Herrscherfamilien in Bantuvölkern geworden” sind. Damit lieferten sie die wissenschaftlichen Grundlagen für die hierarchische Betrachtung ethnischer Gruppen wie es die praktische Handhabung der indirekten Verwaltung in den deutschen Kolonien abverlangte, für Deutsch-Ostafrika im speziellen. Der 1913 vom Sprachwissenschafter und Ethnologen Ferdinand Hestermann [1878-1959] verfasste Aufsatz über die sprachliche Gliederung Afrikas zeigt, dass der Begriff „hamitische Herrenrasse”286 bald auch von den ethnologischen Kulturkreistheoretikern akzeptiert und damit allgemeinen Eingang in die deutsche Kolonialwissenschaften Afrikas fand. Angesichts der ausgedehnten britisch-französischen Kolonialbestrebungen Afrikas mag es eigentlich erstaunlich klingen, wenn die deutsche Afrikanistik innerhalb der heute als “African studies” zusammengefassten Universitätsfächer eine Vorreiterrolle einnahm. Die 1917 in London gegründete “School of Oriental Studies“ [SOS] hatte ihren Schwerpunkt eigentlich mehr in der Orientalistik, nur zögerlich wurde der Unterricht afrikanischer Sprachen ins universitäre Lehrprogramm aufgenommen, und wenn, dann vielfach auf die Berufung der Ergebnisse der deutschen Afrikanistik. 1947, also erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Umbenennung in “School of Oriental and African Studies” [SOAS]. In Frankreich fand zu dieser Zeit die “Ecole des Langues Orientales Vivantes“ noch keine Beachtung. Allein diese Auflistung erklärt, warum Deutschland eine derart gewaltige Rolle in der Erforschung des geschichtlichen, ethnografischen und linguistischen Afrika vor dem Ersten Weltkrieg inne hatte. Belgische, französische und englische linguistische Arbeiten über Afrika basierten auf deutschen Studien. Vor diesen Hintergrund gestellt, erscheint es nicht verwunderlich, wenn auch in Großbritannien Meinhofs Dreisprachenmodell allgemeine Akzeptanz fand, eine Tradition übrigens, die erst in den 1960er Jahren im Zuge der Einführung des „Afroasiatischen” durch den US-amerikanischen Linguisten Joseph Harold Greenberg abbrechen sollte.287 Die in Triest geborene Alice Werner [1859-1935] gilt als Begründerin der modernen Schule der Afrikanistik an der SOS in London. Werner hatte nach ihrem Studium der Philologie in Frankfurt als Journalistin und als Lehrerin an der Church of Scotland Mission in Blantyre 286 Ferdinand Hestermann, Kritische Darstellung der neuesten Ansichten über Gruppierungen und Bewegungen der Sprachen und Völker in Afrika. Anthropos 8, 1913: 222. 287 1966 hatte die SOAS “Hamitic” als Schlagwort zwar aufgegeben, der heutige Leser kann die alten Etiketten aber noch immer an den Regalen vorfinden, worunter die folgenden Sprachen subsummiert sind: Ateso, Berber, Berber-Kabyle, Berber-Senhais, Berber-Touareg, Bishari, Fula, Galla, Haussa, Masai, Nandi, Saho, Sodano, Somali und Suk. 117 [heute Malawi] gearbeitet, ehe sie 1917 an der SOS zur Dozentin für Bantusprachen ernannt wurde. Ihr 1915 herausgegebenes Hauptwerk “Language Families of Africa” orientierte sich deutlich an Meinhof, wurde zweimal aufgelegt und avancierte zu einem Standardwerk über afrikanische Sprachgeschichte. “Nowhere can we find any statement that the “black” Africans are descendent of Ham,” wie Werner die historischen Hintergründe der “Hamitic” beleuchtet, “To make Canaan their ancestor is a mere assumption, which contradicts everything recorded about Canaan’s descendants. The amazing exegesis which, relying on this assumption, used “the curse of Canaan” as a justification for slavery, is now happily a thing of the past.”288 Nach ihrer Emeritierung wird sie 1932 gemeinsam mit dem südafrikanischen Bantuisten N. J. van Warmelo [1904-1989] den Klassiker von Meinhof „Lautlehre der Bantusprachen” ins Englische übertragen.289 “Hamitic” – das ist das eigentliche Paradoxon – dieser Begriff war zunächst dazu gedacht, das herkömmliche eurozentrische Afrikabild zum Einsturz bringen zu lassen, um die geschichtliche Rehabilitierung Afrikas einzuleiten. Die Vorstellung der Hamitiker nämlich, dass „über Jahrtausende hindurch immer wieder neue Wellen hellhäutiger Rassen” nach Afrika geströmt waren, wurde auch von Ägyptologen weiterentwickelt und modifiziert. Meinhof hatte ja das Ältägyptische noch dem Semitischen zugeordnet. Eine ganze Generation von Ägyptologen machte sich nun ans Werk, diese Aussage zu revidieren. Der erste Impuls kam von Hermann Junker [1877-1962], der 1909 von Berlin nach Wien übersiedelt war und 1912 das Ordinariat für Ägyptologie in Wien übernahm. Als Schüler Adolf Ermans stand er deutlich in der Tradition Lepsius. 1921 stellte Junker die These auf, dass die Nubier nicht zu den negroiden, sondern zu den hamitischen Völkern zuzuzählen seien und darum auch die Ägypter bereits in vordynastischer Zeit eine hamitische Sprache benutzten. Der aus seinem Schülerkreis stammende Ernst Zyhlarz [1890-1964] arbeitete dann 1936 in der Londoner Zeitschrift Africa die hamitischen Grundlagen des Altägyptischen heraus. Zyhlarz schätzte das Alter der Hamitensprachen auf 7000 Jahre und verlieh damit der Fachdisziplin Hamitistik eine „historische Basis”290. „Das Hamitische als Sprachstamm”, wie Zyhlarz nun versicherte, „hat es einmal gegeben.”291 „Junker hat mit dem Vorurteil gebrochen,” wie auch Werner Vycichl hervorhob, „dass südlich von Ägypten die Domäne des Negers beginne; in Wirklichkeit 288 Alice Werner, The language families in Africa…, 21925: 81. 289 Alice Werner; N. J. van Warmelo, Carl Meinhof, Introduction to the Phonology of the Bantu Languages…, 1932. 290 Ernst Zyhlarz, Das geschichtliche Fundament der hamitischen Sprachen. Africa 9, 1936: 433-451. 291 Ernst Zyhlarz, Das geschichtliche Fundament der hamitischen Sprachen. Africa 9, 1936: 450. 118 waren Nubien und weite Gebiete des Sudans durch Jahrtausende hamitisches Land.” Erst ab 1600 v. Chr. treten wirkliche Negervölker in den Gesichtskreis ägyptischer Kultur.292 Johannes Lukas [1901-1980] startete dann den Versuch, hamitische Grammatikstrukturen in den tschadischen Sprachen nachzuweisen, um so „den Einfluss der hellhäutigen Hamiten” auch bei den tschadischen Negern aufzuhellen. Dahingehend führte Lukas den Begriff tschado-hamitisch ein, worunter er auch das Haussa rechnete. „Hamitik” – das war zu jener Zeit ein Modewort, das angesichts der wirtschaftlichen Situation Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere versprach. Sowohl Zyhlarz als auch Lukas stammten ursprünglich aus Böhmen und studierten Ägyptologie in Wien bei Junker und Czermak. Beide mussten mehrere Jahre hindurch als „wissenschaftliche Hilfsarbeiter“ am 1928 neu eröffneten Museum für Völkerkunde in Wien ihr Dasein fristen und hatten keine akademischen Berufsaussichten. Mit seinen „hamitischen Thesen” bekam Lukas 1932/33 ein wissenschaftliches Stipendium des Internationalen Afrika-Instituts [IAI] in London, dessen Vorsitz damals Dietrich Westermann inne hatte. Ein Jahr darauf übernahm Lukas den von Meinhof angebotenen Lehrauftrag am Seminar für afrikanische Sprachen in Hamburg. Während Lukas nach dem Zweiten Weltkrieg zum Direktor in Hamburg [1954-1970] avancierte, musste Zyhlharz aufgrund seiner NS-Gesinnung 1945 die Universität verlassen. Diese vermehrte Hinwendung zum Hamitischen blieb jedoch nicht unherausgefordert. Von semitisch-ägyptologischer Seite stellte Carl Brockelmann den hamitischen Sprachstamm in Afrika, mangels genealogischer Einheit in Frage. „Ich freue mich, zu sehen”, wie Brockelmann auf der Suche nach solidarischen Mitstreitern vergnügt verstellt, „dass meine Auffassung den von Drexel (“Anthropos”, XX, 444ff.) entwickelten Gedanken nicht fernsteht. Mit Recht wendet sich auch Wölfel in der Bibl. Afr. III, 109ff. gegen die Anwendung des Namens „Hamiten” für vermeintliche Rassen und Kulturgemeinschaften in Afrika. Man wird daher vielleicht gut daran tun, diesen Terminus ganz zu meiden.”293 Gegen die Auffassung eines einheitlichen Hamitenbegriffs traten auch einige Vertreter der europäischen Linguistik und Vorgeschichte auf. Aufgrund der Tatsache, dass sich nicht alle europäische Sprachen – wie das Baskische und Etruskische beispielsweise – vom Indoeuropäischen ableiten ließen, verstärkte die Suche nach vorindogermanischen Traditionen sowohl in Europa als auch in Afrika. Hans Conon von der Gabelentz [18401883] gilt wohl als der erste, der die Gelehrtenwelt auf die Verwandtschaft zwischen den Sprachen der Berber und dem Baskischen aufmerksam machte. 1913 legte dann der seit 1876 in Graz tätige Romanist Hugo Schuchardt [1842-1927], der mit Leo Reinisch in 292 Werner Vycichl, Was sind Hamitensprachen? Africa 8, 1935: 80. 293 Carl Brockelmann, Gibt es einen hamitischen Sprachstamm? Anthropos 27, 1932: 818. 119 Kontakt stand, seine 154 „baskisch-hamitischen” Wortvergleichungen der Öffentlichkeit vor, um mit Reinisch auf die alte gemeinsame Sprachverbindung zwischen Europa und Afrika aufmerksam zu machen.294 Ein Standpunkt, der das Ägyptische als Ausgang alles Hamitischen ansetzte, konnte eine solche Aussage nicht unkommentiert lassen. Schuchardts Aufsatz wurde posthum Gegenstand einer polemischen Verunglimpfung durch Ernst Zyhlarz, der diesen sprachlichen Zusammenhang aufs vehementeste in Abrede stellte.295 Die Ideen von Reinisch sprachlicherseits und Sergi anthropologischerseits wurden nun auch von den Vertretern der europäischen Prähistorie aufgegriffen. „Alle sprachlichen Reste, die aus der alten Mittelmeerkultur vorhanden sind”, so Carl Schuchardt, Autor von „Alteuropa” (1918), „der Iberer, Ligurer, Etrusker, Kreter, Pelasger, Lemnier sind für uns heute noch Bücher mit sieben Siegel. Sie haben offenbar mit den indogermanischen Sprachen, zu denen das griechische wie das Germanische gehört, nichts oder sehr wenig zu tun, sind also vorindogermanisch.“296 Carl Schuchardt [1859-1943], war lange Zeit [19081925] Leiter der prähistorischen Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde. Wie von Luschan lehnte auch er das von Gustaf Kossinnas betrachtete kultische Phänomen rund um die nordgermanischen Arier ab. Im Gegensatz zu von Luschan, der für die Erklärung des Vorindogermanischen die Hamitik hervorhob, sah Schuchardt in den Megalithen Westeuropas das Zentrum der kulturellen Träger der „Vorindogermanen”: „Die Obelisken müssen nach Form und Bedeutung der Nachfolger der westeuropäischen Menhirs sein”297, lautete nun das ehemals sprachliche Argument auf die prähistorische Kulturgeschichte übertragen. „Der breite afrikanische Nordrand erscheint geradezu als die Basis der ältesten Kultur des Mittelmeeres.“298 Diese megalithische „Westkultur”, wie sie Carl Schuchardt auch nannte, griff nun der Wiener Dominik Josef Wölfel [1888-1963] auf und versuchte anhand der Methode der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft auch für Afrika vorindogermanische Belege aufzuspüren. Dabei fiel Wölfel auf, dass die Vertreter der Hamitik sich häufig von nichtsprachlichen Kriterien verführen ließen. „,Hamitisch’”, so lautete Wölfels grundlegende Kritik zu diesem Begriff, „heißt man in Afrika einfach jeden Einzelmenschen, jede 294 Hugo Schuchardt, Baskisch-hamitische Wortvergleichungen. Revue internationale des études basques 7, 1918. 295 Ernst Zyhlarz, Zur angeblichen Verwandtschaft des Baskischen mit afrikanischen Sprachen… Prähistorische Zeitschrift 23, 1932: 69-77. 296 Carl Schuchhardt, Alteuropa…, 41941 [1918]: 276. 297 Carl Schuchhardt, Alteuropa…, 41941 [1918]: 101. 298 Carl Schuchhardt, Alteuropa…, 41941 [1918]: 109. 120 Bevölkerungsgruppe und jedes Volk, sobald man irgendwie irgendwelche europäide Merkmale bei ihnen findet oder zu finden glaubt.”299 Wölfel trat der Auffassung entschieden entgegen, das Hamitische mit dem Indogermanischen in Verbindung zu bringen. „Auf den bisherigen Sprachkarten wurde das Berberische mit einer Reihe von Sprachen des Osthorns und oft noch vielen anderen als „Hamitisch“ zusammengefasst. Das war schon an sich falsch, weil damit eine Einheitlichkeit vorgetäuscht wurde, von der keine Rede sein konnte, auch nicht vom Standpunkt der energischen Vertreter einer unbedingten „hamitischen“ Einheit, denn diese hätten dann dafür eintreten müssen, dass man die eine Karte Europas einheitlich als „Indogermanisch“ anstreicht.“300 Infolge seiner sprachhistorischen Studien auf den Kanarischen Inseln kam Dominik Josef Wölfel zum Schluss, dass die dortigen vorspanischen Bewohner durch ihre isolierte Lage bis an die Schwelle der Neuzeit von antiker und orientalischer Kultur unberührt geblieben wären und sah in ihr den Rest einer alten euroafrikanischen Welt. In den Ergebnissen seiner linguistischen Untersuchungen der „Sprachdenkmäler“ der alten Kanaren sah Wölfel etwas vom Indogermanischen und Semitischen Getrenntes. Die Sprache der Megalithiker gehöre also einem in der Halbinsel Europa weitverbreitetem vorindogermanischen Substrat an, im Besonderen einer Komponente des Baskischen. Um dieses Substrat vom Hamitischen zu scheiden, nannte Wölfel diesen Sprachkreis „Atlantolibysch“301, den er in seinem Hauptwerk „Eurafrikanische Wortschichten als Kulturschichten” (1955) herausarbeitete. Johannes Hubschmid stellte 1953 die Hypothese auf, dass in Nordafrika eine vorberberische, Europa und Afrika verbindende Sprache existiert habe, die in Substraten romanischer Sprachen noch nachweisbar sei. Hubschmid nannte diese zunächst nach dem vom italienischen Anthropologen Giuseppe Sergi geprägten Ausdruck „euroafrikanisch”, später jedoch nach den westlichen Provinzen des Römischen Reiches „mauretanisch”.302 Hans Günther Mukarovsky [1922-1992], erster Ordinarius am 1978 neugeschaffenen Wiener Institut für Afrikanistik, stellte anhand des Baskischen und Berberischen mit Einbeziehung des Ful den „eurosaharischen Sprachstamm“ auf und setzte die seit Wölfel eingeleitete sprachhistorische Forschungstradition fort, die sich um die Rekonstruktion eines „westmediterranen 299 Dominik Josef Wölfel, Einige afrikanische Axiome und ihre Grundlagen. Bibliotheca Africana III, 2-3 (1929), S. 109-116. Innsbruck, 1929. 300 Dominik Josef Wölfel, Nord- und Weißafrika. In: Hugo Adolf Bernatzik (Hrsg.), Illustrierte Völkerkunde…, 1939 I: 198. 301 Der Begriff ist erstmals belegt in Dominik Josef Wölfel, Die Hauptprobleme Weißafrikas. Archiv für Anthropologie und Völkerforschung und kolonialen Kulturwandel 55, 1942: 140. 302 Johannes Hubschmid, Sardische Studien…, 1953. 121 Sprachstammes” bemüht ist.303 In jüngster Zeit neigt der aus dem Schülerkreis Mukarovskys stammende Gerhard Böhm dazu, das Berberische aus diesem Sprachenkreis wieder auszusondern. Dabei hält er am prähistorischen Sprachensubstrat des „Atlantolibysch“ fest. Seine Kritik zielt auf Wölfels Unterschätzung des Alters der Ausbreitung des Berberischen, sowie die Leugnung einer Verwandtschaft des Berberischen mit den hamitosemitischen Sprachen. Böhm sieht den Einfluss des Berberischen auf den Kanarischen Archipel lediglich als eine in der Römerzeit erfolgten, der spanischen vorausgegangenen, „berberischen Conquista“.304 Als Theorie war der Hamiten-Mythos nicht einfach eine durch die Mode aufgekommene These, im Gegenteil: Sie war bis ins Detail systematisch durchdacht, durch zahlreiche Einzelfälle plausibel gestützt und untermauert durch die Belege der einzelnen Fachdisziplinen, der historischen Linguistik, der physischen Anthropologie und der kulturhistorischen Völkerkunde. Die Schwachstelle der Hamitentheorie war nicht, dass Rasse, Sprache und Kultur miteinander vermengt wurden, etwas, das wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten heute gerne hervorheben, sondern die gegenseitige methodische Abhängigkeit der einzelnen Fachdisziplinen voneinander. Sprachhistoriker griffen auf anthropologische Fakten zurück, um ihre linguistischen Ergebnisse zu erklären. Umgekehrt war die Ähnlichkeit der anthropologischen Erscheinungsbilder der „hamitischen Typen” nur über die sprachhistorischen Zusammenhänge stichhaltig. Bei der Wegnahme nur einer „Säule” wäre das Theoriengebäude in sich zusammengefallen. 303 Hans Günther Mukarovsky, Die Grundlagen des Ful und das Mauretanische…, 1963; - Über den Grundwortschatz des Euro-Saharischen. Mitteilungen zur Kulturkunde 1, 1966: 135-166; Mukarovsky erhärtete seine Wortvergleichungen mit dem lexikostatistischen Verfahren. 304 Gerhard Böhm, Sprache und Geschichte im Kanarischen Archipel…, 1996 I: Kulturgeschichte. 122 2. Die Rolle der physischen Anthropologie Es ist geradezu erstaunlich, dass erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts sich die Frage nach dem physischen Erscheinungsbild der kaukasischen Hamiten stellt. Anthropologische Beschreibungen liegen bis dahin noch nicht vor, gehen dann aber Hand in Hand mit der Entwicklung des wissenschaftlich begründeten [Mess]-Rüstzeugs der Anthropologie. Initiiert wurde die Anwendung quantitativer Methoden in der Biologie durch Adolphe Quétélet [1796-1874], einem belgischen Statistiker, als er 1835 sein Hauptwerk305 der Öffentlichkeit vorlegte. Eine exakte Rasseneinteilung schien dadurch bestimmbar. Der nächste Schritt in diese Richtung kam von Anders Adolf Retzius [1796-1860], ein schwedischer Physiker und vergleichender Anatomist, der 1842 den Kopfindex einführte. Seine auf früheren Arbeiten beruhende Feststellung ergab, dass anhand der Einteilung der menschlichen Kopfform nach Länge und Breite die exakte Bestimmung menschlicher Rassen möglich wäre. Der Kopfindex drückte den Prozentsatz der Länge und Breite eines Schädels aus. Der längere Durchmesser eines Schädels wurde dabei als 100 angenommen. Die im Verhältnis dazu stehende Breite fiel selten unter den Wert 70 bzw. über 90. Indizes mit den Zahlenwerten unter 75 wurden als dolichocephal [lang- oder schmalschädelig] beschrieben, Werte über 80 galten dagegen als brachycephal [kurzköpfig oder breitschädelig].306 Im Grunde genommen ist gegen eine prinzipielle Quantifizierung von Menschenschädel nichts einzuwenden, lediglich die davon abgeleitete Einteilung nach höher- und niedrigen Rassen ist abzulehnen, da breit- und langköpfige Menschen in allen Gesellschaften vorzufinden sind. Dennoch wurde der Kopfindex bei Anthropologen als objektiver Wertmaßstab zur Bestimmung von höheren und niedrigen Rassen herangezogen. Gegen Ende des 19. Jahrunderts war diese Methode allgemein anerkannt, weitere wie der Nasenindex wurden eingeführt. Retzius hatte bereits 1860 den Versuch unternommen, die Europäer in dolichocephale und brachycephale Gruppen einzuteilen und diese mit soziolinguistischen Einheiten zu korrelieren. Für Retzius ergab sich die Gewissheit, dass der keltisch-germanische Sprachstamm den langschädeligen Typus in Westeuropa repräsentiere, während die Breitschädeligkeit bei slawisch-lettisch sprechenden Völkern in Osteuropa vorkomme. Neben dieser offensichtlich politischen Bewertung, trug das Beifügen weiterer Wertkorrelationen wie „schön”, „intelligent” für schmalschädelig, dagegen „hässlich”, 305 Adolphe Quétélet, Sur l’homme et le développement de ses facultés ou essai de physique sociale…, 1835: I, II. 306 Es ist mir bekannt, dass die Anthropometrie weit differenzierter vorgegangen ist; siehe dazu das klassische Handbuch von Rudolf Martin, Lehrbuch der Anthropologie…, 1914 [21928]. 123 „dumm” für kurzschädelig das übrige dazu bei, die dolicephale Rasse als die überlegenere der beiden erscheinen zu lassen. Das entscheidende Kriterium bildete aber die Datierung. Der moderne Mensch [Homo Sapiens] wurde in der Folge auf der Grundlage des Fundes von Cro-Magnon [1868], ein etwa 40.000 Jahre alter Schädel, allgemein als dolicephal beschrieben. Rundköpfe konnten dagegen nur bis ins achte Jahrtausend zurückverfolgt werden. Die Dolicephalität galt daher als der ältere und damit ursprünglichere Typus. Die einsetzende „Brachycephalisation”, ein Fachausdruck, der den allmählichen Vorgang der Verrundung des Langschädels beschreiben sollte, wurde mit Degenerierung assoziiert. Durch die Gleichsetzung schmalschädelig mit höherwertig schien endlich der wissenschaftliche Beweis erbracht, höhere von niederen Rassen scheiden zu können. Retzius Methode war dafür verantwortlich, den Wandel herbeigeführt zu haben, Rassen nicht mehr nach der menschlichen Hautfarbe, sondern dem Kopfindex nach zu bestimmen. Dieses Verfahren schien für die Hamitentheoretiker geradezu geeignet, ihre Vorstellungen von grazil und edel aussehenden Hamiten statistisch erhärten zu lassen. Derjenige, der den Hamiten erstmals eine anthropologische Gestalt verlieh und den Mythos damit auf naturwissenschaftlichen Boden stellte, war der in Wien lehrende Orientalist Friedrich Müller [1834-1898]. Nach Abfassung seiner Dissertation über „arischsemitische Sprachkreise” habilitierte sich der gebürtige deutschsprachige Böhme bereits als 26jähriger an der Wiener Universität. Müller war einer der aufstrebendsten Sprachwissenschafter seiner Zeit, zielstrebig, ehrgeizig, bis zu vierzehn Stunden täglich soll er an seinem Schreibtisch gearbeitet haben. Was ihn über seine zeitgenössischen Fachkollegen Leo Reinisch und C. Richard Lepsius hervorhob, war wohl die verdiente Bezeichnung Universalgelehrter. Verständlich, dass Müller auserwählt wurde, die wissenschaftliche Auswertung der zusammengetragenen linguistischen und anthropologischen Materialen von der Mannschaft der österreichischen Novara-Fregatte (1857-1859) zu übernehmen. Nach seiner Erstellung der Gliederung sämtlicher Sprachen auf anthropologischer Grundlage zählte Müller zu den renommiertesten Linguisten im deutschen Sprachraum.307 Wissenschaftsgeschichtlich gesehen war sein nachhaltigster Beitrag jedoch kein linguistischer, sondern ein anthropologischer. Darum sei er hier auch als „Anthropologe” behandelt. 1868 ersetzte Müller nämlich die von Blumenbach eingeführte kaukasische Rasse 307 Friedrich Müller, Reise der oesterreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857, 1858, 1859…, 1867: Linguistischer Theil; Friedrich Müller, Grundriss der Sprachwissenschaft…, 1876-1887. 124 durch die Bezeichnung „mittelländische Rasse”.308 Dahinter steckte weniger die Absicht, eine inhaltliche Änderung der „weißen Rasse” vorzunehmen, Müller meinte den geografischen Ort hervorheben zu müssen, wo die „hervorragendsten Völker ihre Ausbildung und Blüte erlangt hätten”.309 Freilich war diese Namensänderung auf eine Kritik der biblischen Völkertafel gerichtet. Beeinflusst von Schleicher und Haeckel zählte Friedrich Müller zu den ersten Anhängern Darwins im deutschen Sprachraum. Zum gleichaltrigen Haeckel verband Müller ein sehr freundschaftliches Verhältnis, das sich nicht nur in der gegenseitigen Widmung ihrer wissenschaftlichen Werke widerspiegelte: In Haeckels „Natürliche Schöpfungs-Geschichte” (1868) findet sich bereits Müllers Wortschöpfung der „mittelländischen Rasse”310, bei der Einteilung der Menschenrassen nach Haaren verhielt es sich wiederum umgekehrt. „Die Statur des Mittelländers ist unter allen Rassen die größte”, wie Müller in seiner Auswertung des anthropologischen Sammlungsbestandes der Novara notiert, „sie ist durch starke Muskelentwickelung ausgezeichnet, daher die Arbeitsleistung des Mittelländers jene aller andern Rassen übertrifft. – Der Kopf ist oval, die Gesichtsbildung länglich. Die Stirn ist breit und gewölbt, die Nase edel geformt und hervorspringend. Die Augen sind bogenförmig und voll. Der Mund ist proportionirt, die Lippen schön geschwungen und roth gefärbt.”311 „Es ist nun ein großer Irrthum zu glauben”, führt Müller in seiner „Allgemeinen Ethnographie” (1873) aus, „der Adam der hebräischen Sage bedeute den Menschen überhaupt, während er doch wie schon die Etymologie des Wortes darthut, nur den fleischrothen Menschen, den Kaukasier oder Mittelländer bezeichnet. […] Adam ist nicht Stammvater aller Mittelländer, sondern nur der 3 vornehmsten Culturvölker der Mittelländer: Indogermanen (Japhetiten), Semiten und Hamiten.”312 Ähnlich wie de Gobineau und Beke maß Müller dem Bibeltext lediglich den Wert einer Lokalsage zu und stellte ihre „allumfassende Wissenschaftlichkeit” in Abrede. Alternativ wies er auf die von den amerikanischen Anthropologen Samuel George Morton [1799-1851]313, 308 Josiah Nott und George Gliddon eingeführten typologischen Friedrich Müller, Reise der oesterreichischen Fregatte Novara…, 1868: Anthropologischer Theil, Dritte Abteilung: Ethnographie. 309 310 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]. Ernst Haeckel, Wanderung und Verbreitung des Menschengeschlechts. Menschenarten und Menschenrassen. In: Natürliche Schöpfungs-Geschichte…, 81889 [1868]. 311 Friedrich Müller, Reise der oesterreichischen Fregatte Novara…, 1868: 188, anthropologischer Theil. 312 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]: 3. 313 George Morton gilt als der Begründer der American School of Ethnology; vgl. dazu Thomas Virgil Peterson, Ham and Japhet. The mythic world of whites in the antebellum south…, 1978: 75. 125 Menschendarstellungen auf ägyptischen Stelen hin, anhand derer sich, anthropologisch gesehen, bei weitem exaktere „Rassentafeln” erstellen ließen.314 Das Wesentliche seiner Kritik war, dass er die der Bibel zugrundeliegende sprachliche Einheit in Zweifel zog, jedoch an ihrer rassischen festhält. Müller hat es ein immer wieder „auftauchendes Gespenst” genannt – die behauptete Urverwandtschaft indogermanischer, hamitischer und semitischer Sprachen –, und würde ohne „mit dem Religionsunterrichte aufgesogenen biblischen Sage von Noah und seinen drei Söhnen Sem, Cham und Japhet gar nicht aufgekommen sein.”315 Müller glaubte an die polygenetische Entwicklung der Sprache, und stand damit im Gegensatz zu den Auffassungen seines Wiener Kollegen Leo Reinisch. Seiner genealogischen Sprachengliederung zufolge führt er 78 verschiedene Sprachstämme an, angesichts der zahlreichen bislang zusammengefassten isolierten Sprachen ließen sich jedoch ungefähr 100 annehmen.316 Hamiten, Indogermanen, Semiten, Basken und Kaukasier zählten nach Müller im rassischen Sinne zu den „Mittelländern”, eine Lehrmeinung, die fortan von den führenden Darwinisten wie Ernst Haeckel und Oskar Peschel ungeteilte Zustimmung erfuhr. Die menschliche Rasse war somit zu einer anthropologischen Größe geworden, abgekoppelt von Volk und Sprache und konnte unabhängig von Ethnologie und Sprachwissenschaft erforscht werden. Entwicklungsgeschichtlich gesehen ging sie jedoch den anderen beiden voraus. Im „wildesten Naturzustande” existierten dieser neuen Anschauung nach zwar Rassen, jedoch ohne Volk, Sprache und Sitte – ein „völlig ermangelndes Wesen” wie Müller den Urzustand des Menschen beschreibt. Indem Müller die Söhne Noahs einer Rasse subsumierte, setzte er jene postaufklärerische Tradition fort, den Bibeltext rein naturwissenschaftlich auszulegen und dabei ihres religiösen Kerns zu entledigen. Innerhalb dieser kritischen Auseinandersetzung traten die Hamiten zusehends ins Rampenlicht. Beke war 1834 zu dem Schluss gekommen, in den Hamiten den Übergang von der „Barbarei” zur „Zivilisation” zu sehen und schrieb ihnen demzufolge erstmals die Staatengründerrolle zu. Im Gegensatz dazu erblickte de Gobineau dann 1853 in den Hamiten den Beginn der zivilisatorischen „Degeneration”, die von einer ursprünglich 314 Josiah C. Nott; George R. Gliddon, Types of mankind, or Ethnological Researches…, 1854; es wurde zwischen 1854 und 1871 zehnmal aufgelegt; vgl. dazu Lanth, Ueber die Menschenrassen auf ägyptischen Denkmälern. Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 4, 1870: 31; 1. Die Ludu oder Rudu (Altägypter), 2. Die Aamu (Semiten in Palästina), 3. Die Nahasiu (schwarze Bevölkerung im innern Afrikas) und 4. schließlich die Tahamu oder Tehennu (asiatische und nordafrikanische Indogermanen). 315 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]: 6. 316 Friedrich Müller, Grundriss der Sprachwissenschaft…, 1876 I: 77. 126 angenommenen noachidischen reinen weißen Rasse ausgegangen war. Durch den Einfluss Darwins erscheinen bei Müller nun die Noachiden als Endglied einer evolutiven Kette, eingebettet in einen größeren rassischen Zusammenhang. Von einer Naturgeschichte des Menschen ausgehend bilden die Hamiten bei Müller den Übergang von Natur zur Kultur, jene Entwicklung, deren krönender Abschluss sich in den Indogermanen widerspiegele. „Der Indogermane verherrlicht sich weder durch Aufthürmen gewaltiger Colosse, wie der Hamite”, wie Müller nun den Vergleich innerhalb der drei noachiden Kulturvölker zieht, „noch durch sinnlose Vernichtung der Menschenwerke zur Ehre des Einen Gottes, wie der Semite, sondern durch Werke reiner Menschlichkeit, welche immer als das Höchste dastehen werden, was der gebildete Mensch überhaupt zu leisten vermag.”317 Von diesem Ideal wären die Hamiten jedoch noch weit entfernt; ihre Völker und Nationen kennzeichnen zwar das Bestreben „große Reiche mit kolossalen Bauten” aufzubauen, genauso aber spiegele sich darin ihre „Versunkenheit in der Materie” wider. Eigentlich wären die Hamiten reine „Utilitarier, die jeglicher „Poesie ermangeln”. Bei ihnen wäre die Individualität, die Basis jeder höheren Entwicklung, noch nicht zum Durchbruch gekommen.318 Von den insgesamt dreizehn Rassen der menschlichen Spezies, repräsentiere allein die „mittelländische Rasse” diese „höchste Entwicklung der Menschheit”.319 Allein jene Rasse wäre dazu fähig, „was wir Geschichte zu nennen gewohnt sind.” Hegels idealistische Konzeption war von nun mit dem Begriff Rasse auf den Boden der Naturwissenschaft verankert worden. Entstanden war Müllers neuer Standard zunächst aus der richtigen Beobachtung, dass klimatische Einflüsse und die menschliche Hautfarbe nicht ursächlich zusammenhingen. „Die schwärzesten Menschen finden sich nicht, wie man erwarten sollte, unter dem Aequator, wie auch die weißesten Menschen nicht an den Polen angetroffen werden.”320 Ähnlich wie Haeckel erhebt Müller körperliche Merkmale wie Haare, Augenfarbe zu Kriterien rassischer Einteilungen. Dahingehend wären „die Farben Blond und Roth Eigenthümlichkeiten der mittelländischen Race und finden sich häufig mit einer blauen Iris vereinigt.”321 Daraus steckte Müller erstmals die geografischen Grenzen ab, in denen sich hamitische Völker finden ließen. „Unter dem Ausdruck [Hamiten] verstehen wir jene Volksgruppe, welche ursprünglich über die Länder zwischen dem Euphrat und Tigris und die Küsten Palästinas sich verbreitete, von da nach Afrika überging und daselbst das Nilthal 317 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]. 318 Friedrich Müller, Reise der oesterreichischen Fregatte Novara…, 1867: 187, Linguistischer Theil. 319 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]: 77. 320 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]: 270. 321 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]. 127 samt den südlich davon gelegenen Küstenstrichen, sowie die Nordküste Afrikas mit Einschluss der canarischen Inseln bevölkerte.”322 Dieser Entwurf richtete sich vor allem gegen die Konzeption von Georg Gerland und Georg Waitz, die in ihrer ethnografischen Weltkarte das in Rede stehende Gebiet den semitischen Völkern zugesprochen hatten [Abb. 23]. Das vom Marburger Psychologen Theodor Georg Waitz [1821-1864] begonnene und von Georg Gerland weitergeführte sechsbändige Monumentalwerk „Anthropologie der Naturvölker” (1859-1872) betonte im Gegensatz zu de Gobineau, die Einheit des Menschengeschlechts in den Vordergrund zu rücken. Bemerkenswert ist auch, dass Waitz beim Lesen de Gobineaus dessen so strapazierten Hamitenbegriff einfach ausklammerte. Das Œuvre von Waitz war gänzlich noch ohne Hamiten ausgekommen und avancierte in Kürze zum ethnografischen Standardwerk, weit über den deutschsprachigen Lesekreis 323 hinausgehend, da es auch auf Englisch zur Verfügung stand. Durch Müller war nun der Hamitenbegriff aus Afrika nicht mehr wegzudenken. Müller erstellte nämlich eine Sprachenkarte Afrikas auf rassischer Grundlage und beeinflusste damit die deutsche Afrikanistik bis zum Zweiten Weltkrieg nachhaltig. Der Inhalt seiner Lehre bestand in der eigentlich paradoxen Behauptung, dass von den fünf Rassen Afrikas die „mediterrane Rasse” nicht autochthon wäre, da sie aus Asien nach Afrika eingewandert sei und sich heute über den ganzen nordafrikanischen Teil bis zum Äquator erstrecke. Die restlichen vier wären von dieser nach dem Gesetz vom „hitzigen Kampf ums Dasein” in den Süden abgedrängt worden. „Alle diese Wanderungen der vier autochthonen Racen Afrikas sind aber nicht freiwillig, sondern unter dem Zwange äußerer Verhältnisse unternommen worden. Und zwar war es die massenhafte Einwanderung der mittelländischen Race und davon speciel des hamitischen Volksstammes, welche die Autochthonen Afrikas zwang, den ihnen geistig und körperlich überlegenen fremden Einwanderern Platz zu machen und sich nach dem Süden des Continents zurückzuziehen.”324 Das Entscheidende für die Nachhaltigkeit seiner These war nun, dass Müller eine Datierung dieser Einwanderung vor322 Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie…, 21879 [1873]: 499. 323 Theodor Franz W. Waitz, Die Anthropologie der Naturvölker…, 1859-1872 I-VI; auch Maximilian Perty, der 1859 ein Handbuch über die Ethnografie verfasste, kam ohne den Hamitenbegriff aus; vgl. dazu Maximilian Perty, Grundzüge der Ethnographie…, 1859. 324 „Afrika beherbergt gegenwärtig fünf von einander verschiedene Racen, nämlich die hottentottische im äußersten Süden und Südwesten, die Kaffern-Race, von der Hottentotten-Race aufwärts bis an und über den Aequator, die Neger-Race im sogenannten Sudan, die Fulah-Race, eingeteilt zwischen der Neger-Race und von Osten nach Westen in einer Linie sich hinziehend, und endlich die mittelländische Race im Norden und Nordosten bis zum Aequator herab.” Friedrich Anton Heller von Hellwald, Das alte Culturgebiet der Hamiten. Das Ausland 46, 1873: 308. 129 Abb. 23 Dieses „vordarwinistische“ ethnografische Standardwerk von 1872 kennt noch keine Hamiten. Theodor Franz W. Waitz, Georg Gerland, Anthropologie der Naturvölker…, 1859-1872 VI: Anhang. 130 nahm. Obwohl er dafür keine wissenschaftlichen Fakten heranzuziehen wusste, verlieh er damit den Anschein von historischer Exaktheit. Nach Müller wäre die Sprache der Semiten und der Hamiten um 12.000 v. Chr. im nördlichen Hochland des Iran entstanden, wo sie völkisch und linguistisch eine Einheit bildeten. Aus einem nicht hervorgehendem Grund erfolgte schließlich eine völkische Trennung und vor etwa 6.500 Jahre wanderten von da aus zuerst die Hamiten, dann die Semiten in Richtung Süden; etwa 1000 Jahre währte dann die Einwanderung nach Afrika, die um 5000 v. Chr. mit der Zuwanderung der alten Ägypter im Niltal ihren Abschluss fand. Müllers demografischen Angaben zufolge lebten 1868 etwa 20 Millionen Hamiten auf dem Erdball. Die Müller’sche These von einem vorsemitischen Kulturgebiet in Nordafrika wurde nun von Friedrich Anton Heller von Hellwald [1842-1892] in die Öffentlichkeit getragen, ein aus einer angesehenen österreichischen Offiziersfamilie stammender Publizist. Von Hellwald hatte von 1872 bis 1881 die Schriftleitung des in Stuttgart herausgegebenen darwinistisch orientierten Wochenblatts „Das Ausland” über. Neben Rezensionen verfasste er zahlreiche populärwissenschaftliche Werke, in denen er von den Thesen Müllers ausgehend kulturhistorische, anthropologische und ethnografische Themen abhandelte.325 Heller von Hellwald zählte zu den radikalsten Verfechtern des Darwinismus. Da er sich der monistischen Lehre Ernst Haeckels verschrieben hatte, musste er 1881 die Redaktion zurücklegen. In seiner 1873 erstellten Müller-Rezension findet sich nun der Kulturmythos der Hamiten erstmals ausformuliert. Darin schreibt von Hellwald sämtliche kulturgeschichtliche Errungenschaften der Menschheit den Hamiten zu. „Diesen Hamiten wäre auch die Erfindung der Schrift”, führt Heller von Hellwald über ein vermeintlich „altes Culturgebiet der Hamiten” aus, „die Erbauung der Städte, das Religionssystem und die Entwicklung der verschiedenen Wissenschaftszweige, insbesondere der Astronomie, mit Einem Worte all jenes zuzuschreiben, was gemeiniglich als Attribute der semitischen Cultur in jenen Gegenden angesehen zu werden pflegt.”326 Was sich in der Sprachwissenschaft in den 1840er Jahren abgezeichnet hat, wurde nun auch in der Kulturgeschichte eingefordert: das Herausschälen hamitischer Traditionen aus den semitischen Kulturleistungen. „Alle wesentlichen Cultureinrichtungen der Semiten tragen den hamitischen Typus deutlich an sich”, wie nun Müller und von Hellwald auf radikale Weise vorgeben.327 Damit wird bereits mit dem Tylor’schen “Survival”, jenem bestimmenden Axiom der Kulturhistorie 325 Friedrich Heller von Hellwald, Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart…, 1875 [31883]; - Die Erde und ihre Völker. Ein geographisches Hausbuch…, 1877. 326 Friedrich Heller von Hellwald, Das alte Culturgebiet der Hamiten. Das Ausland 46, 1873: 698. 327 Friedrich Heller von Hellwald, Das alte Culturgebiet der Hamiten. Das Ausland 46, 1873: 699. 131 argumentiert: die semitische Kultur weise eine bisher von der Ethnologie übersehene hamitische Unterlage auf; diese wäre daher nicht originär, sondern glänze lediglich in „erborgtem Licht”.328 Als hamitisch wurden nun sämtliche staatliche Organisationen von Babel, Niniveh und Ägypten bezeichnet; weitere „hamitische” Grundlagen bildeten die Form einer despotisch organisierten Gesellschaft, der Aufbau kolossaler Denkmäler oder die Mumifizierung. In diesem Zusammenhang ganz besonders interessant erscheint der Hinweis der ausgeprägten Landwirtschaft basierend auf künstlicher Bewässerung: diese ließe sich bei „allen hamitischen Völkern” finden. Ganz konträr den späteren Hamitenkonzepten schätzte Müller und von Hellwald die Viehzucht als typischen Ausdruck semitischer Kultur ein. „Wir sehen daher in den alten Culturstaaten […] Reichthum und Bildung als vorherrschenden Besitz einer bestimmten Klasse, während der übrige Teil des Volkes zu beständiger Arbeit und Verdummung verurtheilt ist. Mit dem Ansehen des Reichthums steigt auch das Ansehen des Besitzers, die Verachtung des Besitzlosen. Eine Folge davon sind die Ueberhebung und die despotische Gesinnung des einen, die Demuth und die klassische Unterwürfigkeit des anderen. In solchen Staaten gibt es nur Herren und Sklaven, Gelehrte und Dummköpfe. […] Daher steht der Ackerbauer höher als der Nomade.”329 Die einstigen hamitischen Sklaven waren damit zu einem hamitischen Volk von „Herren” umfunktioniert. Paradoxerweise setzte das wissenschaftliche Bestreben ein, diese Herrenvölker gerade auf demjenigen Kontinent zu suchen, der durch 400 Jahre europäischer Sklaverei gezeichnet war. Wiederum konnte die Bibel als Anleitung herangezogen werden: Waren nicht die „hamitischen” Ägypter diejenigen, die die „semitischen” Israeliten versklavt hatten und somit als erstes „Herrenvolk” der Kulturgeschichte dastehen? Rückblickend gesehen zeichnete sich hier die Neubeantwortung der Frage nach der Entstehung der Hochkultur ab. Müllers großer Gegenspieler in der Frage nach der Herkunft der Hamiten war der in Wien tätige Afrikanist Leo Reinisch [1832-1919]. In einer Zeit als darwinistische Sprachwissenschafter genealogische Gesetzesmäßigkeiten in den einzelnen Sprachkreisen zu finden bestrebt waren, hielt Reinisch am monogenetischen Modell der ursprünglichen Einheit der Sprachen fest. 1873, im selben Jahr als Müller seine „Allgmeine Ethnographie” publizierte, legte Reinisch sein Werk „Der einheitliche Ursprung der Sprachen der Alten Welt”330 der Öffentlichkeit vor. Ähnlich wie Schopenhauer und Darwin propagierte Reinisch 328 Friedrich Heller von Hellwald, Das alte Culturgebiet der Hamiten. Das Ausland 46, 1873: 699. 329 Friedrich Heller von Hellwald, Prof. Friedrich Müller’s ethnologische Forschungen. Das Ausland 46, 1873: 273-275. 330 Leo Reinisch, Der einheitliche Ursprung der Sprachen der Alten Welt. Nachgewiesen durch Vergleichung der afrikanischen, erythräischen und indogermanischen Sprachen mit Zugrundelegung 132 den monogenetischen Ursprung der Menschheit in Afrika. „Die Menschenracen der alten Welt (von Europa, Asien und Afrika) sind Species einer einzigen Art, sind Abkömmlinge einer einzigen Familie, welche ihre ursprünglichen Stammsize an den äquatorialen Seen von Afrika inne hatte von wo aus die Nachkommen dieser anfänglich dem Laufe der Flüsse folgend sich nach den verschiedenen Richtungen des afrikanischen Festlandes und zulezt nach Europa und Asien verbreitet haben.”331 Der von den Darwinisten vertretene Gedanke einer hamitischen Einwanderung von Asien nach Afrika war Reinisch völlig fremd, vielmehr glaubte er daran, dass es sich umgekehrt verhielt.332 Damit stellte er Müllers prähistorische hamitische Migrationstheorie von Asien nach Afrika quasi auf den Kopf. Der Gedanke von Ägyptens Verbundenheit mit dem „übrigen Afrika” gehört zum Erbe von Leo Reinisch.333 Ein daraus resultierender Wissenschaftsstreit, wie es sich etwa zwischen Virchow und Haeckel um den Neandertalerfund zugetragen hatte, blieb jedoch aus. Müller und Reinisch respektierten einander freundschaftlich. Dieser Umstand ist sicherlich darauf zurück zu führen, dass beide dieselbe wissenschaftliche Sozialisation verband. Zunächst als Studienkollegen in Wien, dann als Amanuensis an der Wiener Hof- und Universitätsbibliothek, standen sie beruflich über mehr als ein Jahrzehnt hinweg in engem Kontakt. Die Hof- und die Universitätsbibliothek, geistige Studierstätten für Sprachgelehrte, versprachen damals noch eine steile Universitätskarriere. Noch während ihrer Bibliothekarstätigkeit erwarben 1859 beide den Doktorgrad an der Universität Tübingen und beide habilitierten sich kurze Zeit darauf an der Universität Wien.334 Dazu kommt noch, dass die wissenschaftlichen Karrieren der beiden jungen Gelehrten von Erzherzog Ferdinand Max, dem jüngeren Bruder des Kaisers Franz Joseph I. entscheidend gefördert wurden. Ferdinand Max hatte einerseits die österreichische Weltumsegelung „Novara” (1857-59) gefördert und andererseits die ägyptische Sammlung auf Schloss Miramar anlegen lassen. Für Reinisch wurde 1873 ein eigener Lehrstuhl für „Ägyptologie und Altertumskunde“ eingerichtet, weshalb ihm auch der Beiname eines „Vaters der Ägyptologie und Afrikanistik in Österreich“ zukommt.335 des Teda…, 1873; vgl. dazu Kárel Petráček, Leo Reinisch: Der einheitliche Ursprung der Sprachen Alten Welt und die afrikanische Urheimat…, 1987: 309-332. 331 Leo Reinisch, Der einheitliche Ursprung…, 1873: IX. 332 Erich Sommerauer, Der Nachlass Reinisch in der österreichischen Nationalbibliothek…, 1988. 333 Gertraud Thausing, Leo Reinischs Erbe in Wien…, 1987: 289-294. 334 Reinisch war Student von 1854-58; Amanuensis 1857-1865; 1859 Diss.; 1861 Hab.; Müller war Student von 1853-57; Amanuensis 1858-; 1859 Diss., 1860 Hab. 335 Ferdinand Anders, Leo Reinisch: Sein Lebensweg…, 1987: 9-36. 133 Im Gegenzug zu Müllers Rassenbegriff des „Mittelländers“, der die weiße Rasse ins Rampenlicht zog, prägte Reinisch den sprachlichen Terminus „erythräisch”, indem er die hamitischen und die semitischen Sprachen zu einer Einheit zusammenschloss. Es war genau diejenige Auffassung, wogegen Müller so vehement ankämpfte.336 1890 ließ Reinisch diesen Fachterminus zwar wieder fallen und verwendete stattdessen „chamito-semitisch”. Der Begriff mit seiner afrozentrischen Sichtweise sollte jedoch in den Schriften Leo Frobenius wiederbelebt werden. Reinisch erblickte die eigentliche Heimat der sogenannten „semitohamitischen Völkerfamilie” zu beiden Seiten des Erythräischen [Roten] Meeres. Simon Leo Reinisch stammte aus bescheidenen Verhältnissen einer Bauernfamilie in der Weststeiermark – im Gegensatz zu Müller, der von einer begüterten Beamtenfamilie stammte – und vertrat während des gerade im Entstehen begriffenen Pangermanismus unkonventionelle Thesen. „Wenn nun aber die Indogermanen und die chamito-semitischen Völker einem Urvolk entstammen und die letzteren Nachweise ihre erste Heimat im äquatorialen Afrika gehabt haben”, spinnt Reinisch seine Afrika-Hypothese in konsequenter Weise weiter, „so müßten dann auch die Indogermanen von dorther gekommen sein. Ire Auswanderung aus Afrika dürfte über das mittelländische Meer nach Europa erfolgt sein, wie derjenige Zweig der Kuschiten, welcher in Arabien zum Stammvolk der Semiten erwuchs, und dahin über das Rote Meer ausgewandert ist.”337 Für Reinisch waren auch die Aegypter „in vorhistorischer Zeit aus dem Innern des afrikanischen Festlandes kommend und dem Laufe des Nil folgend in ihre späteren Wonsize herabgestigen, in denen wir sie in den geschichtlichen Zeiten sesshaft finden.”338 Den Rassebegriff erklärte Reinisch für wissenschaftlich nicht haltbar und lehnte ihn geradezu ab: „Ich bin aber schon lange vom Glauben abgekommen, dass Racenunterschiede eine ursprünglich gemeinsame Herkunft von Völkern ausschließen sollten. Jedermann kann zwar auf den ersten Blick z. B. einen Neger von einem Europäer unterscheiden, wird aber gar in vielen Fällen den Unterschied nicht anzugeben vermögen, wenn er nur die Skelette solcher Typen vor sich hat.”339 Bei diesen unkonventionellen Überlegungen zu Afrika scheint der aufklärerische Geist des 18. Jahrhunderts durch, wie ihn das Freimaurerwesen geprägt hatte. Mit Reinisch nimmt diese Tradition ihr Ende, der Darwinismus sollte sich durchsetzen. Das von Müller in Wien konzipierte Migrationsmodell der Hamiten wurde nun von deutschen darwinistischen Sprachwissenschaftern aufgegriffen und auf den afrikanischen 336 Bernd Heine, Reinisch und das Erythräische – Sprachgeschichte und Evolution…, 1987: 241-250. 337 Leo Reinisch, Die sprachliche Stellung des Nuba…, 1911: 173. 338 Leo Reinisch, Der einheitliche Ursprung…, 1873: IX. 339 Leo Reinisch, Die sprachliche Stellung des Nuba…, 1911: 171. 134 Kontinent adaptiert. Zunächst war es Adolf Walter Schleicher [1854-1894]340, ein aus Antwerpen stammender Technikingenieur, der sich nach einer Reise nach Kairo kurzfristig entschloss, sich intensiv mit der Entstehung der afrikanischen Sprachen auseinander zu setzen. Dafür ging er an das neu errichtete Seminar für orientalische Sprachen in Berlin, wo der Inspektor der evangelischen Missionen in Ostafrika Carl Gotthilf Büttner [1848-1893] den Swahili-Unterricht leitete. Sein 1889 begonnenes reguläres Studium führte ihn jedoch auch nach Wien zu Reinisch und Müller. Im Schnellverfahren eignete er sich das sprachwissenschaftliche Rüstzeug an, mit dem er das afrikanische Migrationsmodell linguistisch belegen wollte. In „Afrikanische Petrefakten” (1891), seinem Hauptwerk, erscheint die asiatische Einwanderungstheorie von Müller zu einem prähistorischen Modell ausgebaut. „Wie der Geologe manchmal durch den Fund eines Petrefakts sich zu orientiren vermag”, fordert Schleicher für sein Sprach-Schichtmodell, „so kann der Sprachforscher durch die Entdeckung einer einzigen grammatischen Eigenthümlichkeit die Richtung des Weges, den er zu gehen hat, erkennen.”341 Anhand dieser grammatikalischen Sprachschichten leitet Schleicher vier prähistorische Einwanderungswellen ab, die von Mesopotamien nach Afrika gelangt seien. Von Interesse ist, dass er dabei der Müllerschen Konzeption nicht genau folgt. Bei Schleicher erscheint die hamitische Einwanderung nämlich als die spätest erfolgte. Nach Schleichers Auffassung waren in der sogenannten Primärzeit erstmals „kräftig, höher organisierte Völker” von Asien nach Afrika gelangt, denen „Negervölker” in der Sekundärzeit folgen. Entsprechend setzten „Bantuvölker” in der Tertiärzeit diese Entwicklung fort, worauf in der Quartiärzeit schließlich die „Hamiten” nach Afrika gelangt wären.342 Zu fragen bleibt bei diesem Einwanderungsmodell, wer die Autochthonen Afrikas waren. „Stellen wir die Hypothese auf”, wie es diesbezüglich überraschend bei Schleicher heißt, „dass Afrika, der ungegliedertste aller Kontinente, nur durch die Landenge von Suez mit Asien verbunden, früher einmal ganz ohne Bevölkerung war, und dass der urgeschichtliche Völkerhumus, welcher zuerst nach Afrika gelangte, auch von der mesopotamischen Ebene ausging, so war derselbe von Anfang an auf den sich trichterförmig verengenden Weg zwischen der nordarabischen Wüste und dem 340 Nicht zu verwechseln mit dem „Stammbaum-Sprachforscher” August Schleicher. 341 Adolf Walter Schleicher, Afrikanische Petrefakten…, 1891. 342 Adolf Walter Schleicher, Afrikanische Petrefakten…, 1891: 3; davon besonders das Kapitel „Die Einwanderung und die Schichtung der afrikanischen Völker” und die dazu beigelegte Karte. Der Ausdruck Petrefakt ist der Geologie und Biologie entlehnt und bezeichnet dort versteinerte Pflanzen und Tiere. 135 mittelländischen Meer angewiesen.”343 Die von den Anthropogeografen wie Peschel und Ratzel vertretene Vorstellung, Afrika sei „einst” unbewohnt gewesen, bildete wohl eines der Hauptaxiome der evolutiven Einwanderungstheorien Afrikas. Wie willkürlich, wie zwanghaft geradezu während der Aufbruchszeit der Kolonisation Afrikas solche Einwanderungshypothesen ausformuliert wurden, zeigt Franz Praetorius, ein aus Breslau stammender Äthiopist. Er hat das Modell Schleichers geradezu wieder auf den Kopf gestellt: „Wieviel früher als die ältesten Hamiten mögen die Bantuvölker, wie viel früher doch als diese die Völker der Sekundärzeit eingewandert sein?”344 Praetorius, der Afrika selbst nie bereist hatte, legte den Hamitensprachen keinen historischen Wert bei, da sie nicht in schriftlicher, sondern lediglich in oraler Form vorlägen. „Wenn auch einzelne Worte und Formen gewiss erst später Eingang gefunden haben mögen,” stellt Praetorius über die hamitischen Sprachen nüchtern fest, „so hat sich die äthiop. Schriftsprache doch im Grossen und Ganzen bekanntermaßen bereits vor 1500 Jahren fixirt; die in Betracht kommenden hamitischen Sprachen kennen wir dagegen erst seit diesem Jahrhundert, und im allgemeinen sind wir geneigt, solchen literaturlosen Sprachen wie die letzteren eine ganz besonders rasche Veränderlichkeit anzuschreiben.”345 Zwei junge Ethnografen werden jedoch das Einwanderungsmodell von Schleicher eifrig studieren, aufgreifen und diesem ihre ethnografischen Beobachtungen im ostafrikanischem Raum unterordnen. Es sind dies Franz Stuhlmann und Oskar Baumann. Das ist wissenschaftsgeschichtlich wohl der wichtigste Aspekt. Eine wichtige Komponente für die Genese des anthropologischen Hamitenbegriffs bildete die deutsche Vorgeschichtsforschung, die sich ab Anfang der 1890er Jahre sukzessive vom pangermanischen Gedankengut vereinnahmen ließ. „Germanisch” – war dieser Auffassung gemäß nichts Sprachliches mehr, sondern ein Ausdruck einer neuen Geisteshaltung, die nun mit einem eigenständigen Rassenbegriff zu erhärten versucht wurde, frei von jüdischen oder römischen Einflüssen. Von dieser deutschnationalen Gesinnung ließen sich nun deutsche Prähistoriker verleiten, bestimmte prähistorische Elemente als „germanisch” zu deuten. Gustaf Kossinna [1858-1931] ist da zu nennen, einer der einflussreichsten Vertreter dieser Richtung. 1895 hielt er in Kassel vor der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft einen Vortrag über „Die vorgeschichtliche Verbreitung der Germanen in Deutschland”, wo er seine Hypothese als Faktum preisgab, dass anhand von Stilformen der Keramik und der Urnenfelderkultur ein bestimmtes „germanisches Volk” zur Deckung gebracht werden 343 Adolf Walter Schleicher, Afrikanische Petrefakten…, 1891: 1. 344 Franz Praetorius, Hamitische Bestandteile im Äthiopischen. ZDMG 43, 1889: 318. 345 Franz Praetorius, Hamitische Bestandteile im Äthiopischen. ZDMG 43, 1889: 318. 136 könnte. Das von ihm 1911 herausgegebene Hauptwerk „Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft” wurde ein wissenschaftlicher Bestseller mit insgesamt acht Neuauflagen [11912-81941].346 „Freilich ein großer Teil jener Vorrechte, die in dem Schlagworte “ex oriente lux” zusammengefaßt wurden”, diesen Gedanken stellt Kossinna an den Anfang seiner Überlegungen, „entpuppte sich nur zu bald als begründet in bloßen Vorurteilen europäischer Geschichtsauffassung, die da einst gipfelten im Glauben, dass das Hebräische des Alten Testaments oder das Sanskrit der Veden die Ursprache der Menschheit gewesen sei. […] Ich erwähne endlich nur noch zwei Erscheinungen, die früher als Geschenke des Orients an Europa betrachtet wurden, nunmehr aber als Ureigentum Europas sich erwiesen haben. Die eine ist der Erwerb des edelsten Haustieres, des Pferdes, als Reitund Zugtier des Menschen, von dem jetzt feststeht, dass vielmehr umgekehrt die Indogermanen, genauer die Arier, bei ihrer Umsiedlung von Europa nach Vorderasien es der semitischen Welt gebracht haben.”347 Kossinnas „Germanomanie” lieferte den Stoff für jene, die nun ihre wissenschaftliche Suche nach dem Ursprungsland der „Arier” von Asien (Ostthese) nach Nordeuropa (Nordthese) verlagerten [Abb. 24].348 Indirekt traten dadurch auch die Hamiten in das Rampenlicht wissenschaftlicher Betrachtung. Die Tatsache nämlich, dass sich nicht alle Europäer dem propagierten dolicephalen nordischen Typus, bestenfalls noch blond und blauäugig, unterordnen ließen, brachte einige Anthropologen dazu, an der Methode der Anthropometrie Zweifel zu hegen. Neben dem Pathologen Rudolf Virchow [1821-1902] war davon einer der ersten Giuseppe Sergi [1841-1936], seit 1880 erster italienischer Lehrstuhlinhaber für Anthropologie in Bologna, seit 1884 auch in Rom tätig. Sergi war entschiedener Gegner der herkömmlichen Methode der Schädelmessung. Am internationalen Anthropologen-Kongress in Moskau 1893 präsentierte er die Klassifikation der Menschenrassen nicht auf Basis des Kopfindexes, sondern strich die morphologische Betrachtung der Schädel zur Bestimmung von Menschenrassen hervor. Ausgehend von der Tatsache, dass bei der Suche nach einem Ideal346 Davon vier allein in der NS-Zeit [51933-81941]; siehe dazu auch das in 14 Bänden vorgesehene Monumentalwerk „Das deutsche Volk”; drei Bände davon umfasste die „Vorgeschichte der deutschen Stämme”, die Kossinna gewidmet waren; Hans Reinerth (Hrsg.), Germanische Tat und Kultur auf deutschem Boden. Reichsamt der Vorgeschichte der N.S.D.A.P. (Bibliographisches Institut) Leipzig, 1940: I-III. 347 Gustav Kossinna, Die deutsche Vorgeschichte…, 1912: 6-7; die klassische Widerlegung dazu stammt von Gordon Vere Childe, The Aryans. A Study of Indo-European Origins…, 1926. 348 F. W. Putzgers Historischer Weltatlas…, 58 1940: 1; Wolfgang Schulz, Altgermanische Kultur in 4 Wort und Bild…, 1937; vgl. auch Bettina Arnold, The past propaganda: totalitarian archaeology in Nazi Germany. Archaeology 64, 1990: 464-478. 137 Abb. 24 Das deutsch-nordische Weltbild Es ist dem Weltbild „ex oriente lux“ entgegengesetzt. F. W. Putzgers Historischer Weltatlas…, 581940: 1. 138 Typus mit einer Streuung zu rechnen ist, führte er dahingehend in Anlehnung Blumenbachs den Begriff „Varietät” ein.349 Damit gilt Sergi als Erneuerer in der naturwissenschaftlichen Bestimmung „vorgeschichtlicher Rassen” und ihrer Beziehungen zueinander. 1897 gab Sergi in Turin sein Hauptwerk “Africa” heraus, mit dem bezeichnenden Untertitel “Antropologia della stirpe camitica (specie euroafricana)”. Es wurde noch im selben Jahr ins Deutsche, 1901 auch ins Englische übersetzt350, hatte also einen großen Einfluss auf die anthropologische Gelehrtenwelt. Wegen der unorthodoxen Aussagen war es jedoch umstritten. Sergi behauptete nämlich, dass den nach Europa eingewanderten Ariern eine aus Afrika stammende hamitische Rasse vorausgegangen war. Über den Zweck seiner Arbeit sprach Sergi sich dahingehend aus, „dass ein uralter, aus Afrika stammender Menschenschlag alle Länder, die das Mittelmeerbecken umschließen, in Besitz genommen hatte und sich dann nördlich vom Becken über Europa verbreitete. Ich behaupte, dass diese Ausbreitung durch das Vordringen eines neuen Stammes aufgehalten wurde, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem asiatischen Orient auswanderte und den urmittelländischen Stamm nach den äußersten Gegenden des europäischen Kontinents zurückdrängte, während er sich in manchen zentralen Ländern neben ihn niederließ und sich mit ihm vermischte. Dieser neue Stamm ist es, den man unter dem Namen Arier versteht.“351 Sergi war also der Auffassung, dass die europäische Bevölkerung aus einer Mischung von afrikanischen Hamiten und asiatischen Ariern entstanden wäre. Damit durchbrach Sergi das von Friedrich Müller und anderen Darwinisten aufgestellte linguistische Tabu, den hamitischen und den indogermanischen Sprachenkreis rassisch zu verknüpfen. Für Sergi war der von den Pangermanisten vorgestellte „blonde und blauäugige” Arier ein asiatischer Barbar, der für den Niedergang der großen mediterranen Zivilisationen verantwortlich war. „Wenn auch Besitzer von Bronze, waren die Arier doch wild und roh”, und Sergi meinte damit eigentlich jene, die das anthropologische Fach politisch zu missbrauchen versuchten. „Germanismus nenne ich die Theorie, welche zu beweisen sucht, dass die alten Arier Germanen waren”, heißt es in Sergis Kampfansage gegen die Ariertümelei, „somit ist die Hypothese, dass das blonde Volk das ursprüngliche, echtarische sei, für sie mehr als eine Hypothese, eine These; 349 Giuseppe Sergi, The varieties of human species…, 1894: 7-61; a prefatory note by D. G. Brinton. 350 In der deutschen Ausgabe „Ursprung und Verbreitung des mittelländischen Stammes” fehlen viele Bilddarstellungen, die Karte ist jedoch besser ausgearbeitet; 1901 als „The Mediterranean Race“ ins Englische übertragen. 351 Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: Vorrede zur deutschen Ausgabe. 139 und die Beweisführungen, welche die These bestätigen sollen, gehen immer von der Voraussetzung aus, dass die Arier blond wären.”352 Sergi erblickte in seiner “stirpe camitica” den ältesten Typus des „mittelländischen Stammes” und ersetzte diesen durch den Begriff „eurafrikanische Rasse“. Damit stammten die Hamiten nicht mehr, wie Müller meinte, aus Asien, sondern aus Afrika [Abb. 25]. Das Markante seiner „euroafrikanischen Rasse” sei ihre braune Hautfarbe, wie Sergi nun hervorhob, die sich trotz ihrer vielen Schattierungen [Varietäten] als eine einheitliche und damit selbständige Rasse zeige. Das war ein Novum. Bis Sergi gingen die Anthropologen davon aus, dass das „braun” durch Mischung zweier originären Rassen, der „weißen” einerseits und der „schwarzen” andererseits hervorgegangen wäre. „Gewöhnlich meint man, der braune Typus sei durch Mischung entstanden und reihe sich den Varietäten der sogenannten weißen Rasse an”, wie Sergi nun seinen Gegenentwurf einleitet, „und die Anthropologen machen die mittelländischen Völker zu einem Zweige dieser Rasse. Das scheint mir nicht richtig zu sein, weil aus der Art, wie sich die braune Varietät zu findenden äusseren physischen Kennzeichen verhalten, hervorgeht, dass sie ursprünglich sind, da sie innerhalb der Grenzen und in der Gesamtheit der Völker, welche dazu gehören, konstant sind.”353 Das Bemerkenswerte bei Sergi ist nun, dass sich seine Behauptung an Bildvorlagen der einschlägigen Reiseliteratur [Oskar Baumann, Franz Stuhlmann, Robert Hartmann]354 orientiert, deren hamitische Einwanderungsthese vom Norden her jedoch widerlegt. Indem er die Wahuma, die Massai usw. als gegebene „braune Hamiten” akzeptiert, kann er nämlich den Gedanken ihrer vermeintlichen Einwanderung aus Asien einfach ausklammern. Im Übrigen hatte er dafür den augenscheinlichsten Hinweis: in Asien war ein solcher Typus rezent nicht zu finden und das Argument einer historischen Fiktion schlagkräftig. „Aegypter, Hethäer, Pelasger, Ligurer, Iberer, Libyer; Dardanier, Syrier, Phrygier; Sabiner, Sokuler; Römer, Latiner; Sarder; Phöniker und Numider – alle zusammen bilden einen Stamm afrikanischen Ursprungs, einen großen schönen Menschenschlag, der sich im Mittelmeer ansiedelte.”355 Das Gegenkonzept zum Ariertum tritt damit offen zu Tage, das Sergi hier aufstellte. Er rechnete dazu auch die als dolicephal geltenden Skandinavier und Teutonen – eine Provokation, jedenfalls ein offensichtlicher Widerspruch für die meisten pangermanistisch geprägten rassischen Arierforscher.356 „Die deutschen Anthropologen 352 Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: 9-10. 353 Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: 102. 354 Der Bildteil ist nur in der italienischen Originalausgabe zu finden. 355 Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: 101. 356 Louis Leo Snyder, The Idea of Racialism…, 1962: 44. 140 Abb. 25 Als Gegenreaktion zum politischen Pangermanismus entstand die Sichtweise, dass afrikanische Hamiten Europa vor der Ausbreitung der Indogermanen besiedelt hatten. Der italienische Anthropologe Giuseppe Sergi erblickte in den Wahuma den Ursprung einer eigenständigen „euroafrikanischen“ Hamitenrasse. Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: Anhang. 141 Abb. 26 The Diffusion of Afroasiatic Sergis afrozentrische Sichtweise findet sich in Martin Bernals umstrittenem Werk „modern” aufbereitet. Martin Bernal, Black Athena. The Afroasiatic Roots of Classical Civilization…, 1987/1991 I-II: 531. 142 werden erstaunt sein und ungläubig den Kopf schütteln”, prognostizierte Sergi im Vorwort seiner 1897 herausgegeben deutschen Ausgabe, wenn sie hören, „dass der Schädeltypus der Reihengräber nicht arisch ist.”357 Sergis These, „braune” Hamiten aus Ostafrika hätten wesentlich an der Rassenzusammensetzung Europas beigetragen, stieß jedoch nicht nur auf Ablehnung. Sie trug zu einem wesentlichen Überdenken der Arierfrage bei.358 Zu nennen wäre hier der amerikanische Anthropologe D. G. Brinton, der sich nun die arischen Stämme aus einer Mischung von Blonden und Brünetten erklärte, mit der Majorität der letzteren.359 Es waren vor allem die Anthropologen Europas, die nun mit Sergi ein geeignetes Werkzeug gefunden haben, dem anthropologischen „Germanismus” wie ihn Chamberlain360, Kossinna, Günther361 und Woltmann362 vertraten, etwas entgegenzuhalten. Im angelsächsischen Sprachraum wird der Anatom Grafton Elliot Smith, das sei hier schon vorweggenommen, den hamitischen Panägyptozentrismus propagieren, und im deutschen Sprachraum ist es der österreichische Anthropologe Felix von Luschan, der zusammen mit dem Afrikanisten Carl Meinhof die Hamiten populär machen wird. Martin Bernals vieldiskutiertes Werk “BlackAthena” (1987/1991) liest sich vor diesen Hintergrund gestellt wie ein modern aufbereiteter Sergi. Bezeichnenderweise fehlt das Œuvre von Sergi in Bernals Bibliografie [Abb. 26].363 Felix von Luschan, legte 1922 in allgemein-verständlicher Form seine anthropologischen Ansichten in seinem Werk „Völker, Rassen, Sprachen”364 nieder, in dem er auch das 357 358 Giuseppe Sergi, Ursprung und Verbreitung des Mittelländischen Stammes…, 1897: VI. Der belgische Anthropologe Paul Buyssen siedelte den Ursprung der drei als dolicephal klassifizierten Rassen – mediterran, nordisch, negrid – auf dem afrikanischen Kontinent an und wären aus den Pygmäen hervorgegangen; die Einwanderung nach Europa erfolgte noch in prähistorischer Zeit; siehe dazu Louis Snyder, The Idea of Racialism…, 1962: 45-46. 359 D. G. Brinton, Races and Peoples…, 1890. 360 Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts…, 1899 [411941]: I- II. 361 Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde Europas. Mit besonderer Berücksichtigung der Rassengeschichte der Hauptvölker indogermanischer Sprache…, 1922. 362 Ludwig Woltmann, Politische Anthropologie. Eine Untersuchung über den Einfluss der Deszendenztheorie auf die Lehre von der politischen Entwicklung der Völker…, 1903. 363 Martin Bernal, Black Athena. The Afroasiatic Roots of Classical Civilization…, 1987/1991 I-II; siehe auch Mary R. Lefkowitz; Guy MacLean Rogers (Hrsg.), Black Athena Revisited…, 1996. 364 Felix von Luschan, Völker, Rassen, Sprachen…, 1922 [21927]; vgl. auch den bereits 1910 herausgegebenen Aufsatz „Rassen und Völker”, in: J. Pflugk-Harttung (Hrsg.), Weltgeschichte…, 1910 I: 41-79. 143 „Judenproblem” von verschiedenen Seiten vorurteilsfrei beleuchtete. In renommierten Enzyklopädien über das Judentum erscheint der Name von Luschan eigens hervorgehoben, weil er als einer der wenigen „christlichen Anthropologen” die arische Rassenideologie wissenschaftlich bekämpfte.365 Von Luschan lehnte den Begriff Rasse wegen seiner Unschärfe ab.366 In einem Vortrag 1905 über die „anthropologische Stellung der Juden” im „Verein zur Abwehr des Antisemitismus” heißt es bezeichnenderweise: „Dass die antisemitische Bewegung kurzsichtig und undankbar und roh ist, das haben wir schon lange erwartet.”367 Seit dem Fund des Neandertalers 1856 trete die Frage nach der Zahl der menschlichen Rassen ganz in den Hintergrund und das Wort „Rasse“ selbst hätte mehr und mehr an Bedeutung verloren und würde am besten ganz aufgegeben werden, wenn es nicht durch ein weniger Vieldeutiges zu ersetzten wäre. In seinen Werken ist daher eher die Einteilung des Menschen nach Kontinenten, das heißt nach geografischen Gesichtspunkten zu finden. Dennoch hält von Luschan an der biblische Einteilung der Menschheit nach den drei Söhnen Noahs fest, da sie „durchaus den im alten Orient vorhandenen Kenntnissen entspreche.“368 Felix von Luschan zählt gemeinsam mit Carl Meinhof zu den Begründern der modernen Hamitenwissenschaft. Bis zur Jahrhundertwende stand der Hamitenbegriff allein auf der Säule der Sprachwissenschaft. Vor diesen Hintergrund gestellt, versuchte von Luschan mit seiner anthropologischen Hamitentheorie Afrika kulturgeschichtlich aufzuwerten. Zehn Thesen, die eine von humanem Geist getragene Auffassung vom Menschengeschlecht bekunden, beschließen das Werk, deren wichtigste folgende sind. Erstens: die gesamte Menschheit besteht nur aus einer einzigen Spezies: homo sapiens; zweitens: es gibt keine wilden Völker; und drittens: es gibt keine an sich minderwertigen Rassen. Ethnologische Wissenschaftshistoriker, wie Michael Spöttel, die die Genese der „Hamitenwissenschaft“ in ahistorischer Sichtweise in die Nähe der antisemitisch determinierten NS-Wissenschaft stellen, verkannten bei von Luschan, dass er sich dezidiert gegen die rassistischen arischen Rassentheorien aussprach. Von Luschan als Antisemit und 365 Vgl. Ephraim Fishoff (Rabbi Prof. of Sociology, Wisconsin State University), Felix von Luschan. Encyclopaedia Judaica 1972, 11: 583. 366 Der Wortlaut „Deutliche Ablehnung rassistischer Gedankengänge” findet sich als Einschätzung auch in der wissenschaftlsgeschichtlichen Arbeit von Hans Grimm, Felix von Luschan als Anthropologe. Von der Kraniologie zur Humanbiologie. EAZ 27, 1986: 415. 367 Zitiert in Hans Grimm, Felix von Luschan als Anthropologe… EAZ 27, 1986: 420. 368 Felix von Luschan, Völker, Rassen, Sprachen…, 1922: 1. 144 als „Vorläufer des Nazi-Chef-Ideologen Alfred Rosenbergs” zu bezeichnen, so Michael Spöttel in seiner Studie über „Die Hamiten” (1996), erschienen im renommierten Peter Lang-Verlag, ist schlichtweg als falsch zu bewerten und daher korrekturbedürftig.369 Von Luschan begann sich erst spät mit Afrika auseinanderzusetzen und entwickelte seine anthropologische Hamitentheorie zunächst unabhängig vom afrikanischen Kontinent. Ähnlich wie Friedrich Müller beschäftigte von Luschan zunächst die Frage der vorsemitischen Kultur Palästinas und kam dabei unweigerlich auf die prähistorische Hamitenfrage zu sprechen. Doch wollte er diese nicht linguistisch, sondern rein anthropologisch beantwortet haben. Von Luschans ging bei der Hamitenfrage apriori von einem Mischtypus aus und lehnte daher das Œuvre von Friedrich Müller und von Robert Hartmann dezidiert ab.370 Der in Hollabrunn in Niederösterreich geborene Felix von Luschan studierte zunächst in Wien, dann in Paris bei Paul Broca [1824-1880], der 1876 an der Universität Paris die “Ecole d’Anthropologie” gegen den klerikalen Widerstand als eine private Gründung eröffnet hatte. Von Luschan unternahm eine Reihe von Expeditionen in den Balkan, nach Nord- und Südafrika, Neuguinea und Anatolien. Ab 1885 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berliner Museums für Völkerkunde tätig, wo er 1904 schließlich die Funktion des Direktors übernahm. Dieses Amt übte er bis zu seinem Tod 1924 aus. Innerhalb der Wissenschaftslandschaft wurde von Luschan erstmals bekannt durch die unter seiner Leitung erfolgten Ausgrabungen 1883 in Sendschirli [Zincirli/Türkei], der Ruinenstätte des alten Samal, der Hauptstadt eines späthethitischen Königreiches [1200-709 v. Chr.]. Die damit in Zusammenhang stehenden anthropologischen und ethnologischen Forschungen Luschans in Kleinasien und Syrien führten schließlich zur Herausarbeitung einer „armenischen Rasse“ mit extremer Kurz- und Hochköpfigkeit und stark hervortretender Nase, welche er als „hethitischer Typus” in den Skulpturen von Sendschirli 369 Michael Spöttel, Hamiten. Völkerkunde und Antisemitismus…, 1996: 8-10; zur wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung von Luschan siehe Hans Fischer, Völkerkunde im Nationalsozialismus…, 1990: 73 und die interdisziplinär angelegte Aufsatzreihe an der Berliner Humboldt-Universität aus der DDR-Zeit: Hans Grimm, Felix von Luschan als Anthropologe. Von der Kraniologie zur Humanbiologie. EAZ 27, 1986: 415-425; Liane Jakob-Rost, Felix von Luschan als Archäologe. EAZ 27, 1986: 427-439; Walter Rusch, Der Beitrag Felix von Luschan für die Ethnographie. EAZ 27, 1986: 439-455; wissenschaftsgeschichtlich interessant ist, dass die Hamitenfrage bei den DDR-Autoren nicht einmal Erwähnung findet. 370 Felix von Luschan, Hamitische Typen…, 1912: 241. 145 wiederzufinden glaubte.371 Auf Basis seiner anthropometrischen Untersuchungen und Methoden des Kopfindexes einer großen Anzahl von Juden, kam von Luschan für die damalige Zeit zu dem überaus kühnen Schluss, dass es keine reine jüdische Rasse gebe. In seiner frühen Karriere formulierte er, dass die Juden eine Mischung von Semiten, Hethitern und arischen Amoritern seien.372 Eigentlich folgte diese Behauptung weitgehend dem Bibeltext, der für die Abstammung des jüdischen Geschlechts einen Amoriter als Vater und eine Hethiterin als Mutter angibt.373 In der Völkertafel sind die Amoriter den Kanaanitern zugeordnet und gehören nicht den Semiten, sondern den Hamiten an. Ohne weiteres lässt sich die vorisraelitische Bevölkerung Palästinas daher der verfluchten Nachkommenschaft Hams zuordnen. Aus seinen anthropologischen Studien kam von Luschan zu der bis heute anerkannten Einsicht, dass es keine menschliche Rasse in seiner reinen Form geben könne. Sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit trete jede Rasse bereits als Mischtypus auf. Diese grundlegende Kritik in der Rassenfrage stieß nicht nur bei den arierzentrischen Pangermanisten auf Ablehnung, sondern auch bei Vertretern jüdischer Zionisten, wie aus einem Briefwechsel in der Zeitschrift der 1901 gegründeten Gesellschaft für Rassenhygiene zwischen Felix von Luschan und Elias Auerbach [geb. 1882], einem aus einer alten jüdischen Rabbinerfamilie stammendem Arzt, deutlich wird. „Die Juden sind nicht, wie ein jüdischer Autor es kürzlich aussprach”, so die Position Auerbachs, „die Mischrasse kat exochen, sondern eine relativ „reine”, eine wahrhafte Inzuchtrasse. Ihre eigentümliche Dauerhaftigkeit, die fast als Volk niemals sterben würde, wenn es ewig aus denselben nationalen Bestandteilen zusammengesetzt bliebe.”374 Ganz entgegengesetzt dazu die Stellungnahme des „christlichen Anthropologen” von Luschan: „Für mich gibt es nur eine jüdische Religionsgemeinschaft, keine jüdische Rasse. Ich möchte das auch deshalb mit Nachdruck betonen, weil einige von den Autoren, die sich in den letzten Jahren bemühen, 371 Walter Hirschberg, Felix Ritter von Luschan. Österreichisches Biographisches Lexikon…, 1972 V: 372. 372 Felix von Luschan, Die anthropologische Stellung der Juden. Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 21, 1892. 373 Vgl. dazu die bemerkenswerte Stelle des Propheten Ezechiel 16, 3; 16, 44-45: „Nach Geschlecht und Geburt bist du aus dem Lande der Kanaaniter, dein Vater war ein Amoriter und deine Mutter eine Hethiterin.” Siehe auch Herbert Lang (Hrsg.), Amoriter. In: Bibellexikon, 1956: 62-63; Samuel Krauss, Amoriter. In: Jüdisches Lexikon, 1928 I: 286. 374 Elias Auerbach, Die jüdische Rassenfrage. Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie einschließlich Rassen- Gesellschaftshygiene… Alfred Ploetz (Hrsg.), 4, 3, 1907: 361; Auerbach übersiedelte noch 1909 nach Haifa, wo er eine Stelle als Arzt annahm. 146 die rein semitische Abstammung der Juden beweisen, anscheinend ganz bewusst unter dem Einflusse jener immer wieder von neuen auftauchenden Irrlehren sind, denen zufolge Rassenreinheit eine Art Gewähr für ganz besondere Tüchtigkeit bieten soll. Die große Mehrzahl der modernen Anthropologen ist allerdings anderer Meinung und sieht im Gegenteile gerade in der Mischung hochstehender Rassen einen wichtigen Faktor der Weiterentwicklung.”375 Felix Kahn, Mitarbeiter des Jüdischen Lexikons, zitierte Felix von Luschan, um die Haltlosigkeit des anthropologischen Arierbegriffs hervorzuheben: „Der indogermanischen Sprachfamilie entspricht keine arische Rasse, und die Völker, die heute indogermanische Sprachen reden, gehören sehr zahlreichen und untereinander völlig unterschiedlichen Rassen an. [...] Nur ganz unheilbare Chauvinisten reden heute noch von einer arischen Rasse, und für den Fachmann ist der Begriff einer arischen Schädelform genauso absurd, als wenn man etwa von einer langschädligen Sprache reden wollte.“376 Der darwinistische Hamitenbegriff war durch den Streit evolutionistischer und diffusionistischer Konzeptionen „entafrikanisiert” und zunehmend in Misskredit geraten. Dazu kam noch, dass der österreichische Rassenideologe und Sektengründer Josef Adolf Lanz, genannt Jörg Lanz von Liebenfels [1874-1954], seine populärwissenschaftlich abgefassten Aufsätze „Anthropozoon biblicum” (1903-1905)377 herausgab. Darin propagierte er die Abstammung der dunklen Rassen aus dem inzestuösen Verkehr zwischen Ariern und Affen.378 Mit seiner 1905 begründeten Zeitschrift Ostara – Zeitung für Blonde Leute bekam die rassenmystische Lehre der „Ariosophie” ein eigenes Forum. Von Luschan setzte daran, diese negativen Bewertungen aus dem Weg zu räumen, indem er ausdrücklich die erstaunliche Begabung der Afrikaner hervorhob, sich fremde Kulturgüter in der kürzesten Zeit zu eigen zu machen. „Bananen, Kokosnuss, Baumwolle, Bambus und reichlich ein Dutzend von Nahrungspflanzen, teilweise amerikanischer Herkunft, haben sich die Afrikaner derart ganz und gar angeeignet”, so von Luschan 1910 in seinem Vortrag auf dem Berliner Deutschen Kolonialkongress in Berlin, „dass man heute oft nur widerstrebend den gelehrten 375 Felix Luschan, Offener Brief an Herrn Dr. Elias Auerbach. Archiv für Rassen- und Gesellschafts- Biologie einschließlich Rassen- Gesellschaftshygiene Alfred Ploetz (Hrsg.), 4, 3, 1907: 370. 376 377 Fritz Kahn, Arier. In: Jüdisches Lexikon…, 1928 I: 466-467. Jörg Lanz von Liebenfels, Anthropozoon biblicum. Vierteljahresschrift für Bibelkunde 1 (1903/04), 307-355, 429-469; 2 (1904/05), 26-60, 314-337, 395-412; – Theozoologie oder die Kunde von den Somdoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron…, 1904 [21928]. 378 Zitiert in Felix Luschan, Anthropological View of Race…, 1911: 16; siehe auch George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa…, 1990 [1978]: 122. 147 Botanikern glaubt, wenn sie die fremde Heimat jener Nutzpflanzen nachweisen.”379 Völlig zu Recht argumentierte von Luschan, dass das Zueigenmachen von Kulturgütern nicht den Mangel, sondern gerade das Potenzial an Kreativität voraussetze. Die von Ratzel eingeführte Ideenarmut, das bestimmende Axiom des kulturhistorischen Diffusionismus, erscheint damit schlicht auf den Kopf gestellt, da sie positiv als Zeugnis für Kulturschöpfung ausgelegt wird. Wer die Schriften von Luschan studiert, wird einen echt humanistisch geprägten Geist wieder finden, der stets den Afrikaner gleichwertig an die Seite des Europäers gestellt wissen wollte. Zeit seines langen Forscherlebens zog er gegen die abwertenden Bezeichnungen des Afrikaners wie „wild”, „primitiv” und „unzivilisiert” zu Felde. „Alle Bemühungen, irgend welche Kriterien zwischen Kulturvölkern und „Wilden“ zu finden”, erklärte von Luschan in seinem Vortrag 1902 am Berliner Kolonialkongress, „müssen als völlig gescheitert betrachtet weden.“380 Das war eine klare Absage an Ratzels Dichotomisierung zwischen Natur- und Kulturvölker. “The only “savages” in Africa”, gab von Luschan 1911 selbstkritisch und pointiert vor der größtenteils farbigen Zuhörerschaft am ersten und einzigen Rassen-Kongress in London kund, “are certain white men with „Tropenkoller”.381 Ähnlich wie Frobenius ging es von Luschan darum, das von Hegel aufgestellte Geschichtsparadigma vom geschichtslosen afrikanischen Kontinent zu widerlegen. Als es 1907 während einer Sitzung innerhalb der Berliner Anthropologischen Gesellschaft darum ging, den kulturellen Ursprung der Eisentechnik festzumachen, gab von Luschan folgende bemerkenswerte Stellungnahme ab: „Meinerseits habe ich schon seit ungefähr 15 Jahren in meinen Universitäts-Vorlesungen erst als wahrscheinlich, später als so gut wie sicher bezeichnet, dass unsere Eisentechnik aus dem tropischen Afrika stamme.”382 Diese Aussage ist allein deshalb bemerkenswert, da Luschan wusste, dass die Hethiter als „arischsprechende Gruppe” die Eisentechnik bereits im neunzehnten vorchristlichen Jahrhundert etabliert hatten. Da er auf keine Zustimmung stieß, fügte er relativierend hinzu: „Es mag natürlich an sich überraschend und für manche Leute vielleicht peinlich erscheinen, dass wir 379 Felix von Luschan, Fremde Kultureinflüsse auf Afrika. Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910 zu Berlin…, 1910: 122. 380 Felix von Luschan, Ziele und Wege der Völkerkunde in den deutschen Schutzgebieten. Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902 zu Berlin am 10. und 11. Oktober 1902…, 1903: 169. 381 Felix von Luschan, Anthropological View of Race. In: Papers on Inter-Racial Problems communicated to the First Universal Races Congress held at the University of London, July 26-29, 1911: 22. 382 Felix von Luschan, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Waldemar Belck: Die Erfinder der Eisentechnik, insonderheit auf Grund von Bibeltexten. ZfE 39, 1907: 381. 148 unsere Eisentechnik, also die Technik, die unserer Zeit so recht eigentlich den Stempel aufdrückt, dunklen Afrikanern, d.h. „schwarzen Wilden”, verdanken sollen, aber ich sehe keine Möglichkeit, gegen diese Erkenntnis anzukämpfen.”383 Mit derartigen Thesen innerhalb der anthropologischen Gelehrten-Welt der Jahrhundertwende aufzuwarten und eine überzeugende Anhängerschaft zu finden, schien die Zeit noch nicht reif genug. Von Luschan stellte seine Behauptung, dass die Eisentechnik aus dem Innern Afrikas von den Alten Ägyptern übernommen wurde, und erst dann nach Europa „diffuntierte” anhand der dreieinhalbtausend jährigen Kulturgeschichte afrikanischer Schalengebläse zwei Jahre später in einem eigenen Vortrag erneut unter Beweis. Aus dem anschließenden Diskussionsbeitrag ist klar ersichtlich, dass von Luschan gegen Windmühlen zu kämpfen schien.384 Kurz vor seinem Tod hielt von Luschan rückblickend fest: „Seither ist gerade das Studium der fremden Einflüsse in Afrika in den Vordergrund unserer Betrachtung getreten, und gar erst die Erforschung der Hamiten, ihre Heimat und ihrer Wanderung, ihrer Ursprünge und Zusammenhänge ist heute fast das Um und Auf der afrikanischen Völkerkunde geworden.“385 Um die Geschichtlichkeit Afrikas aufzuwerten, erfand von Luschan unter Anleitung der sprachhistorischen Ergebnisse Carl Meinhofs die afrozentrische Hamitentheorie. Im Jahre 1905 machte Felix von Luschan zusammen mit Carl Meinhof auf Einladung der British Association for the Advancement of Sciences eine Reise nach Südafrika. Dieses Treffen hochkarätiger Wissenschafter war das erste auf afrikanischem Boden und stand unter der Leitung des britischen Ethnologen Alfred Cort Haddon, der in Kapstadt die Eröffnungsrede hielt.386 Als von Luschan in seinem Vortrag “On the racial affinities of the Hottentots”387 den Vorschlag unterbreitete, die bislang lediglich von Linguisten vertretene These vom genetischen Zusammenhang der Hottentotten und der Altägypter in die Anthropologie überzuführen, indem der Nachweis von prähistorischen Wanderungen auf 383 Ebenda. 384 Vgl. dazu: „Aus alledem schließe ich, dass die alten Ägypter das Eisen und seine Gewinnung von ihren südlichen Nachbarn kennengelernt haben und dass die ursprüngliche, also innerafrikanische Eisentechnik dann im Laufe der Zeit über Ägypten nach Vorderasien und nach den westlichen Mittelmeerländern und von diesen aus schließlich nach Nordeuropa gelangt ist.” In: Felix von Luschan, Eisentechnik in Afrika. ZfE 41, 1909: 52. 385 Felix von Luschan, Völker, Rassen, Sprachen…, 1922: 31. 386 Alfred Cort Haddon, Presidential Address. Section H (Anthropology): 75. British Association, Meeting of the British Association in South Africa. Nature 72, 1905, 471-479. 387 Felix von Luschan, On the racial affinities of the Hottentots. In: BSAAR, Section H: Anthropology, Part II: 111-118. 149 dem afrikanischem Kontinent erbracht werde, fand er endlich ein zustimmendes Auditorium. Vor allem in Haddon fand er einen Befürworter, die Prähistorie Afrikas mittels des Hamitenkonzepts entsprechend aufzuhellen. Von Luschans Hamitenthese findet sich in entsprechend adaptierter Weise in Haddons Werk “The wanderings of the people” (1911) wieder. „Gerade während meiner südafrikanischen Reise ist es mir erst recht klar geworden”, zieht von Luschan den zukunftsweisenden Schluss, „dass die genaue Erkenntnis hamitischer Wanderungen eine der wesentlichen und dringendsten Aufgaben für Völkerkunde Afrikas bildet.”388 Die von Luschan unterbreitete Hamitenfrage, wie sie nun genannt wurde, stellte eine Zusammenschau dreier voneinander unabhängiger großer Themenkomplexe dar. Zur Diskussion stand erstens die Klärung des Zusammenhangs der altägyptischen Grammatik mit der gegenwärtigen Hottentottensprache, zweitens die Bestimmung des rassischen Verhältnisses der Hottentotten und Buschmänner und drittens schließlich die Altersbestimmung der Überreste der Steinruinen von Simbabwe.389 Zusammenfassend betrachtet sollte mit der Beantwortung der Hamitenfrage das Ziel erreicht werden, welches Volk oder Rasse für die Ausformung der ersten Hochkultur Afrikas südlich der Sahara in Frage käme. Es mag vielleicht verwundern, aber so sehr von Luschans Theorie von der britischen Kollegenschaft Zustimmung erfuhr, so sehr stieß sie bei seiner deutschen auf Ablehnung. Von Luschan wurde kurz nach seiner Rückreise von der Berliner Anthropologischen Gesellschaft eingeladen, einen Vortrag über seine Südafrikareise zu halten. Unter der Zuhörerschaft befanden sich der Kulturkreistheoretiker Bernhard Ankermann aber auch Gustav Fritsch [1838-1927], der als renommierter Mediziner aufgrund seines jahrelangen Südafrikaaufenthalts als der wohl beste Kenner der anthropologischen Verhältnisse dieser Region galt. Wie umstritten der Begriff „hamitisch” zu jener Zeit noch war, zeigt dessen Reaktion auf den von Luschans gehaltenen Vortrag. Der um 20 Jahre ältere Fritsch, gewissermaßen Vertreter der Hartmann-Schule, wies nach der anschließenden Diskussion in provokanter Weise auf den theologischen Hintergrund des Begriffs hin. „Darf ich Hrn. v. Luschan fragen, was hamitisch ist? Ich weiß es nicht, ich weiß bloß, dass Ham ein Sohn von Noah war.”390 Fritschs selbstredende Antwort war rein rhetorisch gemeint. Deutlich ist der zynische Unterton zu spüren, der eine grundsätzliche Ablehnung auf die „neue Lehre” 388 Felix von Luschan, Bericht über eine Reise in Südafrika. ZfE 38, 1906: 870. 389 Felix von Luschan, Bericht über eine Reise in Südafrika. ZfE 38, 1906: 863-895. 390 Gustav Fritsch, Diskussionsbeitrag zu Felix von Luschans Bericht über seine Reise in Südafrika. ZfE 38, 1906: 913. 150 widerspiegelt. So werden es erst die jüngeren Gelehrten sein – und davon wiederum von Luschans Schülerkreis wie Karl Weule –, die sich der Hamitenlehre erwärmen sollten. Das Migrationsmodell alleine schien nicht auszureichen, um die Hamitenfrage wissenschaftlich beantworten zu können. Von Luschan war in erster Linie Anthropologe. Dahingehend adaptierte er den kulturgeschichtlichen Begriff “Survival” in entsprechender Weise in sein Fach. Seit Darwin war es bekannt, dass bei Lebewesen infolge von Mutationen strukturelle Ähnlichkeiten mit Ahnenformen auftauchen können. Der Pflanzenphysiologe Hugo de Vries, einer der Wiederentdecker der Mendel’schen Erbgesetze prägte 1903 dafür den Begriff „Atavismus”, abgleitet vom lateinischen “atavus” – „Ahnherr” – für das Auftreten „von individuellen Rückschlägen auf alte Ahnenzustände” bei Lebewesen.391 Von Luschan nannte es das Gesetz der „Entmischung”, wonach das Wiederauftreten des reinen Typen, trotz jahrtausendjähriger ununterbrochener Blutmischung noch immer nebeneinander hergehen und sich gerade auch aus Mischehen immer wieder von neuem zu vollständig reinen Typen entmischen.392 Für die Anthropologie schien es ein ideales Erklärungsschema zu sein, für die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen dem Körperbau altägyptischer Pharaonen und den schlanken und hochwüchsigen Völkergruppen im ostafrikanischen Zwischenseengebiet. Für von Luschan stand jedenfalls außer Zweifel, dass die als rezent klassifizierten Hamiten eine Wiederverkörperung der Alten Ägypter darstellen würden. In entsprechender Weise vermutete er, dass infolge gesetzesmäßiger Rassenkreuzung im Laufe der Zeit, sich der Zustand der originären Rasse wieder einstellen und daher rezent zum Vorschein kommen würde. Diesen Vorgang erblickte Luschan vor allem bei den in Südafrika lebenden Nama-Hottentotten, die er als ein anthropologisches Wiederauferstehen der Altägypter deutete. Von Luschan ging nun daran, kaukasischen Einflüssen in den negritischen Rassen nachzuspüren und versuchte, einen „hamitischen Kulturkreis“ zu bestimmen, den er von Ägypten ausgehend, über die Chaldäer, die Somali, die Massai, die Hima bishin zu den Nama-Hottentotten in Südwestafrika umreißt. Um die Zugehörigkeit eines „Hottentotten“ zum „hamitischen Geschlecht“ zu bestimmen, bediente sich von Luschan einer Methode, die im Vergleich von Menschenporträts auf bildlichen Darstellungen bestand. Aus heutiger Sicht erscheinen die Ergebnisse äußerst fragwürdig. Beim Vergleich der beiden fotografischen Aufnahmen des Nama Abraham Platje und des anglo-jüdischen Premierministers Lord Beaconfield beispielsweise sah von Luschan bei Platje typische „hamitische Züge“. „Beide waren Zeitgenossen von Disraeli, dem späteren Lord Beaconfield”, wie von Luschan nun seinen anthropologischen Atavismus zu erblicken 391 Hugo de Vries, Die Mutationstheorie…, 1901-1903. 392 Felix von Luschan, Bericht über eine Reise in Südafrika. ZfE 38, 1906: 869. 151 vermeinte, „und von einem von ihnen, Abraham Platje, wurde damals ganz allgemein in Südafrika erzählt, dass er dem englischen Premierminister „zum Verwechseln“ gliche. Das ist sicher nicht wenig übertrieben; aber es ist andererseits doch ganz klar, dass dieser übrigens auch ob seiner ungewöhnlichen Intelligenz berühmte Nama hamitischen oder gar semitischen Einschlag führe nicht verleugnen kann.”393 Von Luschan wollte den „hamitischen Typus“ auf das alte Ägypten zurückführen [Abb. 27]. Es scheint, dass auch der als penibel bekannte Egon Freiherr von Eickstedt dem atavistischen Erklärungsmuster aufgesessen ist. „Magere Massai”, so das Urteil des Barons über das bekannte Hirtenvolk in Ostafrika, „können erschreckend an altägyptische Mumien erinnern.”394 Es darf hier nicht verwundern, wenn von Eickstedt die Hamiten der kaukasischen Rasse zuordnete [Abb. 30]. Luschan’s Entmischungstheorie wurde nicht nur auf Afrikaner angewandt, sondern diente kurioserweise auch als Erklärungsmodell für namhafte Ägyptologen, wenn sie körperliche Ähnlichkeiten mit Pharaonen aufwiesen. So wurde der in Wien tätige Ägyptologe Wilhelm Czermak [1889-1953] wegen seiner ausgeprägten hamitischen „Hakennase” gerne mit Ramses II. verglichen. Ilse Schwidezky, Schülerin von Eickstedt, sprach bei Czermaks Erscheinungsbild während des Leipziger Ethnologen- und Afrikanistenkongresses 1943 öffentlich gar von einem „anthropologischen Wunder”.395 Diesen Vergleich ließ sich Czermak übrigens auch gerne gefallen. Gertrud Thausing [1905-1997], die damalige Assistentin von Czermak, erinnerte sich an die Begebenheit, wo Czermak die Mumie des Ramses vorführte, indem er sich selbst in diese Stellung begab.396 Auch wenn diese Demonstration sich während einer Faschingfeier zutrug, ist der damalige Zeitgeist klar zu erkennen: nämlich die edle Gesinnung des „Hamitismus” in Form eines naiven Pharaonenkults wiedererstehen zu lassen. Czermaks Vorlesungen zum „Ägyptischen Totenbuch”, die er vorzugsweise Freitag nachmittags abhielt, waren an der Wiener Universität auch den Nichtägyptologen ein Begriff. Zeitweise kamen sogar Vertreter des Hochadels, wie Max von Bayern, eigens nach Wien angereist, um an der „Totenbuchrunde” teilzunehmen. Czermak selbst wurde innerhalb seines Schülerkreises wie ein „Guru” verehrt. In dieser Zeit verlieh er seinen Mitarbeitern des Wiener Instituts für Ägyptologie und Afrikanistik sogar altägyptische Pharaonennamen. Seiner damaligen Assistentin, Gertrud Thausing, wies Czermak beispielsweise den symbolischen Namen „Tarudet” zu, den Namen einer Pharaonenkönigin aus der 18. Dynastie. Dieser bedeutet so viel wie „Wurzel” oder auf 393 Felix von Luschan, Hamitische Typen…, 1912: 253; - Fremde Kultureinflüsse auf Afrika…, 1910. 394 Egon Freiherr von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…,1934: 458. 395 Gertrud Thausing, Tarudet…, 1989: 59. 396 Gertrud Thausing, Tarudet…, 1989: 22. 152 Abb. 27 Der anthropologische Hamitenbegriff folgte dem sprachlichen und erblickte in den rezenten Wahima[ostafrikanisches Zwischenseengebiet] und in den Nama-Gruppen [südwestafrikanisches Rückzuggebiet] einen einheitlichen Rassenkreis. Felix von Luschan, Hamitische Typen. In: Carl Meinhof, Die Sprachen der Hamiten..., 1910: Anhang. 153 Wienerisch: „die Wurzn”. Czermak bestimmte Thausing kurz vor seinem aufsehenerregenden Tod – er starb 1953 im Wiener Rektorenzimmer nach einer Promotionsfeier, noch im vollen Talar – zu seiner Institutsnachfolgerin.397 In den anthropologischen Kreisen war es vor allem Rudolf Pöch, der die Hamitenlehre von Luschan weitertragen sollte. Der im ukrainischen Tarnapol geborene Rudolf Pöch [1870-1921]398 hatte zuerst in Wien ein Medizinstudium absolviert, bevor er sich anthropologischen Fragen zuwandte. 1896, als er gerade 26 Jahre alt war, wurde Europa von der Pestpanik erfasst. Die verheerende Krankheit hatte sich von China aus über Hongkong bis nach Indien ausgebreitet und bereits Tausende Opfer gefordert. Als Hilfsarzt wurde Pöch in einer von der Akademie der Wissenschaften in Wien beauftragten Kommission nach Bombay entsendet, wo die Krankheit erforscht werden sollte. Für Pöch bedeutete die Begegnung mit der Pest, an der beinahe auch er erkrankte, ein Veränderung seines Forscherlebens. Als Spätberufener ging er nach Berlin, um Anthropologie und Ethnologie bei von Luschan zu studieren. Seit 1900-1901 arbeitete Pöch bereits als Volontär an der dortigen afrikanisch-ozeanischen Abteilung des Museums für Völkerkunde. Von Luschans intensiver Reisetätigkeit beeindruckt führte Rudolf Pöch Expeditionen nach Neu-Guinea, Australien und in das südliche Afrika durch. 1913 wurde Pöch zum außerordentlichen Professor ernannt, wofür eigens das Institut für Anthropologie und Ethnografie in Wien geschaffen wurde. Unter seiner Leitung entstanden Dissertationen wie von Wilhelm Koppers [1915/16] und von Christoph von Fürer-Haimendorf [1917] – also von jenen Gelehrten, die das Wiener Institut für Völkerkunde [seit 1929] über Jahrzehnte hindurch bestimmen sollten. Bekannt geworden ist Pöch vor allem durch seine technischen Ambitionen in der Wissenschaft. In Neu-Guinea und in der Kalahari hatte er mit dem Archiv-Phonographen der Akademie der Wissenschaften Sprech- und Gesangsproben aufgenommen und wissenschaftliche Filme gedreht. Seine Film- und Tonaufnahmen aus diesen Regionen zählen zu den ersten überhaupt. Pöchs wissenschaftliches Programm in Bezug auf die Hamitik zielte darauf ab, den anthropologischen Hamitenbegriff mit Rassenmerkmalen zu belegen. Den sprachwissenschaftlichen Zugang, wie ihn von Luschan bzw. Meinhof gefordert hatten, lehnte Pöch aufs Vehementeste ab. Pöch war vom frommen Ideengut der AntiAlkoholbewegung geprägt; 1906 gründete er zusammen mit Richard Thurnwald die 397 Gertrud Thausing, Tarudet…, 1989: 13. 398 Zur Biografie Pöchs siehe Eugen Oberhummer, MAGW 51, 1921: 95-104; Margarethe Weninger, MAGW 91, 1961: 142-143. 154 „Gesellschaft für Rassenhygiene”.399 Dementsprechend führte er auch von Luschans Theorie von der „armenoiden” Rasse weiter, anhand derer sich der Unterschied des Semitischen und des Hamitischen am besten zeigen ließe. Wie vorhin dargelegt, hatte sich von Luschan im zunehmenden Alter von Rassentheorien weitgehend distanziert, nicht so Pöch. Sein regionaler Anknüpfungspunkt war die prähistorische Besiedelungsfrage des östlichen und südlichen Afrika. Im Zuge der Wiederentdeckungen der Simbabwe-Ruinen durch Carl Mauch wurden auch die biblischen Ophir-Thesen neu belebt, die von einer semitischen Besiedlung ausgingen. In einem 1911 gehaltenen Vortrag vor der kaiserlich-königlichen Geografischen Gesellschaft in Wien versuchte Pöch die Gelehrten davon zu überzeugen, dass sämtliche Siedlungstheorien Simbabwes, die vom Semitischen ausgingen, falsch lägen. „Anthropologisch und ethnologisch sind die meisten Simbábwe-Schriftsteller schlecht berichtet”, klärt Pöch auf, „sonst würden sie nicht so viel von der somatischen und kulturellen semitischen Beeinflussung der Eingebornen Rhodesiens sprechen, was für sie natürlich wieder ein Beweis mehr für die sabäische oder phönizische Besiedelung des Landes ist, während es in Wirklichkeit hamitische Elemente und Beeinflussungen sind, die in immer größerer Zahl und in einer ununterbrochenen Kette, aber auf dem Landwege, von Ägypten durch ganz Afrika, von Nord nach Süd, bis zu den Hottentotten des Kaps nachgewiesen werden.”400 Was sich in der Sprachwissenschaft in den 1870er Jahren bemerkbar machte, scheint sich nun auch in der Anthropologie einzustellen: nämlich die rassische Abgrenzung des Hamitischen vom Semitischen. Pöch hatte vor allem die methodische Schwäche in von Luschans Vergleichen der fotografischen Kopfporträts erkannt. Deshalb war es für ihn zunächst auch notwendig, rassische Merkmale des hamitischen Typus überhaupt zu finden. Dafür galt es zunächst einmal den rezenten Phänotypus der Hamiten genau zu beschreiben: „Hohe, schlanke Gestalt”, so beginnt Pöch in einem weiteren Vortrag vor der Wiener Orientgesellschaft seinen „hamitischen Haupttypus” darzulegen und fährt detailliert weiter fort, „mit langen Armen und Beinen und schmalen Händen und Füßen, hellbraune, ins rötliche (nicht ins gelbgrüne!) spielende Hautfarbe, dunkel braune bis schwarze lockige (nicht krause) Haare, dunkelbraune Augen, ein langer, schmaler und hoher Kopf, ein langes ovales Gesicht, eine schmale Nase mit leicht konvexen Rücken und mittelbreite Lippen. Die Hamiten im Zwischenseengebiete fallen oft durch recht vorstehendes Gebiß, Prodentie auf, vielleicht ist das auf eine stärkere Beimischung von Blut 399 Marion Melk-Koch, Auf der Suche nach der menschlichen Gesellschaft: Richard Thurnwald…, 1989. 400 449. Rudolf Pöch, Zur Simbábye-Frage…, Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft 54, 8, 1911: 155 der prognathen Negerrasse zurück zu führen. Der außerordentlich hohe Wuchs dieser Gruppe steht vereinzelt und unerklärt da.”401 Pöch spricht hier die Sprache eines Anatoms, der wie mit einem Skalpell den menschlichen Körper zerlegt, auf der Suche nach vermeintlich objektiven Rassenmerkmalen. Pöch war Mediziner und Anthropologe, und er betrachtete seine Aufgabe aus der Sicht eines Naturwissenschafters, aus den „verwickelten Rassenmischungen” – vergleichbar dem evolutionistischen Modell der historischen Sprachwissenschaft – eine hamitische Ur- oder Stammrasse zu rekonstruieren. Und diese unterscheide sich nach seiner Auffassung wesentlich von der Semitischen, die durch „unmittelgroße plumpe Gestalt, helle Hautfarbe […] und vor allem durch die sehr große fleischige Nase” gekennzeichnet sei.402 „Dieser [hamitische] Typus”, holt Pöch nun weiter aus, „lässt sich nach Süden durch Nubien weit in das Herz Afrikas verfolgen: er begegnet uns bei den über die Bantubevölkerung herrschenden Hirtenstämmen noch immer in reiner Ausprägung.”403 Interessant ist nun bei Pöch, dass ihn die ehemals angenommene asiatische Heimat der Hamiten nicht weiter berührt. Für Pöch bezeichnet hamitisch, und das ist das Entscheidende, etwas spezifisch Afrikanisches – im Übrigen ein bei Pöch unkommentierter Widerspruch. Die Ideen Pöchs fielen vor allem am Wiener Orientalistik-Institut auf fruchtbaren Boden. Der damalige Leiter des 1916 gegründeten Forschungsinstituts „Osten und Orient”, Rudolf Geyer, daneben Mitglied der Wiener Anthropologischen Gesellschaft, meinte im Anschluss nach den Ausführungen Rudolf Pöchs, dass einerseits der hamitische Typus bereits „gut fassbar” sei, während andererseits der semitische „ziemlich ungreifbar ist”, […] weshalb letzterer konsequenterweise aufgegeben werden müsse.404 Der Vortrag Pöchs führte bei Leopold Adametz [1861-1941], Zoologe, Viehzuchtspezialist und Mitarbeiter am Orientalistikinstitut zu seinen äußerst gewagten, aber folgenreichen Vermutungen, wonach die Hamiten nach den Wanderungen der Haustierrassen erschlossen werden könnten. Adametz war durch die Reiseberichte Oskar Baumanns auf das auffällige langhörnige 401 Rudolf Pöch, Über „hamitische” und „semitische” Rassenmerkmale. Berichte des Rassenmerkmale. Berichte des Rassenmerkmale. Berichte des Forschungsinstituts für Osten und Orient 2 (1917), S. 17-27. Wien, 1918: 20. 402 Rudolf Pöch, Über „hamitische” und „semitische” Forschungsinstituts für Osten und Orient 2, 1918: 21. 403 Rudolf Pöch, Über „hamitische” und „semitische” Forschungsinstituts für Osten und Orient 2, 1918: 20. Dieses Zitat findet sich auch abgedruckt in Arthur Haberlandt, Afrika. In: Georg Buschan (Hrsg.), Illustrierte Völkerkunde…, 31922: 460. 404 Rudolf Geyer, Diskussionsbeitrag. In: Rudolf Pöch, Über „hamitische” und „semitische” Rassenmerkmale. Berichte des Forschungsinstituts für Osten und Orient 2, 1918: 25. 156 Zeburind im Hochland des ostafrikanischen Zwischenseengebietes aufmerksam geworden [Abb. 28].405 „Die Hamiten haben eine ganz bestimmte Art von Rind”, versucht Adametz seine linguistische und anthropologische Kollegenschaft zu überzeugen, „ähnlich dem alten ausgestorbenen europäischen Bos primigenius […] Auch die alten Ägypter haben dieses Rind gehabt (Berberrinder). Die langhörnige Rinderrasse der Wahimas gehört auch dazu. In Begleitung dieses Rindertypus treten immer Rinder auf. Die wichtigsten und ältesten Haustiere wandern nicht von Hand zu Hand, sondern mit den Völkern, die sie zu züchten verstehen. Danach wäre die Heimat der Hamiten in Nordafrika.”406 Ausgehend vom Gedanken, dass die Zähmung der wichtigsten Haustiere (Rind, Pferd, Schaf, Ziege und Schwein bereits im Neolithikum stattfand, könne den Mutmaßungen Adametz gemäß über die Haustier- und Rassenkunde die Rekonstruktion der Geschichte der Völkerverschiebungen erfolgen. Da viele Haustierrassen im Süden Afrikas nicht vorkommen, so Adametz in seinem bekanntgewordenen Hamitenwerk, „bleibt nur der Schluss, dass eine der ältesten Besiedelungen Afrikas und zwar jene, welche die ersten Anfänge der Kultur brachte und die ersten Haustiere im Gefolge hatte, nur vom Norden her über die Landenge von Suez erfolgt sein kann.“407 Die in Rede stehende Haustierspezies kommt in rezenter Zeit vor allem im Hochland Ruandas vor. Darum ging es bald mit den illustren Namensgebungen wie „Watussirind” oder „Hamitenrind” in die Fachliteratur ein, förderlich für die einseitige Assoziationskette, dass in Afrika lediglich der „hamitische Typus Haustiere zu erwerben vermochte”.408 Wenn in diesem Zusammenhang Adametz weiters von einem „hamitischem Züchtervolke”409 spricht, dann ist da auch die damals geläufige ethnische Überschichtungstheorie heranzuziehen, bei der, wie bereits angedeutet, die oberste Schicht stets ausgeklammert wurde: nämlich der zur „Menschenzucht” berufene Kolonialherr. Adametz Annahme, dass Kulturaustausche zwischen geografisch weit getrennten Völkern stattfinden müssten, wenn bei ihnen die gleichen Haustiere angetroffen werden, hatte eine nachhaltige Wirkung auf die Wiener kulturhistorische Ethnologenschule 405 406 Leopold Adametz, Das Watussi-Rind. In: Oskar Baumann, Durch Massailand…, 1894: 351-359. Leopold Adametz, Diskussionsbeitrag. In: Rudolf Pöch, Über „hamitische” und „semitische” Rassenmerkmale. Berichte des Forschungsinstituts für Osten und Orient 2, 1918: 25. 407 Leopold Adametz, Herkunft und Wanderungen der Hamiten…, 1920: 99; diesem Werk ging ein am 16.4.1919 gehaltener Vortrag vor der Wiener Forschungsgesellschaft des „Orient und Ostens“ voraus. 408 Leopold Adametz, Herkunft und Wanderungen der Hamiten…, 1920: 409 „Wo immer die altägyptische Rinderrasse vorkommt, lassen sich beim Züchtervolke hamitische Züge erkennen […]; das hamitische Rind ist ein Wegweiser für die Verbreitung der Hamiten […]” vgl. Adametz, 1920: 43. 157 Abb. 28 Das Watussi-Rind nach einer Fotografie von Oskar Baumann, gezeichnet von Rudolf Bacher. Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894 [1968, Reprint]: 85. 158 Abb. 42 Schemattische Darsteellung eines sozial s geschiichteten tyran nnisch organ nisierten Hirtten – Feldbau uer – Jäger Geemeinwesenss (nach Thurn nwald); nachh C. G. Selig gman und H. Baumann w wäre die ethniische Überlageerungstheorie das Grundg gesetz für di e Staatenbilldungen in Afrika. A Aus: Berrnhard Streckk (Hrsg.), Wörterbuch W deer Ethnologiee…, 1987: 186. 159 während der Zwischenkriegszeit. Im Besonderen war es die Frage nach der Entstehung der Pferdezucht, die mit dem Reiternomadentum der asiatischen Steppenvölker korrelliert wurde, um damit das Indogermanenproblem zu einer neuen Lösung [„Ostthese”] zu führen. Während der nationalsozialistischen Ära war es dann der Afrikahistoriker und Ethnologe Hermann Baumann, 1941-1945 Ordinarius des Wiener Völkerkundeinstituts, der die These von kulturbringenden hamitischen Viehzüchternomaden propagiert hat. Im Wesentlichen ging die hamitische Haustierthese von einem diffusionistischen Ansatz aus, eine kulturgeschichtliche Betrachtung, die nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der polyphyletischen Anerkennung der Domestikationsversuche aufgegeben wurde.410 410 R. Schubert-Soldern, Anpassung und Domestikation als zwei verschiedene Entwicklungsvorgänge. [2. Wartenstein-Symposion bei Gloggnitz, 6.-12.9.1959]…, 1961: 104-116. 160 3. Das ethnografische Genre als Quelle für Hamitentheorien Einen maßgeblichen Faktor für die wissenschaftliche Anerkennung von in Afrika lebenden hamitischen Völkern bildete die Reiseliteratur zu Ostafrika. Der Inhalt dieser ethnografischen Quellen gab den Hamitentheoretikern wohl den anregendsten Anlass dazu, ihre Gedanken zu den Hamiten in wissenschaftliche Theoriengebäude auszuformulieren. Kein europäischer Gelehrter hatte ja bislang Hamiten jemals zu Gesicht bekommen. Überhaupt war für die europäische Gelehrtenwelt noch zur Jahrhundertmitte für den diesbezüglichen geografischen Raum lediglich der ostafrikanische Küstenstreifen bekannt. Ansonsten war man auf die aus der Antike überlieferten Legenden angewiesen. Noch immer gab die genaue Ortung des Ursprungsgebietes der Nilquelle den Geografen Rätsel auf. Hinweise dazu boten lediglich die Weltkarte des alexandrinischen Geografen Claudius Ptolemäus [100-160], der den Nil von den Mondbergen im Innern Afrikas entspringen ließ. Der geozentrischen Lehre entsprechend, die von einer Erdscheibe ausging, bildete das Mondgebirge411 das Randgebirge des Südens, wo monströse Menschengruppen vermutet wurden: Zwerge und Riesen. Die ersten Entdeckungsreisenden in jene Gebiete berichteten einerseits von Menschen mit ungewöhnlich schlankem und hohem Körperwuchs [bis zu 220cm], andererseits war von Zwergvölkern die Rede, Menschen mit einer Körpergröße von unter 120 cm, die das antike Weltbild wirklich zu bestätigen schien. Von der wissenschaftlichen Seite wurde dahingehend die Klärung der auch als „Mondvölker” bekannt gewordenen Völkergruppen abverlangt. In diesem Zusammenhang stellt sich in bezug auf Afrika eine neue Wissenschaft an die Seite der Geografen und Erdkundler: die Rede ist von der Ethnologie und ihrem beschreibenden Wissenschaftszweig, der Ethnografie. Auffallend bei der im Zeitraum zwischen 1860 und 1914, vor allem von deutschen und britischen Reisenden verfassten Literatur ist, dass der Hamitenbegriff bereits zum Standard des wissenschaftlichen Vokabulars gehörte. Dabei wird er weniger sprachwissenschaftlich benutzt, sondern eher als anthropologische Größe. Dadurch bestand die Möglichkeit, ethnische Gruppen zu Hamiten zusammenzufassen. Es entwickelte sich eine starke Wechselwirkung zwischen den großangeordneten anthropologischen Entwürfen aus den 411 Der Name Mondberge geht auf den Eisgletscher zurück, der bei Nacht durch das Mondlicht besonders hell leuchtet. In der Bakonjesprache wird das tropische Gebirgsmassiv im Westen Ugandas auch Ruwenzori genannt, was so viel wie „Regenmacher” bedeutet. 1888 hatte sie der amerikanische Journalist Henry Morton Stanley der westlichen Welt wieder bekannt gemacht; zum antiken Begriff siehe Richard Hennig, Ptolemäus Kunde vom „Mondgebirge” und den Nilquellflüssen. In: Terrae incognitae…, 21944 I: 426-433. 161 Lehrstuben Europas mit der darzustellenden wahrgenommenen ethnografischen Realität in Afrika. Oft hat es den Anschein, dass das aufgezeichnete empirische Datenmaterial lediglich die vorgefassten Theorien bestätigte. Wenn den zuhauf entstandenen anthropologischen Beschreibungen hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes nachgespürt wird, lässt sich so etwas wie ein hamitischer „Blick” feststellen, der sich bei den Afrikaforschern zusehends als Stereotype in ihrer Wahrnehmung einbildete und festigte. Das wichtigste Medium für den Erfolg der Hamitenforschung leitete schließlich die Fotografie ein, wonach durch methodischen Vergleich, die Möglichkeit geschaffen wurde, einen hypothetischen hamitischen Völkerkreis zu erstellen. Im Folgenden werden die wichtigsten Werke der Reiseschriftsteller hinsichtlich ihrer Aussagen den Hamiten betreffend besprochen. Als die erste und wichtigste Quelle zur Entstehung des Hamiten-Mythos ist John Hanning Spekes 1863 in London publiziertes Werk “Journal of the Discovery of the Source of the Nile” zu nennen. 1965, kurz nach der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit Ugandas, nahm der Afrikahistoriker M. S. M. Kiwanuka die Herausforderung an, eine vorkoloniale Historiografie Ostafrikas auszuarbeiten. Bei seiner kritischen Auswertung von Primärtexten stellt er die diesbezügliche Brauchbarkeit von Europäern verfassten Reiseberichten grundsätzlich in Frage und erwähnt in diesem Zusammenhang die in Rede stehenden Hamiten. “Nothing has bedevilled the study of its history [about the interlacustrine region of East Africa] more than the Hamitic theory, first put forward by the explorer J. H. Speke”.412 Weit radikaler nahm Peter Rigby 1996 dazu Stellung, offensichtlich unter dem Eindruck des zwei Jahre zuvor durchgeführten Genozids der Hutu an den Tutsi in Ruanda und Burundi. „In den Studien über das Östliche Afrika wäre als erstes Beispiel der aus der Anthropologie kommende „Hamiten-Mythos“ zu nennen, welcher im 19. Jahrhundert vom Grafen de Gobineau erfunden und zum ersten Mal 1865 vom Abenteurer John Hannington Speke auf Ostafrika angewendet wurde. Später, im beginnenden 20. Jahrhundert wurde dieser Mythos von Anthropologen und Historikern vehement [zur Theorienbildung] herangezogen“.413 Peter Rigby, praktizierender Sozialanthropologe und Professor für Anthropology an der Moi Universität in Kenya geht sogar soweit, dass für die Beseitigung des „rassistischen HamitenMythos” das Fach “Anthropology” konsequenterweise zur Gänze abgeschafft werden müsste. Diese kritischen Stellungnahmen scheinen der Person Spekes eine zentralen Platz 412 M. S. M. Kiwanuka (Ed.), Kings of Buganda by Sir Apolo Kaggwa…, 1965: XIX; vgl. auch I. R. Amadi, The northern factor in the history of sub-Saharan Africa: the Hamitic hypothesis revisited. Transafrican Journal of History 18, 1989: 80. Der 1865 geborene Apolo Kaggwa war kein Zeitgenosse Spekes; Hamiten kommen in seiner Herrscherchronologie nicht vor. 413 Peter Rigby, African Images. Racism and the End of Anthropology…, 1996: 65. 162 betreffs der Genese des Hamiten-Mythos zu geben. In wieweit chauvinistischer Nationalismus bzw. der Problemkreis Genozid hier in die Bewertung eingeflossen ist, ist in diesem Kapitel von sekundärem Interesse. Spekes Täterrolle und sein nunmehr berühmtberüchtigter Reisebericht hat vorrangig einer genauen Überprüfung unterzogen zu werden. Was von der Person John Hanning Spekes [1827-1864] bekannt ist, lässt sich ohne weiteres als selbstbewusster und realitätsbezogener Charakter einschätzen. Vom Ehrgeiz getrieben stand er Ende Juli des Jahres 1858 als erster Europäer an den Ufern des Victoriasees, nachdem er seinen älteren Freund Sir Richard Francis Burton aufgrund seiner Krankheit zurückgelassen hatte. Einer Verleumdung des zum Rivalen gewordenen Burton zufolge schenkte die Königliche Geografische Gesellschaft Londons Spekes Berichterstattungen zunächst keinen Glauben, wodurch Speke sich veranlasst fühlte, seine Behauptung „der weiße Nil fließe aus dem Victoriasee” in einer weiteren Expedition im Juli 1862 erneut unter Beweis zu stellen. Damit waren die von Bruce begonnenen Erkundungen des blauen Nils aus dem 18. Jahrhundert weitergeführt und für die europäischen Geografen konnte das seit der Antike bekannte „Nilrätsel” als gelöst erachtet werden. Diese Feststellung machte Speke über die Londoner Royal Anthropological Society hinaus schlagartig berühmt, zumal um die Jahrhundertmitte die Berichterstattungen der Afrikareisenden bereits mit der „modernen” Zeitungspresse verfolgt wurden. Ihre „Heroen“ wurden demgemäß als “man on the spot“ ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gestellt. „Ich beabsichtige das nackte Afrika genau zu beschreiben”414, beginnt Speke seinen berühmtgewordenen Reisebericht erwartungsgemäß nüchtern aufzusetzen. Wer jedoch sein bekanntes Nilabenteuer weiter verfolgt, könnte meinen, einen völlig anderen Menschen vor sich zu haben. Ungewöhnlich für einen Tatenmensch zieht Speke den biblischen Text zu Rate, um seiner selbst gestellten Anforderung Rechnung tragen zu können. „Ist das Bild [Afrikas] ein trübes”, fährt Speke in seiner Einleitung weiter fort, „dann sollten wir bei der Betrachtung dieser Söhne Noah’s versuchen uns im Geiste in die Zeit zu versetzen, wo unser armer älterer Bruder Ham von seinem Vater verflucht und dazu bestimmt wurde, der Sklave sowohl von Sem als von Japhet zu sein; denn wie sie damals waren, so erscheinen sie heute noch – ein merkbar sich darbietendes Zeugnis für die Heilige Schrift.” Auch bei Speke ist also das Afrikabild noch untrennbar mit dem Noah-Mythos und mit der Rasseneinteilung de Cuviers verknüpft. Der Afrikaforscher Speke ist dafür bekannt geworden, dass er sein Bibelwissen nicht nur dem europäischen Leser zu Gemüte geführt hat, sondern davon auch erheblichen Gebrauch bei einem Besuch des Königs von Unyoro machte. Speke erhielt von Gesandten eine Einladung nach Chagazi, an den Palast des Kamrasi, dem damaligen König des Unyoro-Reiches 414 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864: Einleitung. 163 [heutiges Uganda]. Im Bewusstsein als erster Europäer am höfischen Leben des KafuPalastes Speke Einblick nehmen zu dürfen, zeigte sich Speke sichtlich beeindruckt. Noch beeindruckter muss jedoch Kamrasi vom Verhalten Spekes gewesen sein, der während der persönlichen Unterredung ein Buch zur Hand nehmen wusste, um ihm zu berichten, woher „sein Volk” – die Wahuma – denn abstammen würde: „Ich traf heute mit Kamrasi in seinem Empfangshause auf dieser Seite des Kafu-[Palast] zusammen”, berichtet Speke darüber, „und nahm die Bibel, um ihm alles zu erklären, was ich meiner Idee nach über den Ursprung und die gegenwärtige Lage des Wahuma-Zweiges in Aethiopien wusste; ich begann mit Adam, um zu zeigen, woher es käme, dass der König durch Traditionen gehört habe, seine Rasse sei früher einmal halb-weiß und halb-schwarz gewesen. Dann zur Flut übergehend bemerkte ich, dass die Europäer weiß blieben und Japhet’s Blut behielten, während die Araber nach Sem braungelb waren, und die Afrikaner nach Ham schwarz.”415 Es fragt sich hier, wer von den beiden der größere Analphabet gewesen ist, denn von „schwarzen Hamiten” konnte in der Bibel nichts geschrieben gestanden sein, gleich welcher Ausgabe Speke sich auch bedient haben mag. Schließlich leitete Speke den Unwissenden dahingehend in die Irre, dass er über das Wesen der Bibel vermerkte, „jedes Blatt [stelle] ein Jahr der Zeit seit Beginn der Schöpfung dar”, worauf Kamrasi eifrig die Blätter der Bibel zu zählen begann.416 Ob dieser Hinweis bei Kamrasi die Gedanken auslöste, das Wahuma-Volk habe ein „biblisches Alter”, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Bekannt ist, dass Speke bei seiner Darstellung der „Geschichte der Wahuma” einen dynastischen Herrschafts-Mythos gesponnen hat, der zwar auf reiner Spekulation beruhte, jedoch ebenso sensationell wie seine „Nilentdeckung” bei seinem zeitgenössischen Leserpublikum anmutete. Bei seinen diesbezüglichen Erkundungen am Hofe des Kisrama wurde Speke freundlich darauf hingewiesen, dass das Wissen über das Alter der „Wahumaherrschaft” über die Zeit der letzten drei Herrschernamen nicht hinausgehe. Für Speke mag dieser historische Tatbestand wohl zu unspektakulär gewesen sein, denn in seinem Bericht vermeinte er, seine erworbene „kurze” Wahuma-Herrscherliste mit der „langen” äthiopischen verbinden zu müssen. Dadurch konnte Speke die Behauptung aufstellen, dass die „Wahuma” sich dynastisch vom Hause Davids herleiten würden. Als historische Orientierung dienten ihm jedoch nicht etwaige komplizierte Herrschergenealogien, sondern lediglich das anthropologische Erscheinungsbild der Wahuma: „Nach der körperlichen Erscheinung der Wahuma scheint es unmöglich zu sein zu glauben”, stand für Speke außer Zweifel, „dass sie [die Wahuma] von keiner andern Rasse wären als der halb Sem-Hamitischen von Aethiopien. Die Traditionen 415 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 225. 416 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 226. 164 der kaiserlichen Regierung von Abyssinien gehen soweit zurück als das Zeitalter König David’s, von dem der verstorbene regierende König von Abyssinien, Sahéla Sélassié, seine Abkunft ableitete.“417 Speke hat also im Sinne Terence Rangers418 tatsächlich die Geschichte der Wahumas „erfunden”. Umso erstaunlicher mutet diese Geschichtsakrobatik an, da ja das königliche Herrscherhaus „Großbritanniens” (House of Windsor) sich blutsmäßig ebenfalls vom Hause Davids abzuleiten weiß.419 Welche weiteren „eurozentrischen” Einflüsse sich bei Speke auch zeigen mögen, eines stand für ihn ohne Zweifel fest: Kamrasi und die Wahuma waren keine Afrikaner. Um dies seinem Leserpublikum zu veranschaulichen, setzte Speke einen Mythos in die Welt, der auf die Reste einer im „dunklen” Afrika untergegangenen europäische Zivilisation abzielte. „Da sie [die Wahuma] glauben, dass Afrika ursprünglich Europäern gehört habe, denen es von den Negern, mit denen sie sich verbündet hatten, abgenommen worden sei, halten sich die Wahuma für einen kleinen übriggebliebenen Stamm der ursprünglichen Europäer, die aus dem Lande vertrieben wurden, – eine Idee, die natürlich genug erscheint, wenn wir bedenken, dass die Wahuma der Zahl nach völlig bedeutungslos sind, verglichen mit den Eingeborenen.“420 Damit war der Mythos von den „weißen Hamiten” in Afrika im Wesentlichen geboren. Die sprachwissenschaftlichen Untersuchungen Bekes erschienen in einem neuen Licht, Bunsens vorsintflutliche Anschauungen repräsentierten sich auf einem Male aktuell, de Gobineaus hamitische Zivilisation schien es wirklich gegeben zu haben, nur mit dem einen Unterschied: sie war nicht ausgestorben, sondern lebte noch fort und zwar in einem noch völlig unbekannten, mit Mythen umrankten Erdteil, nämlich in Afrika. Wieviel weitere übriggebliebene hamitischen Stämme sich noch im Innern Afrikas finden lassen mögen, war von nun an lediglich der Effizienz wissenschaftlicher Systematik vorbehalten. Spekes sensationelle Behauptung fand schließlich auch deshalb so raschen Anklang, da er in romantisch-verklärter Absicht hervorgehoben hatte, es handle sich dabei um althergebrachtes autochthones Wissen. Eine entsprechende Verstärkung erfuhr dieser Zivilisationsmythos von Hans Meyer, der den 417 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 271. 418 Terence O. Ranger, The Invention of Tradition in Colonial Africa. In: Eric Hobsbawn; Terence O. Ranger (Hrsg.), The Invention of Tradition…, 1983. 419 Rev. W. M. H. Milner, The Royal House of Britain an Enduring Dynasty. Illustrated by a Tabular Pedigree of 1000 Names shewing the Descents of the Royal House from Judah and King David…, 12 1952 [1905]; durchaus bemerkenswert ist, dass die führenden kontinentalen Herrscherhäuser des 19. Jahrhunderts wie die Hohenzoller, die Habsburger oder die Romanovs ihre Herrschaft nicht über den jüdischen Stammbaum zu legitimieren bestrebt waren, sondern über den römischen Cäsarentitel. 420 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 273. 165 multiethnischen „Wahuma”-Begriff zu einer einheitlichen Gesamtbezeichnung für hamitische Einwanderer in der westlichen Umrandung des Viktoriasees prägte und ihn mit der Bedeutung „Leute aus dem Norden” fixierte.421 Neben seinen historischen Entgleisungen hat Speke jedoch noch etwas Entscheidendes in die Welt gesetzt: nämlich, dass es sich bei Wahuma um eine Mischrasse handele, die sich aus der Unterwerfung fremder asiatischer Nomadenvölker mit autochthonen afrikanischen Bauern gebildet hätte: „In diesen Ländern ist die Herrschaft in den Händen Fremder”, beginnt Speke sein Theoriengebäude darzulegen, „welche in das Land eingefallen sind und dasselbe in Besitz genommen hatten, wobei sie von den Eingeborenen den Boden bearbeiten ließen, während die jüngeren Glieder der ursupierenden Stämme Rinderheerden hielten, genauso wie in Abyssinien, oder wo nur Abyssinier oder Gallas sich gezeigt haben. Dort nahm ein Hirtenstamm von der asiatischen Seite die Herrschaft in Abyssinien von dem Volke und hat seither über dasselbe regiert, wobei er durch das Heirathen mit den Afrikanern in einer gewissen Ausdehnung die Textur seiner Haare und die Farbe seiner Haut änderte, aber immer noch in hohem Grade asiatische Züge beibehielt, für welche ein sehr charakteristischer Zug die mit einem Rücken versehene Nase im Vergleich zur rückenlosen ist.”422 Bemerkenswert bleibt, dass Speke sich selbst als Urheber dieses soziohistorischen Einwanderungsmodells präsentiert und dieses mit dem Begriff „ethnologisch” belegt. Das Selbstverständnis des daraus entstandenen Universitätsfaches Ethnologie galt darum zunächst der Bestimmung der ethnischen Zusammensetzung eines Volkes – ähnlich einer chemischen Laborprobenanalyse. Der Begriff „ethnische Überschichtung” war damit in der Folge einerseits mit der Person Spekes und andererseits mit den jungen Wissenschaftsdisziplinen der Ethnologie, aber auch der Soziologie verbunden. In bemerkenswerter Weise zeigt sich der Einfluss der Rassenkonzeptionen Gustav Klemms, aber auch schon die Idee des Sozialdarwinismus macht sich breit, wenn Speke den soziohistorischen Bedingungen Ostafrikas die „Besiegung niederer durch höhere Rassen” voranstellt. „Die körperliche Erscheinung dieser merkwürdigen Rasse – die Wahuma von Uganda – die selbst mehr Antheil an der phlegmatischen Natur des semitischen Vaters als an dem nervösen unruhigen Temperament der hamitischen Mutter hat, als ein sicherer Schlüssel zu ihrem sem-hamitischen Ursprung.“423 Speke steht deutlich in einer Übergangsphase. Bei seiner ethnografischen Bestandsaufnahme lehnt er sich auf der einen Seite an die 421 Zitiert nach Karl Weule, Wahuma. In: Heinrich, Schnee (Hrsg.), Deutsches Koloniallexikon…, 1996 III: 656. 422 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 272. 423 John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen…, 1864 II: 276. 166 geschichtstheologische Betrachtungsweise der Bibel, auf der anderen Seite greift er bereits nach den säkularen und naturwissenschaftlichen Erklärungsmustern, wie sie der Darwinismus bot. Beide Momente bedingten einander, der Hamiten-Mythos war die sich daraus ergebende geistige [Miss]-Geburt. Wissenschaftsgeschichtlich gesehen ist Speke in Bezug auf die Genese des HamitenMythos ein Pionier. Für die 1860er Jahre bis in die 1880er Jahre herauf steht sein Reisebericht eigentlich als Ausnahme da. Das ist umso bemerkenswerter, da während dieses Zeitraums eine ganze Reihe ethnografischer Berichte über Afrika vorliegen, meist von deutschen „Pionieren” verfasst. Weder in den Werken Heinrich Barths, weder in jenen von Adolph Bastian oder von Robert Hartmann noch in Bezug auf Speke an Sensation nichts nachstehenden Berichten von Georg Schweinfurth und Wilhelm Junker ist der Hamitenbegriff zu finden. In diese Epoche fällt auch die Wiederentdeckung der Steinruinen von Simbabwe, die bei den Europäern die Vorstellung von einer verloren gegangenen Zivilisation im Innern Afrika erwachen ließ. Mit den Hamiten in Verbindung gebracht hatte Carl Mauch die Ruinen jedoch noch keineswegs. Erst der Wettlauf um die koloniale Erschließung Afrikas, das Zwischenseengebiet und das südliche Afrika im Wesentlichen, wird die Gelehrten-Gemüter um die Suche nach vermeintlichen Hamiten erhitzen lassen. Eine zeitliche Orientierung bietet dahingehend die Berliner Kongokonferenz 1884-1885, die mit ihrem Wirkungsfeld als Katalysator für den “Scramble for Africa” nicht nur die koloniale Aufteilung Afrikas einleitete, sondern auch das Entsenden großangelegter wissenschaftlicher Expeditionen intensivierte. Die Kongo-Konferenz in Berlin bewirkte die Anerkennung des kolonialen Besitztums des belgischen Königs Leopold II. als “état indépendant du Congo”. Gleichzeitig wurden dabei die Einflusssphären der einzelnen europäischen Mächte auf dem afrikanischen Kontinent abgesteckt. Beispielsweise Konferenzabschluss einen erklärte Schutzbrief die deutsche zugunsten Regierung der privaten unmittelbar Erwerbungen nach im ostafrikanischen Hinterland an Carl Peters, wodurch ein “Scramble for Eastafrica” zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien eingeleitet wurde, der sich erst nach Abschluss des deutsch-britischen Helgoland-Sansibar-Vertrages am 1.7.1890 und der Grenzziehungen der beiden kolonialen Territorien “British-East-Africa” und „Deutsch-Ostafrika” legte. Am 1.1.1891 übernahm das Deutsche Reich formell die Verwaltung des Schutzgebietes Deutsch Ostafrika, Dar Es Salaam wird Hauptstadt. Vor dem Hintergrund dieses kolonialen Expansionsszenarios beauftragte die deutsche Regierung 1890 den Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika Hermann von Wissmann [1853-1905] durch eine groß angelegte Expedition bestehend aus 7 Europäern, 150 Soldaten 167 und 400 Trägern,424 die Herrschaft ins Hinterland von Ostafrika weiter auszubauen. Mit der Expeditionsleitung wurde der Gouverneur der Äquatorialprovinz des ägyptischen Sudan Emin Pascha, eigentlich Eduard Schnitzer [1840-1892] betraut, der jedoch während der zweijährigen Expeditionsdauer von arabischen Sklavenjägern ermordet wurde. An seine Stelle rückte der Leutnant der Reserve, Franz Ludwig Stuhlmann [1863-1928], ein junger promovierter Zoologe aus Hamburg und außerordentlicher Bewunderer des „deutschen Mehmed”. Stuhlmann hatte sich mit seinem ganzen Herzen der Kolonialisierung Afrikas verschrieben, obgleich er deren Schattenseiten schmerzhaft am eigenen Leib erfahren hatte: während eines Araberaufstandes erlitt er eine Schusswunde, die ihn für ein Jahr lang an das Krankenbett fesselte. Seine detaillierten Beobachtungen legte er 1894 in „Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika” nieder, einem 900 Seiten umfassenden wissenschaftlichen Monumentalwerk. Es stellt die zweite wichtige Quelle dar, auf die die Hamitentheoretiker bei ihren Entwürfen zurückgreifen.425 Der vom Titel her stark an Georg Schweinfurth erinnernde Bericht betraf die Botanik und Zoologie, vor allem aber die Anthropologie und Ethnografie des ostafrikanischen Hinterlandes, da der Kolonisierung gemäß, wie Stuhlmann eigens hervorhebt, „gerade die Studien über Sitten und Gebräuche der Eingeborenen von größtem Werth sind für diejenigen, die als Kolonialbeamte diese Völker beherrschen wollen.”426 Während Schweinfurts Unternehmung noch von der wissenschaftlichen Humboldt-Stiftung finanziert wurde, lagen nun von Seiten des Berliner Auswärtigen Amtes eindeutige koloniale Interessen vor. Stuhlmanns Auflistung der in Ostafrika angebauten Kulturpflanzen wie Tabak, Sorghum oder Sisal zielte unmissverständlich auf das bald großangelegte koloniale Plantagenwirtschaftsprogramm Deutschostafrikas ab. Ebenso werden die ethnischen Gruppen diesen ökonomischen Gesichtspunkten untergeordnet. Für die Völker am Unyamwesi und des Seengebiets prognostizierte Stuhlmann: „Wo aber der sesshaft machende Ackerbau mit der wohlhabend machenden Viehzucht sich vereint, da ist der beste Boden für eine aufkeimende Kultur […] Es ist sicher kein Zufall, dass gerade im Zwischenseengebiet die geordnetsten Staaten, Wohlstand und ein Industrie sich findet. Kräftig, und aufkeimende kriegerische, viehzüchtende Nomaden einer fremden Rasse haben 424 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika…, 1894: 6. 425 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. Ein Reisebericht von Dr. Emin Pascha, in seinem Auftrage geschildert. Im amtlichen Auftrage der Kolonial-Abtheilung des Auswärtigen Amtes herausgegeben…, 1894. 426 Reinhard Bindseil, Ruanda im Lebensbild des Offiziers, Afrikaforschers und Kaiserlichen Gouverneurs Gustav Adolf Graf von Götzen (1866-1910)…, 1992: 211, besonders das Kapitel „Deutsche Forschungsreisende in Ruanda 1890-1914”. 168 sich mit den fleißigen, konservativen Ackerbauern vereint.”427 Der von Speke erstmals ausformulierten ethnologischen Überschichtungstheorie kommt nun bei Stuhlmann ein kolonialpolitisches Entwicklungsprogramm zu. Einige Jahrzehnte später wird es Richard Thurnwald sein, der anhand Stuhlmanns Reisebericht seine funktionalistische Ethnosoziologie erstellt. Der ehemals geschichtstheologische Aspekt bei der ethnografischen Bestandsaufnahme ist bei Stuhlmann gänzlich verschwunden. Das Adverb hamitisch bezeichnet nun mit einem Mal Werte wie Fortschritt, Reichtum, Herrschaft und Staatenbildung, die einem vereinfachten dualistischen Denkschema gemäß der Rückständigkeit, Armut und Bauernkultur gegenübergestellt werden und allgemein mit dem an und für sich unwissenschaftlichen Begriff „Bantu-Neger” umrissen wird. Aus seiner Sicht ergibt sich daher die naheliegende Konsequenz: „Die hamitischen Völkerschaften sind stark von den Negern zu trennen. Ihre schlanke Gestalt, ihre schmalen Gesichter und Nasen und vor allen die vollkommen abweichende Haarbildung (seidenartig lockig, nicht spiralig gedreht) charakterisiert sie. Hierdurch nähern sie sich viel mehr den Semiten als den Negern.”428 Ungewöhnlich für einen deskriptiven Reisebericht entwickelte Stuhlmann dahingehend ein ethnisches Klassifikationsschema, das er im Anhang auflistet. Wenn Stuhlmann von „Bantu”, „Niloten” und „Hamiten” spricht, dann bezeichnen diese keine sprachlichen Einheiten mehr, sondern Begriffe anthropologischen Inhalts. Also auch bei Stuhlmann ist die klare Absage an Friedrich Müller festzustellen. Ähnlich wie Speke geht Stuhlmann bei seiner Vorgehensweise apriori von rezenten Mischtypen aus, wobei er der fiktiven Annahme unterliegt – ähnlich wie de Gobineau –, dass jene in unbestimmter Zeit zurückliegend unvermischt vorgelegen haben müssen. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob die rezenten „Hamiten” semitisch oder bantuid vermischt sind. Da semitisch und bantuid jedoch keine anthropologische, sondern sprachliche Größen darstellen, kommt es hier zu einer Vermischung zweier vollkommen unterschiedlichen Inhalte – ein Grundzug, auf dem der Hamiten-Mythos seine Wurzeln schlagen konnte. Wenn Stuhlmann von „Wahúma” spricht, für ihn die „Hamiten” par excellence, dann ist das glatte Fiktion, die auf dieser Verwechslung beruht. Darüber hinaus verwendet Stuhlmann, wie Speke und Meyer ebenso, „Wahúma” als einen überethnischen Begriff, dem keinerlei empirische Grundlage zukommt. „Von Nordost aus drangen in diese Gebiete hamitische Völkerschaften ein”, führt Stuhlmann aus, „die wir mit dem Sammelnamen Wahúma bezeichnen und die offenbar in mehreren Völkerwellen eingewandert sind.”429 Bezeichnenderweise benutzt Stuhlmann für 427 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika…, 1894: 855-856. 428 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika…, 1894: 845. 429 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika…, 1894: 842. 169 Wahuma auch den Begriff „Bantu-Hamiten”, weil jene sich keiner Hamiten-, sondern einer Bantusprache bedienen. Hier kommt also das eigene Missverständnis vom rezenten „hamitisch-bantuiden Mischtypus” offen zum Vorschein. Hätte Stuhlmann den von Bleek eingeführten sprachlichen Begriff Bantu auch so verwendet, wäre niemals ein derartiger fiktiver Mischtypus entstanden. Es war Stuhlmann, der für am Nil lebenden Menschen mit dem anthropologischen Begriff „Hamito-Niloten” zusammenfasste,430 also ebenso ein fiktives „Mischvolk”, das dann in späterer Folge von Bernhard Struck [1888-1971], einem in Jena tätigen Afrikanisten und Anthropologen, sprachwissenschaftlichen Begriff erfuhr. 431 die Umkehrung zu einem Allein diese Begriffskonstruktionen geben ein Beispiel dafür ab, wie willkürlich hier vorgegangen wurde. Das von R. Kiepert beigefügte Kartenmaterial, gibt einen anschaulichen karthografischen Überblick auf das von Stuhlmann entwickelte ethnische Klassifikationsschema, im Übrigen ein weiterer Grund, warum auf Stuhlmann derart oft zurückgegriffen wird. Die Teilnahme an einer solchen „öffentlichen” Unternehmung schaffte für einen promovierten Zoologen günstige Bedingungen, sich mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Ostafrika als Professor an einer deutschen Universität empfehlen zu können. Für Stuhlmann eröffnete sich alsbald eine steile Karriere innerhalb der kolonialen Institutsgründungen. Er trat in den Kolonialdienst ein und wurde Referent für Landwirtschaft und Landesvermessung beim Gouvernement in Dar-Es Salaam. 1903 avancierte er zum ersten Direktor der neugegründeten landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Amani zur Förderung der Plantagenwirtschaft und des Kaffeeanbaus. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland bekleidete er 1908 das Amt des kommissarischen Generalsekretärs des neugegründeten Kolonialinstituts in Hamburg. Sein Hauptwerk „Handwerk und Industrie in Ostafrika” (1910), eine bereits von der ethnologischen Kulturkreislehre beeinflusste konzipierte Arbeit, gab den Auftakt zur Hamburger Kolonialschule.432 Von der gebietsmäßig flächendeckenden Vorgehensweise ist es vergleichbar mit der des Internationalen AfrikaInstituts [IAI] in London433 nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem entscheidenden 430 Franz Ludwig Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika…, 1894: 846; 849. 431 Bernhard Struck, Skizze der hamitischen Sprachkarte in Aequatorial-Ostafrika…, 1911. 432 Franz Ludwig Stuhlmann, Handwerk und Industrie in Ostafrika. Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts…, 1910 I. 433 Unter der Leitung von Daryll Forde, Direktor des IAI, entstanden ab 1950 82 funktionalistische Monografien zu Afrika, die acht Regionalgebieten zugeordnet wurden: 1) Western Africa; 2) French Series; 3) North Eastern Africa; 4) Eastern Central Africa 5) Madagaskar 6) Western Central Africa; 170 Unterschied, dass erstere kulturhistorisch und zweitere funktionalistisch ausgerichtet war. Als 1921 die Umwandlung in ein selbständiges wissenschaftliches Institut als „Hamburgisches Welt-Wirtschaftsarchiv“ erfolgte, wurde Stuhlmann zum ersten Direktor ernannt. Die intensive Nutzung der Baumwoll- und Sisalplantagen an der Ostafrikanischen Küste erforderte eine entsprechende Organisation, vor allem aber ausgebildetes Personal. Zu diesem Zweck wurde 1899 die Kolonialschule Wilhelmshof zu Witzenhausen bei Kassel gegründet. Ihr Geschäftsführer war Prof. E. A. Fabarius, dessen Aufgabe es war, junge und wagemutige Männer zwischen 17 und 27 Jahren in einer 2-3jährige Vorbereitungszeit zu Wirtschafts- und Plantagenbeamten auszubilden. Der deutschnationale Geist beherrschte die Aufbruchsstimmung: „Mit Gott für Deutschlands Ehr’ – Daheim und über Meer!”, lautete der Leitspruch der Auszubildenden. Ihr Schutzherr war Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg. „Durch Massailand zur Nilquelle” (1894), verfasst vom österreichischen Geografen Oskar Baumann, ist als ostafrikanischer Reisebericht die dritte wichtige Quelle, worauf Hamitentheoretiker zurückzugreifen pflegen.434 Ähnlich wie Stuhlmann fügte Baumann seinem deskriptiven Reisebericht auch einen wissenschaftlichen Anhang bei, worin er seine detaillierten ethnografischen Beobachtungen zu einem ethnologischen Theoriengebäude ausbaut. Die Ähnlichkeit in der Konzeption zu Stuhlmann ist geradezu auffällig. Aus den Fußnoten ihrer Werke ist zu ersehen, dass sich beide Autoren gegenseitig in ihren Formulierungen stützten. Die beinahe Gleichaltrigen hatten einander 1889 auf Sansibar435 kennengelernt und ihrem Interesse Afrikas entsprechend entwickelte sich alsbald eine innige Freundschaft. Der gravierende Unterschied zwischen den beiden Pionieren lag jedoch in den nationalen Interessen, die sie zu vertreten hatten. Während das Deutsche Reich bestrebt war, eine ostafrikanische Siedlungskolonie nach britischem Vorbild aufzubauen, spekulierte die österreich-ungarische Monarchie eher mit den aus dem kolonialen Handel resultierenden Gewinnen, wie Oskar Baumann prägnant in einem Aufsatz kurz vor seinem Antritt als österreichischer k.k. Konsul [1896] auf Sansibar auf den Punkt bringt: „Mögen Andere Flaggen hissen, Kriege führen und Afrika regieren, so viel sie Lust haben: Wir Österreicher 7) Congo 8) Southern Africa; Daryll Forde war von 1948 bis 1972 Herausgeber der Zeitschrift „Africa“. 434 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle. Reisen und Forschungen der Massai-Expedition des deutschen Antisklaverei-Komite in den Jahren 1891-1893…, 1968: 149. 435 Stellungnahme in Oskar Baumann, In Deutsch-Ostafrika während des Aufstandes. Reise der Dr. Hans Meyer’schen Expedition in Usambara…, 1890: 26. 171 wollen nichts Anderes als unseren Antheil an dem Gewinne, den das grosse afrikanische Geschäft für Europa abwerfen wird.”436 Mit dem unerwartet frühen Tod Oskar Baumanns 1899 versandeten die diplomatischen Verbindungen Österreichs mit Deutsch-Ostafrika. Und die damit einhergehende Adaptierung der hier offen zu Tage kommenden habsburgischen Heiratspolitik hin zu einer gewinnbringenden pragmatischen kolonialen Handelspolitik ging nicht in Erfüllung. Der gebürtige Wiener Oskar Baumann [1864-1999] war ein kühner Abenteurer, wie es im Buche steht. Schon im Alter von neunzehn Jahren unternahm der Sohn eines hohen BankBeamten seine erste Forschungsreise. 1883 ging er nach Montenegro, erkundete das Dormitorgebirge. Seine Ergebnisse überraschten die Fachwelt in Wien so sehr, dass ihn Oskar Lenz zwei Jahre später als Topografen für seine österreichisch-ungarische Kongoexpedition engagierte. Als der 24jährige an der Universität Leipzig mit einer geografischen Arbeit über die Bube in Fernando Poo promoviert, hatte er bereits zwei Afrikareisen hinter sich. Sein akademischer Lehrer, Friedrich Ratzel, brachte ihm den makroskopischen Blick der Anthropogeografie bei, seine Liebe zur Wiedergabe naturgetreuer ethnografischer Details – ein Wesenszug seiner Reisebeschreibungen – erlangte er direkt aus der Praxis, infolge seiner ausgedehnten Reisen in Gebiete, in die sich noch kein Europäer vorgewagt hatte. In Leipzig hatte er auch Hans Meyer [1858-1928] kennengelernt, reicher Sprössling aus der sächsischen Verlagsfamilie, der durch seine Erstbesteigung des Kilimandscharo 1888 gemeinsam mit dem Tiroler Alpinisten Ludwig Purtscheller [1849-1900] bekannt geworden war.437 Bei einer Expedition ins ostafrikanische Hinterland wurden Baumann und Meyer in den Araberaufstand verwickelt. Die deutsche Kolonialregierung war gegen arabische Sklavenhändler aggressiv vorgegangen, um deren florierenden Karawanen-Handel mit Menschen zu bekämpfen. Im Namen der „Pazifizierung” sollte das Sklavenhändlerreich Tippo Tips, einem der berüchtigsten Drahtzieher im Hinterlande, zerschlagen werden. So stand Baumanns am 15. Jänner 1892 von Tanga aus gestartete Massai-Expedition unter der Flagge des Deutschen AntisklavenKomitees (mit Sitz in Koblenz), welches reichlich finanzielle Mittel dem etwa 200 Mann starken Expeditionskorps beisteuerte. Freilich standen hinter einem solchen Unternehmen auch koloniale Interessen. Das Unternehmen als Ganzes unterstand der „EisenbahnGesellschaft für Deutsch-Ostafrika”. Als Ziel galt es vor allem die „kriegerischen Massai” im Hinterland zu erkunden, um sie für das nationalstaatliche Interesse zu gewinnen. 1891, 436 Oscar Baumann, Österreichisch-Ungarische Interessen in Ostafrika. Monatszeitschrift für den Orient 21, 1-2, 1895: 4. 437 Hugo Hassinger, Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde…, 1949: 158. Österreichische 172 also ein Jahr zuvor, hatte nämlich eine Viehseuche in ganz Ostafrika gewütet, die die meisten Viehzüchtergesellschaften ihrer Existenzgrundlage beraubte. Ohne ihre Rinderherden waren die Massai verarmt, ohne rasche Kenntnisse über den Ackerbau waren sie dem Hungertod ausgeliefert. Viele der einst stolzen Krieger mussten sich mittels Jagd oder kleinen Diebstählen durchbringen, „die Weiber, Kinder und Greise”, wie Baumann die allgemeine Lage der Massai schildert, „waren aber dem Elend völlig preisgegeben.”438 Baumann wollte jedoch bis nach Urundi, „von dem bisher nur dunkle Gerüchte ins Ausland gedrungen waren, und nach Ruanda, „jenes Fabelland, von dem viele Reisende gehört, das aber noch keiner betreten hat.”439 Ein solches Unterfangen galt als nicht ungefährlich, so war die Mannschaft neben Provisionskisten und Tauschwaren auch ausreichend mit Hinterladern und Munition ausgerüstet. Als die Mannschaft nach dreizehnmonatigem und 3500km langem Fußmarsch wieder an der Ostküste in Pangani ankam, waren 38 von ihr gewaltsam ums Leben gekommen, 5 davon allein im Massailand.440 Vielleicht waren es gerade diese gewaltsamen Zusammenstöße mit den „verarmten Viehzüchtern”, die Baumann dazu verleiten ließ, rückblickend die Menschen in Ostafrika zu idealisieren. Über die Massai schreibt Baumann: „Im allgemeinen machen die Massai den Eindruck eines hamitischen Stammes, der in verschiedenen Gegenden mehr oder weniger starke Blutmischungen mit Bantu erhalten hat.”441 Als Kriterium zählt Baumann eine Reihe körperlicher Erscheinungsbilder auf: „Die Massai sind meist hochgewachsen, schlank und langbeinig. Ihre Körperformen sind selten voll, sondern auch bei Männern vielfach zart und weibisch, doch oft von grosser Schönheit. Dennoch besitzen sie bedeutende Muskelkraft und Ausdauer.”442 Baumann nennt dies den „reinen Hamitentypus”, der sich geradezu gegensätzlich zu den „vielfach untersetzten Leuten [Bantu] mit oft thierisch hässlichen Gesichtszügen”443 abhebt. Darüber hinaus kennt Baumann auch das Klassifikationsschema nach Haaren, das er von Haeckel und Müller übernommen hatte: „Häufig trifft man sogenanntes Hamiten-Haar bis zur Länge von ca. 1 cm völlig glatt und bekommt dann erst eine leichte Kräuselung, die an die Kraushaare mancher Europäer erinnert. Beim echten Wollhaar erscheinen dagegen die ersten Haaransätze gekräuselt. Dieses an der Küste bei Mischlingen von Arabern und Negern nicht seltene Hamiten-Haar findet sich bei den 438 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 157. 439 Hanne Egghardt, Österreicher entdecken die Welt…, 2000: 160. 440 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: Mannschaft der Massai-Expedition. 441 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 158. 442 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 158. 443 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 167. 173 Plateau-Massai häufig, etwas seltener bei jenen des Tieflandes die häufig Wollhaare haben.”444 Die kritische Durchsicht der Kolonialliteratur hat oft zu der Behauptung geführt, dass die damaligen Forschungsreisenden und Kolonialbeamten mangels an Lokalwissen bei ihrer Einteilung nach Ethnien oft willkürlich vorgegangen waren. Baumann wäre dafür sicher kein Präzedenzfall. Baumann konnte fließend Swahili und hatte eine Reihe von Dolmetschern angestellt, die ihm profundes Wissen über die Lokalgruppen vermittelten. Wer seinen detaillierten Bericht in den Händen hielt, kann Baumann sicher diesen Vorwurf nicht machen. Vielmehr erinnern seine aus seinem gesammelten ethnografischen Material gezogenen Schlussfolgerungen daran, wie sehr er als Forschungsreisender in den damaligen Theoriediskurs verstrickt war. Baumanns Zusammenfassung über seine Massai-Hamiten lautete: „Nach den Ergebnissen der Forschung ist der Ursprung der Hamiten in Asien zu suchen, von wo sie vor der Einwanderung der alten Egypter nach Afrika zogen. Das Volk der Pharaonen trat 5000 Jahre vor Cush mit einem Kulturzustand in die Geschichte ein, der bereits auf eine uralte Entwicklung im Nilthale schliessen lässt. Vor wie vielen Jahrtausenden mag also die Einwanderung der Egypter aus Asien erfolgt sein, in welch’ grauer Vorzeit mögen erst ihre Vorläufer, die Hamiten und gar deren äußerste Zweige, die Fulbe einerseits, die Wafiomi andererseits, die große Völkerbrücke am rothen Meere überschritten haben?!”445 1892 noch hatten Ludwig von Höhnel und Samuel Teleki von Szék, Entdecker des Rudolph- und Stephanie-Sees, die Massai noch als nilotisches Volk beschrieben.446 Um die ethnische Zuordnung der Massai entstand geradezu ein Expertenstreit. Etwa ein Jahrzehnt später behauptete der Schlesier Moritz Merker [18671908], Hauptmann der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, nach eingehenden Studien, dass die Massai nicht von den Hamiten, sondern direkt von den alten Hebräern abstammen. Als Semiten wären sie noch vor 5000 v. Chr. direkt aus Vorderasien herübergewandert.447 In der ersten Ausgabe des 1910 begründeten Organs der deutschen Kolonialgesellschaft Koloniale Rundschau wird auch das Verlagsverzeichnis von Dietrich Reimer angeführt: „Merker führt uns ein Volk vor, dessen strenger Monotheismus es weit über den Standpunkt aller uns bisher bekannten afrikanischen Naturvölker emporhebt, dessen Sitte und Lebensweise uns 444 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 158. 445 Oskar Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle…, 1894: 195. 446 Ludwig von Höhnel, Zum Rudolph-See…, 1892: beigelegte ethnografische Karte. 447 Moritz Merker, Die Masai. Ethnographische Monographie eines ostafrikanischen Semiten- volkes…, 1904. 174 lebhaft an die Erzväter des Alten Testaments erinnern.“448 Derjenige der dieser Auffassung am vehementesten entgegentrat, war Karl Weule, Mitgestalter des Deutschen KolonialLexikons [1919]. Darin heißt es: „Diese Hypothese ist durch nichts begründet und allseitig zurückgewiesen worden.” Seiner Ansicht nach waren die Massai auch asiatischen Ursprungs, jedoch keine Semiten sondern Hamiten.449 1930 ordnete Pater Wilhelm Schmidt die Masai-Gruppen - Weule folgend - den Hamiten zu.450 Andere Reiseschriftsteller wiederum gingen bei ihren Schlussfolgerungen weit vorsichtiger vor und enthielten sich dieser waghalsigen Theorien. Graf Gustav Adolf von Götzen, der 1895 auf Baumanns Spuren eine aus eigenen Mitteln finanzierte Expedition in das Hochland von Ruanda leitete, schrieb über die Herkunft der Hamiten: „Die Hauptschwierigkeiten, auf die man bei allen Erkundungen nach früheren Zeiten und Ereignissen stößt, ist das mangelnde Verständnis der Eingeborenen für Zeitbegriffe. Wir erfahren so zwar von großen Wanderungen hamitischer Völker aus Abessinien und den Galla-Ländern, die mit zahllosen Herden grosshörniger Rinder nach Südwesten zogen und sich die Länder zwischen den großen Seen unterwarfen. Ob aber diese Umwälzungen 200, 500 oder 1000 Jahre zurückliegen, wird sich sehr schwer oder gar nicht feststellen lassen. Ein mächtiges Reich, Kitara, von dem schon Speke erzählt, hat jedenfalls bestanden. Die dort herrschende Dynastie nannte sich die Wakintu, von denen auch die Könige von Uganda ihre Herkunft ableiten. Und wenn wir nun aus den alten Sagen der Waganda hören, dass der erste Kintu von Norden her kam, dass er in allen seinen Massen eine übermenschliche Erscheinung war, müssen uns da nicht unwillkürlich die riesigen Gestalten des Kigeri und seiner Großen in den Sinn kommen, dieser Leute, die in ihrer äußeren Erscheinung so ganz anders sind, als die Bewohner des Landes, das sie beherrschet, und die mit ihren Körpermassen in unsere heutige Zeit gar nicht mehr zu passen scheinen?“451 Eine Theorie, die sich vor allem auf die äußere Erscheinungsform von Menschen stützt, macht ein präzises Dokumentationmaterial erforderlich „Hamitengesichter” festzuhalten. Daher stellte die Fotografie in dieser Hinsicht wohl das geeignetste Instrument dar. Einzelne solcher als Hamiten bezeichneten Fotoporträts tauchen kurz nach der Jahrhundertwende in der Reiseliteratur auf, die dann als Beleg in der Sekundärliteratur weiter Verwendung finden. 448 Koloniale Rundschau 1, 1, 1910; begründet von Ernst Vohsen; Schriftleitung Dietrich Westermann. 449 Der britische Panägyptologismus erblickte bei den Massai altägyptische Kultureinflüsse; siehe [Abb. 36]. 450 Wilhelm Schmidt, Sind die Masai Semiten? MAGW 60, 1930: 331-342. 451 Graf von Gustav Adolf Götzen, Durch Afrika von Ost nach West…, 1895: 187. 175 Das von den Hamitentheoretikern am häufigsten herangezogene Bild eines „Hamiten” ist wohl eine Porträtaufnahme des Mhima-Sultan Kissilerobo aus Mpóroro im heutigen Ruanda. Vielen Hamitologen diente es dazu, ihre Vermutungen über die Hamiten erhärten zu lassen. Es taucht in schier unzähligen Werken auf, nur die namhaftesten seien hier erwähnt. Felix von Luschan zog es in seinem bekanntgewordenen Werk über die Hamiten heran, genauso der Hamburger Anthropogeograf Siegfried Passarge sowie die Kulturkreistheoretiker Wilhelm Schmidt452 und Hermann Baumann.453 In der einschlägigen kolonialen454 und nationalsozialistischen Literatur nahm es einen standesgemäßen Platz ein [Abb. 31]455, selbst in rezenten deutschsprachigen Reiseführern zu Ostafrika begegnet es noch.456 „Mit ihrer riesigen Körpergröße von 2 m und mehr”, so dokumentierte Karl Weule 1912 das Kissilerobo-Porträt, „und durch das scharfe, fast semitisch geschnittene Gesicht […] erscheinen sie beinahe ebenso afrikafremd wie dessen weiße Herren von heute auch.”457 Im selben Jahr kommentiert Felix von Luschan die Aufnahme von Weiss: „Viele von ihnen sehen geradezu wie alte Ägypter aus und wenn man eine größere Zahl von guten Photographien von ihnen dokumentiert, hat man immer den Eindruck, als wären alte Pharaonen aus ihren Gräbern wieder auferstanden. […] Ich kann niemals die Weiss’schen Aufnahmen zur Hand nehmen, ohne nicht immer von neuem über die sonst ganz beispiellose Schlankheit der Hima zu staunen und über deren situs viscerum nachzudenken.”458 Zwei Jahrzehnte später findet sich bei von Eickstedt folgende Eintragung: „Der ganze Gesichtsschnitt erinnert sogar oft auffallend an altägyptische, zum Teil historisch bekannte Personen. So ähnelt, worauf schon v. Luschan aufmerksam machte, der Massai-Sultan 452 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 333; als Beispiel für das „absolute Königtum”. 453 Hermann Baumann, Völker und Kulturen Afrikas. In: Hermann Baumann; Richard Thurnwald; Dietrich Westermann, Völkerkunde von Afrika…, 1939: 64: Tafel V, 2. 454 Karl Weule, Wahuma. In: Heinrich, Schnee (Hrsg.), Deutsches Koloniallexikon…, 1996 III: 656. 455 Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde des deutschen Volkes…, 1924: 460; vgl. dazu „Rasse, unverändert durch Jahrtausende”, aus der nationalsozialistischen Zeitung Märkischer Adler (7.6.1936), in der Kissilerobo als „ägyptisches Gesicht” das Zwischenglied im Vergleich zwischen antiken und zeitgenössischen arischen Rassenköpfen einnimmt; zitiert in George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa…, 1990 [am. Orig. 1978]: 139. 456 Michael Köhler (Hrsg.), Ostafrika. „Richtig Reisen”. Reisehandbuch…, 31991: 418; der US- amerikanische Reprint-Verlag “Johnson Reprint Coporation” gab „Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas” 1971 neu heraus. 457 Karl Weule, Leitfaden der Völkerkunde…, 1912: 84. 458 Felix von Luschan, Hamitische Typen…, 1912: 251. 176 Kissilerobo von Mpóroro ganz auffallend den Abbildungen von Pharao Seti I. Auch Minephta I. zeigt diesen Typus […]. Magere Massai können schreckend an altägyptische Mumien erinnern” [Abb. 30].459 Bei dieser Fülle von Beschreibungen ist es geradezu erstaunlich, dass keine biografischen Angaben über Kissilerobo vorliegen. Die Porträtaufnahme stammt von Max Weiss [geb. 1874], einem deutschen Vermessungs-Fotografen, der als Schutztruppensoldat nach Deutsch-Ostafrika abkommandiert worden war [Abb. 1]. Die deutsche Kolonialregierung hatte eine wissenschaftliche Expertengruppe bestimmt, die deutsch-britischen Kolonialgrenzen Ostafrikas zu vermessen. Das Ziel der „Zentralafrikanischen Expedition” war es auch, eine umfassende fotografische Bestandsaufnahme sämtlicher „Völkerstämme Ostafrikas” aufzunehmen. Als ausgebildeter Topograf und Trigonometer schien Max Weiss für diese Aufgabe prädestiniert, zumal er bereits 1907/08 bei der großangelegten DeutschZentralafrikanischen Expedition unter der Leitung con Adolph Friedrich, Herzog zu Mecklenburg, diese Tätigkeit durchgeführt hatte. Auch damals bildete die Frage nach dem anthropologischen Erscheinungsbild der Hamiten eine wichtige Rolle. Anhand der 4500 vermessenen Leuten, von denen auch 36 Gipsabdrücke genommen wurden, und den 1017 eingesammelten Schädeln im östlichen Kongogebiet460 konnte das Ergebnis für das Hochland Ruandas bereits vorweggenommen werden: „Die Prodentie ist charakteristisch beim Hirtenadel im Zwischenseengebiet.”461 Der anthropologische Leiter Jan Czekanowski diagnostizierte, dass „die Barundi-Staaten (Urundi, Ruanda und Uha) durch die Herrschaft des hamitischen Adels charakterisiert, der somatisch zwar recht gut erhaltenen, linguistisch jedoch vernegert wäre.”462 Der Initiator des anthropologischen Folgeunternehmens war der damalige Direktor des Berliner Völkerkundemuseums, Felix Ritter von Luschan, der in Zusammenarbeit mit Carl Meinhof nach „Hamitentypen” im noch nicht erschlossenen Hochland des 459 Egon von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…, 1934: 498. 460 „Die anthropologisch-ethnographischen Ergebnisse stellen sich wie folgt: Es wurden im ganzen 1017 Schädel und zirka 4000 Ethnografica gesammelt, 4500 Leute gemessen, 700 fotografische Aufnahmen gemacht, von 36 Leuten Gipsmasken genommen (darunter von 8 Batwa und 5 Wambutti), sowie endlich 87 Phonogramme und 37 Sprachen aufgenommmen.“ Jan Czekanowski, Forschungen im Nil-Kongo-Zwischenseengebiet… In: Jan Czekanowski (Hrsg.), Wissenschaftliche Ergebnisse…, 1911 VII: 475; siehe auch ZfE 5, 1909. 461 462 Jan Czekanowski (Hrsg.), Wissenschaftliche Ergebnisse…, 1911 VII: 4. Jan Czekanowski, Forschungen im Nil-Kongo-Zwischenseengebiet… In: Jan Czekanowski (Hrsg.), Ethnographie-Anthroplogie III. Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Zentral-AfrikaExpedition 1907-1908 unter der Führung Adolf Friedrichs, Herzog zu Mecklenburg…, 1911 VII: 3. 177 Zwischenseengebiets Ausschau hielt. Wertvolles anthropologisches Bildmaterial von den hochgewachsenen Tutsiführern sollte die bisherigen Mutmaßungen über die Hamiten bestätigen. Während dieser Expedition, die wiederum Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg leitete, entstanden mehr als 2000 Fotoplatten, Gruppen- und Porträtaufnahmen, wovon 358 Abbildungen und davon 21 ganzseitige Tafeln als „Völkerstämme Ostafrikas” gedruckt wurden. Für die Finanzierung des reich illustren Werkes kamen Herzog Albert und die Königliche Gesellschaft zu Göttingen auf. Auch die Firma Busch beteiligte sich als Sponsor, da sie für die Expedition wertvolle Fotoobjektive zur Überprüfung für deren Tropentauglichkeit zur Verfügung gestellt hatte. „Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas”, 1910 vom Merschner Verlag in Berlin herausgegeben, war zunächst als ethnologisches Bilderbuch gedacht. Weiss bestand jedoch auf eine fachgerechte Annotierung. Der dem Expeditionsgenre entnommene Stil ist deutlich mit einer markanten Militärsprache durchsetzt, die die herrschaftlichen Attituden der Watutsi unterstreichen soll. Durch das Hervorheben ihrer hochgewachsenen und athletisch gebauten Körper wird der Eindruck erweckt, dass es sich bei der WatutsiAristokratie durchwegs um „geborene Führer” handele, die sich als „Fremde” über die ackerbautreibenden Gruppierungen gestellt hätten. Weiss war in die zeitgenössischen Spekulationen über die Genese der Hamiten informiert. Er kannte das umstrittene Werk über die Massai des kurz zuvor verstorbenen Hauptmann Merker; auch Franz Stuhlmann war ihm ein Begriff, da dieser drei Jahre zuvor in der gleichen Gegend eine Expedition geleitet hatte. „Sind die Wahima Semiten oder Hamiten?”, mit diesem Satz eröffnet Weiss seinen dem Bildband beigefügten Textteil, mit dem Zusatz: „Diese Frage ist bis heute von den Fachgelehrten noch nicht gelöst. Man wird aber wohl in der Annahme nicht fehlgehen, dass die Wahima keine in Afrika eingeborenen Neger sind, sondern ein fremdes, hier erst eingedrungenes Element.“463 Max Weiss erwies sich als begabter Fotograf, wie er auch seine genialen Werbestrategien unter Beweis stellen konnte: er veranlasste nämlich, das in fotografischer Hinsicht beeindruckende Porträt des Kissilerobo als Blickfang für den Schutzumschlag seines Werkes zu wählen. Dabei entspricht die Profilaufnahme des Mhima gänzlich dem anthropologischen Typendenken seiner Zeit. Das weitere aufgenommene Bildmaterial zeigt, dass Weiss vor seiner Abreise von Luschan anthropologische Instruktionen erhielt. Zum Porträtprofil des Kisselerobo fügte Weiss folgenden Kommentar an: „Wie nachstehende Abbildungen es verdeutlichen, sind die Wahima (Watussi) typische Langschädel. Als Stammvater der semitischen Völker gilt der homo mediterraneus, die Mittelmeerrasse: Langschädelmenschen mit edler Gesichtsbildung, schlankem Wuchs, 463 Max Weiss, Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas…, 1910: 1. 178 schwarzem, oft krausem Haar, mit braunen Augen und einer bald helleren, bald dunkleren Hautfarbe. Haben wir in diesem homo mediterraneus auch den Stammvater der hamitischen Völker zu erblicken?“464 Für von Luschan galt diese Vermutung jedenfalls als eine festgeschriebene Tatsache. Noch im selben Jahr legte dieser dem Profil des Kisserelobo eine Seitenansicht der Schädelmumie des ägyptischen Pharaoh Ramses II. hinzu, um den historischen Bezug seiner Behauptung zu untermauern bzw. seiner atavistischen Lehre Geltung zu verschaffen [Abb. 27].465 Die einstige Auffassung Friedrich Müllers „Sprache als Rassemerkmal” zu nehmen, sollte mit beispielgebendem Bildmaterial widerlegt werden. Denn im Gegensatz zu den Rassemerkmalen, so heißt nun das wissenschaftliche Credo, „wechsle der Mensch die Sprachen, wie er seinen Rock wechselt” – Rassemerkmale dagegen blieben erhalten.466 Weiss lässt die Wahima über die Landenge von Suez einwandern, um sie dann nilaufwärts bis ins Herz von Afrika vorzudringen zu lassen, wo sie dann die dort wohnenden Völker niederwerfen und die Herrschaft dieser Gebiete an sich reißen. Resümierend schließt Weiss seinen Bildband: „Bevor anderes Beweismaterial vorliegt, folge ich der Ansicht derer, die das Volk der Wahima (Watussi) als ein hamitisches, die Masai als Semiten und die Bantu als reine Neger bezeichnen.“467 464 Max Weiss, Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas…, 1910: 2. 465 Felix von Luschan, Hamitische Typen…, 1912: Bildanhang. 466 Max Weiss, Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas…, 1910: 2. 467 Max Weiss, Die Völkerstämme im Norden Deutsch-Ostafrikas…, 1910: 1. 179 4. Die Hamiten im Licht der ethnologischen Kulturhistorie Aus der Tatsache, dass in Kulturen räumlich und zeitlich weit auseinander liegender Ethnien oft überraschende Ähnlichkeiten festzustellen sind, haben sich in der deutschsprachigen Ethnologie zwei Denkrichtungen entwickelt, die lange Zeit im Zwiespalt zu einander standen. Nach der Lehre Adolf Bastians vom Elementargedanken waren unter der Voraussetzung einer unilinearen Menschheitsentwicklung bei der Übereinstimmung der Menschlichen und Natur- und Geistesanlagen auf gleicher Kulturstufe notwendigerweise auch gleichartige Kulturverhältnisse zu erwarten. Dem gegenüber stand der diffusionistische Erklärungsversuch, der seit den anthropogeografischen Arbeiten Friedrich Ratzels die Kulturparallelen durch Wanderungen und Entlehnungen zu erklären versuchte. Anhand des Vergleichs von Objekten wollten sie als kulturhistorische Methode auf den schriftlosen Teil der Menschheit ausweiten. Beide, sowohl Evolutionismus als auch Diffusionismus strebten nach einer Universalgeschichte. Der Diffusionismus ist aus der empiristischen Reaktion auf die ethnografisch zu wenig abgesicherten Spekulation des Evolutionismus hervorgegangen und hat die ethnologische Theorie von etwa 1910 bis 1925 beherrscht. Die meisten seiner Hauptvertreter waren Museumsethnologen, die von den Fortschritten der historisch-kritischen Methode im 19. Jahrhundert beeinflusst waren. Das Ende des 19. Jahrhunderts war durch die Suche nach geschichtlichen Übertragungen und Verbindungen geprägt. Als Kontaktformen erkannte man Völkerwanderungen, Nachahmungen, Entlehnungen, Krieg und Handel. Es war dies die Zeit des Historismus, für den, wie Leopold Ranke sagte, jede Epoche unmittelbar zu Gott sei. Dieses relativistische Geschichtsbild konnte auf die Kulturen übertragen werden, weil der Fortschrittsglaube in die Krise gekommen war. Ein substantielles Axiom der diffusionistischen kulturhistorischen Methode bildete der „Survival”-Begriff, der 1865 von Edward Burnett Tylor in die Ethnologie eingeführt wurde, für die Bezeichnung von bestimmten überlebenden Kulturelementen aus älteren Kulturen, die sich in isolierten Resten in jüngeren Kulturen erhalten haben.468 Diese Grundannahme setzte die hohe Konstanz kultureller Phänomene voraus, derzufolge man aus der Gegenwart weit in die Vergangenheit zurückschließen könne. Das bedeutet dann auch, dass aus räumlichen Verteilungen zeitliche 468 Edward Burnett Tylor, Researches into the Early History of Mankind…, 1865 I; Felix Liebrecht führte 1873 in Anlehnung Tylors den Begriff „Überlebsel” ins Deutsche ein. Vgl. „Zur Culturgeschichte” ZfE 4, 1873: 77-105; die Evolutionisten bauten auf dem Leibniz’schen Axiom auf, dass sich die Natur nie sprunghaft verändere; siehe auch Margaret T. Hodgen, The Doctrine of Survivals…, 1935. 180 Abläufe abzulesen möglich ist. Die zweite wichtige Grundannahme war die Seltenheit von Innovationen, das auf dem Axiom der Ideenarmut, und dem Mangel an schöpferischer Spontaneität basiert. Kulturelle Übereinstimmungen infolge von Umwelteinflüssen wurden dabei eher vernachlässigt. Der Diffusionismus vertritt einen mechanizistischen 469 Kulturbegriff , demnach Kulturen aus Elementen zusammengesetzt sind, die sich ohne Rücksicht auf ihren Kontext leicht voneinander trennen und neu kombinieren lassen. Seit 1925 wurde diese Ausrichtung durch organizistische Theorien (Funktionalismus) an der Feldforschung verdrängt. Ideengeschichtlich gehen beide Ansätze eigentlich auf den Dresdner Bibliothekar Gustav Klemm [1802-1867] zurück, dem Autor des 10bändigen Monumentalwerks „Kulturgeschichte der Menschheit” (1843-1853). Klemm war derjenige, der noch vor de Gobineau für die kulturgeschichtliche Betrachtung die geografische Ordnung aufgab und anstelle dessen die Menschheit in passive und aktive Rassen einteilte. Bedeutung erlangte Klemm auch dadurch, dass er diese Einteilung zu einem kulturgeschichtlichen Museumskonzept ausbaute.470 Diesen ordnete er Kulturstufen zu, die von der Wildheitsstufe ausgingen und bis hin zur Stadtkultur mit ihrer Herausbildung der Schrift reichten. Im Sinne Klemms wären Jäger und Sammler „passiv”, Hirten und Ackerbauern dagegen „aktiv” – doch gar nicht ihrer Schrift wegen –, sondern aufgrund ihrer schlagkräftigen Heere und ihrer organisierten Staatengründungen. Darauf gründet der eigentliche Gegensatz zwischen evolutionistischen und diffusionistischen Anschauungen in der Ethnologie. In den „passiven”, also im Wesentlichen den schriftlosen Kulturen, findet der Evolutionismus seinen theoretischen Anknüpfungspunkt, während die „aktive Menschheit” mit ihrem Expansionsdrang, ihren zugesprochenen Wanderungen, sich für den diffusionistischen Ansatz eignet. Der Wiener Ethnologe Karl Anton Nowotny formulierte Klemms wissenschaftsgeschichtliche Stellung wohl am treffendsten: „Sein zehnbändiges Werk war aber zu seiner Zeit ein Handbuch und Standardwerk, das jedermann kannte und dessen Lehren ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Über hundert Jahre lang wurde nun tatsächlich mit den von Klemm erstmals aufgestellten Theorien weitergearbeitet. Das Gegensatzpaar: 469 Ein auf Basis von Karl Popper abgewandelter Begriff für „historizistisch”. 470 Gustav Klemm, Fantasie über ein Museum für die Culturgeschichte der Menschheit (1843). In: Carl August Schmitz (Hrsg.), Kultur…, 1963: 5-16. 181 Evolutionismus und Diffusionismus war die Basis für fast sämtliche theoretische Erörterungen.“471 Dieser theoretische Gegensatz wirkte sich auch in der kulturhistorischen Einschätzung der Hamiten aus. Wenn einzelne afrikanische Kulturelemente sich den Hamiten zuschreiben ließen, dann war man definitiv auf den Migrationsgedanken angewiesen. Sowohl die Hamiten der Bibel als auch jene der Darwinisten als ihrem säkularierten Pendant saßen ursprünglich ja in Asien. Diese Richtung wird die Schule von Ratzel einschlagen und die „Ideenarmut” zum Axiom ihres Theorems erheben. Wenn jedoch einzelne Kulturelemente in Afrika sich aus dem afrikanischen Kontext selbst erklären ließen, dann konnte man den Migrationsgedanken und damit auch die Hamitenlehre ungeachtet beiseite schieben. Diese Richtung schlug Bastian und seine Schule ein, die nun den Elementargedanken hervorzuheben trachteten. Im Mittelpunkt der ethnologischen Auseinandersetzungen stand aber zunächst, ob von einer Existenz der Hamiten überhaupt gesprochen werden könne. Der erste, der diese Frage stellte, war Robert Hartmann [1831-1893], ein niedersächsischer Zoologe und Ethnologe, der zusammen mit Adolf Bastian die Zeitschrift für Ethnologie als Organ der 1869 gegründeten Anthropologischen Gesellschaft in Berlin herausgab. Beide zählen zu den Gründervätern der Ethnologie in Deutschland und lehnten unisono den rassischen Hamitenbegriff kategorisch ab. Robert Hartmann bezeichnete 1876 die Hamiten als „im Nebel unbekannter Zeiten verschwimmende, hypothetische Einwanderung semitischer, dyssemitischer, hamitosemitischer oder ähnliche Phantomvölker.”472 Grund seiner Polemik war die Überhandnahme der sozialdarwinistischen Doktrin der 1870er Jahre, gegen deren Vertreter Hartmann namentlich das Wort ergriff. „Viele unter ihnen auch Hellwald [Culturgeschichte 205ff], sprechen stets von helleren, in Aegypten eingewanderten Hamiten,” ergreift Hartmann in seinem epochemachenden Werk die „Nigritier” das Wort, „welche daselbst dunkle Eingeborne unterjocht haben sollen. So lange man uns aber diese sogenannten Hamiten nicht beweiskräftig nachweist, so lange halten wir uns für berechtigt, ihre Existenz zu negiren.“473 Bereits ein Jahr zuvor hatte sein Berliner Kollege Adolf Bastian von 471 Vgl. auch Karl Anton Nowotny, Die logischen Grundlagen völkerkundlicher Theorien. MAGW 91, 1961: 23; zu seiner Biografie siehe Christian F. Feest, Karl Anton Nowotny (1904-1978). Archiv für Völkerkunde 33, 1979: 1-6. 472 Robert Hartmann, Die Nigritier…, 1876: 281. 473 Robert Hartmann, Die Nigritier…, 1876: 505. 182 Hellwalds Culturgeschichte in einer Buchbesprechung als Luftschloss in Abrede gestellt, da es mit der „Modetheorie der Descendenz von Darwin verbrämt” sei.474 Hinter der Debatte stand jedoch auch ein Kompetenzstreit bezüglich vorhandener afrikanischer Reiseerfahrungen. Wenige Darwinisten hatten das Innere Afrikas jemals bereist, ihre Theorien über Afrika galten daher von vorne herein für viele als spekulativ, nicht zuletzt deshalb, da Afrika zu der damaligen Zeit noch viele „weiße Flecken” auf der Landkarte aufwies. Rudolf Virchow nannte Hartmann den „gelehrtesten Kenner, nicht nur der ostafrikanischen, sondern der gesamten afrikanischen Reiseliteratur.”475 Bereits während seines Medizinstudiums in Berlin kam Hartmann mit Rudolf Virchow und Adolf Bastian in Kontakt, dessen Lehren er nach seiner ersten Afrikareise nach Ägypten und Nubien [185960] spezifisch für den afrikanischen Kontinent adaptierte. Das Ziel seiner unter der Obhut des erst 19jährigen Freiherrn Adalbert von Barnim stehenden Nordafrika-Expedition bestand darin, einen ethnografischen Survey der Nilländer zu erstellen. Unter Anleitung Hartmanns entstanden daraus über fünfzig einzigartige colorierte Ethnografica, die meisten aus der Hand des künstlerisch begabten preußischen Prinzensohns.476 In bemerkenswerter Weise sind ägyptische Pharaonen vollkommen der Zeitströmung widersprechend als Afrikaner dargestellt.477 In der Tradition der Freimaurerei stehend dachte sich Hartmann die altägyptische Kultur aus Afrika stammend. Aus medizinisch-anatomischer Sicht stellte Hartmann eher die Gemeinsamkeiten der menschlichen Spezies in den Vordergrund und urteilte weniger nach der Ursache vermeintlicher rassischer Unterschiede. Bastians Elementargedanke ging ja von der psychischen Gleichartigkeit des Menschengeschlechts aus und stellte eine wichtige Gegenposition zum vorherrschenden Darwinismus dar, der jegliche 474 Adolf Bastian, Rezension: Friedrich von Hellwald, Culturgeschichte…, ZfE 5, 1874: 412-417. 475 Karl-Heinz Ciz, Robert Hartmann (1831-1893), Mitbegründer der deutschen Ethnologie..., 1984: 17; vgl. auch den Nekrolog von Rudolf Virchow in ZfE 1893, vor allem aber den Aufsatz von Rolf Herzog, Robert Hartmanns Leistungen… ZfE 100, 1975: 7-15, der überhaupt die erste biographische Skizze zu Hartmann erstellte. 476 Robert Hartmann, Reise des Freiherrrn Adalbert von Barnim durch Nord-Ost-Afrika in den Jahren 1859 und 1860…, 1863; den tragischen Höhepunkt dieser Expedition bildete der Tod des Adalbert Freiherr von Barnim. Der junge zeichnerisch begabte Forschungsreisende und Prinzensohn Adalbert von Preußen verstarb auf seinem Krankenlager am Blauen Nil. Hartmann war über diesen Verlust Zeit seines Lebens nie ganz hinweg gekommen. 477 Hartmann stellte zum Vergleich das Haupt des Ramseskolosses zu Mitrahineh und das Portait eines Schech-Sohnes aus der südlichen Keljubieh einander gegenüber; vgl. Robert Hartmann, ZfE 1, 1869: Fig 1 und 2; eine Darstellung, die Tylor in “Anthropology” (1881: 79) übernommen hatte. Wie Hartmann, lehnte auch Taylor den Begriff Hamiten ab. 183 Kulturschöpfung als Folge einer sich ausbreitenden überlegeneren Rasse interpretierte. Anthropologische Differenzierungen bei den afrikanischen Völker vorzunehmen, erschien deshalb für Hartmann konsequenterweise vernachlässigbar. Ihm ging es darum, die Kulturfähigkeit und Geschichtlichkeit Afrikas hervorzuheben. Dahingehend ordnete Hartmann Ägypten, das traditionsgemäß „als das cultivirteste Reich des Morgenlandes” galt, Afrika zu. Hartmann war davon überzeugt, dass sämtliche ethnischen Gruppen Nordost- und Zentralafrikas anthropologisch homogen und eine „nationalen Einheit” bilden würden.478 Von Hartmann stammt auch die erste umfassende ethnologische Monografie der afrikanischen Völker. In der Konzeption seiner naturgeschichtlichen Abhandlung „Die Nigritier” (1876)479 folgte er im Wesentlichen der von Theodor Waitz.480 Hartmann, der dem negativ besetzten Bild des „Negers” etwas entgegen setzen wollte, führte dazu eigens den unbesetzten Begriff Nigritier ein, wohl in Anlehnung der geografischen Bezeichnung Zedlers „Nigritien, das Land der Schwartzen.” Ähnlich wie der in Heidelberg lehrende Anatom Friedrich Tiedemann in den 1830er Jahren sich genötigt sah, den negativen Beweis zu erbringen, dass das „Negergehirn” gleich dem „Europäerhirn” an Intelligenz um nichts nachstehe481, warfen die Vertreter des darwinistischen Evolutionismus die anthropologische „Negerfrage” aufs Neue auf das wissenschaftliche Parkett. „Denn viele Nigritier aus verschiedenen afrikanischen Gegenden”, hob Hartmann in einer eigens dafür gewählte Abhandlung hervor, „zeichnen sich vielmehr durch einen wohlgeformten Körper und eine nicht unedle Haltung aus.”482 Und fügte die doppeldeutige treffende Anmerkung hinzu, dass 478 Robert Hartmann, Naturgeschichtlich-medizinische Skizze der Nilländer. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1, 1866: 459-516. 479 Robert Hartmann, Die Nigritier…, 1876; Hartmann widmete dieses Werk folgenden deutschen Afrikaforschern: Adalbert Freiherr von Barnim, Heinrich Barth, Moritz von Beurmann, Carl Claus Freiherr von der Decken, Wilhelm von Harnier, Hermann Linck, Eduard Trenn, „welche für die Erforschung Afrikas wirkten und litten.” 480 481 Theodor Franz W. Waitz, Die Anthropologie der Naturvölker…, 1860: II. Friedrich Tiedemann, Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outangs verglichen…, 1837; ein philantropisches Werk mit der „revolutionären” Behauptung: „Das Hirn des Negers ist im Allgemeinen, oder im Durchschnitt, eben so groß als der Europäer und anderer Menschen-Rassen.“ Tiedemann, 1837: 63; um das geistige Niveau des Negers entsprechend hervorzuheben, listet Tiedemann siebzehn afrikanische Geistliche, Philosophen, Philologen, Historiker, Mathematiker, Physiker, Ärzte und Dichter auf. 482 Robert Hartmann, Die Menschenähnlichen Affen und ihre Organisation im Vergleich zur Menschlichen…., 1883: 80. 184 der „Vergleich [der Nigritier] mit Anthropoiden an den Haaren herbeigezogen werden müßte.”483 Dieses theoretische Erbe gilt es stets vor Augen zu halten, um die Entwicklung ethnologischer Synthetisierungsversuche des 20. Jahrhunderts nachvollziehen zu können. Als die beiden bedeutendsten sind im deutschsprachigen Raum jene in Leipzig und in Wien zu nennen. Die Rede ist zum einen von Karl Weule, der in Leipzig die Ethnologie zum eigenständigen Universitätsfach in Deutschland erhob, zum anderen von Pater Wilhelm Schmidt, der die Kulturhistorie mit Einbeziehung der Ethnologie zu einer eigenen Schule in Wien etablierte. Bezeichnenderweise übernahmen beide Schulen den anthropologischen Begriff des „braunen hamitischen Typus” von Sergi, mit dem gravierenden Unterschied, dass dieser sich erst in rezenter Zeit zu einem Mischtypus formte, ursprünglich jedoch kaukasoid gewesen sei. Die Erstellung von überregionalen hamitischen Kulturarealen – Schmidt wird von Kulturkreisen, Weule von Kulturschichten sprechen – sollte die vorgeschichtliche Menschheit aufhellen. Einen gesonderten Weg schlug Leo Frobenius ein, der den Bastianschen Elementargedanken in Abrede stellte und aufbauend auf seinen intensiven Forschungsreisen die Kulturmorphologie entwickelte. a) Karl Weule Als der eigentliche Initiator ethnologischer Hamitentheorien in Deutschland kann Karl Weule [1864-1926] genannt werden. Im Gegensatz zu von Luschan, der das Vermessen des Schädels als Ausgangspunkt seiner Erforschung der Menschenrassen genommen hatte, müsste nach Weule darüber hinaus auch die Erdgeschichte, also die historische Geologie, herangezogen werden. Karl Weule war derjenige Ethnologe, der die Hamiten mit dem Fach Paläoanthropologie verknüpfte und somit die Prähistorie um Jahrtausende zeitlich nach hinten verrückte. Den paläoanthropologischen Ergebnissen der Jahrhundertwende zufolge waren die Unterschiede der Menschenrassen darauf zurück zu führen, dass im Zuge der Glazialperioden vor allem die auf der südlichen Erdkugel lebenden Menschen in Rückzugsgebiete gerieten. Daraus zog Weule den Schluss, sämtliche Menschenrassen auf zwei Grundformen reduzieren zu können, nämlich in eine ältere und in eine jüngere, die wie geologische Schichten aufeinander folgen. Nach Stratz nannte er die ältere protomorph oder erstgestaltig und die jüngere archimorph, die er als herrschend und lebenskräftig 483 Robert Hartmann, Die Menschenähnlichen Affen…, 1883: 80. 185 charakterisierte.484 Ideengeschichtlich geht diese Teilung freilich auf Gustav Klemm zurück. Auch Weule schätzte die Australier und die Zwergvölker Afrikas und Asiens als passiv und absterbend ein, die anderen Rassentypen dagegen als aktiv, überlegen und herrschend. In ähnlicher Weise konzipierte dahingehend die Wiener Schule den Begriff Altvolk, die damit im Wesentlichen die schriftlose Menschheit verstanden wissen wollte. Für die Rekonstruktion der menschlichen „Ururrasse”, wie Weule diese hypothetische Ausgangsrasse auch nannte, erweise sich aber gerade der rezente protomorphe Typus bedeutsam. Denn nur über diesen können die vorausgegangenen rekonstruiert werden.485 Die Hamiten bilden in diesem „kulturgeologischen Schichtmodell” eine Art Zwischenglied, da sie weder zum einen noch zum anderen zu passen scheinen. „Zwischen den Protomorphen und den Archimorphen”, so Karl Weule, „stehen die Metamorphen oder Mischrassen. Hierher rechnet man die Hamiten in der Zone zwischen der weißen und der schwarzen Rasse.”486 Mit Hamiten war plötzlich nicht mehr eine ursprüngliche Rasse in Afrika oder sonstwo gemeint, sie stellten bereits etwas Abgeleitetes, etwas Sekundäres dar, und waren als Mischrasse beispielsweise mit den Malaien vergleichbar, die „zwischen der gelben und der Papuarasse” standen.487 Damit schien auch der längst hinfällige „Dämmerungsmensch”, ein aus der deutschen Naturphilosophie von Carl Gustav Carus [1789-1869] geschaffener Begriff endlich mit realem Inhalt gefüllt und auf naturwissenschaftlichen Boden gestellt. Carus, Physiker in Dresden und Freund Goethes, war mit seinen Tag- und Nachtrassen, ähnlich wie Klemm von zwei konträren Rassetypen ausgegangen, denen er dem Bild entsprechend das Zwischenglied der Dämmerung einfügte.488 Nach Weule bildete die Hamitenforschung das „missing link” zwischen der Vorgeschichte auf der einen Seite und der rezenten Kolonialgeschichte auf der anderen. In seinem „Leitfaden für Völkerkunde” (1912) findet sich der bezeichnende Satz: „Was die Hamiten anthropologisch sind, wissen wir heute noch nicht; wir können auf Grund der neueren paläoanthropologischen Ergebnisse nur sagen, dass sie bereits zur Cro-Magnonzeit am Aufbau der europäischen Rassen mitgearbeitet haben, und dass sie in Nordafrika uralt sind.”489 Die Zusammenschau beider 484 485 Stratz, Naturgeschichte des Menschen…, 1904; zitiert in Karl Weule 1912. Adolf Walter Schleicher hatte dieses geologische Modell für die sprachhistorische Forschung eingefordert; siehe dessen Afrikanische Petrefakten…, 1891. 486 Karl Weule, Leitfaden der Völkerkunde…, 1912. 487 Karl Weule, Leitfaden der Völkerkunde…, 1912: 2. 488 Carl Gustav Carus, Denkschrift zum hundertjährigen Geburtsfeste Goethes: Über ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschheitsstämme für höhere Entwicklung…, 1849. 489 Karl Weule, Leitfaden der Völkerkunde…, 1912: 74. 186 Wissenschaftsdisziplinen sollte ein neues Universitätsfach in Deutschland erfüllen: die Völkerkunde.490 Karl Weule war fünf Jahre lang Schüler von Friedrich Ratzel in Leipzig gewesen. Nach seiner Promotion 1891 übersiedelte er nach Berlin, um sich am dortigen Seminar für orientalische Sprachen für den Kolonialdienst vorzubereiten. Über Freiherr Ferdinand von Richthofen [1833-1905] kam er an das Völkerkundemuseum zu Berlin, wo er sich als Volontär für die afrikanische Abteilung meldete. Dabei kam er mit Bastian und von Luschan in Kontakt, dessen „unentwegtes Schädelmessen” er jedoch kategorisch ablehnte. Weule war also Anthropogeograf (Ratzel) und Evolutionist (Bastian).491 Bemerkenswert bei Weule bleibt, dass er die Entwicklungslehre Bastians und die Entlehnungslehre Ratzels zu einer Einheit zu verbinden imstande war. 1899 nahm er die Stelle als Direktor des Völkerkundemuseums in Leipzig an. Zwei Jahre darauf erhielt Weule die außerordentliche Professur für Völkerkunde und Urgeschichte. 1914 konnte er die Gründung des „Ethnografischen Seminars“ an der Universität Leipzig durchsetzen, wodurch erstmals die Möglichkeit geschaffen wurde, in Völkerkunde von der Geografie als selbständiges Fach getrennt zu promovieren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ihm die ordentliche Professur verliehen, Hans Plischke wurde sein Assistent und Mitarbeiter. Von Luschan und Meinhof hatten die Hamitenfrage vom anthropologisch-linguistischen Standpunkt zu beantworten versucht, Weule wollte nun den kulturellen Hamitenbegriff mittels der Völkerkunde in den Griff bekommen. 1914 bereits präsentierte Karl Weule am 19. Deutschen Geografentag in Straßburg die inhaltlichen Programmpunkte für sein neues Universitätsfach. Richtungsweisend sollte die historische Erforschung der „Völkerwanderungen in Afrika” sein. Da keine schriftlichen Quellen aus vorkolonialer Zeit vorlagen, wären die historischen Wanderungen das einzig historisch greifbare für die historische Erschließung des afrikanischen Kontinents. Archäologische Artefakte in Afrika gab es noch kaum. Weule dazu: „Die Grundlage der Methode […] ist das Studium der Wanderungen der Völker. Sie erweist sich dadurch als rein historisch, zumal sich das geschichtliche Leben aller Naturvölker zwar in den Wanderungen nicht erschöpft, wohl aber in ihnen gipfelt.”492 Weule baute das Ratzelsche Axiom der Ideenarmut weiter aus und 490 Auf Weule gehen auch die evolutionären Kulturstadien zurück, die in den damaligen kulturhistorischen Ausstellungen präsentiert wurden; vgl. Karl Weule, Vom Kerbstock zum Alphabet…, 1915. 491 Fritz Krause, Dem Andenken Karl Weules. Gedächtnisrede, gehalten am 14.5.1926. o.O., o.J [1926]: 29. 492 Karl Weule, Aufgaben… In: Fritz Krause, Dem Andenken Karl Weules…, [1926]: 52. 187 verfestigte die einseitige Entlehnungstheorie von Kulturerscheinungen als bestimmende Methode. Die ersten Arbeiten dazu wurden von seinem Schülerkreis auf der Halleschen Tagung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft 1925 unter dem Titel „Leipziger Hamitenforschungen” vorgestellt.493 Kurz vor dem Einreichen der ersten Dissertationen verstarb 1926 Karl Weule jedoch. Günther Spannaus [1901-1984]494, ein Betroffener dieses unerwartenden Ereignisses, erinnert sich: „Wer in den letzten Jahren vor seinem Tode das Seminar Weules besuchen durfte, der weiß, in wie hohem Maße die Hamitenfrage sein Denken beschäftigte.“495 Die Erforschung der Hamiten war damit jedoch keineswegs abgebrochen. Ganz im Gegenteil: die von Weule eingeleitete Tradition wurde weitergeführt und nach Wien ausgeweitet, wie folgende Passage aus einer in Wien erstellten Dissertation zeigt: „Über den Batwa und Bantu lagert nun noch eine Schicht, die Hamiten. Es ist wahrscheinlich, daß es sich um Stämme aus den Steppen Westasiens handelte, die in sehr verschiedenen Gruppen und langen Zeiträumen nach Afrika wanderten. Die ersten kamen sicher in weit vorgeschichtlicher Zeit, wahrscheinlich schon in der ersten Interglazialperiode, mindestens unendlich lange vor 6000 v. Chr.”496 Hans Plischke und Otto Reche497 riefen 1928 die Leipziger Buchreihe „Studien zur Völkerkunde” ins Leben. Günther Spannaus konnte seine Dissertation als zweiten Band dieser Reihe veröffentlichen. In seiner Einleitung heißt es: „Wenn man die politische Organisation fast aller afrikanischen Staatenbildungen als ein Ergebnis großer Völkerwanderungen erweisen kann, so kommt man von selbst auf die Bedeutung der verschiedenen Wirtschaftsformen für die Staatenbildung zurück. Die Prädestination der großen Hirtenvölker für weite Wanderungen, ihre größere Beweglichkeit, weisen ihnen von vornherein eine Eroberer- und Staatengründerrolle zu. Eine der Hauptaufgaben, die die Afrikanistik in der nächsten Zeit zu lösen haben wird, ist die Frage nach dem „hamitischen“ Einfluß in Afrika.”498 Spannaus veröffentlichte noch zwei weitere 493 Fritz Krause, Dem Andenken Karl Weules. Gedächtnisrede, gehalten am 14.5.1926. o.O., o.J [1926]: 29. 494 Peter Fuchs, Prof. Dr. Günther Spannaus (1901-1984). ZfE 111, 1986: 11-13. 495 Günther Spannaus, Historisch-Kritisches zum Hamitenproblem in Afrika. In: Otto Reche (Hrsg.), In Memoriam Karl Weule. Beiträge zur Völkerkunde und Vorgeschichte…, 1929: 190. 496 Otto Reche, der auch in Wien tätig war, betreute gemeinsam mit Otto Weninger die Dissertation von Aloisia Maria Jörgenreuth, Die Stellung der Hamiten im ehemalig deutschen Schutzgebiete Ostafrikas. Dissertation…, 1926: 72. 497 Josef Wastl, Otto Reche †. MAGW 96/97, 1967: 5-9. 498 Günther Spannaus, Züge aus der politischen Organisation afrikanischer Völker und Staaten. Hans Plischke, Otto Reche (Hrsg.), Studien zur Völkerkunde, Band 2. (Werkgemeinschaft) Leipzig, 1929. Diese Arbeit publizierte Günther Spannaus in einer etwas geänderter Form als Historisch-Kritisches 188 Aufsätze zum Hamitenproblem.499 Es war der Versuch, den kulturellen Hamitenbegriff ökonomisch (Hirtennomadismus), politisch (Staatengründerrolle) und historisch (Wanderung) zu beschreiben, eine Tradition, die unabhängig davon auch in Großbritannien von Charles Gabriel Seligman initiiert worden war. Das rassische Moment trat also zunächst in den Hintergrund. So wollte Erich Brauer [1895-1942]500 und Hubert Kroll501, beide aus dem Schülerkreis Weules stammend, „das kulturelle Hamitentum” sogar bei den in Südwestafrika [Namibia] lebenden Herero nachweisen. Das war insofern revolutionär, da die Herero zwar Viehzüchter sind, jedoch negroide Gesichtszüge aufweisen und deren Sprache eindeutig den Bantusprachen zuzuordnen ist. Die Herero hätten sich nach ihrer Einwanderung rassisch mit den Bantugruppen vermischt, dabei deren Sprache angenommen, ihre Viehzüchterkultur jedoch bewahrt – mehr noch als die benachbarten Khoisan, da jene Gruppen infolge der europäischen Kolonisation ihre Kultur weitgehend verloren hätten. Es war die kulturelle „Beharrlichkeit”, die die Völkerkundler bei ethnischen Gruppen in einem geografischen Rückzugsgebiet wie Südwestafrika vorzufinden glaubten. An dieser Stelle ist das Wort von Karl Anton Nowotny angebracht, der meinte, dass die „Völkerkunde in ihrer Pubertätszeit bereits zur Volljährigkeit erklärt wurde.”502 Wissenschaftshistorisch gesehen hat die Betonung auf den Kulturfaktor der Hamiten auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Durch den Verlust der Deutschen Kolonien im Ersten Weltkrieg wurde der universitäre Einstieg der Völkerkunde in Deutschland in praktischer Hinsicht im Keim erstickt. Daher standen weniger kolonialpolitische Interessen im Brennpunkt der Hamitenforschung, wie in Großbritannien etwa, sondern die Betonung lag im Erstellen von praxisfernen Kulturkonzepten. Die Hamitentheorie war davon die erste systematisch durchdachte kulturhistorische Theorie. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg zum Hamitenproblem in Afrika. In: Otto Reche (Hrsg.), In Memoriam Karl Weule. Beiträge zur Völkerkunde und Vorgeschichte…, 1929: 181-195. 499 Günther Spannaus, Zum Hamitenproblem in Afrika. Forschungen und Fortschritte 7, 1931: 36- 37; - Der gegenwärtige Stand des Hamitenproblems in Afrika. Mainzer Zeitschrift 27, 1931: 84-86 [Tagungsbericht über die 51. Allgemeine Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft zu Mainz, vom 5. bis 9. August 1930]. 500 Erich Brauer, Züge aus der Religion der Herero. Ein Beitrag zur Hamitenfrage…, 1925. 501 Hubert Kroll, Die Haustiere der Bantu. Mitteilung aus dem Museum der Stadt Essen für Natur- und Völkerkunde 27 (1929); als Dissertation publiziert. 502 Mündlich überliefert im Gespräch mit Doz. Ferdinand Anders, Klosterneuburg 28.4.2001; Christian F. Feest, Karl Anton Nowotny (1904-1978). Archiv für Völkerkunde 33, 1979: 1-6; siehe dazu auch Karl Anton Nowotny, Die logischen Grundlagen völkerkundlicher Theorien. MAGW 91, 1961: 47-60. 189 charakterisierte Karl Weule in der Zeitschrift Koloniale Rundschau den Standort der Völkerkunde in Deutschland: „Überprüfen wir das bisherige Gesamtergebnis der 30 Jahre unseres kolonialen Wirkens in Afrika, so lässt es sich in etwa folgende Sätze zusammenfassen: [...] Kein Volk hat Einzelbeobachtungen je so folgerichtig und umfassend zur Lösung von Fragen großen Stils verwendet wie wir. Die mehr oder minder vollständig gelungene Klarstellung der Beziehungen zwischen den hellfarbigen Südafrikanern und dem Nordosten, zwischen den Sudanvölkern, den Hamiten und den Bantu sind ausschließlich deutsches Verdienst.“503 b) Wilhelm Schmidt Pater Wilhelm Schmidt [1868-1954] ist in der deutschsprachigen Völkerkunde sicherlich eine der herausragendsten Gestalten. Herausragend als der entschiedendste Vertreter der „Kulturkreislehre”, als Organisator, Lehrer und vor allem durch seine Publikationen. 567 Eintragungen weist sein Werkverzeichnis auf, damit nimmt er nach der Zahl der gedruckten Seiten die erste Stelle innerhalb der deutschsprachigen Ethnologie ein, noch vor Leo Frobenius. Wer Schmidts Vorlesungsangebot an der Wiener Universität durchsieht, findet im Wintersemester 1930/31 die Eintragung „Die Religionen der hamitischen und der hamitoiden Völker Ostafrikas” (1std.), was auf eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik schließen lässt. Des Erfolges wegen kam es sogar zu Wiederholungen im Sommersemester 1937 und im darauffolgenden Wintersemester.504 Im Folgenden wird ein Einblick geboten, welche Bedeutung Schmidt den Hamiten beimaß. Zunächst ist festzuhalten, dass Schmidt mit den „Hamiten” niemals in Kontakt getreten ist. Schmidt führte im Gegensatz zu Weule, Seligman oder Frobenius keine eigenen Felduntersuchungen durch, regte aber welche mit seinem Missionarsstab innerhalb der katholischen Societas Verbi Divini [SVD] von St. Gabriel bei Wien aus in Afrika an. Die Hamitenfrage stand dabei aber keineswegs im Mittelpunkt. Weder von Paul Schebesta noch von Martin Gusinde sind diesbezügliche Äußerungen bekannt. Schmidt hatte ihnen ja den Auftrag erteilt, sich mit dem Altvölkerproblem für die Rekonstruktion einer Urkultur auseinanderzusetzen.505 503 Karl Weule, Unsere Kolonien und die Völker-Forschung. Koloniale Rundschau 3, 1922: 146. 504 Joseph Henninger, P. Wilhelm Schmidt S. V. D. (1868-1954)…, Anthropos 51, 1956: 36-37. 505 Zum bekannten Aufruf zur Pygmäenforschung siehe Wilhelm Schmidt, Die Stellung der Pygmäenvölker in der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Studien und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde 6, 7, 1910. 190 Viehzüchternomaden hatten bei dieser Frage im Unterschied zu den „pygmäoiden” Wildbeutergesellschaften eher sekundären Charakter. Eine Sonderrolle kam dem in Ruanda eingesetzten S.V.D.-Missionar Peter Schuhmacher zu.506 Methodisch war Schmidt also mehr als andere Hamitentheoretiker abhängig von der bereits vorhandenen Reiseliteratur über die Hamiten. Seine diesbezüglichen Kommentare dazu sind sehr umfangreich, erweisen sich jedoch als wenig originell. Wird beispielsweise sein 1926 zusammen mit Wilhelm Koppers herausgegebenes Standardhandbuch der „Wiener Ethnologenschule” aufgeschlagen, findet sich darin an einschlägiger Stelle abermals das Foto des Kissilerobo. Schmidt zog es als Beleg für die Begründung des „absoluten Königtums” im ostafrikanischen Zwischenseengebiet heran.507 Damit spricht Schmidt die ethnische Überschichtungstheorie an, die nicht von ihm stammt und bereits von Speke und Ratzel ausformuliert worden war. Im Übrigen erweist sich Schmidt als genialer Kompilator und scharfsinniger Kritiker der ethnologischen Literatur seiner Zeitgenossen. Pater Wilhelm Schmidt [1868-1954] wurde zu Hörde in Westfalen in einer Arbeiterfamilie geboren. Mit 15 Jahren trat er in das kurz zuvor von Pater Arnold Janssen gegründete Missionshaus St. Michael in Steyl, Niederlande, ein, das ihm für neun Jahre zur zweiten Heimat wurde. Dort absolvierte er das Gymnasium, Lyzeum und Theologiestudium, das er 1892 abschloss. Im selben Jahr wurde er zum Priester geweiht. Von Herbst 1893 bis März 1895 war er in der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin inskribiert, wo er orientalische Sprachen belegt hatte. Danach wechselte er in das Missionshaus St. Gabriel in Mödling bei Wien, wo er als Lektor im Theologiestudium eingesetzt wurde. Hier begann seine fruchtbare wissenschaftliche Tätigkeit, die sich sehr bald auf die Gebiete der Linguistik und Ethnologie ausweitete. Er trat bald mit den wissenschaftlichen Kreisen Wiens in Kontakt, namentlich mit den Mitgliedern der Anthropologischen Gesellschaft, mit Friedrich Müller, vor allem aber mit Leo Reinisch, der ihn in seinen Privatissima die Methodik der Sprachvergleichung lehrte.508 1905 gründete Schmidt als programmatischen Beitrag zur „modernen Ethnologie” die internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde „Anthropos”. Schmidt ist Mitgründer der sogenannten „Wiener Schule” der Ethnologie, in der er die von Frobenius und Gräbner entwickelte Kulturkreislehre weiter ausbaute. 506 Peter Schumacher, Die hamitische Wahrsagerei in Ruanda. Anthropos 34, 1-3, 1939: 130- 206; - Das Tussirind in Ruanda. Koloniale Rundschau 32, 5, 1941: 291-327; - Psyché au Centre Africain. Zaïre 1, 6, 1947: 679-686. 507 508 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 333. Für seine sprachvergleichende Studien hatte Schmidt keine Ausbildung erhalten; siehe Joseph Henninger, P. Wilhelm Schmidt S. V. D. (1868-1954)…, Anthropos 51, 1956: 28. 191 Der Erste Weltkrieg unterbrach seine wissenschaftliche Tätigkeit. Schmidt, inzwischen österreichischer Staatsbürger, wurde 1916 zum Feldkuraten im Kaiserlich-Königlichen Hauptquartier ernannt. Als Beichtvater von Karl I. stand er der kaiserlichen Familie persönlich sehr nahe. Reformpläne für eine neue Staatsverfassung der Doppelmonarchie veröffentlichte er unter seinem Pseudonym “Austriacus Observator” in zwei Büchern. 1921 wurde er Privatdozent an der Universität Wien, wo es ihm gelang, 1928 den Lehrstuhl für Ethnologie zu errichten, der seinem Schüler Pater Wilhelm Koppers anvertraut wurde. Von Papst Pius XI. beauftragt, organisierte er 1925 die ethnologische Abteilung der vatikanischen Missionsausstellung und richtete im Anschluss daran das Museo Missionario-Etnologico im Lateran ein. 1926 wurde er Direktor dieses Museums und 1936 Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. 1932 gründete er das Anthropos-Institut, das in Forschung, Lehre und Publikationen die Arbeit Schmidts weiterführen sollte. Schmidt blieb Direktor des Instituts bis 1950. Die politischen Ereignisse des Jahres 1938 bedeuteten für Wilhelm Schmidt das Ende seiner Wiener Schaffenszeit, da ihm die Lehrbefugnis „bis auf weiteres” entzogen wurde. Unter dem Druck des Nationalsozialismus wurde das Anthropos Institut nach Froideville, Kanton Fribourg, Schweiz, verlegt, wo es mit seinen Mitgliedern eine neue Heimat fand. 1939 übernahm er die ersten Vorlesungen in Ethnologie an der Universität Fribourg, 1942 wurde er ordentlicher Professor und 1948 begab sich Schmidt als 80jähriger in den beruflichen Ruhestand. Seine eigentliche Lebensaufgabe sah Schmidt in der Erforschung der Religion der Altvölker, wobei er die These von Andrew Lang vom präanimistischen Monotheismus übernahm. Auf diese Weise entstand sein monumentales 12bändiges Werk „Der Ursprung der Gottesidee” (1912-1955), im Wesentlichen eine religionsethnologische Gegenschrift zu James Frazers “The Golden Bough” (1907-1915), das bezeichnenderweise ebenfalls zwölf Bände umfasste. Es ist verständlich, dass sich Schmidt mit seiner Vorgangsweise des „ethnologischen Gottesbeweises” bei seiner Kollegenschaft den Vorwurf einhandelte, nicht mit wissenschaftlichen Methoden zu arbeiten, sondern vielmehr die Völkerkunde als Mittel für die Verbreitung des rechten Glaubens zu benutzen. In erster Linie war Pater Schmidt katholischer Priester. Diese Grundlage bestimmte alle seine Äußerungen und Ansichten. Seinen weltanschaulichen Standpunkt hat aber Schmidt niemals verschwiegen. Darum ist es auch billig, ihm den Vorwurf zu unterstellen, Schmidt sei Priester und daher unwissenschaftlich gewesen. Es sei vorweggenommen, dass die Kulturkreislehre nur mehr wissenschaftsgeschichtlichen Wert besitzt. Nicht deshalb, weil sie „katholisch” ist, sondern es zeigte sich immer mehr, dass der historische Entwicklungsgang der Kultur viel zu 192 kompliziert ist, als das er von einem vereinfachenden Schema, wie es das Kulturkreisschema darstellt, erfasst werden kann. „So sind auch die Wiener Ethnologen schon lange von den einstigen Kulturkreisen abgerückt”,509 schrieb Josef Haekel als Ordinarius des Wiener Völkerkundeinstituts 1956 bereits in seinem Nachruf auf Wilhelm Schmidt. Die Kulturkreislehre, wie sie Schmidt nach Gräbner aufstellte und im Wesentlichen bis zum Schluss seines Lebens vertreten hatte, ist im Besonderen durch die drei sogenannten Primärkulturen charakterisiert. Aus der Gruppe der Alt- und Urkulturen seien an verschiedenen Stellen der Erde und wahrscheinlich auch zu verschiedenen Zeiten die ersten wirtschaftlich-kulturellen Höherentwicklungen erfolgt, und zwar in den Formen des vaterrechtlich-totemistischen höheren Jägertums, des agrarischen Mutterrechts und des „großfamilial-vaterrechtlichen Kulturkreis” der Großviehzüchternomaden, die „Erobererund Herrschervölker”. Der letztgenannte Kulturkreis ist heranzuziehen, da Schmidt dazu die Ural-Altaier, die Indoeuropäer und die Hamito-Semiten rechnete. Mit Graebner vertrat Schmidt die Auffassung, dass der Kulturablauf ein geschichtliches Phänomen sei, dass auch die schriftlose Menschheit, die sogenannten Naturvölker, in den Bereich der Historie gehören. Seit der Errichtung der Professur für Ethnologie 1928, der 1929 auch ein Institut angegliedert wurde, erlebte die Wiener Schule einen starken organisatorischen Ausbau. Wichtig war dabei die Zusammenarbeit mit den Nachbarwissenschaften, vor allem der Prähistorie. Diese fand ihren sichtbaren Ausdruck in Oswald Menghins „Weltgeschichte der Steinzeit” (1931). Die Annäherung zwischen der Ethnologie und den Geschichtswissenschaften wurde von Fritz Kern gefördert, besonders durch die Planung der 10bändigen „Historia Mundi” (1952-1961), in der Schmidt einer seiner letzten Arbeiten veröffentlichen konnte. Das Wichtige ist nun, dass Schmidt im Hirtentum einen methodischen Anknüpfungspunkt zwischen schriftlosen und schriftlichen Gesellschaften erblickte. In der Rekonstruktion der Urgeschichte werde seiner Auffassung – nach durch die Aufstellung des Kulturkreises der vaterrechtlichen nomadisierenden Viehzüchter – der Ethnologie zum ersten Mal der Weg eröffnet, die bisherigen „Naturvölker” in eine verständliche Verbindung mit den „Geschichtevölkern” zu bringen.510 In „Völker und Kulturen” heißt es: „Gerade die Heranziehung der nomadistischen Viehzüchter und die Aufzeigung der Rolle, die sie in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Menschheit innehatten, als Herrschervölker und als Initiatoren der vertikalen, der Rangordnung der zu Ständen und Klassen gewordenen Völker und Kulturkreise, liefert allein auch den Schlüssel zum Verständnis der sozialen und 509 Josef Haekel, P. Wilhelm Schmidt †. Tribus 4/5, 1954/1955: 412-415. 510 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: Vorwort VI. 193 wirtschaftlichen Schichtung der Völker, die ihre Geschichte schicksalsschwer bis in unsere letzten Tage hinein.”511 Hirtenvölker wären demgemäß, der „erste Grundstein zu dem Gebäude der hierarchischen Stellung.”512 Und durch die Vermischung der Kulturkreise käme es zum Großstaat der Macht.513 Schmidt propagierte die These, wonach den Hirtennomaden als überschichteten, adelsbildenden Faktor entscheidende Bedeutung zugekommen wäre. Aufgrund ihrer politischen und moralischen Überlegenheit gelang es den Hirten, auf ihren Wanderungen totemistische Stadtvölker und mutterrechtliche Bauernvölker zu Großstaaten und Hochkulturen zusammen zu schmieden. Indo-europäische Stämme zivilisierten auf diese Weise das Abendland, hamito-semitische Gruppen hingegen Afrika. Damit folgte Schmidt dem klassischen hamitischen Einwanderungsmodell der Anthropogeografen, wie folgende Passage aus „Völker und Kulturen” (1926) verdeutlicht: „Die hamitischen Völker setzten [von der arabischen Halbinsel] nach Nordostafrika über, nahmen dort Ägypten und das ganze Nordviertel bis zu den Kanarischen Inseln hinüber ein, überall ältere Negervölker, vielfach auch Pygmäenstämme, entweder verjagend oder sich mit ihnen vermischend. Nach Süden hintanter wanderten sie, allerdings erst in verhältnismäßig junger Zeit, mit den Pygmäen- und Negervölkern sich mischend, fast die ganze Länge Ostafrika hindurch und gelangten in stark verdünnter Mischung selbst bis Südafrika.”514 Darüber hinaus lassen sich noch zwei andere Aspekte finden, warum Schmidt dem Hirtentum eine dermaßen wichtige kulturgeschichtliche Rolle zuschrieb: Erstens, die wirtschaftsethnologische Dreistufenlehre zu rehabilitieren und zweitens das Indogermanenproblem aus ethnologischer Sicht einer Lösung zuzuführen. 1891 hatte Eduard Hahn den Aufsatz veröffentlicht, dessen Titel allein als rhetorische Frage eine Kriegserklärung gegen die bis dahin allgemein anerkannte Dreistufenlehre (Jägertum, Hirtentum, Ackerbau) war: „Waren die Menschen der Urzeit zwischen der Jägerstufe und der Stufe des Ackerbaus Nomaden?”. Die neue Theorie betonte den unselbständigen Charakter des Hirtentums, dessen Entstehung und Existenz nur in Abhängigkeit benachbarter Ackerbauvölker möglich wäre. Daher ging nach Hahn die Lebensform des Nomadismus nicht aus der Jagd hervor, sondern direkt oder indirekt aus dem Feldbau: „… die erworbenen Haustiere konnten auch Jägervölker gebrauchen lernen und entlehnen. Nirgends aber sind Jäger durch unmittelbare selbständige Erwerbung der Haustiere, ohne Entlehnung oder fremde Einflüsse zu Hirten geworden, und ebensowenig Nomaden durch selbständige 511 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: Vorwort VI. 512 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 317. 513 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 355. 514 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 199. 194 Erwerbung der Getreidegräser zu Ackerbauern.”515 Für Hahn war das Phänomen des reinen Hirtentums also eine verarmte und damit degenerierte Wirtschaftsform. Schmidt war nun bestrebt, Hahns These auf den Kopf zu stellen, indem er dem Hirtentum kulturelle Eigenständigkeit zusprach: „Die Hahn’sche Nomadentheorie erscheint da in allen wesentlichen Punkten überwunden durch die Aufstellung des von Haus aus selbständigen, direkt von der Urkultur ausstrahlenden Kulturkreises des viehzüchterischen Nomadismus.”516 Nach der Auffassung von Schmidt, grenze dieser „eigenständige” Kulturkreis der nomadisierenden Viehzucht unmittelbar an die Urkulturen heran, da sämtliche Völker dieses Kulturkreises sowohl die mongolisch-turanischen, als auch die indogermanischen und die hamitischen der Anerkennung und Verehrung eines Himmelgottes aufbewahrt. Das wird von Schmidt als „starker nomadisierenden Rest eines Hirtenstämme alten einen Monotheismus” „ganz anderen gedeutet, wodurch Entwicklungsgang” als die die totemistisch-vaterrechtlichen und exogam-mutterrechtlichen Völker durchlaufen hätten. Abgesehen davon, dass Schmidt hier offensichtlich seinen „ethnologischen Gottesbeweis” retten will, ist bei diesem Ansatz bemerkenswert, dass das verbindende Element der drei noachidischen Völkerfamilien nicht die Sprache oder die Rasse ist, sondern ihre gemeinsame Kultur, die Viehzucht. Der zweite Aspekt bezieht sich auf das Indogermanenproblem, das in den 1930er Jahren in Wien aus ethnologischer Sicht eifrig erörtert wurde. Im Zentrum stand dabei die Frage nach dem Ursprungsgebiet der Indogermanen und dem domestizierten Tier, das die geografische Ausbreitung möglich machte. An der Diskussion beteiligte sich vor allem sein Schüler und wichtigster Mitarbeiter, Wilhelm Koppers, der seit 1929 das Völkerkundeinstitut leitete. Mit einer Studie über das Pferdeopfer wies Koppers nach, dass sich der indogermanische Reiternomadismus in Zentralasien entwickeln musste.517 Damit sprach er sich klar für die asiatische „Ostthese” aus, die im Gegensatz zu der von pangermanischen Vertretern europäischen „Nordthese” stand. Mit der „Hirtenkriegerthese”, wonach Arier, Hamiten, Semiten und Mongolen auf derselben Stufe standen, verstärkte Schmidt eindeutig den gemeinsamen asiatischen Ursprung. Dabei argumentierte Schmidt zusehends auch rassisch. So charakterisiere bei herrschenden Viehzüchternomaden die „obligatorische Endogamie” bzw. die aristokratische 515 Eduard Hahn, Waren die Menschen der Urzeit zwischen der Jägerstufe und der Stufe des Ackerbaues Nomaden? Das Ausland 64, 25, 22.6.1891: 486. 516 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 503. 517 Wilhelm Koppers, Die Indogermanenfrage im Lichte der historischen Völkerkunde. Anthropos 30, 1935: 1-33. 195 „Reinhaltung des Blutes”, die ihre „völkische Eigenart und die daraus hervorgehende eingeborene Tüchtigkeit” sichere. An anderer Stelle geht jedoch hervor, dass es ihm gerade nicht um eine bestimmte Rasse ging: „Die letzte Erhebung zur vollen Hochkultur kam allerdings an allen drei Stellen erst durch Eindringen nomadischer Hirtenstämme oder Völker des freivaterrechtlichen Kulturkreises zustande, die aus einer Mischung von Hirtenvölkern hervorgegangen waren: in Indien die Arier, in Ägypten die Hamiten, in Peru die Polynesier.”518 Mit der Machtübernahme des NS-Regimes in Österreich 1938, brachte das unter anderem die Konsequenz mit sich, Anhänger des alten Geschichtsbildes “ex oriente lux” zwangsweise zu suspendieren. Koppers wurde in Pension geschickt, Schmidt musste ins Exil in die Schweiz flüchten. Beide gelten als Opfer des NS-Regimes. Menghin war zwar Anhänger der Kulturkreislehre, er vertrat jedoch die Nordthese von Kossinna. Nach dem heutigen Forschungsstand lässt sich nicht klären, ob Menghin Mitglied oder lediglich Sympathisant der NSDAP war, fest steht jedoch, dass er aus dem katholischen Cartellverband [CV] niemals ausgetreten war. Unter der Regierung von Seyss-Inquart avancierte Oswald Menghin zum Unterrichtsminister. Um auf solche Widersprüchlichkeiten in einem autoritären Regime aufmerksam zu machen, charakterisierte Otto H. Urban Menghin treffend als „den Mann zwischen den Fronten”.519 Die andere Front war, das darf hier nicht verschwiegen werden, die Regierung des autoritären Systems unter Dollfuß und Schuschnigg. c) Dominik Josef Wölfel Wie schon in einem Kapitel „historische Sprachwissenschaft” angedeutet, hielt der von Meinhof ausgearbeitete sprachliche Hamitenentwurf nicht stand. Die afrikanistische Linguistik zeigte auf, dass sich die Rekonstruktion eines urhamitischen Sprachstamms als unmöglich erwies. Zudem repräsentierten sich die als hamitisch klassifizierten Sprachen keineswegs so einheitlich wie die Semitischen oder die Bantusprachen etwa. Sprachgeschichtliche Einzelstudien des Haussa und des Ful ergaben, dass diese ehemals als 518 Wilhelm Schmidt; Wilhelm Koppers, Völker und Kulturen…, 1926: 234; sowie „Wir finden es wieder am stärksten in Indien, Ägypten und Peru entwickelt, aber auch bei den Adligen der Lolo in Südchina und in den Staaten in Ostafrika.”, 1926: 320. 519 Otto H. Urban, „Er war der Mann zwischen den Fronten” – Oswald Menghin und das Urgeschichtliche Institut der Universität Wien während der Nazizeit. Archaeologica Austriaca 80, 1996: 9. 196 hamitisch eingestuften Sprachen sich eher dem Sprachstamm des Bantu einfügen ließen. Damit war das „Fundament“ des hamitischen Sprachstammes erheblich angegriffen. Dazu kam noch, dass auch der genetische Zusammenhang des Hottentottischen mit den Hamitensprachen in Frage gestellt und zunehmend von der Eigenständigkeit des Hottentottischen ausgegangen wurde.520 Seit Oswin Köhler hat sich diese Annahme erhärtet521, die heute nur mehr ausnahmsweise angefochten wird.522 Ende der 1920er Jahre war es neben Albert Drexel523 und Carl Brockelmann524 vor allem Dominik Josef Wölfel, der sich gegen den sprachlichen Hamitenbegriff aussprach. Was Wölfel wissenschaftsgeschichtlich von den genannten unterscheidet, ist, dass er darüber hinaus auch den rassischen und den kulturellen Hamitenbegriff in Abrede stellte, wie folgende Passage verdeutlicht: „Nach der bisherigen Auffassung sind die Hamitensprachen ein dem Semitischen eng verwandter Sprachstamm einheitlichen Ursprungs und sind mit ihnen alle europäiden Rassenelemente und alles Viehzüchtertum ganz Afrikas ursprungsmäßig verbunden. Heute erkennt man diese Einheit als eher sekundär als primär. Von einer rassenhaften Einheit der Hamiten kann keine Rede sein. Unter ihnen sind sehr viele europäide Rassen vertreten, es gibt auch Europäide in Afrika, die nicht hamitisch reden, und hamitisch redende, die keine Europäiden sind. Von einer kulturellen Einheit kann nach dem, was wir oben ausführten, erst recht keine Rede sein.”525 Statt „hamitisch“ sollte von „semitoiden Sprachen“ gesprochen werden, diese Sichtweise hatte Wölfel bereits 1929 vertreten.526 Damit gilt er als Vorläufer in der Dekonstruktion der Hamitentheorie, die 520 Wilhelm Planert, Die Schnalzsprachen. Bibliotheca Africana 2, 1, 1926: 298-321. 521 Oswin Köhler, Sprachkritische Aspekte der Hamitentheorie über die Herkunft der Hottentotten. Sociologus 10, 1, 1960: 69-78. 522 Zum Beispiel Gerhard Böhm, Suffixkonjugation. Zur Auslegung in den „Hamitensprachen”. Vorläufige Studien über den Bau des Prädikats in den erythräischen Sprachen, der Ful-Sprache und der Sprache der Hottentotten. Ein grammatikhistorischer Beitrag zur Hamitensprache…, 1987. 523 Albert Drexel, Gliederung der afrikanischen Sprachen. Eine systematische Untersuchung mit Berücksichtigung des völkergeschichtlichen Problems: Die Hamitischen Sprachen. Anthropos 20, 1925: 444-460. - Kann das Ful als hamitische Sprache gelten? In: Wilhelm Koppers (Hrsg.), Festschrift Publication D’Hommage offerte au P. W. Schmidt…, 1928: 46-60. 524 525 Carl Brockelmann, Gibt es einen hamitischen Sprachstamm? Anthropos 27, 1932: 797-818. Dominik Josef Wölfel, Nord- und Weißafrika. In: Hugo Adolf Bernatzik (Hrsg.), Die große Völkerkunde…, 1939 I: 240. 526 Dominik Josef Wölfel, Einige afrikanische Axiome und ihre Grundlagen. Bibliotheca Africana III, 2-3, 1929: 109-116. 197 massiv nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzen wird.527 Zudem arbeitete Wölfel mit seiner vorindogermanischen „Westkultur“ ein kulturgeschichtliches Gegenkonzept hinsichtlich der miteinander im Widerstreit stehenden indogermanischen Nord- und Ostthese aus. Allein deshalb gebührt Wölfel eine genauere Darstellung. Als zwölftes Kind eines Wiener Militärregierungsrates war es Dominik Josef Wölfel [1888-1963] zunächst unmöglich, höhere Schulen zu besuchen. Daher erlernte er zunächst den Beruf eines Fotografen. Nebenbei betrieb er Sprachstudien: Seine phänomenale Sprachbegabung ermöglichte es ihm innerhalb kürzester Zeit neben den usuellen Fremdsprachen auch Arabisch, Persisch, Russisch und später auch Berberisch zu erlernen. 1919 inskribierte er als außerordentlicher Hörer an der Universität Wien, wo er bei Pöch und Schmidt Völkerkunde hörte. Durch die entscheidende Fürsprache von Pater Wilhelm Schmidt konnte er 1925 als 37jähriger sein Doktorat abschließen. Ein Jahr darauf begann er seine akademische Laufbahn als Kurator im Museum für Völkerkunde in Wien, wo er Walter Hirschberg, Ernst Zyhlarz und Johannes Lukas kennenlernte – die junge Kollegenschaft, die sich mit der Hamitik auseinandersetzte. Dieser Institution gehörte Wölfel bis zu seiner Pensionierung mit Ausnahme der Jahre 1938 bis 1945 an. Da er mit einer halbjüdischen Frau verheiratet war, wurde er während der NS-Zeit in den Ruhestand versetzt. 1940 erhielt Wölfel eine Berufung auf den neugegründeten Lehrstuhl für kanarische Archäologie und Frühgeschichte der Universität San Fernando in La Laguna auf Teneriffa. Die Übernahme dieses Lehrstuhls wurde ihm jedoch durch das Verbot der Ausreise aus dem Dritten Reich unmöglich gemacht. Im Vorlesungsverzeichnis der Universität Wien stand neben Universitätsdozent immer in Klammern gesetzt (Prof. aux in La Laguna).528 1954 gibt Wölfel eine bemerkenswerte Stellungnahme über die Vorgeschichte Afrikas ab. „Die alte Anschauung, dass Afrika zur Gänze der Erdteil der Neger war und sein nördlicher Teil erst durch Kolonisierung den Europäern gewonnen wurde, lässt sich heute nicht mehr aufrecht erhalten.“529 Um das Gewicht dieser Aussage bzw. ihre Breitenwirkung einschätzen 527 Egon von Eickstedt, Das Hamitenproblem…, Homo 1, 1949/1950, 105-123; Dmitrij Aleksejwitsch Ol’derogge, Chaamitskaja problema v afrikanistike. Sovetskaja Etnografija 3, 1949: 156-170; SaintClair Drake, Détruire le myth chamitique, devoir des hommes cultivés. Présence Africaine 24-25, 1959: 215-231. 528 Vgl. dazu auch Ferdinand Anders, Dominik Wölfel (1888-1963). Wiener Völkerkundliche Mitteilungen 11, 1964: 1-6; Annemarie Schweeger-Hefel, Dominik Wölfel †. Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 12, 1964: 90-92. 529 Dominik Josef Wölfel, Weißafrika (Nordafrika) Zeitschrift für Schulgeographie 6, 10, 1954: 405- 409. 198 zu können, sei erwähnt, dass Wölfel sie in einer Schulgeografischen Zeitschrift abdrucken ließ bzw. lassen konnte. Wölfel gilt als der Schöpfer des Begriffs „Weißafrika“, ein Begriff, den er einführte, um den europäischen Siedlungsraum im vorgeschichtlichen Nordafrika vom negriden Afrika südlich Sahara abzugrenzen. Damit entstanden jedoch Berührungspunkte mit dem nationalsozialistischen Geschichtsbild, ein Zusammenhang, der einer Erläuterung bedarf. Der eigentliche Mentor von Wölfel war nicht Schmidt sondern der Rassenforscher Eugen Fischer [1874-1967], mit dem er seit 1928 in Kontakt stand. Als Direktor des „Kaiser Wilhelm Instituts für Anthropologie und menschliche Erblehre“ in Berlin bewilligte Fischer in der Zwischenkriegszeit „die Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe, deren vorbildliches Wirken”, so der Wortlaut Wölfels, „der deutschen Wissenschaft wieder den vordersten Platz gesichert hat.“530 Auf diese Weise bekam Wölfel seine Auslandsstipendien finanziert. Fischer war derjenige, der 1913 in einer anthropologischen Studie bei der südwestafrikanischen Bastardbevölkerung in Rehoboth, einer Mischbevölkerung aus Hottentotten und Buren, die Mendel’schen Erbgesetze wiederentdeckt hatte.531 Anhand der Ergebnisse dieser Studie entwickelte er eine vorgeschichtliche Rassentheorie. Fischer versuchte, den Cro-Magnon Menschen in der rezenten Bevölkerung auf den Kanarischen Inseln nachzuweisen532 und sah somit die gegenwärtigen Inselbewohner – entgegen der normalen Ansicht – als Nachkommen einer blondhaarigen und blauäugigen „Eiszeitrasse”.533 Dabei nahm er dasjenige Argument aus der geologischen Forschung zur Hand, wonach der Sahararaum nicht immer schon desertifiziert vorlag, sondern sich während der Eiszeiten als günstiger Siedlungsraum der Europäer erwies. Daraus leitete Fischer die These ab, dass die rassische Heimat des Cro-Magnon-Menschen gar nicht Europa sondern Nordafrika gewesen sein muss, eine Behauptung, die Fischer einmal in eine rhetorische Frage fasste: „Ist überhaupt vorgeschichtlich der weiße Mensch von Europa nach Nordafrika gekommen und nicht vielmehr umgekehrt?“534 Dies ist bemerkenswert, da das nationalsozialistische 530 Dominik Josef Wölfel, Bericht über eine Studienreise in die Archive Roms und Spaniens zur Aufhellung der Vor- und Frühgeschichte der Kanarischen Inseln. Anthropos 25, 1930: 714. 531 Eugen Fischer, Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen…, 1913. 532 Eugen Fischer, Sind die alten Kanarier ausgestorben? Eine anthropologische Untersuchung auf den Kanarischen Inseln. ZfE 62, 1931: 258-273. 533 Eugen Fischer, Dominik Josef Wölfel, War der Eiszeitmensch blond? Berliner Illustrierte Zeitung 40, 51, 1931. 534 Eugen Fischer, Rassenkundliche Probleme in Weißafrika. Beiträge zur Kolonialforschung 1, 1943: 130. 199 Geschichtsbild in der Frage nach der Entstehung der europäischen Rasse von Nordeuropa ausging, wie Alfred Rosenberg in seinem „Mythus des 20. Jahrhunderts” (1930) verdeutlichte: „Die zum Teil bis auf heute hellhäutigen, sogar noch blauäugigen Berber gehen nicht auf die späteren Vandalenzüge zurück, sondern auf die uralte atlantischnordische Menschenwelle. […] Die herrschende Schicht der alten Ägypter weist bedeutend feinere Züge auf als das beherrschte Volk. Diese ‘Hamiten’ sind vermutlich bereits eine Mixovariation zwischen Atlantiern und der negroiden Urbevölkerung.”535 Sowohl Rosenberg als auch Fischer zählten die „Hamiten” zwar zur weißen Rasse, bei der Frage nach ihrem Ursprung klafften ihre Positionen jedoch deutlich auseinander. Rosenberg begründete ihre Herkunft mit der „nordatlantischen These”, die der österreichische Ingenieur Hanns Hörbiger [1860-1931], Vater der bekannten Schauspieler-Dynastie, entwickelte. Seine „Welteislehre”, in der Wissenschaft rundweg abgelehnt als „Glazial-Kosmogonie” bekannt, führte die Entstehung und Mutation des gesamten Kosmos auf die Existenz ewigen Eises im Weltraum zurück – Beweise waren dazu niemals erbracht worden. Gleichwohl fand sie Anhänger in nationalsozialistischen Kreisen, sowohl Hermann Göring als auch Adolf Hitler glaubten daran.536 Das ist insofern erstaunlich, da der Polarforscher Alfred Wegener den nordeuropäischen Atlantismythos bereits während des Ersten Weltkrieges mit Hilfe seiner kontinentalen „Verschiebungstheorie” eindeutig widerlegt hatte. Als aber der deutschholländische Privatgelehrte Herman Wirth [geb. 1885] in seinem „Aufgang der Menschheit” (1928) den nordeuropäischen Atlantismythos mit der frühgeschichtlichen Runenforschung verknüpfte, erweckte das bei den Anhängern der Nordthese die erhoffte Wiedergeburt der nordischen Rasse und die Befreiung der Menschheit vom Fluch der Zivilisation.537 1935 rekrutierte Heinrich Himmler Herman Wirth zum Mitbegründer der „Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte Deutsches Ahnenerbe”.538 535 Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts…, 31939 [1930]: 25. 536 Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe” der SS 1935-1945…, 21997 [1974]: 51. 537 Zum Beispiel Siegfried Kadner, Urheimat und Weg des Kulturmenschen. Veröffentlichung der Herman-Wirth-Gesellschaft…, 1931; bei den Ethnologen war die Anhängerschaft der Nordthese eher gering - auch bei solchen, die dem Nationalsozialismus wohlwollend gesinnt waren: „Die Entstehung einer arktischen nordischen Rasse im arktischen Gebiete wird abgelehnt”, siehe Hans Plischke, Herman Wirth und die Ethnologie. In: Fritz Wiegers (Hrsg.), Herman Wirth und die deutsche Wissenschaft…, 1932: 34-46. 538 Wirth war bereits in den 1920er Jahren Mitglied der NSDAP, war 1926 jedoch wieder ausgetreten. Da in wissenschaftlichen Fachkreisen seine Atlantistheorie nicht anerkannt wurde, erhoffte Wirth sich im Ahnenerbe Karriere zu machen. Himmler entließ ihn jedoch drei Jahre später. Zu dieser Problematik siehe das Buch von Michael H. Kater. 200 Hamiten waren nach Fischer zwar auch „weißrassig”, sie gehörten jedoch seiner Auffassung nach der „äthiopischen Rasse” an, deren dunkle Hautfarbe auf eine „rezente” Vermischung mit den Negroiden zurückgegangen wäre. Diese Sichtweise stammte von Egon von Eickstedt, der den rassischen Hamitenbegriff überhaupt ablehnte, da er ausschließlich sprachliche Inhalte nordafrikanischen zum blonden Ausdruck bringen „Westrasse” war würde.539 damit Fischers dem Konzeption der nationalsozialistischen Geschichtsbild entgegengesetzt. Obwohl Fischer selbst Mitglied der NSDAP war, maß er dem nordischen Gedanken praktisch keine Bedeutung bei, da er den Ursprung der „blonden Rasse” mit dem Cro-Magnon-Menschen und den Kanarischen Inseln verknüpft sah: „Seitdem der Begriff der nordischen Rasse lebendig geworden ist, dachte man nur an diese [blondhaarige Rasse]. Erst auf dem Umweg über die Erforschung der Kanarischen Inseln ist das Problem der Blonden in Nordafrika zum Problem der Cromagnon-Rasse in Nordafrika geworden.”540 Offen zu Tage kam dieser Gegensatz in der Auseinandersetzung mit seinem Badener Landsmann Hans F. K. Günther [1891-1968], der den Begriff „westische Rasse” ebenso in Anspruch nahm. Als Anhänger des nordischen Gedankens beschrieb er jene jedoch als „braun- und schwarzhaarig”.541 Fischer forderte Günther mehrmals und eindringlich dazu auf, den Begriff zurückzunehmen und fallen zu lassen.542 Hierbei schloss Wölfel an, der nun von der Rassenforschung ausgehend, in etwas abgewandelter Form, eine in Nordwestafrika selbständig entstandene „Westkultur“ herausarbeitete. Dabei konnte er auf megalithische Tumulusbauten auf den Kanarischen Inseln ebenso verweisen wie auf die zahlreichen Felsbilddarstellungen und die numidischen Sprachdenkmäler im Sahararaum. Bemerkenswert ist dabei, dass Wölfel auch die westafrikanischen Staatsgründungen miteinbezog. Wölfel, der sich auch als Kulturmorphologe verstand, modifizierte dabei die von Frobenius vorgeschlagene „atlantische Westkultur”, die jener bei den rezenten Yoruba zu erblicken vermeinte.543 Wie Fischer ging auch Wölfel davon aus, dass der Lebensraum in Nordeuropa während der Eiszeit markant eingeschränkt war. Als Katholik und Bewunderer des faschistischen Franco- 539 Egon von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…, 1934. 540 Eugen Fischer, Rassenkundliche Probleme in Weißafrika. Beiträge zur Kolonialforschung 1, 1943: 131. 541 Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde Europas…, 31929. 542 Eugen Fischer, Rassenkundliche Probleme in Weißafrika. Beiträge zur Kolonialforschung 1, 1943: 131. 543 Dominik Josef Wölfel, Die Kanarischen Inseln, die Westafrikanischen Hochkulturen und das alte Mittelmeer. Paideuma 4, 1950: 231-253. 201 Regimes544 wies Wölfel die indogermanische Nordthese leidenschaftlich sogar in Pressemitteilungen zurück.545 Auf zahlreichen Felsbildern im Sahararaum waren nicht nur Jagdtiere, sondern auch Rinder, Pferde und Reiterwagen dargestellt. Nach Wölfel entwickelte sich die „weißafrikanische” Viehzucht selbständig, also dem Geschichtsbild des „ex oriente lux“ geradezu entgegengesetzt, wonach die Viehzucht von Asien oder Ägypten herzuleiten wäre.546 Damit stellte Wölfel das wichtigste Axiom des kulturellen Hamitenbegriffs in Abrede, das seit Adametz mit der Großviehzucht verknüpft war. Von der Konzeption der „Herrenrasseideologie”, die selbstverständlich auch unabhängig vom Nationalsozialismus vertreten wurde, hatte sich nicht allzu viel verändert, wie die folgende Passage von Wölfel verdeutlicht: „Dieses Weißafrika war der Tummelplatz der europäischen Rassen schon in sehr alter Zeit. Alle ältesten Menschenfunde aus diesen Gebieten erweisen sich als Vertreter der europäiden Rassen, wobei die Rasse von CroMagnon weitaus zu überwiegen scheint. Dasselbe gilt ja auch für Ostafrika und, in etwas eingeschränkterem Maße, für Südafrika.“547 Anstatt überlegener „Hamiten” kolonisierten nun großwüchsige Cromagnon-Menschen Schwarzafrika. Verstärkt wurde diese Sichtweise durch den fossilen Schädelfund zu Boskop in Südafrika im Jahre 1913. Zahlreiche Anthropologen versuchten in den rezenten Hottentotten eine „weiße Boskoprasse” nachzuweisen, die sich nun mit der Cromagnon-These bequem korrelieren ließ. Diese Hypothese griff auch Wölfel auf: „Wir wissen heute, dass die in Südafrika fossil und in Buschmännern und Hottentotten vertretene Rasse von Boskop in den Syrtengegenden bis ans Mittelmeer reicht und heute noch dort europid-boskopide Bastarde aufweist, die ganz verblüffend der berühmten „Bastaard“-Bevölkerung Südafrikas gleichen.”548 Hier manifestiert sich also das Lehrgebäude Fischers, der mit seinem Mendeln eine „Eiszeitrasse” in einer rezenten Mischrasse zu erblicken vermeinte. Diesem vereinfachten Denkschema entsprechend konnten nun auch die Urheber der Felsbilder einfügt werden. Nicht mehr 544 Dominik Josef Wölfel, So ist Spanien. Geheimgeschichte eines Bürgerkrieges…, 1939. 545 Dominik Josef Wölfel, Die Urheimat der Indogermanen. Reichspost 341, 8.12.1934: 17. 546 Dominik Josef Wölfel, Pferd und Wagen. Reiten und Fahren im libyischen Nordafrika. MAGW 92, 1962: 302-304; Hans: Biedermann, Tartessos und Tritonis. Geheimnis des iberischen Westens und des alten „Weißafrika“. In: Die versunkenen Länder. Die Atlantis-Frage…, 1975: 103-120. - Wölfels Westkultur und das archäologische Faktenmaterial Nordwestafrikas. Almogaren. Jahrbuch des Institutum Canarium 4, 1973: 7-21. 547 Dominik Josef Wölfel, Nord- und Weißafrika. In: Hugo Adolf Bernatzik (Hrsg.), Die große Völkerkunde…, 1939 I: 225. 548 Dominik Josef Wölfel, Weißafrika (Nordafrika). Zeitschrift für Schulgeographie 6, 10, 1954: 405. 202 Hamiten, sondern Cromagnon-Menschen wären die großartigen Künstler von Nordspanien bis Südafrika gewesen. Der Anknüpfungspunkt mit dem NS-Regime bei Fischer und Wölfel bildete die Kolonialfrage Afrikas. Fischer kam ja aus der Kolonialbewegung. Ab 1936 erfolgte auf die Initiative Ritters Franz von Epp hin die Gleichschaltung zwischen dem kolonialpolitischen Amt der NSDAP, dem Reichskolonialbund und der kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, die eine Systematisierung aller kolonialwissenschaftlicher Fächer an den deutschen Hochschulen nach sich zog.549 Die militärischen Erfolge Anfang 1941 und die Aufstellung des „Deutschen Afrikakorps“ lenkte Fischers Gedanken und Überlegungen auf die nordafrikanischen Länder, die er bereits als zukünftige Kolonien Deutschlands sah. Zusammen mit seinem Kollegen in der Preußischen Akademie der Wissenschaften, dem Ethnologen und Afrikanisten Dietrich Westermann, sein Badischer Landsmann, und dem Ägyptologen Hermann Grapow plante er die Gründung einer interdisziplinären Forschungskommission über die „Probleme“ Weißafrikas. Als Grundlage dienten die Arbeiten von Dominik Josef Wölfel, der trotz der Versuchung – er war ja zwangspensioniert worden - sich dem Nationalsozialismus nicht beugte und seine persönliche und wissenschaftliche Unabhängigkeit aufrechterhielt. Am 8. Mai 1941 hielt Fischer vor der Akademie einen kurzen Vortrag, in dem er sich die aus den neuen politischen und militärischen Konstellationen ergebenden Chancen und Aufgaben umriss. In seinem Vortrag über die „Probleme Weiß-Afrikas“ legte Fischer zunächst seine Ansicht dar, dass jener nördlich der Sahara gelegene Teil Afrikas sich in klimatischer, geologischer, zoologischer, botanischer, und „... vor allem aber nach Rassen und Kulturen des Menschen deutlich und grundsätzlich vom übrigen Afrika, vom Afrika der Neger, von Schwarz-Afrika scheidet und abhebt.“550 Nordafrika sei daher als Bestandteil des europäischen Mittelmeerraumes anzusehen und wäre in Zusammenhang mit den dortigen Forschungsfragen in geologischer, naturkundlicher und anthropologischer Hinsicht zu erforschen. Durch die moderne Erschließung Nordafrikas, durch Eisenbahn und Luftverkehr, 549 Die Kolonialwissenschaften wurden in 27 verschiedene Fachgruppen unterteilt. Mehr als 500 deutsche Wissenschafter waren dafür vorgesehen. An erster Stelle stand dabei die „koloniale Völkerkunde“, die Bernhard Struck leitete; gefolgt von der „kolonialen Sprachforschung“, die Dietrich Westermann übernahm; vgl dazu auch Markus Mosen, Der koloniale Traum. Angewandte Ethnologie im Nationalsozialismus…, 1991; ferner Alexandre Kum’a N’dumbe III., Was wollte Hitler in Afrika?…, 1993. 550 Zitiert nach Niels C. Lösch, Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers…, 1997: 376, der sich bei seiner umfangreichen Studie auf den persönlichen Nachlass von Fischer stützt. 203 drohten aber wertvolle Zeugnisse, auch in kultureller und sprachwissenschaftlicher Hinsicht verloren zu gehen – dem sollte mit der Errichtung einer interdisziplinären Forschungskommission entgegengewirkt werden. Im Anschluss an den Vortrag beantragten Fischer, Westermann und Grapow die Bildung einer „Kommission der Gesamtakademie für die Erforschung Weiß-Afrikas“. In dem schriftlich eingereichten Antrag begründeten die drei Wissenschafter die Notwendigkeit der Kommissionsgründung mit folgenden Worten: „Nach dem Kriege wird die Erschließung der Saharagebiete durch Auto- und Fluglinien und durch den eben begonnenen Baue einer [...] Trans-Saharabahn sicher erneut und stark einsetzen und damit eine zunehmende Zerstörung der sich vorhandenen Zeugen weißafrikanischer Vergangenheit eintreten. Da wir künftig für unsere Kolonien die Wege über die Sahara umfangreich benützen werden, vor allem aber, da die Probleme Weiß-Afrikas aufs engste mit den uns am Herzen liegenden Rassen-, Vorgeschichte- und Sprachproblemen zusammenhängen, kann und darf sich die deutsche Wissenschaft dieser Aufgabe nicht entziehen.“551 Tatsächlich entwickelte die Kommission in Anbetracht des späteren Kriegsverlaufs keine nennenswerten Ambitionen mehr, weitere Akten sind nicht mehr überliefert. Fischer veröffentlichte in diesem Zusammenhang lediglich eine etwas überarbeitete Version seines Akademie-Vortrags. So müssen diese Aktivitäten Fischers und der anderen Akademie-Mitglieder im Wesentlichen als Ausdruck der euphorischen Stimmung nach den anfänglichen militärischen Erfolgen der Achsenmächte gewertet werden.552 551 Niels C. Lösch, Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers…, 1997: 377. 552 Niels C. Lösch, Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers…, 1997: 377. 204 d) Leo Valerian Frobenius „Jede Untersuchung der historischen, archäologischen oder prähistorischen Vergangenheit Afrikas wird das Hamitentum und die Hamitoiden in den Vordergrund der Betrachtung stellen müssen.”553 Diese Worte stammen von Leo Frobenius, dem wohl bedeutendsten deutschen Afrikareisenden. Nicht der jugendliche und unerfahrene Frobenius spricht hier, sondern dieses Zitat reflektiert die Essenz sämtlicher Erfahrungen, die Frobenius im Lauf seiner großen Afrikaexpeditionen erlangte. Dass auch Frobenius als der Afrikakenner, dem Mythos der Hamiten aufsaß, überrascht. Bei der Kulturtheorie von Frobenius liegen an der Basis aller menschlichen Kultur zwei Grundtypen, die sich in Afrika in schicksalhafter Feindschaft seit jeher gegenüberstanden: die hamitische und die äthiopische. Diese beiden Kulturen werden von Frobenius in Afrika „entdeckt”. Sie werden aber nicht als reine und gegenwärtige Form vorgefunden, sondern müssen mit Hilfe intuitiver Geistesarchäologie hervorgeholt werden. Darüber hinaus handelt es sich nicht um eigentlich afrikanische Kulturen sondern nach der Ansicht von Frobenius um zwei Urkulturen der Menschheitsgeschichte überhaupt. Ein Vergleich sei hier angezeigt mit der Phantastenliteratur, die Atlantis, Äthiopien, Tiahuanaco im Andenhochland und Sumer - nach anderer Ansicht auch Tibet - als „wurzellose Urkulturen der Urzeit” gesehen haben wollte.554 Die Hamiten sind bei Frobenius Viehhalter, Krieger und Staatenbildner; die Äthiopen Bauern. Die regionale Verteilung des hamitischen Lebensgefühls auf dem afrikanischen Kontinent ist fast identisch mit der Verteilung der Hamitensprachen nach Meinhof. Das äthiopische Gebiet deckt sich etwas mit der Verbreitung der Bantu und den Sudansprachen nach Westermann, die beide „negerischer” Herkunft sind. Das Ganze ist eingebettet in eine historische Tiefenschau, bei der es nicht nur um Merkmale von Menschengruppen geht sondern auch um Merkmale von Kulturen, die aus den geophysischen Bedingungen erwachsen und als Ganzes unabhängig sind von den Menschen, die sie schaffen und benutzen. Im Unterschied zu Baumann erblickte Frobenius in der hamitischen Kultur etwas grundlegend Matriarchalisches, eine Kultur, die gänzlich durch das Tier bestimmt ist. Sie ist chthonisch, in der Erde wurzelnd, was sich auch in der Architektur zeige. Sie ist nicht religiös, sondern magisch, sie setzt Zauber zum Schutz ihres Ichs ein. Sie ist ausschließlich auf Irdisches zentriert. Die äthiopische Kultur wäre dagegen patriarchalisch und durch die Pflanze bestimmt. Sie ist tellurisch und aus sich herauswachsend. Das zeige sich in Form der Pfahlbauten. Sie kommt ohne Magie aus und ist stattdessen religiös und 553 Leo Frobenius, Erythräa. Länder und Zeiten des Heiligen Königsmordes…, 1931: 350-351. 554 Es sei hier verwiesen auf Rudolf Elmayer von Vestenbrugg, Eingriffe aus dem Kosmos…, 1971. 205 mystisch. Physisches und Seelisches sind verbunden; es gibt keine Unterscheidung von Profanem und Sakralem. „Die hamitische Kultur kennt keine Ergriffenheit”, meinte Frobenius einmal lapidar, „besitzt keine Religionsform, kennt lediglich ein nach den Gesetzen der Physis geregeltes Profanleben.”555 Daraus zeigt sich bereits, dass das Begriffspaar von Frobenius kein rein analytisches Werkzeug war. Noch vor dem Ersten Weltkrieg taucht es in seinem Reisewerk „Unter den unsträflichen Äthiopen” (1913) auf, ein von einem Psalmvers entlehnter Titel.556 „Hamiten” und „Äthiopen” ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Schrifttum. Auffällig ist, dass Frobenius den Äthiopen eindeutig mehr Sympathie abgewinnen konnte als den Hamiten. Ihre Wesenszüge stellte Frobenius in seiner „Schicksalskunde” (1932) zusammenfassend gegenüber: Äthiopische Kultur Hamitische Kultur Sinnwille……………….Machtwille Symbole ………………..Allegorien Weitengefühl…………...Höhlengefühl Traumnaturen…………..Rauschnaturen Wirklichkeitssinn………Tatsachensinn Mystik………………….Magie557 Vertreter der imaginären Ethnografie haben schon des öfteren hervorgehoben, dass die Schriften von Frobenius mehr eine ganz spezifische europäische Geisteshaltung widerspiegeln, als eine genaue empirische Beschreibung afrikanischer Gesellschaften.558 Michael Spöttel reduzierte Frobenius gar gänzlich auf die gesellschaftspolitische Gegenwart Deutschlands während der 1920er Jahre. Dazu Spöttel wörtlich: „Das zivilisatorische Motiv erweist sich als ideologischer Hintergrund der Kulturmorphologie. Die kulturhistorische Erforschung der fernen afrikanischen Vergangenheit war eindeutig auf die deutsche Gegenwart bezogen. Frobenius hat in Afrika nach einem Muster für die ersehnte Erneuerung 555 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 95; vgl. dazu auch Franz Rottland, Hamiten, Neger, Négritude…, Paideuma 42, 1996: 57. 556 Leo Frobenius, Unter den unsträflichen Äthiopen. In: „Und Afrika sprach...” DIAFE III, 1910- 1912…, 1913: III. 557 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 105. 558 Bernhard Streck, Äthiopen und Pelasger. Zu den Quellen der imaginären Ethnographie. Paideuma 42, 1996: 169-181; Thomas Zitelmann, Körperschaft und Reich… Paideuma 42, 1996: 37-53. 206 gesucht.”559 Auseinandersetzungen entzündeten sich am polemischen Ton einiger seiner ersten Veröffentlichungen, an seiner unkonventionellen Persönlichkeit und später vor allem an seiner eigenwilligen Kulturtheorie. Im Jahr 1933 wurde Frobenius noch als „geistiger Führer im deutschen Durchbruch“560 gefeiert. In der Folge kam er aber mit dem Rassebegriff des Nationalsozialismus in Konflikt. Frobenius dachte nämlich gar nicht daran, Rasse als eine biologische Gegebenheit zu betrachten, waren doch seine Vorstellungen von Rasse stark von seinen kulturmorphologischen Gedanken geprägt. Leo Frobenius wurde 1873 in Berlin geboren. Sein Vater war Ingenieur für Festungsbau, so zog die Familie berufsbedingt oft um, ein Umstand, den Frobenius später als Grund für sein nomadisches Wanderleben angab. Frobenius verschlang schon in seiner Jugend die Reisebeschreibungen der großen Afrikaforscher des 19. Jahrhunderts. Er begann schließlich noch vor seinem zwanzigsten Lebensjahr, selbst Artikel und Bücher über Afrika zu veröffentlichen. Seine Freundschaft zu dem Ethnologen Heinrich Schurtz [1863-1903]561 führte Frobenius weiter an die Ethnologie heran, und er begann zu studieren. Allerdings hat er sein Studium nie regulär mit einer Doktorarbeit abgeschlossen. Seine beiden als Dissertationen eingereichten Arbeiten wurden abgelehnt. Als 25jähriger veröffentlichte Frobenius „Der Ursprung der afrikanischen Kulturen“ (1898). Darin wandte er sich gegen die herrschende Vorstellung von einer evolutionistischen Entwicklung der Menschheit. Als Gegenthese entwickelte Frobenius die Kulturkreislehre, die später von Ankermann und Graebner zu einer bestimmenden Lehre ausgebaut werden sollte. Er glaubte das bisher geltende evolutionistische Lehrgebäude durchbrechen zu können. Anhand von Kulturelementen nach ihrem Äußeren und nach ihrer Verbreitung zu Formenkreisen wäre dieser „neuen” Methode gemäß, eine Verwandtschaft zwischen der Äquatorregion Afrikas und Südostasiens nachzuweisen. Nebenher hatte er 1894 begonnen, sein sogenanntes „Afrika-Archiv” aufzubauen, eine Sammlung von Tausenden von Exzerpten über Afrika, das 559 Michael Spöttel, Hamiten…, 1996: 46. 560 Helmut von den Steinen, Leo Frobenius als geistiger Führer im deutschen Durchbruch. In: Leo Frobenius. Ein Lebenswerk aus der Zeit der Kulturwende…, 1933: 25-31. 561 Wie Ratzel, gliederte auch Schurtz die Menschen nicht nach Rassen sondern nach Völkern: In seinem 1893 herausgegebenen Standardwerk findet sich folgender Eintrag zu den Hamiten: „Als typische Eigenschaften der Hamiten sind anzuführen: Mittelhoher oder höherer Wuchs, Dolichocephalie, Prognathismus und fleischige Lippen. Die Augen sind groß und mandelförmig, die Hautfarbe schwankt zwischen gelbbraun und braunrötlich. Das Haar ist kraus und schwarz, selten heller gefärbt. Die hamitischen Sprachen sind in ihrem Bau den semitischen verwandt und bilden eine gemeinsame Gruppe.“ In: Heinrich Schurtz, Katechismus der Völkerkunde…, 1893: 301. 207 als Arbeitsgrundlage für das nach dem Ersten Weltkrieg begründete „Institut für Kulturmorphologie” diente. Bei der Bearbeitung der afrikanischen Themen waren ihm die Lücken in der ethnografischen Erforschung einiger Gebiete Afrikas aufgefallen. Wahrscheinlich auch als Reaktion auf die Ablehnung seitens der universitären Ethnologie fasste Frobenius den Entschluss, diese Gegenden zu erforschen. Zu diesem Zweck rief er die „Deutsche Innerafrikanische Forschungsexpedition“ (DIAFE) ins Leben, die er zum Teil aus eigenen Mitteln finanzierte. Förderung erfuhr das Projekt durch verschiedene Völkerkundemuseen, für die Frobenius Ethnografica zusammentrug, durch das Reichskolonialamt, aber auch von seinem wichtigsten Förderer, Kaiser Wilhelm II. Zwischen 1904 und 1937 unternahmen Frobenius und seine Mitarbeiter insgesamt dreizehn größere Reisen in die verschiedensten Gegenden Afrikas. Die auf diesen Expeditionen gesammelten Objekte füllten die deutschen Völkerkundemuseen, während die Eindrücke dieser Reisen von Frobenius in seinen zahlreichen Büchern verarbeitet wurden. Auf das zu behandelnde Thema bezogen, ist die DIAFE X, bei der Felsbilder in der Sahara (Fezzan) aufgenommen wurden, von Bedeutung. Bei deren Auswertung erblickte er hamitische und äthiopische Stilformen, und verlegte damit das „diametral entgegengesetzte Naturkräftespiel”562 zeitlich um Jahrtausende zurück. Frobenius sah in der „hamitischen Mahalbi-Kultur” die Erbin des frankokantabrischen Stiles in Europa, deren Träger helle, blondhaarige und blauäugige Menschen wären. Nach einer kurzzeitigen Beschäftigung in Basel siedelte Frobenius 1920 nach München um. Zunächst hatte er mit anderen Gelehrten geplant, ein neues Institut für Ethnologie zu gründen. Allerdings überwarf er sich mit seinen Fachgenossen und so rief er das von ihm nun in Eigenregie geleitete „Institut für Kulturmorphologie“ ins Leben. In München kam er mit dem Geschichts-Philosophen Oswald Spengler [1880-1936] in Kontakt, der ein verwandtes Kulturkonzept in seinem Werk „Der Untergang des Abendlandes“ (1918-1922) vertrat und der ihn tatkräftig unterstützte. In einem bislang wenig zitierten Werk charakterisiert Spengler den Menschen als ein Raubtier, eine Eigenschaft, die sich ohne weiteres auch auf ganze Völkerschaften übertragen ließe. „Es gibt Völker“, so Spengler, „deren starke Rasse den Raubtiercharakter bewahrt hat, räuberische, erobernde, Herrenvölker, Liebhaber des Kampfes gegen Menschen, welche den wirtschaftlichen Kampf 562 Leo Frobenius, Ekade Ektab. Die Felsbilder Fezzans Ergebnisse der DIAFE X…, 1937: 73; dazu wörtlich: „In der „Monumenta Terrarum“ ist eingehend ausgeführt worden, dass Afrika auch heute noch von zwei diametrial entgegengesetzt sich auswirkenden Kulturkräftespielen erfüllt ist, welche mit dem Namen Gabulluku-Kultur für das Äthiopische und Mahalbi-Kultur für das Hamitische bezeichnet werden.“ 208 gegen die Natur den andern überlassen, um sie zu plündern und zu unterwerfen.”563 Nach Spenglers zyklischer biologistischer Geschichtstheorie müsse jede Kultur zur „Zivilisation” erstarren, wenn ihre räumliche Ausdehnung erreicht ist. „Ist das Ziel erreicht und die Idee, die ganze Fülle innerer Möglichkeiten vollendet und nach außen hin verwirklicht, so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab, ihr Blut gerinnt, ihr Kräfte brechen - sie wird zur Zivilisation.”564 Das gesamte westliche Abendland wäre der fatalistischen Gesetzmäßigkeit von Blüte, Reife und Verfall dem Untergang geweiht. Diesen Kulturpessimismus griff Frobenius in seiner „kulturmorphologischen Schicksalskunde“ auf und ordnete Spenglers „Raubtiertheorie“ den Hamiten zu: „Wie ein Leopard vermag der Hamit die Fährten aufzuspüren. Wie ein Hund seinen Knochen beiseite bringt, daß kein Auge eines Genossen ihn erreiche, so fürchtet der Hamit den bösen Blick. Wie eine Katze ihre Exkremente verscharrt, so ängstlich beseitigt der Hamit jeden Abschnitt seiner Haare und Nägel. Wie ein Raubtier zieht er auf Jagd aus und fordert herrisch in diesem und jenem die Vorrechte seiner Stärke. Oswald Spenglers Raubtiertheorie passt auf die Träger der hamitischen Kultur in allem und jedem.“565 Deutlich ist sowohl bei Spengler als auch bei Frobenius das Unbehagen über das Diktat von Versailles zu spüren. Die „hamitischen Leoparden“, das waren eigentlich die „Großen Vier“, die Kriegsgewinnler des Ersten Weltkriegs, die die deutschen Kolonien raubten und dabei eine Hetzpropaganda gegen Deutschland entfachten. Ebenso kräftig wurde von deutscher Seite diese auferlegte „Kolonialschuld“ als Lüge zu entlarven versucht.566 Auch Frobenius, der ansonsten recht kritisch dem Kolonialwesen gegenüberstand567, beklagt den Verlust der deutschen Kolonien. 1932 nimmt Frobenius dazu Stellung: „Im Jahre 1914 verloren wir unsere Freiheit, und die Ausfahrt in unsere uns immer noch nicht wiedergegebenen Kolonien oder gar in fremde Teile Afrikas ist seit damals dem deutschen Forscher versagt. Die Folge war naturgemäß, daß wir uns mehr und mehr vom Gedanken an das „Feldwerk“ zur Vertiefung in „Heimarbeit“ zurückzogen.568 Dementsprechend meint 563 Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik…, 1931: 54; Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte…, 1923. 564 Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes…, 1923: 143. Diese biologistische Sichtweise hat später Arnold J. Toynbee übernommen und in seinen 21 gezählten Kulturen weitergeführt. In seinem Kulturkonzept kommen Hamiten interessanterweise nicht vor. 565 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 101. 566 Vgl. auch das Kapitel „Koloniale Schuldlüge” in der Magisterarbeit des Verfassers. 567 Leo Frobenius, Völkerkunde und Kolonialpolitik. Deutsche Kolonialzeitung 16, 36, 1899. 568 Leo Frobenius, Das unbekannte Afrika. Aufhellung der Schicksale eines Erdteils…, 1923: IX. 209 Frobenius, dass auch die nationalen Kulturen Europas Ausprägungen des Hamitischen sind. Er findet diesen im französischen Rationalismus und im englischen „Tatsachensinn”. Das Äthiopische wäre seiner Auffassung nach die „russische Seele” und die „deutsche Mystik”. Damit ist wie in der biologischen Hamitik eine Brücke zwischen Afrika und Europa geschlagen, aber nun zum anderen Teil der afrikanischen Dichotomie, wie Frobenius hervorhebt: „Wenn der Äthiope in frommer Scheu sich dem Weibe widmet im Sinne der Bildung neuen Lebens, so kennt der Hamit nur die Eroberung des Genusses und des Besitzes.“569 Es heißt nicht mehr „unser Bruder, der Hamit”, sondern „wir, die Äthiopen”.570 Dahin konnte Frobenius kommen, da er sich nicht am Rassebegriff orientierte sondern am Gemüt. Nach Frobenius markiert in Europa der Rhein und der Ärmelkanal die Grenze zwischen Äthiopik und Hamitik. Drüben die hamitischen Franzosen und hüben die äthiopischen Deutschen. Hamitik war der Ausdruck an Rationalität des zentral-französischen Staates und die von England geschaffene „Weltwirtschaftsmechanik“.571 Sie wäre die bevorstehende Maschinenkultur des Westens, der die Ergriffenheit als Einheitssinn fehle.572 Im Gegensatz dazu war „Deutschland niemals Heimatgebiet der Hamitik“.573 Östlich des Rheins, im dezentralen Deutschen Reich, herrsche das Patriarchat und die Äthiopik, die sich durch den „Wirklichkeitssinn in der deutschen und äthiopischen Kultur“ ausdrücken.574 Der persönliche Kontakt Leo Frobenius zum deutschen Kaiser Wilhelm II. ist in wissenschaftsgeschichtlichen Aufsätzen bereits dargestellt worden.575 Wilhelm II., der die Expeditionen des Forschers finanziell unterstützte, wurde im Doorner Exil über Hamitisches und Äthiopisches aufgeklärt. Nach einem Vortrag von Frobenius schrieb der Kaiser als Aktennotiz: „Ich bin wie erlöst! Endlich weiß ich, welche Zukunft wir Deutschen haben, wozu wir noch berufen sind! Wenn wir den Deutschen erst einmal beigebracht haben, dass Franzosen und Engländer gar keine Weißen, sondern Schwarze – die Franzosen z.B. Hamiten – sind, dann werden sie schon gegen die Bande vorgehen.”576 569 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 100. 570 Franz Rottland, Hamiten, Neger, Négritude…, Paideuma 42, 1996: 57. 571 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 202. 572 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 198. 573 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 107. 574 Leo Frobenius, Schicksalskunde…, 21938 [1932]: 110. 575 Beiträge kommen hier vor allem vom Frobenius-Institut in Frankfurt, wie Peter Heine, Leo Frobenius als politischer Agent… Paideuma 26, 1980 und Thomas Zitelmann, Körperschaft und Reich… Paideuma 42, 1996: 37-53. 576 Zitiert nach Franz Rottland, Hamiten, Neger, Négritude…, Paideuma 42, 1996: 57. 210 Leo Frobenius „Kulturgeschichte Afrikas“ (1933) erlangte auch Bedeutung dadurch, dass es das in der „Négritude“-Bewegung erwachende afrikanische Selbstbewusstsein nachhaltig beeinflusste. 1936 wurde es ins Französische übersetzt. Afrikanische Intellektuelle, die im Paris der 1930er Jahre studierten, begannen sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen und Frobenius Vorstellungen von einem geschichtlichen Afrika fielen hier auf fruchtbaren Boden. Die entscheidenden Änderungen bei Frobenius bestehen in der Transposition der Begriffe von einer biologisch-evolutioniären auf eine kulturphilosophische Ebene, und einer Umkehrung der Wertskala, wonach die hamitischen Merkmale abgewertet und die äthiopischen „negerischen“ Merkmale aufgewertet werden. Mit dieser Umkehrung wird Frobenius für die Vertreter der „Négritude“-Bewegung nützlich. Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Bewegung zählt der frühere Staatspräsident des Senegal [19601980], Léopold Sédar Senghor [1906-2002], der Frobenius Lehre nach eigenen Worten zur „colonne vertébrale“ der Négritude erhob.577 „I have been saying it for decades“, so Senghors Worte anlässlich der 100jährigen Gedenkfeier von Frobenius, “the independence of the mind is an indispensable condition of all other independence. And it was Leo Frobenius who helped us to achieve it. Therefore he is still our master.“578 Ein Sprachrohr in Frobenius Werken fand auch der aus den Antillen stammende Dichter Aimé Césaire579, der 1938 als erster für die Rückbesinnung auf spezifisch afrikanische Werte den Ausdruck Négritude prägte.580 Was den jungen Vertretern der Négritude-Theorie freilich weniger deutlich gewesen sein mag, war die Tatsache, dass sich hinter den Gegensatzpaaren von Frobenius der alte deutsche Gegensatz zwischen „Zivilisation“ und „Kultur“ verbarg und somit die alte Theorie von einer deutsch-französischen Wesensfremdheit. Durch die Eingliederung deutscher Kultur in die größere Gruppe der Äthiopik bot sich ihnen ein europäischer „seelischer“ Verwandter dar, der nun als „Verbündeter“ und „Befreier“ gegen die hamitische französische Kolonialmacht betrachtet werden konnte.581 577 Vgl. dazu Léopold Sédar Senghor, The Lessons of Leo Frobenius. In: Eike Haberland (Hrsg.), Leo Frobenius…, Studien zur Kulturkunde 32, 1973: VII-XIII; J.-M. Ita, Frobenius, Senghor and its Image of Africa. In: R. Horton; R. Finnegan, Modes of Thougtht…, 1973. 578 Léopold Sédar Senghor, The Lessons of Leo Frobenius. In: Eike Haberland (Hrsg.), Leo Frobenius…, Studien zur Kulturkunde 32, 1973: XIII. 579 Martin Steins, Die Geburt der Négritude aus dem Geist des Krieges. Aimé Césaires Gedicht Les Pur-sang und Leo Frobenius. Neohelicon 9, 2, 1984: 83-127. 580 Ein Kritiker der Négritude war der englischsprachige Nigerianer Wole Soyinka, der der Bewegung die Praxisferne zum Vorworf machte: „Ein Tiger verkündet nicht seine Tigritude, er springt.“ 581 Philip S. Zachernuk, Of Origins and Colonial Order. Southern Nigerian Historians and the “Hamitic Hypothesis”, c. 1870-1970. JAH 35, 3, 1994: 427-456. 211 e) Hermann Baumann Hermann Baumann [1902-1972] gehörte über Jahrzehnte hinweg zweifelsohne zu den einflussreichsten Vertretern der kulturhistorischen Ethnologie überhaupt. Kaum ein anderes Werk hat die afrikanistische Literatur dermaßen geprägt wie seine 1939 herausgegebene „Völkerkunde von Afrika”, jenes Gemeinschaftswerk mit Dietrich Westermann und Richard Thurnwald, das die kulturhistorische Völkerkunde zu einer anwendbaren kolonialwissenschaftlichen Disziplin ausbauen sollte. Allein der Untertitel - „Mit besonderer Berücksichtigung der kolonialen Aufgabe” - gibt schon den Hinweis darauf, dass das Werk vor dem politischen Hintergrund geschrieben wurde, die verlorenen deutschen Kolonien wieder zu erlangen. Mit der Hamitentheorie hat sich Baumann eingehend beschäftigt. Was ihn persönlich von den oben genannten Hamitikern unterscheidet, ist, dass Baumann bereits einer jüngeren Wissenschaftsgeneration angehörte. Während die Hamitentheorie sozusagen mit dem Tod ihrer Vertreter langsam ausstarb, hatte Baumann sich mit der ablehnenden Kritik von Afrikahistorikern der Nachkriegsgeneration auseinander zu setzen. Ab 1920 studierte der in Freiburg in Breisgau geborene Hermann Baumann an der Freiburger Universität. Dort erhielt er seine anthropologische Ausbildung durch Eugen Fischer und Ernst Grosse lehrte ihn kulturhistorische Ethnologie. Zu Baumanns akademischen Lehrern zählte auch Felix von Luschan in Berlin. Entscheidend für Baumanns wissenschaftlichen Werdegang wurde jedoch sein Kontakt zu Bernhard Ankermann, unter dessen Anleitung er 1921 als Volontär in den Dienst des Berliner Völkerkunde-Museums trat. 1926 promovierte Baumann mit einer musealen Arbeit an der Universität Leipzig noch unter Karl Weule, der ihn in die Hamitik eingeführt hatte. Hermann Baumann wurde damit zum „Museumsmann”. Bei Baumann fällt sein politisches Engagement in rechtskonservativen Kreisen auf sowie sein früher Kontakt zur NSDAP. Als Student gehörte er dem Allgemeinen Deutschen Bund an, und 1932 trat er bereits der NSDAP bei, wo er in Kürze zum Leiter einer Ortsgruppe in Berlin aufrückte. Aus gesundheitlichen Gründen musste er aber Ende 1935 seine parteiamtliche Aktivität wieder beenden.582 Dennoch konnte er sich in der Neubesetzung des Lehrstuhls in Wien gegen seinen Hauptkonkurrenten Hugo Adolf Bernatzik durchsetzen, der sich über das SS-Ahnenerbe, die Kulturorganisation des Reichsführers Heinrich Himmler, in die Beratungen der Lehrstuhlvergabe eingemischt hatte.583 Von 1940 bis 1945 leitete Baumann das Ordinariat für Völkerkunde in Wien, von 582 Jürgen Braun, Eine deutsche Karriere. Die Biographie des Ethnologen Hermann Baumann (1902- 1972)…, 1995: 41. 583 Näheres dazu in Peter Linimayr, Wiener Völkerkunde im Nationalsozialismus…, 1994. 212 wo er kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee nach München flüchten konnte. Im Entnazifizierungsverfahren wurde Baumann 1949 von der französischen Ordnungsbehörde in Mainz vorgeladen. In seinen insgesamt neun erstellten Entlastungszeugnissen versuchte Baumann seine „anti-nationalsozialistische” Gesinnung hervorzuheben. In einem davon heißt es: „In keinem meiner Bücher und Schriften finden sich nationalsozialistische oder militaristische Bekenntnisse. Mein letztes Hauptwerk (Völkerkunde von Afrika, 1939) wurde 1948 in Paris vom Verlag Peyot in französischer Sprache herausgegeben, was kaum der Fall gewesen wäre, wenn ich fachlich als entschiedener Nationalsozialist bekannt wäre oder das Werk nationalsozialistisches Gedankengut enthielte.”584 Die französischen Stellen dürften von dieser Neuauflage beeindruckt worden sein: Baumann wurde lediglich als „Mitläufer” eingestuft und konnte damit einen Schlussstrich unter seine „Nazivergangenheit” ziehen. Er nahm seine Lehrtätigkeit am Frobenius-Institut in Frankfurt auf; 1955 übernahm er das neugegründete Völkerkundeinstitut an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, das er bis 1967 leitete. Baumann gilt als der modernste unter den Kulturkreistheoretikern. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern füllte er seine Kulturkreise ausreichend mit ethnografischen, anthropologischen, prähistorischen und archäologischen Materialdaten. Dadurch ergab sich ein weitaus realistischeres historisches Bild für Afrika, als das von Frobenius und Schmidt gezeichnete. Zudem korrelierte er die Kulturkreise mit bestimmten Ökozonen. Es war dies das schlüssige anthropogeografische Argument, dass Umwelt und Kultur ineinander griffen und nicht zu trennen wären. Hier nahm er die umfangreichen Studien des Hamburger Kulturgeografen Siegfried Passarge zur Hand, der für Afrika spezifische Ökozonen herausgearbeitet hatte. Der Preis dafür war, dass die Kulturkreise nur mehr für Afrika Gültigkeit besaßen. Dadurch ging aber der universalhistorische Aspekt verloren. Um sich von der alten Kulturkreislehre abzugrenzen, änderte Baumann dementsprechend die Begriffe. So sprach er von neun „Grundkulturen”, die er 27 verschiedenen „Kulturprovinzen” zuordnete. Diese Begriffe fanden zusehends über Franz Boas auch im US-Amerikanischen Sprachraum Anerkennung.585 584 Dieser Entnazifizierungsantrag von Baumann ist vollständig abgedruckt in Jürgen Braun, Eine deutsche Karriere. Die Biografie des Ethnologen Hermann Baumann (1902-1972)…, 1995: 87-89. 585 Der aus Kiel stammende Franz Boas arbeitete mit “cultural areas”, die von einem seiner Schüler auf Afrika adaptiert wurden, siehe dazu Mellville Jean Herskovits, The cattle complex in East Africa. American Anthropologist 28, 1926: 230ff., 361ff., 494ff., 633ff. 213 1934 stellte Hermann Baumann seine „afrikanischen Kulturkreise” in der renommierten Londoner Zeitschrift des Internationalen Afrikainstituts [IAI] vor.586 Fürsprache bekam er von seinem Fachkollegen Dietrich Westermann, der damals das IAI leitete. In seinem Vortrag legte Baumann den Gedanken nahe, dass sich Viehzucht und Jagd vorzugsweise in Salzsteppen und reinen Trockengebiete entwickeln würden, während sich die Feuchtgebiete und der Regenwald Afrikas eher für das Sammeln und Pflanzen eignen würden. Die Jäger und die Viehzüchter wohnten dieser Sichtweise gemäß in derselben Ökozone. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, wandelte Baumann zum Beispiel die von Frobenius eingeführte Konzeption einer „Jägerkultur” zur „Steppenjägerkultur” um [Abb. 29]. Dabei dachte er aber nicht wie Schmidt, dass sich daraus notwendigerweise eine Viehzucht entwickeln würde. Jäger und Viehzüchter benutzten dieselbe von Nordostafrika bis nach dem Süden verlaufende Wanderstraße, sodass etwaige Überschneidungen eine Entscheidung schwer machen würden, ob ein Kulturelement der „osthamitischen Viehzüchter-“ oder der „buschmännischen Jägerkultur” angehöre. „Auf derselben Wanderbahn wie die ebengenannte Steppenjägerkultur”, so zeichnete Baumann das neue kulturgeschichtliche Bild Afrikas, „zog auch die Kultur der großviehzüchterischen (Ost)-Hamiten von Nordafrika über den Nordosten nach Süden.”587 Damit führte Baumann die von Hahn ausgelöste und von Schmidt weitergeführte Diskussion um die Entstehung der Nomadenkultur zumindest für Afrika zu Ende, wie auch aus der folgenden Passage hervorgeht: „Namen wie Rousseau, Anton und später Morgan, Engels Bücher u. a. bezeichnen eine Epoche, in der eine aufklärerische und liberalistische paradiesische Lebensweise oder des Jägertums erst über die Wirtschaftsstufe des nomadischen Hirtentums hinweg zum Bodenbau gelangten. Als ‘Listisches Dreistufenschema’ wirkte diese, von der Sozialdemokratie und ihren wissenschaftlichen Päpsten mit einer Begeisterung aufgenommene Konstruktion noch bis in die neueste Zeit hinein fort.”588 Auffällig ist hier Baumanns antisozialdemokratische Argumentation, in einer Weise, die auch Schmidt vertreten hatte. In seiner Habilitiationsschrift „Schöpfung und Mythus“ (1936) korrelierte Baumann die afrikanische Kulturkreislehre mit den religionsgeschichtlichen Betrachtungen Pater Wilhelm Schmidts, die den Urmonotheismus als historische Ausgangsposition nahm.589 Danach könne gerade anhand der überlieferten Mythologie der Himmelsgötter und Sonnenhelden die kulturelle 586 Hermann Baumann, Die afrikanischen Kulturkreise. Africa 7 (1934), S. 129-139. 587 Hermann Baumann (Hrsg.), Völkerkunde von Afrika…, 1939: 35, hervorgehoben im Original. 588 Baumann 1934, zitiert in Jürgen Braun, Eine deutsche Karriere. Die Biographie des Ethnologen Hermann Baumann (1902-1972)…, 1995: 47. 589 Hermann Baumann, Schöpfung und Urzeit des Menschen im Mythus…, 1936. 214 Abb. 29 Baumanns Steppenjägerkultur. Hermann Baumann, Völker und Kulturen Afrikas. In: Hermann Baumann, Richard Thurnwald, Dietrich Westermann, Völkerkunde von Afrika…, 1940: 29. 215 Gemeinsamkeit der Jäger und Viehzüchter aufgezeigt werden. Diese Nähe zu Schmidt täuscht aber. Zum einen stand Baumann als Mitglied der NSDAP politisch genau auf der Gegenseite. Außerdem war er 1928 von der evangelischen Kirche ausgetreten, mit der Begründung, dass er als vergleichender Religionsethnologe keiner einzelnen Kirche angehören dürfe. Zum anderen trennte er bei seiner Kultureinteilung nach Ökozonen die „Kalahari-Buschmänner” von den „Regenwald-Pygmäen”. Damit stellte Baumann sich klar gegen Schmidt, der in den beiden letzteren ja eine genetische Einheit propagierte. Zudem griff Baumann das Argument von Siegfried Passarge auf, wonach die Buschmänner ursprünglich gar keine „primitiven” Jäger gewesen wären, sondern Viehzüchter und Staatenbildner, die aber in das Randgebiet der Kalahari abgedrängt wurden und anschließend zu „Jäger” verkümmerten.590 Seit Passarge galt für die Hamitiker der normative Satz, dass an den aufgestellten hypothetischen Wanderstraßen der Hamiten Ostafrikas die meisten größeren afrikanischen Staatenbildungen „wie Perlen an einer Schnur” aufgereiht liegen. Demnach galten auch die in Südwestafrika lebenden Bantu-sprechenden Ovambo und Herero als Hamiten, eine Sichtweise, der sich auch Schmidt angeschlossen hatte. Passarge und später auch Weule weiteten diese soziogeografische Logik jedoch mit der Begründung aus, dass am Ende dieser Schnur auch ein ursprüngliches „Buschmannreich” vorliegen müsse. In Wirklichkeit entsprang Passarges Sichtweise der Kolonialromantik aus der Jahrhundertwende, wonach die Kalahari das „letzte Asyl der Freiheit für den vertriebenen Ureinwohner Südafrikas” bildete.591 Passarges Zeitgenosse Gustav Frisch, einer derjenigen, der die Hamitentheorie vehement ablehnte, konnte in seiner Buchbesprechung zu Passarge seine Polemik nicht zurückhalten: „Waren sie zu meiner Zeit nicht nachzuweisen, so müssen sich die Buschmänner später wie Kaninchen vermehrt haben, um ihre Staaten zu gründen und dann unmittelbar wieder in das jetzige Elend zurücksinken.”592 Dennoch hatte sich diese kolonialromantische Vorstellung einer in der Kalahari verloren geglaubten Zivilisation in der deutschsprachigen Ethnologie durchgesetzt. Ausgenommen davon war die „Wiener Schule”, die eigens von einer „primären Primitivität” bei der Buschmannkultur sprach und dabei Fritz Krause herausforderte, 1926 den Begriff der „sekundären Primitivität” einzuführen593, um 590 Diese Sichtweise vertrat auch Walter Hirschberg, The Problem of the Relationship between Pygmies and Bushmen. Africa 7, 1934: 446ff. 591 Siegried Passarge, Die Buschmänner der Kalahari…, 1907. 592 Gustav Fritsch, Buchbesprechung zu „Die Buschmänner der Kalahari von Siegfried Passarge”. ZFE 1906: 77. 593 Diese Sichtweise wurde in Wien vor allem weitergeführt von Walter Hirschberg, Zur Frage der sekundären Primitivität der Buschmänner. Wiener Völkerkundliche Mitteilungen 2, 1954: 1-5. 216 damit den Regressionsgedanken zu unterstreichen.594 Diese Debatte entschärfte sich ein wenig, als das rassische Argument von Schultze-Jena kam, der in den Buschmännern und den Hottentotten dieselbe rassische Grundlage bestimmte und daraufhin 1928 den Begriff „Khoisan” prägte.595 Aus der Sicht der Hamitik war dies aber geradezu ein Argument mehr, die Buschmänner sprachlich, kulturell und nun auch rassisch über die Hottentotten mit den ostafrikanischen Viehzüchter-Hamiten zu verknüpfen. Baumann hielt die „Khoisan” für Überreste einer verdrängten „eurafrikanischen Steppenjägerkultur“, die in der osthamitischen Viehzüchterkultur weiterleben würde. In der „Völkerkunde Afrikas” findet sich die bezeichnende Stelle: „Manches spricht dafür, daß die Buschmänner ursprünglich großwüchsiger waren und heute degeneriert sind, anderes spricht dafür, daß die Hottentotten in alter Zeit „Hamiten” waren und später Buschmannblut aufnahmen.”596 Das Fatale bei Baumann war, dass er sich zusehends von der Rassendoktrin des NSRegimes vereinnahmen ließ. So sprach auch Baumann von der „gegenseitig bedingten Wesenheit von Rasse und Kultur”.597 Allein schon beim Begriff „euroafrikanisch” ist zu bemerken, dass hierbei die Betonung auf der ersten Silbe lag und nicht umgekehrt. Den gemeinsamen Nenner bildete das vermeintliche „weißrassische” Element das Europa und Afrika zusammen schweißen sollte oder negativ ausgedrückt: das gemeinsame „Nichtnegroide”. Die Frage, ob Baumann Anhänger der Ost- oder Nordthese war, lässt sich jedoch nur schwer beantworten. Seinem opportunen Verhalten dem NS-Regime gegenüber entsprechend scheint Baumann beide Kulturgeschichtsbilder vertreten zu haben. Als Kulturhistoriker der Afrikanistik lehnte er sich an die Vertreter der „Ostthese”, wobei er dabei zusehends die Argumente der Rassenkundler heranzog. Sowohl Egon von Eickstedt598 als auch Eugen Fischer lehnten den rassischen Hamitenbegriff wegen seines sprachlichen 594 Siehe dazu die Magisterarbeit von Maike Kleihauer, Kulturelle Regression bei Jäger- und Sammlerkulturen…, 1991. 595 Leonard Sigmund Schultze, Zur Kenntnis des Körpers der Hottentotten und Buschmänner…, 1928. Interessanterweise wurde dieser Begriff vor allem in der anglophonen Gelehrtenwelt übernommen. 596 Hermann Baumann (Hrsg.), Völkerkunde von Afrika…, 1939: 87. 597 Hermann Baumann, (Hrsg.), Völkerkunde von Afrika…, 1939: 13. 598 Vgl. auch Wilhelm Koppers, Die Indogermanenfrage im Lichte der historischen Völkerkunde. Anthropos 30, 1935: 1-33. Für die Begründung seiner Ostthese stützte Koppers sich auf Eickstedt, der seine „protonordische Rasse” in Südwestsibirien entstehen lässt, von wo aus eine nach Europa gelangende blonde asiatische Nordform die Indogermanisisierung Europas bewirkt hätte; vgl. auch „das Hirtenkriegertum der Steppen” in Egon von Eickstedt, Rassendynamik von Ostasien. China, Tai und Kmer von der Urzeit bis heute…, 1944. 217 Inhalts ab.599 Zudem hatte Günther den Ursprung der „hamitischen Rasse” zusammen mit den Ariern nach Mitteleuropa verlegt, dorthin, wo „eine bestimmte Menschengruppe sich in Abschließung während der späteiszeitlichen Jahrtausende zur nordischen Rasse ausgebildet hat.”600 Als Vertreter der Nordthese ging Günther vor allem gegen jene vor, die mit der „katholischen” Kulturkreislehre liebäugelten. Seine Polemik traf vor allem den Bonner Historiker Fritz Kern [1884-1950], da dieser den Versuch unternommen hatte, die Ergebnisse der ethnologischen Kulturkreislehre mit jenen der Rassengeschichte Alteuropas auf einander abzustimmen. In seinem „Stammbaum und Artbild der Deutschen” (1927) sprach Kern sich deutlich für die Behauptung aus, die „nordeurasische Rasse” samt den „Hamiten” sei in der Steppenlandschaft Asiens entstanden.601 Eugen Fischer und Egon von Eickstedt führten dahingehend die „äthiopide Rasse” ein, die aber keine eigenständige sondern einen „negro-europiden Zwischentypus” der „weißen Rasse” bildete. [Abb. 30, 31].602 Beide gingen also von einem Mischtypus aus. Von Eickstedt sprach auch von „schwarzhäutigen Vertretern” der „weißen Rasse” und zählte dazu die Fulbe und Haussa ebenso wie die Melaniden Indiens.603 Baumann glaubte demnach, die „äthiopide Rasse” mit der „osthamitischen Kultur” korrelieren zu können: „Die Osthamiten brachten ihr äthiopides Blut überall dorthin, wo wir auch ihre besonderen Kulturphänomene antreffen, ja das Auftreten geradezu ein Kriterium für die mögliche Existenz ihrer Kultur und auch umgekehrt, so daß hier die These von der Einheit der Kultur und des Blutes ergänzend gerechtfertigt erscheint.”604 Nach Baumann konnte dieses Konstrukt einer äthiopiden Rasse auch als Träger der Khoisankultur gelten [Abb. 32]. Kopfzerbrechen bereitete dieser „äthiopide Einschlag” lediglich dadurch, weil dieser geradezu im Widerspruch zum anthropologischen Aussehen der Khoisan stand. Vor allem die Körpergröße der beiden Rassentypen ließen sich nicht in Einklang bringen. Die Lösung dazu bot sich im sogenannten 599 Egon von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…., 1934: 491. 600 Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde Europas…, 31929: 153; den Begriff „äthiopide Rasse” lehnte Günther ab. 601 Hans Friedrich Karl Günther, Rassenkunde des deutschen Volkes…, 171938: 325. Kern war 1944 in einer Widerstandsgruppe aktiv und lebte 1945-1947 unfreiwillig als Exilant in der Schweiz. 602 Eugen Fischer, Zur Frage einer äthiopischen Rasse. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie 27, 1929: 339-341. 603 Egon von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…., 1934: 606; die Sichtweise, dass Fischer den kulturschöpfenden Faktor eher bei den Mischrassen erblickte als bei den sogenannten reinen Rassen, findet sich bei Niels C. Lösch, Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers…., 1997. 604 Hermann Baumann (Hrsg.), Völkerkunde von Afrika…, 1939: 35. 218 Abb. 30 Von Eickstedt erklärt den hamitischen Typus zur äthiopischen Rasse. Egon Freiherr von Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit…, 1934: 499. 219 Abb. 31 Rasse unverändert durch Jahrtausende; nationalsozialistische Zeitschrift Märkischer Adler (7.6.1936). Vergleich zwischen antiken und arischen Köpfen. Die Hamiten nehmen ein Zwischenglied ein. George L. Mosse, Die Geschichte des Rassismus in Europa..., 1990: 139. 220 Abb. 32 Baumanns vaterrechtliche osthamitische Großviehzüchterkultur. Einzelne Kulturelemente aus rezenten Viehzüchtergesellschaften Afrikas werden hier als Relikt einer prähistorischen „Hamitenkultur“ gedeutet. Hermann Baumann, Völkerkunde Afrikas…, 1939: 36-38. 221 Boskop-Fund an, ein 1913 in Südafrika (in der Nähe von Potcheefstroom in Transvaal) gefundener langschädeliger Menschenschädel. Es handelte sich dabei um den ersten fossilen Menschenfund im südlichen Afrika. Aus der dolicephalen Kopfform mit einem beachtlichen Gehirnvolumen konnte auf eine Körpergröße geschlossen werden, die jene der Khoisan bei weitem übertraf. Prompt kreierten südafrikanische Anthropologen daraus die „BoskopRasse”.605 Fortan galt sie als der rassische Vorläufer der Khoisan, deren Körpergröße dem Regressionsgedanken zufolge im Laufe der Jahrhunderte geschrumpft war. All diese rassischen Konstrukte, die heute freilich keine Gültigkeit mehr haben, griff auch Baumann auf: „Die Khoisaniden, wenn wir von dem äthiopiden Einschlag der Hottentotten absehen, wurzeln offenbar zu einem entscheidenden Teil in jenen durch die prähistorische Boskoprasse bestimmten vorgeschichtlichen Menschenvarietäten.”606 Auffällig ist nun, dass Baumann als Kulturhistoriker der deutschen Vorgeschichte die Nordthese propagierte. Wider Erwarten klammerte er aber dabei die rassischen Argumente eher aus und hob im Gegensatz dazu die kulturhistorischen hervor. In seinem 1934 erstellten Begleittext für die Sonderausstellung „Vom Grabstock zum Pflug (Frühformen des Bodenbaus)” am Berliner Völkerkundemuseum, sprach er sich klar für den nordischen Gedanken aus: „Endlich finden wir im Gebiet der nordischen Rasse das Ausbreitungszentrum einer Pflugform, die aus dem Spatenpflug entstanden sein dürfte, den „vierseitigen Pflug”. Es ist der neuere Pflug der Germanen, der weithin bis Asien wanderte.”607 Mit nachdrücklicher Bestimmtheit betonte Baumann, dass die nordische Welt den Pflug bereits 1500 v. Chr. kannte und sich von dort nach Asien ausbreitete. Damit erfüllte Baumann die Erwartungshaltungen seiner nationalsozialistischen Parteigenossen. Erwartungsgemäß widerrief Baumann 1949 seine nordische Gesinnung rückblickend im Entlastungszeugnis für das Entnazifizierungsverfahren: „Meine völlig falsche politische Einordnung kam mir besonders deutlich zum Bewußtsein, als ich beim Aufbau der europäischen Abteilung des Museums für Völkerkunde ab 1934 mit den nordomanischen Ansichten gewisser Parteikreise wiederholt zusammenstieß. Bei der von mir durchgeführten Sonderausstellung ‘Vom Grabstock zum Pflug’ (1934) setzte eine später immer neu gestaltete Hetze gegen mich ein. Ein von mir entlassener wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, der SS-Mann Dr. Grossner vom Stabsamt des ‘Reichsbauernführers’ R. W. Darré hat diese Stelle für eine vorzeitige Schließung der Ausstellung interessiert, da sie nicht geeignet gewesen wäre, das ‘hohe Alter und die Vollkommenheit’ der nordischen Pflugkultur zu 605 Saul Dubow, Illicit Union. Scientific Racism in Modern South Africa…, 1995: 39, 97. 606 Hermann Baumann, Die Rassen Afrikas. In: Fritz Valjavec (Hrsg.), Historia Mundi…, 1952 I: 173. 607 Hermann Baumann, 1934 zitiert in Jürgen Braun, Eine deutsche Karriere…, 1995: 47. 222 veranschaulichen und weil sie deren Abhängigkeit vom mediterran-orientalischen Ackerbau ‘ungebührlich unterstrich’.”608 Baumann scheint je nach politischer Lage seine Weltanschauung gewechselt zu haben, die sich nach dem Prinzip der Nützlichkeit anpassen ließ. Besonders auffällig spiegelt sich dieser Opportunismus in der Herausgabe der Historia Mundi (1952-1962) wider, jener erste universalgeschichtliche Entwurf, der die kulturhistorische Völkerkunde mit einbezog. Für die Autorenschaft des ersten Bandes „Die frühe Menschheit” konnte Wilhelm Schmidt und Hermann Baumann genauso gewonnen werden wie Egon von Eickstedt und Oswald Menghin. Sieben Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes waren alle politischen Diskrepanzen offensichtlich wieder geglättet, vor allem schien die Frage nach den politischen Opfern und Tätern zweitrangig. Den Gipfel der Ironie bildete sicherlich das dazugehörige Vorwort, das posthum Fritz Kern gewidmet wurde, jener Historiker, der 1944 in einer Widerstandsgruppe aktiv gegen das NSRegime gekämpft hatte. Die Afrikahistoriker der Nachkriegsgeneration waren in dieser Hinsicht weniger kompromissbereit. Der Zusammenbruch des Nationalsozialismus und die damit einhergehende Herausbildung zweier Supermächte förderte den Dekolonisationsprozess in Afrika. Obwohl im Prinzip streng gegensätzlich determiniert, konnte die kapitalistische und die kommunistische Weltanschauung in ihrer Auseinandersetzung mit dem „faschistischen” Geschichtsbild einen gemeinsamen Nenner finden. Auf Afrika bezogen bildete den Angriffspunkt in vielerlei Hinsicht die Hamitentheorie. Der legitime Versuch, den kolonialen Rassismus in eine Linie mit dem nationalsozialistischen zu stellen, führte mitunter zu einer polemischen Vereinfachung, die sich gegen die deutsche koloniale Afrikawissenschaft als Gesamtes richtete. Den Auftakt dazu gab der baltische Afrikahistoriker Dmitrij Aleksejwitsch Ol’derogge [1903-1987], der 1949 am Ethnografischen Institut in Leningrad zum Hamitenproblem einen Artikel herausgab. Darin setzte er die Hamiten mit den „Ariern Afrikas” gleich.609 Wie Hartmann seinerzeit erklärte er die Hamitentheorie für nichtig, Ol’derogges politischen Kontext bildete aber nun das materialistische Geschichtsbild von Marx und Lenin, das den Ariern und Hamiten keinen Platz eingeräumt hatte: “The Hamites are a ghost, a spectre existing only in the fantastic conceptions of the school of Frobenius or 608 Hermann Baumann, 1949 zitiert in Jürgen Braun, Eine deutsche Karriere…, 1995: 88. 609 Dmitrij Aleksejwitsch Ol’derogge, Chaamitskaja problema v afrikanistike. Sovetskaja Etnografija 3, 1949: 156-170; dieser Aufsatz wurde 1971 vom Institute of African Studies in Ibadan als “The Hamitic Problem in Africanistics” ins Englische übertragen; vgl. auch den Aufsatz in der UNESCOAusgabe von Ol’derogge, Migrations and ethnic and linguistic differentiations. In: Joseph Ki-Zerbo (Ed.), Methodology and African Prehistory…, 1981 I: 271-291. 223 Wilhelm Schmidt. […] And the Hamitic theory has no place in Soviet Africanist studies.”610 Weiters saßen auf seiner Anklagebank des Faschismus von Luschan, Spannaus und Meinhof wie er auch mit Seligman und Haddon abrechnete. Allein diese Auflistung zeigt, wie undifferenziert Ol’derogge vorging, einerlei ob die Hamitiker sich aus den Kreisen des Katholizismus, des Austrofaschismus, des Nationalsozialismus oder keinen von diesen rekrutierten, sie waren allesamt „kolonialfaschistische Hamitiker”. Reichlich unterstützt wurde die anti-faschistische Sichtweise vom US-Amerikaner Joseph Harold Greenberg [1915-2001], einem Schüler von Herskovits611, der sich ab 1948 mit der genetischen Klassifikation der afrikanischen Sprachen auseinanderzusetzen begann. In einer Serie von sieben Zeitschriftenartikel (1949-1950) zertrümmerte er das sprachgenetische Klassifikationsmodell Meinhofs und kreierte eine völlige Neuordnung, die er 1955 in einer seperaten Arbeit als “Studies in Linguistic Classification” herausgab.612 Darin machte Greenberg Meinhof den Vorwurf, dass dessen Hamitenbegriff nicht sprachlich sondern rassisch geprägt sei. Da Rasseideologien nach dem Zweiten Weltkrieg generell geächtet waren, wurde Meinhof fälschlicherweise bald zu einem Vertreter der nazistischen „Herrenrasseideologie”. Dadurch kam es zur Diffamierung einer ganzen Schule.613 Dieser vereinfachten Gleichsetzung folgte auch der afroamerikanische Anthropologe Saint-Clair Drake, der 1959 am Zweiten Kongress der “Écrivains et Artistes Noirs” in Paris einen Vortrag hielt mit dem bezeichnenden Titel “Détruire le myth chamitique, devoir des hommes cultivés”. Seine einleitenden Worte lauteten: “Le mythe aryen, durant de nombreuses décades, servi de point de recontre idéologique pour les dirigeants européens qui désiraient utiliser le racisme à des fins politiques. […] Un mythe racial similaire se développa simultanément en Afrique: le mythe chamitique.”614 610 Dmitrij Aleksejwitsch Ol’derogge, The Hamitic Problem in Africanistics. Aus dem Russischen von P. O. Dada. African Notes 7, 1, 1971/1972: 83; siehe auch Lázló Vajda, Rezension zu Olderogge 1949. Ethnographia 61, 1950: 142-144. 611 Greenberg promovierte 1940 in Anthropology bei Herskovitz mit einer Arbeit über den Einfluss des Islam auf die Sudanesische Religion, eine ethnografische Monografie, die er als “The Influence of Islam on a Sudanese Religion” (1946) publizierte. 612 Greenberg bezeichnete die vier übergeordneten Sprachfamilien Afrikas als Niger-Kordofanisch, Afroasiatisch, Nilo-Saharanisch und Khoisan. 613 Greenberg kann dies nicht unterstellt werden, da er Meinhofs „Herrenvolk” mit “ruling people” übersetzte, was Meinhofs Intention durchaus entsprach. Dagegen findet sich die Übersetzung mit “master race” bei E. A. Gregersen, Language in Africa…, 1977. 614 Saint-Clair Drake, Détruire le myth chamitique, devoir des hommes cultivés. Présence Africaine Paris, 1959: 215-230. 224 1960 war das entscheidende Jahr Afrikas; siebzehn afrikanische Staaten wurden in die Unabhängigkeit entlassen. Zu diesen politischen Veränderungen nahm auch Baumann Stellung. 1962 publizierte er den Aufsatz „Grundeinsichten der Ethnologie in die neuen afrikanischen Entwicklungen”. Eine dieser verlautbarten Grundeinsichten der kulturhistorischen Ethnologie wäre nach Baumann „unseren afrikanischen Freunden in Afrika und Asien die angemessene historische Perspektive zu vermitteln”.615 Selbstkritisch gab Baumann zu, dass nicht zuletzt Ethnologen den „Schriftlosen” den Stachel der „Geschichtslosigkeit” ins Fleisch getrieben hätten. Die Hauptaufgabe der Ethnologen müsse demnach sein, das Minderwertigkeitsgefühl der aus der Vormundschaft Entlassenen zu beseitigen. Dabei gab Baumann jedoch zu bedenken, dass sich die Ethnologie nicht von „pseudohistorischen Theorien” vereinnahmen lassen dürfe, bloß um der Stärkung des afrikanischen Selbstbewusstseins willen. Nach Baumann träfe dieser Missbrauch in erster Linie auf die Hamitenhypothese zu, die neuerdings von den „jungen” Afrikahistorikern lediglich aus „politischen Gründen” verurteilt werde. Baumann dazu wörtlich: „Drake hat in einem Beitrag in der zum Afro-Nationalismus tendierenden “Présence Africaine” einen Angriff auf die „Hamiten-Mythe” unternommen und deren Bekämpfung jedem kultivierten Menschen zur Pflicht gemacht: Kampf gegen die – dem „Arier-Mythos” verglichene – Hamiten-These ist gleichbedeutend mit Kampf gegen „Rassismus” und Imperialismus. Man mag nun zu der Hamiten-These stehen wie man will: so weit sind wir hoffentlich noch nicht, daß politischer Fanatismus einer fundierten historischen Hypothese mit „aktuellen” Slogans das Lebenslicht ausblasen kann!”616 1966 startete Baumann seinen Feldzug gegen den USamerikanischen Anthropologen George Peter Murdock, da dieser in seinem Buch “Africa - its peoples and their culture history” (1959) Greenberg folgend den Hamitenbegriff einfach fallen gelassen hatte. „Man hat die Empfindung, daß Murdock jener Hexenjagd erlegen ist, welche neuestens von einer Art Pseudohistorik entfesselt wurde. Es geht da gegen die „Hamiten”, deren Anteil an afrikanischer Kultur von sogen. „kolonialistischen Forschern” zu sehr betont worden sei. Vor allem C. G. Seligman wird mit der Ursünde belastet, einer hamitischen Herrenrassen-Ideologie zur Erklärung wesentlicher Kulturphänomene Afrikas den Weg bereitet zu haben. Nicht von ungefähr spricht Murdock nur noch von Kushiten als Kulturträger in der Osthälfte Afrikas. Das ist zweifellos richtig. Niemand wird heutzutage noch die sog. „Hamiten” als Gründer des sakralen Königtums, als Vermittler einer höheren Kultur auch im Sudan ansprechen. Aber es gibt keinerlei Beweise für eine Konzeption, welche die Kulturentwicklung im Sudan unabhängig von den gleichen 615 Hermann Baumann, Grundeinsichten der Ethnologie…, ZfE 87, 1962: 252. 616 Hermann Baumann, Grundeinsichten der Ethnologie…, ZfE 87, 1962: 253. 225 neolithischen Mutterkulturen N.O.-Afrikas, die auch den „kushitischen” Trend in Ostafrika entfesselten, darzustellen versucht. Murdock muß sich dem Verdacht aussetzen, daß die Widmung seines Buches – „den Amerikanern afrikanischer Abstammung” – eine politische Tendenz andeuten soll: den ältesten Kulturen der Negriden soll möglichst eine von den sog. „Kaukasoiden” des Nordens und Nordostens Afrika unabhängige Schöpfungskraft zu gesprochen werden.”617 Die Hamitentheorie war als Geschichtskonstrukt kreiert worden, dem „geschichtslosen” Afrika eine Geschichte zu geben. Dieses positive Faktum kommt in dieser Auseinandersetzung nur zu deutlich zu Tage. Genauso bezeugt dieses Bestreben die eurozentrische Befangenheit ihrer Vertreter, vor allem aber ihre politische Naivität, das afrikanische Selbstbewusstsein gerade mit aus Asien stammenden „weißrassischen” Hamiten stärken zu wollen. Die versteckte Struktur des Hamiten-Mythos kommt bei Baumann besonders anschaulich ans Tageslicht. Bei seiner Argumentation verficht er die Hamitenhypothese nicht als eine mögliche Behauptung, sondern als eine „fundierte historische Theorie”. 617 80. Hermann Baumann, Murdocks kulturhistorische Auffassung über Afrika. Paideuma 12, 1966: 73- 226 5. Die Hamitic in Großbritannien Die kulturgeschichtlich ausgerichtete Hamitenwissenschaft erreichte zwar in Deutschland ihren Höhepunkt, angesichts der Werke von Beke und Speke geht ihre Genese jedoch auf Gelehrte und Afrikareisende britischer Provenienz zurück. Im Laufe der Zeit entwickelte sich in Großbritannien innerhalb der African Studies eine gesonderte Hamitic, deren Eigenheiten es Wert sind, nachgegangen zu werden. Zunächst ist zu sagen, dass sie eine längere Anlaufzeit brauchte, um Akzeptanz in der Gelehrtenwelt zu finden, als etwa in Deutschland. Gerade britische Ethnologen zeigten sich zunächst skeptisch gegenüber der neuen Disziplin, viele lehnten den Begriff sogar ab. Sowohl Edward Burnett Tylor [18321917]618, seit 1896 erster Lehrstuhlinhaber für Ethnologie in Oxford als auch James Frazer [1854-1941]619, der renommierte britische Ethnologe in Liverpool und Cambridge, kamen in ihren verdienstvollen Werken ohne diesen aus. Ergänzend kann dasselbe beim amerikanischen Ethnologen Lewis Henry Morgan [1818-1881] festgestellt werden: Sein evolutionistisches Zivilisationsmodell, ausgehend von einer hypothetisch angenommenen “Ancient Society“ (1861), beinhaltet zwar eine Fülle von Begriffen wie Barbaren und Wilde, eine hamitische Zivilisation kommt jedoch nicht vor. Wodurch wurde die Wende eingeleitet? Genauso wie in der deutschsprachigen Ethnologie entstand in den 1890er Jahren auch auf britischem Boden eine historische Schule der Anthropologie. Sie erhielt zahlreiche Impulse aus der Leipziger Anthropogeografie, wie sie umgekehrt in späterer Folge die deutschsprachige Ethnologie stark beeinflusst hat. Zu ihren Hauptvertretern zählten Alfred Cort Haddon, William Hodge Rivers Rivers und Charles Gabriel Seligman, allesamt Teilnehmer der „Torresstraßenexpedition” (1897-1899), einer von der University Cambridge organisierten zweijährigen Schiffsexpedition nach der Südsee. Anhand der Fülle ihres mitgebrachten detaillierten ethnografischen Materials brachten sie die global-orientierten und evolutionistisch ausgelegten ethnologischen Theoriengebäude zum Einsturz. Von angloamerikanischen Wissenschaftshistorikern wird der Wandel vom Evolutionismus zum Diffusionismus innerhalb der British Anthropology häufig mit der von W. H. R. Rivers [1864-1922] 1911 vor der Londoner “British Association” gehaltenen Antrittsrede “The Ethnological Analysis in Culture” angesetzt.620 618 Vgl. Edward Burnett Tylor, Anthropology…, 1924 [Orig. 1881]. 619 Vgl. das von James Frazer zweibändige Opus “The Golden Bough“ (1890) wuchs zwischen 1907 und 1915 zu einem 12bändigen Monumentalwerk heran. 620 George W. Stocking, Victorian Anthropology…, 1987: 288; Richard Slobodin, W. H. R. Rivers…, 1978. 227 a) Augustus Henry Keane Der ethnologische Hamitenbegriff taucht im anglophonen Sprachraum um die Jahrhundertwende erstmals wohl bei Augustus Henry Keane [1833-1912] auf, einem irischen Anthropologen und Orientalisten, der zwischen 1882 und 1888 als Professor für Hindustani am University College in London tätig war und zur selben Zeit auch als Vizepräsident des Royal Anthropologischen Instituts in London wirkte.621 Obwohl Keane die britische Anthropologie nachhaltig beeinflusst hat622, wird seine Person in wissen- schaftsgeschichtlichen Darstellungen nur selten erwähnt. Keane sah im Wesentlichen den Sinn der Ethnologie darin, die von Haeckel und Schleicher eingeführte sozialdarwinistische Stammbaumtheorie auszubauen bzw. zu vervollständigen. In seinem wohl bekanntesten Werk “Ethnology“ (1896) sind Entwürfe von rassischen Stammbäumen beigelegt, die er in Anlehnung de Cuviers auf drei Primärstämme zurückführte: den mongolischen, den negroidischen und den kaukasoidischen. Die Hamiten sind klar dem letzt genannten Begriff zugeordnet, die er als Bindeglied eines „melanochroiden” kaukasischen Urstammes zu den Semiten und als Vorläufer der Ägypter, Berber bis hin zu den Galla und Massai ansetzt. Seine Herausarbeitung der Berber als Repräsentanten des „westhamitischen” bzw. jener der Somali als Entsprechung des „osthamitischen” Idealtyps ist nicht als eine empirische anthropologische Studie zu sehen: sie stellen Seitenzweige eines bis ins Detail ausgearbeiteten universalgeschichtlichen Stammbaumentwurfs des Menschen dar. Hervorhebenswert ist, dass Keane die deutsche Sprache beherrschte, die er sich wohl in seiner Tätigkeit als junger Englischlehrer an den Gymnasien in Hameln und Bremen (186163) aneignen konnte. Die Arbeiten Haeckels und Stuhlmanns stehen als Referenzquellen da, wodurch anzunehmen ist, dass er von diesen Autoren den Hamitenbegriff in die angelsächsische Ethnologie übernahm. Keane übersetzte Heller von Hellwalds geografisches Hausbuch „Die Erde und ihre Völker” (1877)623, ein sozialdarwinistisches, in bildungsbürgerlichen Kreisen Deutschlands weit verbreitetes Werk, wie er auch Wilhelm 621 Douglas Lorimer, Theoretical Racism in Late-Victorian Anthropology, 1870-1900. Victorian Studies 32, 1988: 405-430. 622 Augustus Henry Keane, Man: past and present. Revised, and largerly re-written by A. Hingston Quiggin and Alfred Cort Haddon, Reader in Ethnology, Cambridge…, 1920 [1899]. 623 Augustus Henry Keane, Stanford’s Compendium of Geography and Travel based on Hellwald’s „Die Erde und ihre Völker“ (1877)…, 1878 [21882]; Augustus Henry Keane, Translation of Leo Frobenius, The childhood of man…, 1909. 228 Junkers Reisebericht “Travels in Africa” (1890-92) und von Leo Frobenius “Childhood of Man” (1909) ins Englische übertrug und neu herausgab. Mit dem Namen Keane ist aufs engste auch die Ophirfrage verbunden, die Keane mit einer hypothetischen untergegangenen hamitischen Zivilisation in Zusammenhang zu bringen verstand. Sein 1901 herausgegebenes Buch “The Gold of Ophir“624 baut auf den Werken Theodor J. Bents625 auf, wie es auch nachhaltig aus den Arbeiten Carl Peters626 und Eduard Glasers627 schöpfte. Damit zog Keane die Ethnologie in den Bann, die Ophirfrage ernsthaften Forschungsbemühungen zu unterziehen. Die aufs engste mit der europäischen Expansionsgeschichte verbundenen Legendenkomplexe, das ägyptische Punt, das biblische Ophir, die legendären Goldminen von Simbabwe – rezent vermischt mit den fiktiven Abenteuerbeschreibungen Rider Haggards – galten für Keane wie für so viele andere viktorianische Wissenschafter auch als historische Tatsache. Durch die geografische Festlegung Ophirs auf die südarabische Halbinsel einerseits (Keane, Glaser) und auf den ostafrikanischen Raum andererseits (Peters) schien die hamitische Migrationstheorie einen weiteren Prüfstein bestanden zu haben. Damit steht Keane‘s ethnologisches Œuvre genau in der Wende vom Evolutionismus zum Kulturdiffusionismus, wodurch er auch als einer der entscheidenden Vordenker des Kulturdiffusionismus britischer Provenienz bezeichnet werden kann. b) Grafton Elliot Smith Den eigentlichen Angelpunkt dazu bildete jedoch der Panägyptologismus, die wohl radikalste Ausformung des ethnologischen Kulturdiffusionismus. Als dessen Begründer gilt Grafton Elliot Smith [1871-1937], der zu seiner Zeit führende Mumienspezialist. Die monogenetische Rückführung sämtlicher Hochkulturen auf das alte Ägypten bewirkte auch 624 Augustus Henry Keane, The Gold of Ophir. Whence brought and by whom?…, 1901. 625 Theodore J. Bent, The ruined cities of Mashonaland being a record of excavation and exploration in 1891…, 31895 [orig. 1892]. 626 Carl Peters, Das goldene Ophir Salomo’s. Eine Studie zur Geschichte der Phönikischen Weltpolitik…, 1895; Keane, King Salomo’s Golden Ophir…,1901. 627 Eduard Glaser, Zwei Publikationen über Ophir. Buchbesprechung zu Peters und Keane…, 1902; Eduard Glaser, Punt und die südarabischen Reiche. Mitteilungen der vorderasiatisch-ägyptischen Gesellschaft 4, 1899; zu den historischen Quellen der Ophirfrage siehe Richard Hennig, Terrae incognitae…, 21944 I: 25-33. 229 die Hochblüte der Hamitic als Kulturwissenschaft. Es ist erstaunlich, wie zahlreich die akademische Anhängerschaft in Großbritannien war: Alfred Cort Haddon, Charles Gabriel Seligman, William James Perry - um nur die namhaftesten hier aufzuzählen - sie alle erteilten dem Evolutionismus, wie ihn Tylor vertrat, eine klare Absage. Dabei gilt es zu erinnern, dass ohne Tylor‘s „Survival-Gedanke“ eine kulturdiffusionistische Ethnologie auch in Deutschland nicht zum Zug gekommen wäre. “The Pan-Egyptian and Hamitic hypotheses emergered during the years prior to the first World War“, hob der kanadische Sozialanthropologe Andrew P. Lyons in seinem wissenschaftsgeschichtlichen Essay hervor, “and we must stress that the story of the Hamites is part of the story of the diffusionism.“628 Im Jahre 1913 erschienen zwei wichtige Aufsätze im Journal of the Royal Anthropological Institute [JRAI] zu den Hamiten. Sie wurden von Harry Hamilton Johnston und Charles Gabriel Seligman verfasst und avancierten zu ethnologischen Klassikern. Der britische Diffusionismus stand in den 1920er und 1930er Jahren am Zenit seines Wirkens und seiner akademischen Akzeptanz. Er fand mit der Einführung der funktionalen Methode Malinowskis im Zuge der vermehrten Zuwendung einer der Gegenwart angepassten und angewandten Anthropologie sein jähes Ende. Nach einer von seinem Schülerkreis im Zeitraum von 1894 bis 1936 erstellten Bibliografie umfasst das Schrifttum von Elliot Smith 434 Titel.629 Wie manche behaupten, spielte Elliot Smith eine ähnliche Rolle für die Anatomie wie es Rutherford für die Physik tat. Dieser etwas „unethnologische“ Vergleich sei angeführt, da durch einen merkwürdigen Zufall beide Zeitgenossen australischer Provenienz in Großbritannien Karriere machten und beide etwa zur selben Zeit von der Universität Sydney nach Cambridge übersiedelten. Zu Elliot Smiths mehrfach aufgelegten Hauptwerken zählen “The Ancient Egyptians and the Origin of Civilization” (1923) und “Diffusion of Culture” (1933). Seine aufwendigen kulturvergleichenden Studien führten ihn zu dem Ergebnis, dass geografisch weit auseinander liegende Kulturerscheinungen wie die Megalithbauten, die Sonnenverehrung, das sakrale Königtum, Staatengründung sowie die Mumifizierung und die Trepanation, aus dem Niltal ihren Ursprung nahmen und sich von dort über die ganze Welt ausbreiteten. Da viele solche Kulturparallelen, wie die Pyramiden oder die geflügelte Sonnenscheibe etwa, auch in der Neuen Welt vorkommen, schienen seine Thesen schlüssig und plausibel. Die zur „Ägyptomanie” gesteigerte Suche nach dem Ursprung der menschlichen Zivilisation schlug 628 Andrew P. Lyons, Hamites, cattles and kingship: an episode in the history of diffusionist anthropology. Canadian Journal of Anthropology 4, 1, 1984: 57-64. 629 Warren R. Dawson, Sir Grafton Elliot Smith. A biographical record by his collagues…, 1938: list of works. 230 sich auch in den anerkannten Nachschlagewerken nieder. Der 1921 in der zwölften Edition der Encyclopedia Britannica verfasste Beitrag “Anthropology” stammte von Elliot Smith, der die britische Kolonialliteratur wiederum beeinflusste [Abb. 36, 39]. Elliot Smith war aber in erster Linie Anatom und damit physischer Anthropologe. Der Hauptaspekt seiner zahlreichen Mumienstudien bildete die Frage, welcher Rasse die vordynastische Bevölkerung Ägyptens zuzuordnen seien. Dazu erstellte die medizinische Abteilung der “British Association” Londons 1914 eine großangelegte anthropologische Untersuchung, in der fünfzig altägyptische Skelette auf „Spuren negroiden Einflusses” überprüft wurden. Unter dem Expertenkommitee befanden sich namhafte Anatomen wie F. C. Shrubsall, A. Keith und Charles Gabriel Seligman. Den Vorsitz hatte Grafton Elliot Smith inne. Einen anschaulichen Einblick in die Erwartungshaltung der Anthropologen gibt der folgende Einführungssatz ab: “We are dealing with the remains of the very people who were responsible for technical inventions of far-reaching importance in the history, not merely of Egyptian craftmanship, but of that of the whole world.“630 Die Studie schließt mit der bezeichnenden Feststellung: “Although slight negroid traits are common, there is a surprising absence of the more obtrusive negro features.“631 Damit war der anthropologische „Beweis” erbracht, dass der Ursprung der menschlichen Zivilisation nicht von Afrikanern getragen worden war, sondern von Rassen eines hellhäutigen Typus. Als gebürtiger NichtEuropäer war aber auch Elliot Smith aufgefallen, dass der Haupttypus der Europäer weder blond noch blauäugig war. Da dieses anthropologische Erscheinungsbild nicht auf die Mumien passte, standen zur Auswahlmöglichkeit noch die anthropologischen Ergebnisse Sergis. Dieser hatte zwar behauptet, die Ägypter stammten aus Ostafrika, aber immerhin konnte so das physikalische Erscheinungsbild der Europäer vor den Indogermanen erklärt werden. In Anlehnung an Sergi führte Elliot Smith den Begriff der „Braunen Rasse” ein, um die Eigenständigkeit und die Isoliertheit der vordynastischen Bevölkerung Ägyptens zu charakterisieren. “The proto-Egyptians were a branch of that swarthy, narrow headed, blackhaired people of small stature that I have called the “Brown Race.”632 630 Charles Seligman, Physical Characters of the Ancient Egyptians. Report of the Committee, consisting of Professor G. Elliot Smith (Chairman), Dr. F. C. Shrubsall (Secretary), Professor A. Keith, Dr. F. Wood Jones and Dr. C. G. Seligman. [The Professor Elliot Smith’s Report]…, 1914 [RAI]: 5. 631 Charles Seligman, Physical Characters of the Ancient Egyptians…, 1914: 17. 632 Grafton Elliot Smith, The Influence of Racial Admixture in Egypt. Eugenics Review 7, 1, 1915: 169; der erste Hinweis dazu in Grafton Elliot Smith, The Ancient Egyptians and the origin of civilization…, 21923 [1911]: 56, 58, 62. 231 Seit den 1960er Jahren wird diesem anthropologischen Beitrag eine heftige Kritik unterzogen. “It is clear that ‘the Brown or Mediterranean race’ is an extremely imprecise concept”, so das vernichtende Argument des britischen Afrikahistorikers Wyatt MacGaffey. “Its survival is to be attributed to its ideological usefulness, no small part of which lies in its ambiguity. In a word, it is a myth.“633 Da das Theorem des Diffusionismus vor allem auf die Gleichheit von Kulturerscheinungen setzt und deren Unterschiede vernachlässigt, setzte auch von dieser Seite zunehmend Kritik ein. “Why does the world tolerate this academic rubbish from people like Elliot Smith and Perry?“634 war die amerikanische Antwort auf den in Großbritannien entstandenen panägyptischen Heliozentrismus. Der ursprünglich aus Wien stammende Robert Lowie [1883-1957], Schüler von Franz Boas, war wohl der bekannteste zeitgenössische Gegner des Kulturdiffusionismus. “The whole conception of diffusion as proceeding from one single source is fallacious”, heißt es lapidarisch in Lowies Buchbesprechungen zu Smith und Perry.635 Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Ablehnung des kulturhistorischen Diffusionismus so lavierend, dass Elliot Smith als Rassist mit de Gobineau auf dieselbe Stufe gestellt wurde. “Elliot Smith’s name”, so Glyn Daniels im wissenschaftsgeschichtlichen Rückblick seines Faches, der Prähistorie, “is coupled with that of de Gobineau as a theorist of racism, for the cultural hyperdiffusionists demanded a master people“.636 Diese wissenschaftsgeschichtliche Einschätzung bedarf jedoch einer wichtigen Korrektur. Die rassistischen Vorwürfe, die gegen Elliot Smith erhoben werden, verdunkeln nämlich, dass er sich stets gegen den anthropologischen Rassismus ausgesprochen hatte. Nach der 1933 erfolgten Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland gab Elliot Smith in öffentlichen Vorträgen trotz seines fortgeschrittenen Alters seine kritischen und pointierten Stellungnahmen zum pseudowissenschaftlichen Gehalt der nordgermanischen Arierfrage ab. “There is still some diversity of opinion as to the place where civilisation first originated, but we now have evidence to show that whether it happened in Egypt, Sumer, India or elsewhere, in any case it was the work of members of the Mediterranean race of Sergi. […] It is the matter of some importance to emphasize this fact at a time when distinctive qualities of mind and character are being attributed to the Nordic race and the so- 633 Wyatt MacGaffey, Concepts of Race in the Historiography of Northeast Africa. In: J. D. Fage; Roland A. Oliver: Papers in African Prehistory…, 1970: 102. 634 Gerhard Kraus, G. Elliot Smith (and W. J. Perry) on Trial… New Diffusionist Offprints 2 1975: 1- 22. [Reprint from New Diffusionist 15, 1974: 62-81]. 635 Robert Lowie, Book Review on Elliot Smith and Perry. American Anthropologists 32, 1930: 167 636 In Glyn Daniels, The Idea of Prehistory…, 1962: 117. 232 called ‘Aryan people’.637 Und das Wort von Max Müller ergreifend: “An ethnologist who speaks of Aryan race, Aryan blood, Aryan eyes and hair, is as great a sinner as a linguist who speaks of a dolicephalic dictionary or a brachycephalic grammar.“638 1934 fühlte sich auch der Anthropologe Alfred Cort Haddon dazu aufgerufen, den pseudowissenschaftlichen Inhalten einschlägiger Rassetheorien ein Ende zu setzen. Als Anhänger der kulturdiffusionistischen Hamitentheorie verfasste er, zusammen mit Julian Huxley, “We Europeans”639, das als erstes anthropologisches Buch in populärwissenschaftlicher Form gilt, rassistische Aussagen zu widerlegen.640 Der Hamiten-Mythos erscheint in diesem Zusammenhang – das ist das wissenschaftsgeschichtlich Hervorzuhebende – nicht als der ideologische Ableger Afrikas, sondern geradezu als Antithese zum nordeuropäischen Ariermythos.641 c) Charles Gabriel Seligman Grafton Elliot Smith war kein Ethnologe, stand deshalb auch niemals im Feld. Von ethnologischer Seite ist als der wichtigste Hamitiker Charles Gabriel Seligman zu nennen. “Seligman was par excellence a fieldworker” – so versuchte Samuel Charles Myers, Mitglied der RAI in London, Seligmans Forscherleben in seinem Nachruf 1941 auf den Punkt zu bringen.642 Aufgrund seiner zahlreichen Feldforschungen repräsentierte Seligman zu seiner Zeit einen völlig neuen Ethnologentypus, zumal schon deshalb, da er gemeinsam 637 Grafton Elliot Smith, Nordic race claims. In: Warren R. Dawson, Sir Grafton Elliot Smith…, 1938: 259; Grafton Elliot Smith, The Aryan Question. In: Warren R. Dawson, Sir Grafton Elliot Smith…, 262-265 [Reprint from The Rationalist Annual…, 1935: 30-34]. 638 Grafton Elliot Smith, Nordic race claims. In: Warren R. Dawson, Sir Grafton Elliot Smith…, 1938: 257-261 [Reprint from The Times…, 1.8.1934]. 639 Alfred Cort Haddon, Julian Huxley, We Europeans…, 41938 [1935]. 640 Vgl. dazu Elazar Barkan, The Retreat of Scientific Racism. Changing concepts of race in Britain and the United States between the world wars…, 1992. 641 Vgl. dazu Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts…, 31939 [1930]: 26; „Der solare (Sonnen) Mythos ist dort geboren worden, wo das Erscheinen der Sonne ein kosmisches Erlebnis größter Eindringlichkeit gewesen sein muss: im hohen Norden.” 642 Charles Samuel Myres, Charles Gabriel Seligman, 1873-1940…, 1941; Myres war Mitglied des RAI; sein Nachruf beinhaltet eine nahezu vollständige Bibliografie zu Seligman’s Ouvre, 1896-1940; vgl. auch die bibliographischen Angaben zu Seligman in der von Evans-Pritchard herausgegebenen Festschrift Essays represented..., 1934: 381-385. 233 mit seiner Frau Brenda Feldstudien über lange Perioden hinweg durchführte. Die von der Anglo-Ägyptischen Regierung finanzierte Monumentalmonografie “Pagan Tribes of the Nilotic Sudan“ beispielsweise beruhte auf den gemeinsamen mehrmonatigen Studien der Seligmans zwischen 1909 und 1922.643 Es avancierte in relativ kurzer Zeit zum Klassiker der kolonialethnologischen Literatur im angelsächsischen Raum und galt für eine ganze Ethnologengeneration als Vorbild. “No administrator or theoretical worker on the cultures of Africa could do without the Pagan Tribes of the Nilotic Sudan“, heißt es da 1934 in der von seinen Schülern verfassten Festschrift anläßlich der Emeritierung Charles Seligmans.644 Keiner seiner Schüler (Evan E. Evans-Pritchard, Raymond Firth, Bronislaw Malinowski, Isaac Schapira) nahm auch nur Notiz davon, dass die Seligmans zu den markantesten Verfechtern hamitischer Spekulationen zählten. Deren Forschungsergebnisse waren die Basis für Malinowski’s Feldforschungen in Melanesien zwischen 1914-1918 und EvansPritchards Arbeit im Sudan zwanzig Jahre später, wie Meyer-Fortes 1968 hervorhob.645 Charles Gabriel Seligman – seit 1914 unterzeichnete er seinen Namen mit der deutschen Endung „mann” – war zunächst als Mediziner am St. Thomas Hospital in London ausgebildet worden, ehe er sich anthropologischen Fragestellungen widmete. Der gravierendste Einschnitt in seinem Leben war wohl seine Bekanntschaft mit dem um 18 Jahre älteren Alfred Corton Haddon, der 1898 qualifizierte wissenschaftliche Mitstreiter für die „Torresstraßen-Expedition” suchte. Diese Erfahrung in der Südsee gab Seligman den nachhaltigen Anstoß, sich anthropologischen Problemen interdisziplinär anzunähern. Seligman schloss in seine kulturhistorisch-ethnologischen Fragestellungen stets die Psychologie und die Archäologie mit ein. Erwartungsgemäß steil verlief dann seine Universitätskarriere: ab 1910 unterrichtete Seligman Ethnologie an der LSE646; 1913 wurde der erste Lehrstuhl für Ethnologie an der Universität London eingerichtet, den Seligman bis 643 Charles Gabriel Seligman; Brenda Z. Seligman, Pagan Tribes of the Nilotic Sudan…, 1932. 644 Evan E. Evans-Pritchard in seinem Vorwort zur Festschrift Charles Gabriel Seligman, Festschrift: Essays presented to C. G. Seligman by Evan E. Evans-Pritchard, Raymond Firth, Bronislaw Malinowski and Isaac Schapira…, 1934. 645 Meyer-Fortes, C. G. Seligman. In: David L. Sills (Ed.), International Encyclopedia of the Social Sciences…, 1968 I. 646 Die LSE war 1895 aus einer Stiftung von Beatrice, Sidney Webb, George Bernard Shaw, und Graham Wallas hervorgegangen – alles Mitglieder der “Fabian Sociey”, jener intellektuellen Vereinigung, die sich der Aufgabe stellte, den durch den Kolonialismus aufgekommenen wirtschaftlichen Liberalismus Großbritanniens einer Reform zu unterziehen; die “Fabian Society” gilt heute als der Vorläufer der British Labour Party. 234 zu seiner Emeritierung 1934 halten konnte.647 Seligman war derjenige Autor, der das junge Fach Ethnologie im englischen Sprachraum am meisten bekannt gemacht hat. Zahlreiche Artikel zu ethnologischen Themen hat Seligman in der dreizehnten und vierzehnten Ausgabe der Encyclopedia Britannica648 verfasst, ebenso in der James Hasting’s Encyclopedia of Religion and Ethics.649 Wenn Seligmans 20jährige Schaffensperiode auf einen Punkt gebracht werden soll, dann darf – wie eingangs – nicht nur sein Feldforscherleben hervorgehoben werden, sondern es muss auch gesagt sein, dass Seligman es war, der für die nachfolgenden Forscher die theoretische Hamitenthematik neu belebte. “The manner of origin of the Negro-Hamitic peoples will be understood“, vermerkte Charles Seligman in den Prolegomina seiner “Pagan-Tribes”, “when it is realized that the incoming Hamites were pastoral Caucasians, arriving wave after wave, better armed and of sterner character than the agricultural Negroes.“650 Was damals aus kolonialethnologischer Sicht als nicht anstößig galt, hat sich mittlerweile drastisch geändert. Eingeleitet hat diesen Perspektivenwandel der wissenschaftsgeschichtlichen Aufsatz Ursprung von der Edith Sanders Hamitentheorie: 651 bezeichnenderweise mit einem Seligman-Zitat beginnen. 647 1969 sie über lässt den diesen Heute wird Charles Gabriel Interessant ist die unterschiedliche Herangehensweise zwischen Seligman und Malinowski im Feld: “Seligman and Malinowski were temperamentally very different. The difference was not just of temperament but one of concepts of anthropology too. ‘Seligman essentially was one of the believers in the association of all branches of the dicipline, physical anthropology, archaeology, cultural anthropology’. Raymond Firth adds that he didn’t touch the ‘social stuff’, as he said. Malinowski, on the other hand, though he owed intellectual guidance and practical help to Seligman, was all about the ‘social stuff’. When he became a reader in 1923, he insisted on the post being described as one in ‘social anthropology’, which distanced him not only the cultural anthropologists at University College but also from the ‘natural bases of social science’. The tension between the ‘antiquarian’ Seligman and the ‘scientific’ Malinowski (whose epithets these are) had to be contained by the Director sometimes.“ Zitiert in Ralf Dahrendorf, A history of the London School of Economics, 1895-1995…, 1995: 244. 648 Beispielsweise Archaeology: VI. South and Central Africa. Applied. 13 13 1926: 167-171; Anthropology, 1926: 140-143; Anthropology and Ethnology: North Africa and Egypt; Africa, Archaeology and Antiquities; Arabs; Azande; Barabra; Bari-speaking tribes; Beja; Burun; Hameg; Loatuko; Nilotes; Nuba. 141929 [1955]. 649 Beispielsweise Dinka 4, 1911: 704-713; Nuba 9, 1917: 401-406; Shilluk 11, 1920: 458-462; Veddas 12, 1921: 598-601; letzterer zusammen mit Brenda. 650 Charles Gabriel Seligman; Brenda Z. Seligman, Pagan Tribes of the Nilotic Sudan…, 1932: 4 Prolegomina. 651 Edith R. Sanders, The Hamitic hypothesis… JAH 10, 4, 1969: 521-532. 235 Seligman vielfach und zunehmend als “Racist“ gebrandmarkt, wie die Randbemerkungen zum obigen Zitat in der Ausgabe an der SOAS-Bibliothek erkennen lassen. “Mr Seligman, stop reading lies into this study“ heißt es da weiters. Hamitentum, Rassismus, Seligman – dieses schlagwortartige Dreigestirn kursiert heute in zahlreichen Webseiten des Internets. Keiner der heutigen Anti-Rassismus-Vertreter hat es jedoch je der Mühe wert gefunden zu erwähnen, dass die Seligmans als Juden im Zuge des aufflammenden Antisemitismus der 1920er Jahre diesen aktiv bekämpften. Seligman verband mit Alfred Cort Haddon und Elliot Smith nicht nur die rassisch geprägte Hamitentheorie, sondern auch der persönliche Kontakt, ihre Freundschaft miteinander, vor allem aber ihr gemeinsames offenes Bekenntnis gegen das pseudowissenschaftliche Getue um das germanische Ariertum. Diese gravierenden Widersprüche lassen erkennen, dass aus heutiger Sicht der wissenschaftliche Rassismus in den 1930er Jahren sehr subtil arbeitete und aus heutiger Distanz einer differenzierteren Analyse bedarf, um den „großen Sündern der Kolonialethnografen“ – eine auf Henrika Kuklick zurückgehende Bezeichnung – gerecht werden zu können.652 Wissenschaftsgeschichtlich ist “Pagan Tribes…” zunächst einmal als eine Gegenschrift auf Hermann Frobenius „Die Heiden-Neger des ägyptischen Sudan” (1893) zu werten. Seligman wollte die darin enthaltene Sichtweise von Frobenius, deutscher Oberleutnant und Vater des berühmten Ethnologen Leo, widerlegen, der von ausschließlich „negroiden” ethnischen Gruppen im ägyptischen Sudan sprach.653 Seligmans Hamitentheorie zielte nun darauf ab, einen wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen, dass das Ausbreitungsgebiet weißer und hellhäutiger Rassen bereits in prädynastischer Zeit auch den Sudan berührt habe. 1921 war nämlich im Organ der Londoner “Egypt Exploration Society” ein Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel “The first appearance of the negroes in history”654 erschienen, auf den sich Seligman hier berief. Kein geringerer als der Wiener Ägyptologe Hermann Junker hat ihn verfasst, der behauptete, dass die Nubier kaukasoide Hamiten wären und dass die Pharaonen – entgegen der früheren Annahme – relativ spät mit dem negriden Afrika in Berührung gekommen wären. Erst ab 1600 v. Chr. [Neues Reich] treten „wirkliche Negervölker” in den Gesichtskreis ägyptischer Kultur. Junkers Behauptung, die heute übrigens als widerlegt zu gelten hat, bildete eine Art historischer „Mindest-Zeitmesser” für 652 Henrika Kuklick, The savage within. The social history of British anthropology, 1885-1945…, 1993; Henrika Kucklick (Virginia) ist Schülerin von George W. Stocking; Jr. (Chicago), ein Doyen in Fragen anglo-amerikanischer anthropologischer Wissenschaftsgeschichte. 653 654 Hermann Frobenius, Die Heiden-Neger des ägyptischen Sudan…, 1893; gewidmet Schweinfurth. Hermann Junker, The first appearance of the negroes in history. The Journal of Egyptian Archaeology 7, 1921: 125. 236 das geografische Ausbreitungsgebiet der Hamiten. „Junker hat mit dem Vorurteil gebrochen”, heißt es 1936 in Africa, der renommierten Zeitschrift des Londoner IAI, „dass südlich von Ägypten die Domäne des Negers beginne; in Wirklichkeit waren Nubien und weite Gebiete des Sudans durch Jahrtausende hamitisches Land.”655 Aufgrund der Torres-Straßen-Expedition zählte Südindien sowohl für Brenda als auch für Charles Seligman zu den favorisierten Regionalgebieten ihrer ethnologischen Studien, der afrikanische Kontinent stand dagegen lange Zeit außerhalb des Fragekreises ihrer ethnologischen Arbeit. Die Frage stellt sich also zunächst, wie und wer die Seligmans in den Problemkreis Hamitentum einführte. Während ihres ersten Sudanaufenthaltes im Winter 1909/1910, zunächst als gemeinsamer Urlaub geplant, konnten die Seligmans bei den Shilluk an einer Thronübergabe mit der zuvor erfolgten Hinrichtung des Königs beiwohnen. Ein solch schauriges Schauspiel mitverfolgt zu haben, musste die beiden fasziniert und einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Noch zwanzig Jahre später ist Seligmans Ergriffenheit spürbar: “My wife and I were able not only to obtain evidence concerning the existence and killing of a Divine King among two great Nilotic tribes – the Shilluk and Dinka – but in the case of the former we were given an account of the installation of the new king, part of the ceremony in our opinion, as in that of Sir James Frazer, providing the actual mechanism whereby the divine spirit which had been immanent in each of the Shilluk kings was passed on to his successor.“656 Seligman glaubte in dieser Form der Machtübergabe, ein kultisches Relikt der altägyptischen Seth-Zeremonie erblicken zu können. Seligman war überzeugt, die Hinrichtung des Shilluk-Königs mit Osiris gleichsetzen zu müssen, der dem Mythos gemäß von seinem Sohn Seth ermordet, von diesem in Stücke zerteilt und von Isis wieder zum Leben erweckt wurde, um so die pflanzliche Fruchtbarkeit und den sozialen Wohlstand zu gewährleisten und wieder herstellen zu können. Seligman hat während seines Feldaufenthalts [1909/10 und 1911/12] zahlreiche Fotoaufnahmen gemacht. Besonders sind die als „Hamitic Shilluk Type” bezeichneten Profilaufnahmen mit deren stechenden Blicken bekannt geworden [Abb. 33]. Aus dem 12bändigen Monumentalwerk “The Golden Bough” (1907-1915) James Frazers schöpfte Charles Seligman das theoretische Rüstzeug für seine ethnologischen Analysen im Feld. Darin fand Seligman den Terminus “Divine Kingship“, den Frazer in die Ethnologie eingeführt hatte.657 Seligman sah in Frazer, der um 20 Jahre älter war, seinen akademischen 655 Werner Vycichl, Was sind Hamitensprachen? Africa 8, 1935: 80. 656 Charles Gabriel Seligman, Egypt and Negro Africa. A Study in Divine Kinship…, 1934: 2. 657 James Frazer, The golden bough…, 1890; Geza Roheim, Killing Divine King. Man. 15, 1915: 26- 28. 237 Abb. 33 Seligmans hamitische Shilluk-Typen. Charles Gabriel Seligman, Pagan Tribes…, 1934. 238 Vater: es ist überliefert, dass Seligman ihn stets liebevoll mit “Sir James” ansprach. Die Zulu, die Ganda und die Banyankole besaßen das sakrale Königtum. Wie viele seiner Zeitgenossen – Frazer, Frobenius und Elliot Smith, war auch Seligman fasziniert von dieser politischen Institution, die über so weite Teile Afrikas verbreitet war. Seligman glaubte daran, dass das göttliche Königtum zusammen mit der Rinderhaltung, den totemistischen Vorstellungen und eine Reihe anderer Kulturelemente sich von einem gemeinsamen Ursprungsort über ganz Afrika ausbreiteten. Zahlreiche Exzerpte von Seligman liegen heute gesammelt im Archiv der London School of Economics auf. Eine undatierte Notiz darin gibt Aufschluss darüber, dass Seligman die Hamiten überraschenderweise nicht als grausame Despoten betrachtete, sondern als Bewahrer demokratischer Strukturen. “They tend to keep aloof and among themselves the democratic tradition survives.” “Hamites tend to democracy with priestly or priest-king rulers”.658 Dies ist deshalb erstaunlich, da Seligman als Jude seine Feststellung in den Gegensatz zu den Semiten stellt. 1913 stellte Seligman am “Royal College of Surgeons of England“ seine Überlegungen über die Hamiten als “Syllabus of a lecture on the hamitic element in the population of the Anglo-Egyptian Sudan“ der Öffentlichkeit vor. Dort behandelte er lediglich den anthropologischen Aspekt. Dieser Vortrag wurde noch im selben Jahr in etwas abgeänderter Form im JRAI als Monografie “Some aspects of the Hamitic problem in the Anglo-Egyptian Sudan“ abgedruckt. Sie avancierte bald zum ethnologischen Klassiker. Darin geht es Seligman darum, „protoägyptische” Kulturstile zu rekonstruieren. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich altägyptische Kulturelemente lediglich bei afrikanischen Völkern im nord-östlichen Afrika erhalten haben. Dementsprechend lehnte Seligman die bisherige Einteilung in West- und Osthamiten ab.659 Seit 1914 arbeitete Seligman mit Grafton Elliot Smith zusammen. Bald schon wurde auch er überzeugter Anhänger des Heliozentrismus. Dementsprechend oblag es Seligman, kulturdiffusionisitische Beweise für den geografischen Raum Afrika zu erbringen. In zahlreichen Schriften versuchte er, altägyptische Kultureinflüsse auf Afrika südlich der Sahara aufzuspüren [Abb. 34].660 In seinem 1932 in London gehaltenen Griffith-Vortrag heißt es etwa: “I think then that the fact that horns deformed in the style of present-day Dinka and Nuer are represented in Egypt so long ago as the Vth Dynasty, not as unique curiosities but in considerable number, can only signify that 658 The Seligman papers…, 1998. 659 The Seligman papers. Comprising of the anthropological papers of Charles and Brenda Seligman, family correspondence and related material. Compiled by Clare Mays…, 1998. 660 Vgl. auch Walter Hirschberg, Altägyptischer Kultureinfluss in Negerafrika. Die Umschau 59, 2, 1959: 47-50. 239 Abb. 34 Rezente Laute und Harfe aus Westafrika im Vergleich zu den Altägyptischen. Seligmans Nachweis für ein lebendiges sakrales Königtum in Westafrika. Afrikanische Kulturerscheinungen werden damit auf ein ledigliches Erbe Altägyptens reduziert. Charles Gabriel Seligman, Egypt and Negro Africa. A study in divine Kingship…, 1934. 240 this was an Egyptian custom which spread up the Nile to Negro Africa. The fact that up to and including this period Negroes are almost entirely absent from representational art can but indicate that the spread was from Egypt to Negro-land and not in the reverse direction.“661 d) Harry Hamilton Johnston In der wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung der Hamitentheorie noch wenig berücksichtigt ist die im Zusammenhang stehende politische Instrumentalisierung im kolonialen Afrika. Hier zeigt sich auch die markante Grenzlinie in der Unterscheidung zu der am europäischen Festland entstandenen Hamitentheorie. Der renommierte britische Afrikahistoriker Roland Oliver bezeichnete “Sir Harry“ – wie Harry Hamilton Johnston [1858-1927] von seinen Freunden genannt worden war – als den “completest Africanist“ seiner Zeit und schätzte ihn als einen der Begründer der afrikanischen Ethnologie Großbritanniens ein.662 In der Tat sind seine vergleichenden Sammlungen, was Umfang und geografische Belegdichte betrifft bisher nicht übertroffen worden. Das Britische Museum sah sich zu Johnstons Lebzeiten bereits dazu veranlasst, ihm zu Ehren ein bis dato unbekanntes Säugetier “Okapia Johnstoni“ zu benennen.663 Johnston, der nie ein Universitätsstudium absolviert hatte, war im Grunde genommen wissenschaftlicher Autodikat. Bereits in jungen Jahren bereiste er Ostafrika664 und entwickelte in dieser Zeit eine derart intensive Beziehung zum afrikanischen Kontinent, dass er praktisch sein ganzes Leben diesem Erdteil verschrieb. Im großbürgerlichen Milieu aufgewachsen, entsprachen Johnstons Attitüden genau den Erwartungen der am Höhepunkt begriffenen imperialistischen viktorianischen Ära. Aus seinen über vierzig verfassten Büchern zu afrikanistischen und ethnologischen Themen ist klar der pragmatische Vertreter des zivilisatorischen Fortschritts erkennbar. Untrennbar verbunden war damit sein romantisches Ressentiment dem afrikanischen Kontinent gegenüber, das er in seiner Jugendbuchserie “Pionieers of…“ zu kolonial-europäischen 661 Charles Gabriel Seligman, Egyptian influence in Negro Africa. Studies Presented to F. Ll. Griffith…, 1932: 460. 662 So Charles Gabriel Seligman und E. Torday in Johnston, A survey of the ethnography of Africa: and the former racial and tribal migrations of that continent. JRAI 43, 1913: 375-421. 663 Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 378-383. 664 Harry Hamilton Johnston, Kilima-Njaro Expedition…, 1886. 241 Heldensagen umfunktionierte.665 Der koloniale Heroismus zieht sich wie ein roter Faden durch sein Schrifttum. Über zwei Jahrzehnte gestaltete Johnston die kolonialen Geschicke in Afrika als Kolonialbeamter [davon aktiv 1885-1904] maßgeblich mit. Sogar Kartenentwürfe sind erhalten, wie der Kontinent seiner Vorstellung gemäß zwischen den europäischen Kolonialmächten aufgeteilt hätte werden müssen. Wie Oliver in seiner kolonialkritischen Biografie richtig bemerkt: “Johnston’s active life coincided almost exactly with the international scramble for Africa, and he himself played with intensity and enthusiasm all the most characteristic parts that fell to the “man on the spot“. He was in turn explorer, concession-hunter, treaty-making consul and pioneer administrator.“666 Und doch, Johnston starb 1927 mehr oder minder im Schatten seiner ihm stets am Herzen liegenden Disziplinen: der afrikanischen Anthropologie und der Linguistik. Bald war sein Name vergessen, lediglich in den wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen der Bantuisten taucht der Name Johnston gelegentlich auf, da er erstmals auf linguistischer Basis eine BantuMigrationstheorie erstellt hatte. Hinsichtlich der Hamitic nimmt Johnston eine ganz besondere Stelle ein. Johnston betrachtete die Hamitenfrage nämlich weniger vom theoretischen Gesichtspunkt her, sondern ordnete sie mehr den pragmatischen Anforderungen der kolonialpolitischen Siedlungsinteressen Ostafrikas unter. Das war nicht nur britischerseits ein Novum. Die Rede von kaukasoiden Afrikanern im ostafrikanischen Siedlungsgebiet erwies sich als strategische Kolonialpropaganda. Für die Briten galt das Gebiet des heutigen Kenia anfangs als bloße “Transitstation“ nach Uganda, wo ein weitaus ergiebigeres wirtschaftliches Potenzial vermutet wurde. Die fruchtbaren Böden um den Mount Elgon und am Victoriasee versprachen ein lukratives Anbaugebiet für Kaffee und Baumwolle. Damit Britisch-Ostafrika diese Funktion besser erfüllen konnte, begann 1896 das größte koloniale Bauprojekt, das es – abgesehen vom Suezkanal – in Afrika bis dato gegeben hatte: Mit 32.000 indischen Arbeitern sowie 5.000 Angestellten und Handwerkern wurden die Gleise für die „UgandaBahn“ gelegt, die Mombasa mit Port Florence (heute Kisumu) verbinden sollte, jenem Hafen am Lake Viktoria, der Umschlagplatz für den Handel mit Uganda war. Die wohl folgenreichste Wirkung des Bahnbaus war, dass die gewaltigen Distanzen nun auch für die 665 Harry Hamilton Johnson, Pioneers in South Africa. Series: Pioneers of Empire…, 1914; später erschienen in dieser Serie “West Africa”, “Tropical America”, “Canada”, “India” und “Australia”. 666 Roland Oliver, Sir Harry Johnston and the Scramble for Africa…, 1957: Introduction; vgl. dazu auch die kritische Stellungnahme des US-Amerikanischen Historikers James A. Casada, Sir Harry Hamilton Johnston: A Bio-Bibliographical Study. Mitteilungen der Basler Afrika Bibliographien 18, 1977. 242 weißen Siedler bewältigbar wurden. Hatten die Trägerkarawanen bis zu drei Monate für die Strecke benötigt, waren es jetzt gerade noch sechs Tage; die Transportkosten sanken auf ein Zehntel. Mit einem Wort: Uganda sollte Siedlerkolonie werden. Noch während des Bahnbaus wurde Harry Johnston 1899 als Oberkommissar in Uganda beauftragt, eine landeskundliche Bestandsaufnahme zum Zweck der kolonialen Siedlungstauglichkeit zu erstellen. Diese Entscheidung war naheliegend, da Johnston zwischen 1889-1893 dieselbe Funktion bereits für die Schaffung des Protektorats “British Central Africa“ ausgeübt hatte. 1902 legte Johnston, gemeinsam mit dem britischen Anthropologen Shrubsall, den zweibändigen Report “Uganda Protectorate” der Öffentlichkeit vor. Die Hamitenfrage nimmt darin einen zentralen Stellenwert in Bezug auf die koloniale Besiedelung Ugandas ein. Zunächst galt es, die Herkunft der Hamiten zu klären. Dafür hatte Johnston zwei Lösungsvorschläge vor Augen. Dass es Hamiten überhaupt gebe, schien ihm aufgrund der hellen Hautfarbe der Hima-Völker im Norden des Landes evident und stand deshalb außer Zweifel. Entweder hätten sich die Hamiten aus den Negern in Afrika herausentwickelt und würden in weiterer Folge zu gänzlich weißen Menschen mutieren. Oder aber, als Variante dieser rätselhaften „Mutationstheorie“ wären die rezent lebenden Hamiten Ugandas aus Asien her nach Afrika gewandert, wobei sie sich dann Jahrhunderte zuvor in Asien mit den Negern vermischt haben mussten.667 Auf jeden Fall, so lautete das Credo: “Here and there, of course, there has been intermixture, ancient or recent, with Hamites, and consequently the result may be an improvement in physical beauty.“668 Johnston stellte seine „hamitische Schönheit“ der „bantuiden Hässlichkeit“ gegenüber, wobei er noch die respektable Variante des “good looking type“ als Zwischenglied einfügte. Diese ästhetische Richterskala hatte den pygmäoiden „Neger” als Basis, die Johnston verächtlich mit “ugly dwarfish creature of ape-like appearance“669 charakterisierte. Wie gezeigt wurde, besitzt das ästhetische Kriterium innerhalb der anthropologischen Wissenschaftsdisziplin eine bis auf Camper und Meiners zurückreichende Tradition. Im Zusammenhang mit dem Kolonialismus fungierte die körperliche Ästhetik nun als Kriterium für Entwicklungstauglichkeit. Die Vorstellung, ob Bantu-sprechende Gruppen Simbabwe erbaut haben könnten, war für Johnston keine wissenschaftliche Frage, so etwas war schlicht 667 Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 474. 668 Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 484. 669 Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 473. 243 “distasteful“.670 Für Johnston stand außer Zweifel, dass Simbabwe von Arabern vor 2300 bis 2000 Jahren besiedelt worden war.671 Die Hamiten hatten in der britischen Anthropologie dementsprechend die Funktion, das vermeintlich objektive hellenistische Schönheitsideal bei afrikanischen Bevölkerungsgruppen einzufordern, wie dadurch auch der Nachweis für zivilisatorische Kulturleistung zu erbringen möglich schien. In der Folge wurden in BritischOstafrika sämtliche ethnische Gruppen an den kaukasoiden Hamiten und deren Kulturleistungen gemessen und bewertet. “Finally, there is that question of vast importance,” wie Johnston 1913 herausstrich, “the modern European colonization of Africa. Africa, we have seen – so far as indications of archaeology and language go – has been anciently and continuously permeated by the white man, who in some shape or form or attenuated intermixture has provoked all race movements of great importance.”672 “Lastly, in deciphering the faintly recorded human history of Africa, one seems to see in the White Man, the Caucasian, the primum mobile, the chief causer and inspirer of racial migrations, disturbances, remoulding of peoples, uprise of religious beliefs, creation of new languages, new arts, especially of agriculture and the domestication of animals. The White Man has been the cause of all good effects.”673 Zu diesem Zweck erstellte Johnston gemeinsam mit Shrubsall für das zukünftige koloniale Uganda eine anthropologische Rangliste, die das rassische Mischungsverhältnis einzelner Ethnien aufschlüsseln und das „frühe kaukasoide“ oder „hamitische“ Element der rezenten Negerrassen nachweisen sollte. Die Spannweite reichte dabei von 0 bis 50% Anteil kaukasischen Blutes, von den Pygmäen und Buschmännern ausgehend, die zwar auch als eingewandert gedacht, aber als „originäre Neger“ mit 0% Anteil eingestuft wurden, über die Bantu mit bescheidenen 3.125-6.25%, die Niloten mit 4.16% bis hin zu den Masai mit 12.525% und die Hima schließlich, die mit 50% die „Topcharts“ der ästhetisch-zivilisatorischen Leiter erreichten.674 Die Zahlen unterlagen keinem aufgeschlüsselten Algorithmus, sondern wurden weitgehend willkürlich angenommen und waren für das bessere Verständnis der anthropologischen „Schraffierung“ gedacht [Abb. 35]. 670 Das vollständige Zitat lautet: “I find it distasteful to attribute to a Negro Bantu people, or any other more or less pure Negro race, the Zimbabwe architecture and culture.“ Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 418. 671 Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 419. 672 Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 410. 673 Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 414; Dorothy Hammond, Alta Jablow, The Africa that never was…, 1970: 76-78. 674 Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 841. 244 Abb. 35 Die afrikanischen Kolonialvölker tabellarisch eingeteilt nach dem Anteil „weißer Blutmischung”, die die Hamiten als die fortschrittlichsten erscheinen lässt. Harry Hamilton Johnston, Uganda Protectorate…, 1902: 841. Abb. 36 Massaikrieger mit Löwenmähne als Abkömmling der altägyptischen Göttin Sekhmet. Unter dem Einfluss des britischen Hyperdiffussionismus wurden viele Kulturerscheinungen in Afrika südlich der Sahara altägyptischen Ursprungs gedeutet. Cardale C. Luck, The origin of the Maasai…, The Journal of the East Africa and Uganda Natural Society 26, 1926: 91-196. 1 245 Johnstons “Uganda Protectorate“ war im Wesentlichen kolonialpolitische Propaganda. Zuvor waren nur wenige Settler nach Britisch-Ost gekommen – gerade einige Pioniere und zwischen 1891-94 die „Freiländer“ des Wieners Theodor Hertska (ungarischer Herkunft), die am Mount Kenya ein Utopia nach liberalsozialistischem Vorbild gründen wollten.675 Mit den genauen deskriptiven Angaben Johnstons konnte nun koloniale Siedlungspolitik großen Stils betrieben werden. “Uganda Protectorate“ diente dem britischen Premier Chamberlain als Vorlage, als Theodor Herzl nach dem sechsten Zionistenkongress 1903 ihm seinen „UgandaPlan“ vorstellte. Herzl bekam zur Durchführung der Übersiedlung von einer Million Juden in die Nähe des heutigen Nairobi die wohlgemeinte Zustimmung Großbritanniens. Seine Pläne scheiterten lediglich an der Absage der jüdischen Mitglieder aus den russischen Provinzen.676 Die Siedlertauglichkeit Ugandas hatte nun historisch legitimiert zu werden. Nach Johnston wäre das Niltal in der vordynastischen Periode vor etwa 15000 Jahren von einer kaukasoiden Rasse besetzt worden, wo sie eine „hamitische Colonie” gegründet hätte, von wo aus eine „Hamitisierung” über ganz Nordafrika ausging, die schließlich auch den Süden und Westen Afrikas erreichte. Dabei wurden die dortige “dwarfish Negro population” von den Hamiten entweder verdrängt oder absorbiert.677 Das Bedeutende aber ist die Schlussfolgerung, die Johnston aus dieser prähistorischen Besiedlungstheorie zieht: sie ist gänzlich auf die aktuelle koloniale Situation abgestimmt: “Africa is about to receive“, prognostizierte der Kolonialbeamte verheißungsvoll, “a most powerful infusion of Caucasian blood.“678 Damit waren nicht mehr die hypothetisch angenommenen prähistorischen Hamiten gemeint, sondern die rezenten Siedlerkolonisten des Britischen Commonwealth, im Wesentlichen Südafrikaner, Neuseeländer, Briten, Australier und Kanadier. Hamitentum, römische Kolonisation und europäische Expansion – all diese historischen Momente konnten nun auf einer Zeitschnur aufgefädelt werden, wo am Ende die im Begriff stehende imperiale Kolonisation Afrikas stand. Sie wurde als die logische Fortsetzung einer seit der frühesten prähistorischen Zeit kontinuierlichen Kolonisation verstanden. Bereits 1899, also noch bevor seiner Tätigkeit als Kommissar in Uganda, gab Johnston den Geschichtsband “History of the 675 Theodor Hertzka, Freiland. Ein sociales Zukunftsbild…, 1890. 676 Als jüdisches Siedlungsgebiet waren 40.000 square miles zwischen 36. und 38. östlicher Länge und vom Äquator bis über 1° südlicher Breite geplant. Näheres dazu in den Briefen von Herzl in 7 Bänden 1996; vor allem aber die detaillierte Studie von Robert G. Weisbord, African Zion: the attempt to establish a Jewish colony in the East African Protectorate, 1903-1905…,1968. 677 Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 387. 678 Harry Hamilton Johnston, A survey of the ethnography of Africa…, JRAI 43, 1913: 410. 246 colonisation of Africa by alien races“679 heraus, worin er diesen „Aufbruch“680 historisch zu untermauern trachtete und die Hamiten als historischen Ausgangspunkt zur Rechtfertigung der europäischen Kolonisation in Afrika ansetzte. Johnstons Argument zielte darauf ab, dass Afrika nicht erst seit der Berliner Konferenz 1876 als der Spielball der europäischen Interessenskräfte fungierte, Afrika war es seit eh und je. Afrikanische Geschichte wurde demnach auf die europäisch-islamische Kolonisation reduziert, eine Darstellung, die in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Nachahmung finden sollte und zum modus vivendi avancierte. “Alien Races“ wurde ein kolonialer Bestseller, erhielt mehrere Auflagen und wurde sogar ins Deutsche übertragen. „Aber im allgemeinen ist der Neger ein geborener Sklave”, so das Pauschalurteil Johnstons über die Afrikaner und weiter ausholend: „Mehr als irgend ein anderer Menschentypus ist der Neger durch seine geistigen und physischen Eigenschaften zum Diener anderer Rassen ausersehen.“681 Kein Fluch, keine Mission ist hier gemeint, sondern nüchterne Lohnarbeit im kolonialen britischen Uganda. Die als hamitisch angesehenen Afrikaner sollten davon jedoch ausgeklammert werden. Aufgrund ihrer ausgeprägten politischen Struktur, ihrem aristokratischem Geschichtsbewusstsein galten sie nicht als rückständig, sondern als fortschrittlich. Uganda avancierte in den 1920er Jahren zur britischen Musterkolonie, wo im Kernraum von Anfang an auf das britische Kolonialmodell der indirekten Herrschaft gesetzt wurde. Zahlreiche „Hamiten” wurden für eine administrative Tätigkeit eingesetzt. Hier zeigt sich das kolonialistische Potenzial für die Instrumentalisierung der Hamiten-Mythe. Im Übrigen wurde auch im westafrikanischen Nigeria nach demselben Kolonialmodell verfahren. Im Zuge der Kolonialverwaltung reduzierten britische Kolonialbeamte die zahlreichen ethnischen Gruppen Nigerias auf drei Kategorien: “The primitive tribes, the advanced communities, and the Europeanised Africans. Such a division connotes a more real and profound difference than of racial affinities”, wie der in Madras geborene Frederick J. D. Lugard Lord von Albinger [1858-1945], einer der einflussreichsten Kolonialadministrationen im British Empire, seine indirekte Verwaltung propagierte.682 Gerade im bevölkerungsreichen Nigeria und Uganda war die britische Kolonialadministration auf die 679 Harry Hamilton Johnston, Geschichte der Kolonisation Afrikas durch fremde Rassen…, 1903 [englisches Orig. 1899, 21930, 31966]. 680 Harry Hamilton Johnston, The Opening up of Africa…, o. J. 681 Harry Hamilton Johnston, Geschichte der Kolonisation Afrikas durch fremde Rassen…, 1903: 81. 682 Frederick Lugard zitiert in A. C. Burns, History of Nigeria…, 1929: 32; Dorothy Hammond, Alta Jablow, The Africa that never was…, 1970: 76-78. 247 Mitarbeit lokaler politischer Führer angewiesen. Lugard, der in beiden britischen Siedlungskolonien über Jahrzehnte als Kommissar im Einsatz war, gilt mit seinem Hauptwerk “The Dual Mandate” (1922) auch als der theoretische Wegbereiter für dieses Verwaltungssystem. Kolonialadministratoren Nigerias wie Percy Amaury Talbot und A. C. Burns klassifizierten dahingehend Fulani, Haussa und Kanuri und Arab Tribes als entwicklungstauglich während sie die in Südnigeria lebenden Ewe-Gruppen als primitiv branntmarkten. Beim 1921 in Süd-Nigeria erstmals durchgeführten Zensus fand diese Klassifikation erstmals praktische Anwendung. “The Fulani, especially in the upper classes”, so das Argument des bereits seit 1912 in Nigeria tätigen Kolonialbeamten A. C. Burns, “[…] they consider themselves a white people, and those of the pastoral Fulani who have kept their blood pure possess a light bronze complexion and other physical characteristics of the Hamitic races.“683 Auch um die Yoruba-Gruppen setzte eine solche Einschätzung ein. Da bei ihnen auf eine ausgeprägte Staatentradition verwiesen werden kann, mussten sie förmlich nach Nigeria eingewandert sein. Aus Ägypten meinten die einen, aus Kreta die anderen. Die Verbreitung solcher Ansichten verlief rasch, da die ethnografischen Inhalte der Kolonialberichte sich vor allem an die aus Europa eingetroffenen Siedler, Missionare und Händler richteten. 683 A. C. Burns, History of Nigeria…, 1929: 32. 248 III. Kapitel Die Hamiten-Mythen 249 „Wenn Hamiten oder andere unbekannte Weißafrikaner das Bild in der Tsissab Schlucht684 und die anderen Fresken gemalt haben”, zieht der Sachbuchautor Herbert Wendt in seinem bekannt gewordenen „Roman” der Völkerkunde „Es begann in Babel” (1958) den Schluss, „dann können sie auch die Leute von Punt und Ophir, die Handelspartner der alten Ägypter und Phöniker, die Träger der Erythräischen Kultur des Leo Frobenius und die Gründer eines vorerst noch hypothetischen Vor-Simbabwe gewesen sein. Der bärtige Fürst auf dem Tempelfries von Deir-el-Bahari wäre dann also ein solcher Weißafrikaner. Aber wie steht es mit der dicken Dame, die gleichfalls auf diesem Fries zu sehen ist – mit der vermutlichen Hottentottin?” [Abb. 37, 38]685 Ein Wesenszug des Hamiten-Mythos ist, dass allein mit der Bündelung vieler offener kulturhistorischer Fragestellungen, der Anschein erweckt wird, einen dahinterliegenden realen historischen Kern vorzutäuschen. Wer die Frage nach rätselhaften Völkern, legendären Ländern, untergegangenen Städten oder gar nach versunkenen Kontinenten stellt bzw. an das Finden einer ausschließlich monokausalen Antwort glaubt, der denkt heute gleich an Namen wie Robert Charroux, oder an dessen Pendant in der Schweiz, Erich von Däniken, im weitesten Sinn vielleicht auch an „Esoterik”.686 Der dritte Teil greift einige solcher Geschichtsmythen auf, die direkt oder indirekt mit dem Hamiten-Mythos in Zusammenhang stehen. Es sind dies die legendären Länder Punt und Ophir und Erzählungen, die um die Atlantislegende ranken. Das einigende Band dieser Legenden ist der Anspruch, dem vermeintlich geschichtslosen Afrika ein geschichtliches Kleid zu verleihen. Sie alle verbindet eine gehörige Portion Kulturoptimismus, der eine bessere Vergangenheit an den Anfang der Geschichtlichkeit Afrikas stellt. Auffällig ist dabei die fließende Grenze zwischen seriöser Wissenschaftlichkeit und euphorischer Phantasterei. Das eine vom anderen zu trennen scheint hierbei geradezu unmöglich. Schöpften doch zahlreiche Forscher ihre Ideen aus der kolonialen Abenteuerbelletristik. Nach dem archäologischen Erfolg Heinrich Schliemanns hatte sich den 1920er Jahren in Deutschland sogar eine eigene „Transgeografie” herausgebildet, als eine Spezialdisziplin innerhalb der Anthropogeografie. Richard Hennig [1874-1951] und Bolko von Richthofen [1899-1983] gelten als die Gründer dieser Richtung. Dem Phänomen der Bibelarchäologie durchaus vergleichbar, setzten sie auf den historischen Wahrheitsgehalt des oft nur in Legenden verfügbaren geografischen Wissens im antiken Schrifttums. Mit dieser Geografenschule standen viele Gelehrte in Kontakt, wie etwa Leo 684 Es handelt sich um die „Weiße Dame” im Brandbergmassiv in Namibia. 685 Herbert Wendt, Es begann in Babel. Die Entdeckung der Völker…, 21966 [1958]: 88. 686 Vgl. auch den US-amerikanischen “Lost-city”-Autor Peter Tompkins, Mysteries of the Mexican Pyramids…, 1976; – The magic of Obelisks…, 1981. 250 Abb. 37 Ausschnitt des Steinreliefs der altägyptischen Tempelanlage Deir-el-Bahari (arab. nördliches Kloster); 18. Dynastie, 1473-1458 v. Chr.; 49.3 cm, Kairo Nationalmuseum. Ian Shaw; Paul Nicholson (Hrsg.), Punt. In: Reclams Lexikon des alten Ägypten…, 1998: 238. Abb. 38 Die Königin von Punt als „Hottentottin“. Hamitiker brachten diese weibliche Puntiterin wegen ihres Fettsteißes vielfach mit den rezenten Hottentotten in Verbindung. Punt. In: Enciclopedia Universal Ilustrada Europeo-Americana…, 1929 XXXXVIII: 564. 251 Frobenius, Dominik Josef Wölfel, Hans Biedermann687 oder der eben genannte Herbert Wendt. Um den Bedeutungsgehalt des Hamitenschrifttums in einem größeren wissenschaftsgeschichtlichen Kontext zu erfassen, werden einige Fallbeispiele im Detail behandelt. Der Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht gestellt. 1. Das ägyptische Punt Wo das Land Punt gelegen haben mag, ist immer noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion – die meisten lokalisieren es heute in Nordost-Afrika im Raum Eriträa und Somali -, dass die Ägypter jedoch mit den dortigen Bewohnern Handelsbeziehungen unterhielten, ist spätestens ab der fünften Dynastie, 2494-2345 v. Chr., unbestritten belegt. Besonders beeindruckend berichten davon Steinreliefs der altägyptischen Tempelanlage Deir el-Bahari (arab. nördliches Kloster), gelegen in einem Talkessel westlich von Theben. Gewaltige Friese an den Wänden der Pfeilerhalle, auch „Punthalle” genannt, zeugen von großen Mengen an Weihrauch, Harzen, Edelhölzern, Elfenbein und Gold, Handelswaren, wie sie während der Regentzeit der Königin Hatschepsut [1490-1469 v. Chr., 18. Dynastie] durch aufwendige Schiffsexpeditionen von Punt ins untere Niltal befördert wurden. Das Interessante für die Hamitenthematik: bis in die Mitte des 19. Jahrhundert waren diese ägyptischen Handelsfahrten unbekannt. 1837 erwähnte der Ägyptologe John Gardner Wilkinson erstmals Punt, ohne es jedoch geografisch zu lokalisieren.688 Bald erwies sich, dass in ägyptischen Inschriften das Land Punt sehr häufig genannt wird. Für die Hamitentheoretiker wäre Punt wohl niemals wichtig geworden, wenn sich nicht auch nach Freilegung der Anlage, bildliche Darstellungen der „Puntiter” gezeigt hätten. Jenes „unbekannte Volk” mit den Hamiten in Verbindung zu bringen, bot sich an. Diese Thematik beschäftigte nun zunächst ganze Ägyptologengenerationen, später auch Ethnologen. Noch bevor die Punthalle von Deir-elBahari ausgegraben war, legte der preußische Ägyptologe Heinrich Brugsch [1827-1894] 1857 Punt zunächst auf Arabien fest.689 Viele Ägyptologen, darunter auch C. Richard Lepsius, folgten dieser Auslegung und waren gewillt, die Lokalisierung Punts in Südarabien 687 Hans Biedermann, Wölfels Begriff „Westkultur“ in der Archäologie Weißafrikas und des Mittelmeerraumes…, 1974; Karl A. Frank, Atlantis war anders…, 1978. 688 689 Punt ist wissenschaftsgeschichtlich am vollständigsten aufgearbeitet in Rolf Herzog, Punt..., 1968. Heinrich Brugsch, Geographische Inschriften, Band 2: Die Geographie der Nachbarländer Ägyptens…, 1858: 14-16. 252 zu suchen. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts vertiefte sich aber auch die Kenntnis des Osthorns Afrikas bzw. Innerafrikas durch Forschungsreisen. Infolge des Berichts von Georg Schweinfurth „Im Herzen Afrikas” (1874), das die Welt an das Pygmäenproblem wieder erinnerte, wurde auch die Blickrichtung der Puntfrage zunehmend auf Afrika gelenkt. Der französische Ägyptologe Auguste Mariette [1821-1881], der mit Schweinfurth [1836-1935] in Kairo in Kontakt stand, lokalisierte Punt auf die ostafrikanische Küste, dem heutigen Somali. Entscheidend für sein Urteil waren anthropologische Überlegungen, die er an einem Fries vom oben erwähnten Deir-el-Bahari anstellte. Auf den bereits genannten Reliefblöcken aus dem Tempel der Hatschepsut in Deir-el-Bahari ist Parehu, König von Punt, dargestellt, der vor seiner korpulenten Gemahlin Ati, geht. Ihnen folgen Männer mit Geschenken für Hatschepsuts Expedition.690 Während der König von Punt sich von Ägyptern hauptsächlich durch seinen Bart und seine ungewöhnliche Tracht unterscheidet, hinterließ seine Gemahlin einen tieferen Eindruck. Mariette vermeinte darauf nämlich zwei verschiedene Rassentypen zu erkennen: eine negride und eine ägyptische. Er führte die Fettleibigkeit der Frau des Puntherrschers auf die in Afrika weitverbreitete Steatopygie zurück, deren Missbildung einige Gelehrte mit der Decrumschen Krankheit in Verbindung bringen. Da Fettsteiß als medizinisches Phänomen bei den Hottentotten sehr häufig auftritt, war bald die Meinung geboren, dass die Puntherrscherin Ati eine „Hottentottin” gewesen wäre. Damit kamen die Hamiten ins Spiel – zunächst jedoch über den Umweg der Phönizier. Es war der österreichische Ägyptologe Jakob Krall, ein Schüler von Leo Reinisch, der die Puntfrage explizit erstmals mit den Hamiten verband. „Die Bewohner des Landes Punt sind Hamiten.” Das stand für ihn 1890 in einem Vortrag an der Akademie der Wissenschaften in Wien fest, dabei merkte er an: „Daneben finden wir auch Neger vor und lernen Handelsbeziehungen zu den Amu, doch wohl Araber der gegenüberliegenden Küste, kennen.”691 Krolls Behauptung sollte das Interesse der Hamiten-Forscher auf die phönizische Handelskultur lenken. Diesem Gedanken ging jedenfalls der österreichische Arabienreisende Eduard Glaser nach, der, entgegen seiner ägyptologischen Kollegenschaft, das legendäre Goldland wiederum auf Südarabien zurückverlegte. Glaser stellte die These auf, dass die Hebräer das Wort „Ham” aus fremden Quellen geschöpft hätten und im Namen der Ägypter „’Amu” wiederzufinden wäre, sodass also die „Hamiten eigentlich ‘Amiten sind, also ‘Amverehrer 690 Dieser Kalkstein, Teil eines großen Blocks, besitzt ein Ausmaß von 49.3 cm, liegt heute im Nationalmuseum in Kairo auf und wird auf die 18. Dynastie 1473-1458 v. Chr. datiert; vgl. Ian Shaw; Paul Nicholson (Hrsg.), Reclams Lexikon des alten Ägypten…, 1998: 238. 691 Jakob Krall, Das Land Punt…, 1890: 75-77. 253 und verwandte Stämme.”692 Kus, Misraim, Put und Kanaan wären danach Abkömmlinge der alten ‘Amiten oder Poener.693 Dabei dachte er „Put” in Anlehnung der Wortähnlichkeit der „Punier” mit „Punt” als eine phönizische Kolonie, die sich bis in das südostliche Maschonaland erstreckte. „Ich möchte hier betonen”, kommt Glaser endlich zum Schluss, „dass in der biblischen Völkertafel dem Puenvolke am besten noch die Hamiten entsprechen.”694 Aus der Perspektive Glasers erscheinen die Hamiten „semitisiert”. Der jüdische Zweig der Semiten wird darum weitaus älter gemacht als dessen arabischer. Freilich stand dahinter ein politisch-nationaler Gedanke. Im Zuge der europäisch-nationalen PanBewegungen gedachten zionistische Denker einen Nationalstaat für Juden zu errichten. Zur Option standen dahingehend Territorien in Palästina, Uganda und eben das Gebiet der arabischen Halbinsel des heutigen Jemen. Dazu wurde der damals bereits renommierte Arabienreisende Eduard Glaser beauftragt, Südarabien zu kartografieren. Glasers Lesart der Bibel ist also so zu verstehen, als dass er einen jüdischen Territorialanspruch historisch zu legitimieren versuchte. Eduard Glaser, der auf mehreren Erkundungsreisen den Jemen erforschte, hatte 1897 Theodor Herzl vorgeschlagen, das südliche Arabien als Territorium für den jüdischen Staat zu wählen.695 Jedoch ohne Glück, wie sich herausstellen sollte. Theodor Herzl [1860-1904], der in seiner Schrift „Der Judenstaat” (1896) für eine Ansiedelung der Juden in Palästina plädierte, fürchtete um die Balance der europäischen Achsenmächte und lehnte die Bemühungen Glasers mit der Bemerkung “disastreux” ab und unterrichtete Max Nordau [1849-1923], seinem Freund und Mitbegründer des politischen Zionismus in Paris: „Von Dr. Glaser halte ich nicht viel”696, mit dem Zusatz, dass dieser über das „Geschreibsel eines Glasers”697 hinweg gehen solle. „Dieser Herr”, hob Herzl 1898 unmissverständlich hervor, „hat mich für seine arabischen Pläne vergeblich zu gewinnen versucht.”698 1898 vollendete Lord Kitchener dasjenige, woran Charles Gordon 15 Jahre zuvor gescheitert war: an der Niederschlagung des schiitischen Mahdireiches im angloägyptischen 692 Eduard Glaser, Punt und die südarabischen Reiche… Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 4, 2, 1899: 71. 693 Eduard Glaser, Punt und die südarabischen Reiche… Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 4, 2, 1899: 71. 694 Eduard Glaser, Jehowah-Jovis und die drei Söhne Noah’s…, 1901. 695 Theodor Herzl, Briefe und Tagebücher…, 1990 IV: 691. 696 Theodor Herzl an Max Nordau, In: Theodor Herzl, Briefe und Tagebücher…, 1990 IV: 400. 697 Theodor Herzl an Max Nordau, In: Theodor Herzl, Briefe und Tagebücher…, 1990 IV: 410. 698 Theodor Herzl an Max Nordau, In: Theodor Herzl, Briefe und Tagebücher…, 1990 IV: 405. 254 Sudan. Damit konnten die Briten ihren Einflussbereich entscheidend gegenüber Frankreich nach dem Süden und Osten Afrikas ausdehnen (Faschoda-Krise) – bekannt geworden durch das von Cecil Rhodes geprägte Schlagwort: die „Kap-Kairo-Achse”. Ab 1899 regierte Großbritannien gemeinsam mit Ägypten als Kondominium über den Sudan. Im Zuge dessen intensivierte sich auch die Erforschung der ägyptischen Altertümer. Anfang der 1920er Jahre wurde die Punt-Arabienthese Glasers von britischen Ägyptologen wieder aufgegriffen, bedingt durch die Sensationsfunde von Howard Carter. 1925 wurde der aus der Schweiz stammende Ägyptologe Edouard Naville [1844-1926] von der Philosophischen Gesellschaft Londons eingeladen, einen Vortrag über Punt zu halten. Anhand der Porträts in Deir-el-Bahari stellte er folgende Behauptung auf: “The Puntite is a tall, well-shaped man, of a type which certainly belongs to the Caucasian race; […] the type is very like that of Egyptians; [...] their original home was Arabia.”699 Die Punier als Hamiten gehörten nun zum kaukasischen Rassenkreis. “I believe with Dr. Glaser“, heißt es nun bei Naville, ”that Punt, this ethnic group, is called in the list Cush, which is a name of the same kind, and must not be considered as the African Ethiopia. Cush certainly meant a part of Asia. The Cushites are not black negroes, they are found in Arabia and Mesopotamia.”700 Also auch hier ist eine „Weißwaschung” ehemals als negroid betrachteter Völker festzustellen. Im Zentrum stand grundsätzlich die Frage des vorsemitischen Rassenoder Kulturanteils. Sie resultierte aus dem Umstand, dass einige ägyptische Schriftquellen über Punt als vorkuschitisch eingeschätzt wurden. Da die Hamiten der Bibel generell als vorsemitisch gedacht wurden, kam es auch bald zu einer Gleichsetzung. Die Punis wären eine phönizische und damit vorsemitische Bevölkerung, die sich über ganz Arabien und an der Küste Ostafrikas ausgebreitet hätte. Im Anschluss des Vortrages einigte sich das Auditorium der philosophischen Gesellschaft Londons darauf, dass die Hamiten in die Reihe der „imperialen Hochkulturen mit Kolonialbesitz” aufzunehmen wäre. “They [the Hamites] were also among the first civilised nations and that they imported their civilisation into some of the lands which they occupied or where they made colonies.”701 Deutlich ist auch die seit de Gobineau und Friedrich Müller althergebrachte antibiblische Konnotation herauszulesen, wenn es heißt: “It was interesting, as the lecturer had pointed out, that the descendants of 699 Edouard Naville, The Land of Punt and the Hamites. Journal of Transactions of the Victoria Institute or Philosophical Society of Great Britain 57, 1925: 193. 700 Edouard Naville, The Land of Punt and the Hamites. Journal of Transactions of the Victoria Institute or Philosophical Society of Great Britain 57, 1925: 196. 701 Edouard Naville, The Land of Punt and the Hamites. Journal of Transactions of the Victoria Institute or Philosophical Society of Great Britain 57, 1925: 196. 255 Ham occupy a larger space in Gen. X than the descendants of other two sons of Noah, which showed they were the most profilic, as indeed was the negro or black race of to-day as compared with the white. It seemed now clear from recent archaeological investigations that it was the first to exercise sovereign power, as the Genesis record indicated, which disproved the Higher Critics’ theory that Genesis was put together during the Babylonian exile.”702 Den größten Kritiker fand Naville in Richard Hennig, einem Privatgelehrten in Düsseldorf. Richard Hennig war der Autor des 4bändigen Monumentalwerks “Terrae incognitae” (1936-39). Hennig lehnte es strikt ab, Punt als die Urheimat der Phönizier zu sehen. „Das eigentliche Hauptland Punt kann jedenfalls nur auf afrikanischem Boden gelegen haben”, wie Hennig scharf einwendete. Dabei kehrte dieser jedoch lediglich das anthropologische Argument Mariettes wieder hervor. „Hierfür gibt es einen ganz eigenartigen, aber durchschlagenden Beweis. Auf den Skulpturen im Tempel von Deir-elBahari ist nämlich die Frau des Herrschers von Punt mit einem typischen Fettsteiß (Hottentottensteiß) dargestellt, der allzeit nur bei afrikanischen Völkerschaften vorkam, auch im Somalilande. Diese Skulptur erbringt den einwandfreien Beweis, dass das von der Flotte der Königin Hatschepsut aufgesuchte Land Punt in Ostafrika gesucht werden muss.”703 Damit wären wir wieder beim anfangs gewählten Zitat von Herbert Wendt angelangt. Das Paradoxon, das hier vorliegt, ist jenes: eine hypothetische „weiße Rasse” gilt als etwas ursprünglich Afrikanisches, als etwas, das die Grundlage des Hamiten-Mythos bildet. Freilich gilt es hier anzumerken, dass heute die Reliefszene von Deir-el-Bahari nicht mehr rassisch, sondern eher humoristisch gedeutet wird. Die übergewichtige Ati wird nämlich auch noch von einem kleinen Esel gefolgt, dem ein erläuternder Text beigefügt ist: „Der Esel, der die Königin tragen musste.” Das Reiten auf Eseln war zu dieser Zeit in Ägypten noch unüblich. Von diesen Reliefszenen sind Kopien erhalten, wodurch der humoristische Unterton, der diesen bildlichen Darstellungen beigelegt wurde, hervorgehoben ist.704 702 Edouard Naville, The Land of Punt and the Hamites. Journal of Transactions of the Victoria Institute or Philosophical Society of Great Britain 57, 1925: 190-208. 703 Richard Hennig, Terrae incognitae…, 21944 I: 8. 704 Zitiert nach Ian Shaw; Paul Nicholson (Hrsg.), Humor. In: Reclams Lexikon des alten Ägypten…, 1998: 124. 256 2. Das biblische Ophir Das zweite wichtige legendäre Land in Bezug auf die Hamiten ist Ophir. In der biblischen Völkertafel ist Ofir der Sohn Joktans und Hawilas, beides Enkel Sems. Derzufolge erscheinen ethnischen Gesichtspunkten gemäß die Handelspartner der Schifffahrtsexpeditionen Salomos gleichfalls semitischen Ursprungs.705 Das biblische Ophir gilt aber auch als das Ursprungsland der Königin Saba. Von dort kam sie mit ihren Begleitern, um König Salomon mit Geschenken zu beeindrucken. Es war vor allem der hohe Reichtum, der die Nachwelt beschäftigte, dieses legendäre Goldland auch wirklich zu suchen. Aus Richard Hennigs “Terrae incognitae”, das eine Auswahl der wichtigsten OphirLokalisierungen beinhaltet, geht hervor, dass man Ophir bereits im Mittelalter nicht nur nach Arabien, sondern auch nach Indien, nach Ceylon, ja sogar in die Südsee verlegte. Die spektakulärste Fahrt unternahm wohl der spanische Seefahrer Alvaro de Mendaña de Neira, als er 1567 von Peru aus die Ophir-Suche in Angriff nahm. Als er eine Inselgruppe im pazifischen Ozean erreichte, hielt er diese für das Land Ophir von König Salomon und gab ihr entsprechend den Namen „die Salomonen”. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der „Vater der Anthropogeografie”, Carl Ritter, den folgenschweren Aufruf getätigt, die wissenschaftliche Suche nach dem biblischen Ophir aufzugeben.706 Damit leistete er jedoch nur diversen Abenteurern Vorschub, sich mit dieser Frage pseudowissenschaftlich auseinanderzusetzen. Als 1867 der deutsche Forschungsreisende Carl Mauch und Adam Renders, ein alter Jäger, der seit langem im Süden Afrikas lebte, die Ruinen von Simbabwe wieder entdeckten, glaubten sie, den Palast der Königin von Saba gefunden zu haben. Da es sich um Steinanlagen und nicht um Holz- und Lehmbauten handelte, wurde die Idee einer autochthonen Errichtung nicht einmal in Erwähnung gezogen. Dieser Fundort hat die biblische Ophir-Legende neu belebt, vor allem deshalb, weil es sich um den damals einzigen bekannten lithischen Bau Afrikas südlich des Äquators handelte. Die von Ritter verworfenen biblischen Erzählungen drängten sich förmlich auf. Als Leitquellen für die historische Einordnung Simbabwes wurden Berichte portugiesischer Entdeckungsfahrten herangezogen. Die Ruinen von Simbabwe waren den Portugiesen nämlich bereits bekannt. 1552 beschrieb der portugiesische Historiker Joao de Barros in seinem Buch “De Asia” eine steinerne 705 Die biblischen Ofir-Zitate finden sich unter 1. Mose 10.29; 1. Chr. 1.23; 1. Kön. 9.28; 10, 11; 22, 49; 1. Chr. 29.4; 2. Chr. 8.18; 9, 10; Hiob 22.24; 28, 16; Ps 45.10; Jes. 13.12; vgl. auch Albert Herrmann, Ophir. In: Paulys Realencyclopädie…, 1939: 647-649. 706 Carl Ritter, Die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen…, 1848: I, 538; XIV, 343. 257 Festung Sofalas als „im Zentrum des Goldlandes“. Dabei berichtet er auch von einer nicht zu entziffernden Inschrift über einem Tor der Festungsanlage. Die ohne Mörtel errichteten Gebäude würden von den Einheimischen Symbão genannt, ein Name, der an das heutige Simbabwe erinnert. De Barros schätzte die Gebäude nicht nur „sehr alt” ein – weder Araber noch Afrikaner waren imstande, die Inschrift zu lesen –, sondern auch nicht-afrikanischen Ursprungs. 1891 kam J. Theodore Bent nach genauen Untersuchungen der Stätte zu dem Schluss, dass der konische Turm Zentrum eines Phalluskultes und die ganze Anlage ein astronomisches Observatorium gewesen sei.707 Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erforschte der englische Rechtsanwalt und Journalist Richard Hall die Ruinen. Aufgrund der Ähnlichkeiten, die er zwischen der Anlage, den er Elliptischen Tempel nannte, und dem Tempel des Haram von Bilkis in Südarabien fand, favorisierte Hall die Königin-von-SabaTheorie [Abb. 39].708 Seit Mauchs Entdeckung der Ruinen von Simbabwe lässt sich also ein mythisches Urzeitraunen feststellen, das sich um die Deutung der Ruinen rankt. Bald nahmen fiktive Völker, die Simbabwe errichtet hätten, Einzug in die belletristische Welt. Am anschaulichsten lässt sich dies anhand des kolonialen Bestsellerromans Henry Rider Haggards [1856-1925] “King Salomon Mines” (1885) darlegen. Zunächst als bloßes Plagiat von Stevensons “Treasure Island” (1883) gedacht, traf Haggard genau die koloniale Aufbruchsstimmung seiner Zeit – den “Scramble for Africa” – den kolonialen Wettlauf um Afrika der europäischen Mächte. Die abenteuerliche Expedition des Elefantenjägers Allan Quatermain mit Sir Henry Curtis und Captain Good zu den sagenumwobenen Diamantenminen König Salomons inmitten des spartanischen Militärstaates der Kukuanas hat so überzeugend gewirkt, dass sich zahlreiche Abenteurer sogleich auf Schatzsuche begaben. Bei ihm werden das ägyptische Punt und das biblische Ophir durch das fiktive Kukuanaland ersetzt, welches in „die große Straße von Salomon” direkt münde. Und an die Stelle der ägyptischen oder phönizischen Hamiten tritt das despotische Volk der “Kukuana”, ohne dabei zu vergessen, diese mit rezenten „militärischen” ethnischen Gruppen wie Zulu, Massai und – durchaus bemerkenswert – Deutschen zu vergleichen. „Und vom wem stammen die Schriften an den Wänden an den Höhlen, durch die wir auf dieser Straße gekommen sind?” – um hier die prägnanteste Passage wiederzugeben – „fragte ich, die 707 Theodore J. Bent, The ruined cities of Mashonaland being a record of excavation and exploration in 1891…, 31895 [1892]. 708 Henrika Kuklick, Contested Monuments. The Politics of Archaeology in Southern Africa. In: George W. Stocking, Jr. (Hrsg.), Colonial Situations…, 1991: 135-169; Pöch versuchte diese wissenschaftliche Mythe mit der Hamitentheorie zu widerlegen; vgl. Kapitel II, 2. 258 Abb. 39 The Riddle of Rhodesia? Kolonialistische Zivilisations-Propaganda, die die afrikanischen Autochthonen lediglich als Erben der als europäisch erachteten altägyptischen Hochkultur erscheinen lässt. Henrika Kuklick, Contested Monuments. The Politics of Archaeology in Southern Africa. In: George W. Stocking, Jr. (Hrsg.), Colonial Situations..., 1991: 135-169. 259 Skulpturen, ägyptischen ähnlich, vor Augen, die wir gesehen haben. „Mein gnädiger Herr, die Hände, die diese Straße bauten, schrieben diese wunderbaren Schriften. Wir wissen nicht, wer sie schrieb.“ „Wann kam das Volk der Kukuana in dieses Land?“ „Mein gnädiger Herr, der Stamm kam hier herunter wie ein Sturmwind, vor Zehntausenden Monden, aus den großen Ländern, die dort drüben liegen“ und er zeigte nach Norden.“709 In zahlreichen Jugendbüchern spiegelt sich diese Suche nach einer verloren gegangenen europäischen Zivilisation in den kolonialen Ländern wider. Henry Rider Haggard, der in Indien geborene britische Nobelpreisträger Rudyard Kipling [1856-1925] und der US-Amerikaner Edgar Rice Borroughs [1875-1950] sind nur die prominentesten Vertreter. Die erste belletristische Nachahmung des umfangreichen Haggard-Stoffes kam vom südafrikanischen Autor Du Toit [1847-1911], der 1896 den ersten Roman in Afrikaans mit dem Titel „Die Koningin van Sheba of Salomo syn oue goudfelde in Sambesia” veröffentlichte. Im deutschen Sprachraum war es der deutsche evangelische Pfarrer und Jugendbuchschriftsteller Ernst Friedrich Wilhelm Mader [1866-1947], der den Ophir-Stoff zu einem deutschnationalen Heldenroman umfunktionierte. Seine 1911 herausgegebenen „Abenteuer und Kämpfe auf einer Reise in das Sambesi-Gebiet und durch das fabelhafte Goldland Ophir” trug den Untertitel „Erzählung für deutsche Söhne und Töchter.”710 In all diesen Abenteuerromanen steht der Held zwischen den beiden Kulturen, nämlich zwischen der imperialen europäischen einerseits, die in romantischer Weise nach ihren kulturellen Wurzeln sucht und der verkümmerten Autochthonen andererseits, die im Aussterben gedacht begriffen ist. Ob Allan Quatermain, Mougli oder Tarzan – sie alle stoßen auf die übergebliebenen Reste einer “Lost City”.711 Sie alle sind Facetten der imperialen Gesinnung, das „koloniale Erbe” der europäischen Zivilisation nun antreten zu können.712 Freilich konnten sich die kolonialen 709 Henry Rider Haggard, König Salomons Schatzkammer…, 1971: 133; selbst 1971 noch hat sich die Auffassung erhalten, Simbabwe sei eine phönizische Kolonie gewesen, wie das Umschlagblatt dieser Diogenes-Ausgabe veranschaulicht: „Noch erstaunlicher aber, dass sie in Matopos und nahe am Tokwe-Strom, wo Rider Haggard seine Geschichte angesiedelt hatte, Gold- und Diamantenbergwerke, Heerstraßen und Ruinen phönikischer Kolonien fanden.” 710 Klaus Doderer (Hrsg.), Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur…, 1977: 257-258; 417-418; 509- 511. 711 Lindy Stiebel, The Return of the Lost City: The Hybrid Legacy of Rider Haggard’s African Romances. Alternation 4, 2, 1997: 221-237. 712 Zum “Lost City”-Mythos im Südlichen Afrika siehe Fay Goldie, Lost City of the Kalahari. The Farini story…, 1963; ferner Martin Hall, The legend of the Lost City: or the man with golden balls…, 1993; - Great Zimbabwe and the Lost City… In: Peter Ucko (Hrsg.), Theory in archaeology…, 1995: 28-45. 260 Mächte mit dem bekannten Schlagwort Rudyard Kiplings – “The white mens burden” – auch auf die Seite der Autochthonen stellen und so die „zivilisatorische Mission” Europas plausibel erscheinen zu lassen.713 Ein in der Wissenschaftsgeschichte häufig zu beobachtender Vorgang ist das Bestreben, dass zahlreiche in Rede stehende Fragen vereinfacht und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden – nur, um dem Erfolg der wissenschaftlichen Erklärung Rechenschaft zu geben. Dabei werden oft mythische Erzählungen mit historischen Fakten aufs Unwiederbringliche miteinander verquickt und auf eine neue Realitätsebene gehoben. Genau das passierte mit dem Ophir-Phänomen. Der bereits genannte preußische Ägyptologe Heinrich Karl Brugsch, der 1881 vom Khediven in Kairo zum Pascha ernannt wurde, sprach als erster die Vermutung aus, dass das biblische Ophir mit dem ägyptischen Punt gleichzusetzen wäre. Eine faszinierende These, da beide legendäre Goldländer waren und bis dato noch nicht zufriedenstellend lokalisiert worden waren. Damit öffnete die Ägyptologie ein Tor für zahlreiche Spekulationen. Verstärkt wurde die Sichtweise von Brugsch als 1888 Armana ein Tontafelarchiv mit einer Korrespondenz in babylonischer Keilschrift gefunden wurde. Sie ergaben aus ägyptischer Sicht erstmals historische Aufschlüsse der Bibel. Vom historisch-kritischen Standpunkt war der Vergleich mit Punt und Ophir jedoch grundsätzlich verwerflich, da Salomon und Hatschepsut beinahe ein halbes Jahrtausend voneinander trennt. Für Geschichtsabenteurer bildete dieser Umstand freilich kein Hindernis. Der eigentlich als Historiker ausgebildete Carl Peters [1856-1918] war von der Ophir-Punt-These derart begeistert, dass er dazu eigene Nachforschungen vor Ort anstellte. Peters trachtete die „phantasievollen Träumereien eines Rider Haggards” wissenschaftlich zu untermauern.714 „Ich beabsichtige im Folgenden zu beweisen”, wie Peters gleich zu Beginn in einem seiner zahlreichen Ophir-Abhandlungen klarstellt, „dass hier nicht nur das Ophir der Salomonischen Zeit zu suchen ist, sondern dass das Sambesi-Gebiet wahrscheinlich auch das Ziel der großen ägyptischen Puntfahrt unter der Königin Hatschepsut um die Mitte des zweiten Jahrtausend vor Christo war. Das Beweismaterial für meine Schlussfolgerungen haben mir zum Theil meine eigenen Expeditionen geliefert”.715 Öffentliches Aufsehen erregte Peters mit dem Fund einer ägyptischen Skulptur auf den Ruinenfeldern Simbabwes. Dass es sich dabei um eine reine Fälschung handelte, tat Peters Medienerfolg keinen 713 Dorothy Hammond, Alta Jablow, The Africa that never was…, 1970: 118-119. 714 Carl Peters, Das goldene Ophir Salomo’s …, 1895: VI; - Ophir and Punt in South Africa. Journal of the African Society 2, 1902: 174-184. 715 Carl Peters, Im Goldland des Altertums…, 1902: Vorrede. 261 Abbruch.716 Genauso wenig nahm das meiste Leserpublikum Anstoß an Peters berüchtigter brutaler Umgangsform mit den Einheimischen. Seine zahlreichen Bücher über Ophir fanden reißenden Absatz, die übersetzten Ausgaben ebenso.717 Die „Ophir Frage“ hätte nach Peters Auffassung den kolonial-wirtschaftlichen Bestrebungen Europas entsprechend rein praktisches Interesse. Darum gelte es herauszufinden, wo die Goldquellen der Vorzeit flossen, bzw. den „Boden eines uralten Kulturkreises“ zu rekonstruieren, dessen „Entstehungszeit bis hoch ins zweite Jahrtausend vor Christi Geburt zurückreicht”.718 Bezeichnend ist, dass er sich in abgewandelter Form an die Methode der kulturhistorischen Ethnologenschule anlehnt. „Dieser alte Kulturkreis, in welchen wir hineintreten”, wie Peters nun sein kulturhistorisches Ergebnis der Öffentlichkeit vorlegt, „war der punische; die Länder zwischen Zambesi und Lundi gehörten der südarabisch-phönikischen Welt an, welche vor Jahrtausenden von Malakka bis zu den Orkney-, vor der Ostsee bis zu den Kanarischen Inseln reichte, welche den Indischen- wie den Atlantischen Ozean, das Rot- wie das Mittelmeer zu gleicher Zeit umspannte.”719 Peters machte es sich jedoch sehr einfach: anstelle schlüssige Beziehungskriterien aufzustellen, zog er das wage etymologische Argument heran. Dementsprechend setzte er das biblische Ophir prompt mit dem Kontinent Afrika gleich. „Kann es zu sehr gewagt erscheinen, wenn wir alle diese Tatsachen aus einem Punkt zusammenfassend erklären?”, heißt es in seinem Debütbestseller „Das goldene Ophir Salomo’s” (1895), „Ophir oder Afrika ist das Südland Puni oder Phöniker sind die Südleute […]. Wenn das ägyptische Punt oder Phoun auf Nordost-Afrika zu beziehen ist, so dürfen wir an den Stamm der Afer oder Afar denken, die heutigen Danakil, gegenüber Bab-elMandeb, welche nach ihren eigenen Überlieferungen aus Arabien herübergekommen sind und eine Abteilung der Somali-Stämme bilden. Afar wäre der arabische Name für das ägyptische Phoun.”720 Peters brachte die populärwissenschaftliche Meinung auf, dass es sich bei der Königin von Punt aufgrund ihres korpulenten Aussehens, um eine Hottentottin handle: „Für uns, welche wir die alte Inschrift von Deir-el-Bahari auslegen wollen, kommen besonders zwei Merkmale bei den Hottentotten in Betracht. Das erstere ist die Fettsteißigkeit 716 Vgl. dazu Heinrich Schäfer, Die angebliche Figur aus Rhodesia. ZfE 6, 1906: 896-904. 717 Carl Peters, Das goldene Ophir Salomo’s. Eine Studie zur Geschichte der Phönikischen..., 1895: 42-43; in London als “King Salomo’s Golden Ophir“ übersetzt; Carl Peters, Im Goldland des Altertums. Forschungen zwischen Sambesi und Sabi..., 1902; wurde in London posthum als “The Eldorado of the Ancients“ übersetzt; Carl Peters, Ophir. Nach den neuesten Forschungen..., 1908. 718 Carl Peters, Im Goldland des Altertums…, 1902: Vorwort. 719 Carl Peters, Im Goldland des Altertums…, 1902: Vorwort. 720 Carl Peters, Das goldene Ophir Salomo’s …, 1895: 42-43. 262 ihrer Weiber, welche wir als höchst bemerkenswert auf der ägyptischen Punt-Darstellung fanden. Sie entsteht dadurch, dass die Fettpolster des Gesäßes stark hervorspringen. Das zweite Merkmal ist die bienenkorbartige Form ihrer Häuser, welche ebenfalls auf der Darstellung von Deir-el-Bahari als typisch in die Augen springt.”721 Die These von einer angeblichen phönizischen Einwanderung ins südliche Afrika wurde zwar von Roger Summers722 und Peter Garlake723 längst widerlegt, sie taucht jedoch in populärwissenschaftlichen Kreisen periodisch auf. Vor allem von den weißen Siedlern aber auch von einigen südafrikanischen Wissenschaftlern wird diese aus dem kolonialen Geist entsprungene Besiedelungs-Legende wiederbelebt. Beliebt ist auch die Sichtweise, Simbabwe mit den zehn verlorenen Stämmen Israels in Verbindung zu bringen.724 Bei allen wird die Tatsache ignoriert, dass die Steinruinen von Simbabwe keineswegs so alt sind, wie insgeheim angenommen wird: sie reichen „lediglich” bis ins zwölfte nachchristliche Jahrhundert zurück. Ein mit den Simbabwe-Ruinen vergleichbarer Fundplatz ist das am Limpopo gelegene Mapungubwe, eine in das neunte Jahrhundert zurückreichende BantuSiedlung in Südafrika. Alexander Galloway, Anatom an der Wits-University, deutete die von 1933 bis 1935 freigelegten menschlichen Skelette von vornherein „nichtnegroid”, um eine bis in die „Vorgeschichte” zurückreichende weißrassische Besiedelungskontinuität Südafrikas plausibel erscheinen zu lassen. 725 Auch die Unabhängigkeit Simbabwes 1980 trug ihr Übriges dazu bei, derartige Besiedelungslegenden aufs Neue zu verklären, aber nun im umgekehrten Sinn. Da die Ruinen heute ein staatstragendes Symbol darstellen, sind vor allem Shona-Historiker darin bestrebt, die Bauten weit zurückzudatieren bzw. die damalige vorkoloniale 721 Carl Peters, Im Goldland des Altertums...: Kapitel „Das Ziel der Puntfahrten…”, 1902: 292. 722 Roger Summers, Ancient Ruins and vanished civilisations of southern Africa…, 1971. 723 Peter S. Garlake, Prehistory and ideology in Zimbabwe. Africa 52, 3, 1982: 1-19. 724 Tudor Parfitt, Journey to the vanished city. The search for a Lost Tribe of Israel…, 1993; diese Legende geht auf die „semitisch” eingeschätzten Lemba zurück, siehe dazu A. A. Jaques, Notes on the Lemba Tribe of the Northern Transvaal. Anthropos. 26, 1931: 245; M. M. Motenda-Mbelengwa, The Lemba Tribe. Bantu 1958: 61-65; eine gute Zusammenstellung der “Lost Tribes”-Mythen bietet Allen H. Godbey, The lost tribes a myth…, 1930 [1974]. 725 Siehe dazu Alexander Galloway, The skeletal remains of Mapungubwe. In: Leo Fouché (Ed.), Mapungubwe…, 1937: 127-174. - The skeletal remains of Bambandyanalo. Edited by Phillip V. Tobias. Forword by Raymond A. Dart…, 1959; zur kritischen Aufarbeitung siehe Brian M. Fagan, The Greefswald Sequence: Bambandyanalo and Mapunbugwe. In: Roland A. Oliver; John D. Fage, Papers in African Prehistory…, 1970: 173-199; ferner Archaeology in Africa: Its Influence. In: Joseph O. Vogel (Ed.), Encyclopedia of Precolonial Africa…, 1997: 51-54. 263 Gesellschaftsordnung zu idealisieren. Bemerkenswert ist bei dieser Rückbesinnung, dass der Hamiten-Mythos sich als historisches Theoriengebäude in freilich abgewandelter Form zu eignen scheint. A. Chigwederes leitete in seinem „Birth of Bantu Africa” (1982) die „BantuNeger” aus ehemals weißrassisch geltenden Völkern ab: “After the mingling of the Hamites, Bushmen and Hottentots […] a Negro people was born”.726 Nach 140 Seiten schließt er mit dem bezeichnenden Satz: “Bantu Africa is a child of Kush, in turn, Kush is a child of Egypt. Therefore, whether we like it or not, we are distant Egyptians.”727 3. Die „Weiße Dame” Als das berühmteste Beispiel für den Beleg einer frühen Besiedelung Südafrikas durch weiße Menschen gilt wohl das Felsbild mit einer Frauenfigur, das mit der hochstilisierten Bezeichnung „White Lady“ in den einschlägigen wissenschaftlichen Kreisen Furore gemacht hatte. Rein durch Zufall entdeckte der deutsche Schutztruppler Reinhardt Maack am 4. Jänner 1918 anlässlich der Erstbesteigung des Brandbergs im heutigen Namibia eine kleine Felsengrotte mit Felsmalereidarstellungen. Auf einem Granitblock begegneten ihm menschliche und tierische Figuren von außergewöhnlicher Schönheit. Im Mittelpunkt stand eine 40 cm große Figur, die in vier Farben gemalt war und Pfeil und Bogen bei sich trug. Das „fleischfarbene Gesicht” der Figur mit ihren hellfleischfarbenen Händen und Unterkörper erinnerte Maack, wie er in seinem Tagebuch notierte, unwillkürlich an die „ägyptische Freskomalerei”.728 Von ihrer Eleganz hingerissen, fertigte er sogleich mit Wasserfarben eine Kopie an, die er Mrs. Hoernlé vom Ethnografischen Institut der WITSUniversity in Johannesburg überreichte. Für Maack stand fest, dass es sich um einen mediterranen Einfluss handelte.729 Bald fand er mit seinen spektakulären Vermutungen einen „wissenschaftlichen” Befürworter. Felix von Luschan, der mit Maack in Briefwechsel stand, meinte 1922 nach geraumem Abwägen: „Ich war damals der Ansicht, dass wirklich wie allgemein angenommen wurde, die Höhlenmalereien und Petroglyphen von Buschmännern herrühren. Ich habe seither meine Meinung geändert und führe jetzt die ganze sogenannte „Buschmannskunst” auf die großen hamitischen Wanderungen zurück, glaube also an deren 726 727 A. Chigwedere, Birth of Bantu Africa…, 1982: 12. A. Chigwedere, Birth of Bantu Africa…, 1982: 140; ferner dazu Vusamazulu Credo Mutwa, Indaba. Ein Medizinmann der Bantu erzählt die Geschichte seines Volkes…, 1983. 728 Reinhard Maack, Die „Weiße Dame”… In: Willy Fröhlich (Hrsg.), Beiträge…, 1966: 1-84. 729 Reinhard Maack, Die „Weiße Dame”… In: Willy Fröhlich (Hrsg.), Beiträge…, 1966: 1-84. 264 unmittelbaren Zusammenhang mit den nordafrikanischen Petroglyphen und mit den Höhlenmalereien von Altamira und mit anderen spanischen Fundorten.”730 Doch erst zwei Jahrzehnte später sollte dieses Feldbild Berühmtheit erlangen. Es war der französische Prähistoriker Henry Breuil, der ihr den auffälligen Namen „Weiße Dame” [Abb. 40] gab, da der Unterkörper des Felsbildes mit weißer Farbe dargestellt war und er sie weiblich einschätzte. Henry Breuil [1877-1961] war eigentlich katholischer Geistlicher, sein Interesse galt jedoch der paläolithischen Kunst. Bereits als Jugendlicher suchte er die Malereien in den Höhlen von Altamira im Südwesten Frankreichs auf, um vor Ort Abdrücke zu nehmen. Von 1905 bis 1910 unterrichtete er als Privatdozent das Fach Prähistorie an der Universität in Fribourg in der Schweiz, später wurde er als Professor an das Institut de Paléontologie Humaine in Paris gerufen. Sein bleibendes Verdienst ist sicherlich, der südafrikanischen prähistorischen Kunst einen neuen Stellenwert gegeben zu haben, da die „Buschmannmalereien” als primitiv abgewertet wurden. International bekannt wurde das Felsbild 1929 bei der ersten anglo-südafrikanischen Wissenschaftstagung in Südafrika, auf der die südafrikanische Archäologie und Prähistorie systematisiert wurde. Auch Henry Breuil hatte daran teilgenommen. Auf eine Einladung des Feldmarschalls Jan Christian Smuts hin wurde Breuil 1942 die Leitung des “Archaeological Survey” übergeben. Ein 6jähriges Forschungsprojekt wurde eingerichtet, um die geheimnisvollen Felsmalereien des südlichen Afrika zu entschleiern. 1947 unternahm Breuil die erste von vier Expeditionen nach Südwestafrika. Als er das Felsbild erstmals vor Augen hatte, stellten sich ihm eine Menge Fragen: “I do not know whether she is greek, Cretan or Egyptian; but that she is of Mediterrean race is certain.”731 “The face is very delicately painted and has nothing native about it.”732 “None are either Bushman or Hottentot”733 ”Her face is clearly of the best Mediterranean type with a straight nose.”734 Als Breuil das Bild Mary Boyle vorlegte, seiner Assistentin und Sekretärin, erblickte sie in der „Weißen Dame” griechische und ägyptische Gottheiten, Diana oder Isis, wie sie zu versichern wusste. Breuil schätzte daraufhin das Alter auf zwischen 1612 bis 1212 v. Chr. ein, freilich um das Felsbild als „zeitgenössisch mit Ramses II. und Moses” zu korrelieren.735 All diese Fehleinschätzun730 Reinhard Maack, Die „Weiße Dame”… In: Willy Fröhlich (Hrsg.), Beiträge…, 1966: 75. 731 Henry Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955: 3. 732 Henry Breuil, The White Lady of Brandberg. SAAB 3, 9, 1948: 7. 733 Henry Breuil, The White Lady of Brandberg…, SAAB 3, 9, 1948: 8. 734 Henry Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955: 21. 735 Henry Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955: 14. 265 Abb. 40 Das als „Weiße Dame” hochstilisierte Felsbildrelief aus dem Brandbergmassiv, Namibia (Ausschnitt). Der französische Felsbildforscher Henry Breuil erblickte in dieser männlichen Felsbilddarstellung eine „minoische Königin” und versuchte damit eine prähistorische weißrassische Einwanderung im südlichen Afrika zu belegen. Henry Abbé Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955. 266 gen waren grundsätzlich nicht neu, stellten doch bereits Frobenius und Maria Weyersberg die Behauptung auf, dass die Felsmalereien mesopotamisch beeinflusst wären.736 Oberst Imker Hoogenout, der von Christian Smuts eingesetzte Administrator in Südwestafrika, meinte, als er eine Kopie von Breuil zu sehen bekam: “This is no Bushman painting: this is Great Art.”737 Ebenso zeigte sich General Smuts begeistert: “You have upset my history. […] when you publish these paintings, you will set the world on fire and nobody will believe you.”738 1952 kehrte Breuil nach Frankreich zurück, und veröffentlichte seine Forschungsergebnisse als vierbändiges Œuvre “The Rockpaintings of the Southern Africa” (1955-1960) mit der finanziellen Unterstützung der südafrikanischen Regierung. Es war dies die euphorische Stimmung, Reste weißer Siedlungsspuren aus antiker Zeit wiederzuentdecken, in einer Gegend, die bis dahin noch nahezu als unerforscht galt: das Rückzugsgebiet der Kalahari. Die kulturhistorische Betrachtung machte die Buschmänner zu einem „Standvolk”, das sich seit Jahrtausenden nicht mehr verändert hat. Breuils enthusiastische Vorgangsweise gemischt mit Dogmatik ließ bald den Ruf als „Papst der Prähistorie” entstehen. Breuil zählte zweifelsohne über Jahrzehnte hinweg zu den größten Paläontologen, er hatte großen Einfluss auf seine Freunde und Schüler. Erst in der Gegenwart wurde es in Frankreich möglich, seine Arbeiten öffentlich zu kritisieren. Eines war Breuil tatsächlich nicht aufgefallen. Seine vermeintliche „Dame” weist einen Penis auf, sodass eigentlich von einem Herrn gesprochen werden muss.739 Die Frage nach den Urhebern der Brandbergfelsbilder ist zwar immer noch Gegenstand der Forschung, ungeachtet dessen hat die Tourismusbranche mittlerweile den Verkaufswert der “White Lady” erkannt. „Der Mythos der „Weißen Dame” lebt, wie der renommierte Kölner Felsbildforscher Lenssen-Erz hervorhebt, „ob als Emblem von Namibias Nationaler Denkmalbehörde, ob auf Weinetiketten aus Südafrika oder wie hier im Eingang zu den Kunsthandwerk-Werkstätten in Uis.”740 736 Leo Frobenius, Madsimu Dsangara…, 1931: Abb. 78-79. 737 Henry Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955; vgl. auch Imker Petrus Hoogenout, An Abbé and an administrator visit a beautiful – but very old lady. SWA Journal 1965: 24-25. 738 Henry Breuil, The White Lady of the Brandberg…, 1955: 7. 739 Kurt Jaritz, Rätsel um die “White Lady” vom Brandberg. ZfE 90, 1965: 268-281. 740 Tilman Lenssen-Erz (Hrsg.), Brandberg. Der Bilderberg Namibias…., 2000: 117. 267 4. Die Hamiten als „atlantisches Erbe” Jedes Jahrhundert hat zwar sein eigenes Schrifttum über Atlantis hervorgebracht741, derjenige der die Suche nach Platons Atlantis zum Tagesgespräch und gesellschaftsfähig machte, war der amerikanische Schriftsteller, Gelehrte und Politiker Ignatius Donnelly [1831-1901]. Mit seinem 1882 erschienenen Bestseller „Atlantis – the antediluvian world”742, das über fünfzig Neuauflagen erlebte, gilt er auch als der Vater der Atlantologie. Sein Buch wurde zu einer Fibel für alle, die an eine frühere Existenz versunkener Kontinente glaubten. Donnelly ging davon aus, dass die einstige vorsintflutliche Welt heute noch Spuren hinterlassen hätte. Dazu zog er die äußeren Ähnlichkeiten zwischen der präkolumbischen Kultur und der altägyptischen Zivilisation heran, die rätselhafte Wanderung der Aale, und den Ursprung des baskischen Volkes, um nur einige Anknüpfungspunkte zu nennen. Donnelly, wie sämtliche andere überzeugten Atlantomanen, bauten ihr Theoriengebäude auf die Diffusion von Kultur auf, jener theoretischen Ausrichtung in der Anthropologie, die jegliche Kulturerscheinung auf einen Ursprung zurückverfolgen will. Diese von Bastian und anderen vertretene theoretische Position war gegen den darwinistischen Evolutionismus gerichtet. In der Gelehrtenwelt wurde die Atlantiserzählungen der platonischen Dialoge Kritias und Timaios meist als reine Fiktion in Abrede gestellt. Je mehr jedoch die Authentizität von Atlantis Ablehnung fand, desto mehr waren die Befürworter davon überzeugt, “that Atlantis was the region where man first rose from a state of barbarism to civilization.”, wie es eindrucksvoll bei Donnelly zu Beginn gleich heißt, und weiter “that the oldest colony formed by the Atlanteans was probably in Egypt, whose civilization was a reproduction of that of the Atlantis island.”743 Nach Donnelly repräsentiere auch die Bibel mit ihrer Sintflut ein Erinnerungsstück an den Untergang von Atlantis, wobei die Auflistung der Noachiden nun als aufeinanderfolgende historische Wanderungswellen gedeutet werden. “Can we not suppose that these three sons [Sem, Ham, Japhet] represent three great races in the order of their precedence? We may regard this yellow race as the first and oldest wave from Atlantis, and, therefore, reaching farthest away from the common source; then came the Hamitic race; 741 Einen guten Überblick bietet Burchard Brentjes, Atlantis. Geschichte einer Utopie…, 1993; ferner Jennifer Westwood, Der Untergang von Atlantis. Mysterien und Monumente…, 1997. 742 Ignatius Donnelly, Atlantis: the antediluvian world…, 1882 [zahlreiche Neuauflagen in Großbritannien z. B. 1935, 1949, 1950, 1970; in der Gegenwart besonders in den USA 1977, 1985, 1990]. 743 Ignatius Donnelly, Atlantis: the antediluvian world…, 1882: 2. 268 then the Japhetic.“744 Waren die Thesen Donnellys noch einigermaßen nachvollziehbar, zwar falsch, aber in vielerlei Hinsicht überzeugend, entrückte Helena Petrowna Blavatsky [18311891], Begründerin der Theosophischen Gesellschaft und Autorin von “Secret Doctrine” (1882) die Atlantisfrage gänzlich in das Reich des Okkulten. Blavatsky, für viele gilt sie heute als die Mutter der esoterischen Betrachtung der Wissenschaften, trachtete dem materialistischen Evolutionismus Darwins und Haeckels eine spirituelle Entwicklungsleiter der Menschheit entgegenzuhalten, um die entstandene Lücke zwischen Religion und Wissenschaft wieder zu schließen. Ohne sie wären Atlantis und Lemurien, jener Kontinent der im indischen Ozean versunken sein soll, nicht bekannt geworden.745 Da Platon das Großreich Atlantis, das Libyen und Kleinasien umfasst haben soll, westlich der „Säulen des Herakles” – also der Meerenge von Gibraltar – ansiedelte, wurde Atlantis meist im atlantischen Ozean zu lokalisieren versucht. Das Atlantisthema bildet deshalb stets einen Anknüpfungspunkt für die Erklärung der Besiedelung Amerikas.746 Im Zuge der Kolonialisierung Afrikas jedoch auch für Afrika. Felix Berlioux verlegte 1874 erstmals Atlantis an die Westküste von Marokko zwischen Casablanca und Agadir, dort wo die Ausläufer des Atlantisgebirges bis ans Meer reichen. Damit begründete er die Atlantis-inAfrika-Schule. In Verbindung von aktueller französischer Kolonialisation in Nordafrika am Beginn des Jahrhunderts und dem jahrhundertealten Atlantismythos wird dessen koloniales Potenzial offenkundig. Die hypothetischen Atlanten sind wie die Hamiten nur eine andere Spielart für die Legitimation europäischer kolonialer Eroberung in Afrika, die sich auf „antike Zivilisationen” beruft. Atlantis nahm eine wichtige Rolle in der französischen kolonialen Literatur zwischen den beiden Weltkriegen ein.747 Der französische Schriftsteller Pierre Benoit [1886-1962], schrieb auf die Thesen Berlioux zurückgreifend 1919 den Roman 744 Ignatius Donnelly, Atlantis: the antediluvian world…, 1882: 439. 745 Ernst Haeckel war, um die Herkunft der bekannten Affenart auf Madagaskar erkären zu können, einer der ersten, der diese Theorie vertrat. Bei den Okkultisten nimmt Lemurien eine wichtige Stelle ein; siehe den bekannten britischen Schriftsteller James Churchward [1852-1936], The lost continent of Mu…, 1926; das Werk erhielt zahlreiche Neuauflagen; der nach einem indischen Landstrich benannte Kontinent „Gondwana-Land“ erstreckt sich auf den Raum von Südamerika über Afrika bis Australien. 746 Eine Sammlung dieser legendären Besiedelungstheorien Amerikas bietet Robert Wachope, Lost tribes and sunken continents…, 1962. 747 János Riesz, Atlantis – Ideale Stadt oder kolonialer Mythos? In: Dietrich Harth (Hrsg.), Fiktion des Fremden. Erkundung kultureller Grenzen in Literatur und Publizistik…, 1994: 289-302. 269 “L’Atlantide”.748 Pierre Benoit, in Albi geboren, war Sohn eines Berufsoffiziers, verlebte jedoch Kindheit und Jugend in den nordafrikanischen Kolonien Algerien und Tunesien. Atlantis erzählt die Abenteuer von zwei französischen Armeeoffizieren, die Atlantis im Land der Tuareg in Südalgerien entdeckten, eine zu den Berbersprachen zählende Gruppe, bei denen die Männer einen Schleier tragen, die Frauen hingegen nicht. In dem Roman wird das Ahaggar-Reich von einer gebieterischen jungen Dame namens Antinéa regiert (im Anklang an den Namen der legendären Tuareg-Herrscherin Tin Hinan, auch Ti-Hinane).749 Antinéa, die Herrin von Atlantis, stammt in direkter Linie von Poseidon und Kleito und ist damit letzter Sproß des 9000 Jahre alten Atlantidengeschlechts. L’Atlandide hatte einen beachtlichen Erfolg – wie alle Romane über untergegangene Kontinente – er wurde sehr früh (1921) und danach noch fünfmal verfilmt.750 Doch der Atlantis-Mythos ergriff nicht nur die Autoren der kolonialen Belletristik, sondern beflügelte auch die Phantasie der Gelehrtenwelt. Zwischen 1908 und 1910 entwickelte Leo Frobenius in Deutschland eine Theorie, dass Atlantis in Nigeria, an der westafrikanischen Küste, gelegen haben mag. Nigeria war um die Jahrhundertwende weltweit in die Schlagzeilen gelangt, weil durch die Eroberung und Plünderung von Benin City durch britische Truppen im Jahr 1897 zahllose beeindruckende Objekte afrikanischer höfischer Kunst nach Europa gekommen waren. Dadurch wurde das internationale Interesse an der Kunst Nigerias, besonders an der von Benin und der benachbarten Yoruba, geweckt. Diese Umstände mögen auch Frobenius dazu bewogen haben, dieses Gebiet aufzusuchen, zumal zu den Förderern seiner Unternehmung auch die Völkerkundemuseen Hamburg, Leipzig und Berlin gehörten, die sich offenbar eine Ergänzung ihrer Sammlungen erhofften. Frobenius startete mit seiner Expedition Ende Oktober 1910 von Lagos aus, der ehemaligen Hauptstadt Nigerias, damals Sitz des englischen Gouverneurs, in die „heilige“ Stadt Ife zu gelangen. Dort residierte das religiöse Oberhaupt der Yoruba, der Oni. Er wusste aber, dass in Ife und Umgebung, vor allem in den verschiedenen Heiligtümern und Tempeln weit 748 Pierre Benoit, L’Atlandide. Paris, 1920 [erstmals ins Deutsche übertragen von G. Vogt, Berlin, 1929]. 749 Auch die Schreibweise Ti-Hinane kommt vor; ihr Grab wurde 1925 im Zuge der Freilegung des römischen Kastells Abalessa gefunden, das auf das vierte nachchristliche Jahrhundert datiert wird; vgl. Henri Lhote, Die Felsbilder der Sahara. Entdeckung einer 8000jährigen Kultur…, 1958. 750 L. Sprague de Camp, Versunkene Kontinente. Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen…, 1975 [am. Orig. “Lost continents”, 1954]: 194-196; siehe auch János Riesz, Atlantis – Ideale Stadt oder kolonialer Mythos… In: Dietrich Harth (Hrsg.), Fiktion des Fremden…, 1994: 289-302. 270 bedeutendere Stücke vorhanden waren. Frobenius erwirkte die Erlaubnis, im ehemaligen Palast des Oni zu graben. Hierbei förderte er nicht nur Terrakottaköpfe, Glasgusskeramiken und Motivkacheln zu Tage, sondern gelangte auch in den Besitz einer bronzenen Götterfigur, den Olokun, den er ausgehend von seiner Vorstellung, dass die Kultur der Yoruba von den Zivilisationen des antiken Mittelmeerraumes beeinflusst war, als „Poseidon des atlantischen Afrika" beschrieb: „Ich stellte die Hypothese auf, dass diese Fabel nicht nur Fabel sei. [...] „Ich behauptete, dass dieses Atlantis die letzte rege Vorstellung von einem Kulturbereiche sein müsse, dass vor der Zeit der Griechen an den Küsten Westafrikas entstanden sein müsse. Und als das Griechentum im östlichen Mittelmeer sich entfaltete, da drängte es Völker und Stämme auseinander, die schon lange vor dem Handel und Schifffahrt im gesamten Mittelmeerbecken bis nach Tarsisch oder Tartessos hinaus getrieben hatten. Und diese Zeit vor den Griechen war die Periode des Poseidon, des Meeresgottes, dessen Sprossen ja eben die Burg Atlantis errichtet hatten.“751 So wie Frobenius den Olokunkopf als Poseidon deutete – um diesen entbrannte sich alsbald ein heftiger Streit zwischen Frobenius, dem Oni und der englischen Kolonialregierung – so verstand er auch die Formen der Architektur – den Impluvialbau -, die Machart der gefundenen Terrakottaköpfe und den Gebrauch des Griffwebstuhls als den Einfluss einer Zivilisation, die er als „Westkultur“ bezeichnete und die er im westlichen Nordafrika ansiedelte [Abb. 41]. Ein von Westen nach Osten führender Wanderweg der Kulturgeschichte wurde von Frobenius propagiert und damit das alte Weltbild des “ex oriente lux” in Abrede zu stellen versucht. Unter Einfluss des Babel-Bibel-Streites und der Berliner Amerikanisten-Schule hatte Frobenius bereits 1904 seine Gedanken zum Heliozentrismus ausformuliert752, dessen Ursprung Frobenius nun nicht wie Elliot-Smith und Seligman in Ägypten ansiedelt, sondern im „atlantischen Westafrika”. „Die atlantische Kultur ist also ein Sproß der solaren Periode,” wie es in der atlantischen Götterlehre heißt, „ein Sproß, der durch Westasien und das Mittelmeer herauf sich bis hier gefunden und festgesogen hat.“753 In vorgeschichtlicher Zeit zeigen sich nach Frobenius diese „ältesten Spuren des hamitischen Sonnendienstes” in den Felsbildern (Felsbild von Tiut) in Nordwestafrika.754 Wie die meisten Gelehrten geht Frobenius davon aus, dass diese Kultur in der Sahara von einer „weißen Rasse” getragen wurde, die infolge der Vermischung 751 752 Leo Frobenius, Die Atlantische Götterlehre…, 1926 X: 1. Leo Frobenius, Das Zeitalter des Sonnengottes…, 1904; darin erteilt Frobenius der Elementargedankenlehre eine deutliche Absage und übernimmt die „Mythenwanderungslehre” der Berliner Amerikanistenschule (Eduard Stucken). 753 Leo Frobenius, Die Atlantische Götterlehre…, 1926: IX. 754 Leo Frobenius, Das unbekannte Afrika. Aufhellung der Schicksale eines Erdteils…, 1923: 40 271 Abb. 41 Kopf des Meergottes Olukun in Gelbguss aus Ife, Nigeria (Aus Leo Frobenius: Die atlantische Götterlehre (1926). Alexander Bessmertny, Das Atlantisrätsel. Geschichte und Erklärung der Atlantishypothesen…, 1932: Tafel V. 272 durch die Jahrtausende hindurch immer mehr „negroide Züge” annahm. „Die meisten Traditionen der Mahalbi-Kultur bezeichnen als Träger der letzteren Schicht helle, blondhaarige und blauäugige Menschen.“755 In geschichtlicher Zeit sei diese hamitische Restkultur noch mit den aufstrebenden östlichen Mittelmeerkulturen Griechenlands und Roms in Konkurrenz getreten und hätte deswegen ihre Aktivitäten in den atlantischen Ozean verlagert, wobei die Yoruba-Gruppen eine Kolonie dieser Westkultur wurden. Frobenius glaubte fest daran, dass die Mythen aus Kleinasien zu seiner Zeit noch in Westafrika weiterlebten. Zwischen 1921 und 1928 gab Frobenius zwölf Monumentalbände zu Volksmärchen und Volksdichtungen Afrikas im Eugen Dieterichs Verlag zu Jena mit dem bezeichnenden Serientitel „atlantische Götterlehre” heraus. Obwohl die Ideen von Frobenius äußerst spekulativ waren, wurden sie doch weitergetragen. Der Schweizer Verleger Martin Hürlimann gründete 1929 die populärwissenschaftliche Zeitschrift „Atlantis”756, die im deutschen Sprachraum bis 1958 aufgelegt wurde. Das „n” von Atlantis symbolisierte die Nähe und die Ferne, worin „Heimat und Fremde zu einem Bild der Sehnsucht, gleich dem einer versunkenen Welt verschmelzen.”757 Bereits im ersten Heft wird der Leser in den „euroafrikanischen Kulturkreis” eingeführt, indem zwei Mädchen-Fotografien einander gegenübergestllt werden. Zu sehen ist ein afrikanisches Padaung-Mädchen mit der bekannten metallenen Halskrause, daneben eine weibliche Säulenfigur der Korenhalle von der Akropolis in Athen. Frobenius, der einige populärwissenschaftliche Beiträge für Atlantis schrieb, war der Auffassung, dass Afrika in den letzten drei Jahrtausenden im Gegensatz zu den anderen Kontinenten nicht durch „Wogen und Wellen” von den verschiedenen Kulturstilen beeinflusst worden wäre. Afrika war seinem Wesen nach der „konservativste aller Erdteile” und hatte nun – und das war der eigentliche Beitrag der Kulturmorphologie – eine „Vorgeschichte”. Freilich ausschließlich europäischer Ausprägung, denn nur dort, und nirgend anderswo könne die bereits erstarrte griechische Kultur noch lebend studiert werden.758 755 Leo Frobenius, Ekade Ektab. Die Felsbilder Fezzans…, 1963 [1937]: 63. 756 Martin Hürlimann, Atlantis. Länder, Völker, Reisen…, Berlin, Wien, Zürich, 1929-1958. „Atlantis ist die anregende, besonders schön illustrierte Monatszeitschrift von Kultur und Herkommen.” 757 Siehe die Umschlagseite der ersten Ausgabe von Atlantis. 758 Leo Frobenius, Südafrikanische Felsbilder. Atlantis 1, 5, 1929: 308-313. 273 Schlussbemerkung Der erste Teil der vorliegenden geschichtswissenschaftlichen Abhandlung hatte sich zum Ziel gesteckt, den ideengeschichtlichen Grundlagen und den soziohistorischen Bedingungen des Hamiten-Mythos nachzuspüren. Es sind dies vordergründig zwei übergeordnete Themenkreise, die den Zusammenhang von Ideen und ihren gesellschaftlichen Funktionen beschreiben: Erstens der biblische Ham und die Sklaverei und zweitens die säkularisierte Hamitik und der Kolonialismus. Aus dem ehemaligen Fluch wurde aber kein Segen, sondern ein verklärtes Geschichtsbild über das Afrika vor der Ankunft der Europäer. Ausgelöst wurde dieser Wandel durch die Aufklärungszeit, aber erst die verstärkte evolutive Sicht des Darwinismus ordnete die noachiden Völker allesamt einer Menschenrasse zu und stellte diese als „mediterrane Rasse” an die Spitze der Menschwerdung. Erst aus diesem Konstrukt war der wissenschaftliche Hochkultur-Mythos von den Hamiten ableitbar. Dieser ambivalente funktionelle Zusammenhang zeigt sich auch in der wissenschaftlichen Etablierung der Hamitentheorie im zweiten Teil. Japhetiten (Indogermanen), Semiten und Hamiten waren aus der Bibel entnommene säkularisierte Konstrukte der historischen Sprachwissenschaft. Die Anthropologie versuchte deren Inhalte zwar auf naturwissenschaftlichen Boden zu stellen, aber erst der imperialistische Kolonialimus Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte die ethnografischen Detailbeschreibungen vor Ort. Die pseudowissenschaftlichen Rassekonstrukte der Jahrhundertwende lieferten dann den Stoff aus dem der hamitische Herrenrassen-Mythos gesponnen werden konnte. So wie der Pangermanismus dem alten Geschichtsbild “ex oriente lux” das deutschnordische Geschichtsbild „als Ergebnis vorgeschichtlicher Tatsachenforschung” entgegensetzen wollte, entstand mit den Hamiten ein vergleichbares Konstrukt für den afrikanischen Kontinent. Sergi und von Luschan führten den Begriff der „Hamitenrasse” ein, um die arischen Rasseideologien zu bekämpfen. Elliot Smith und Seligman schlugen mit ihrem Panägyptologismus in dieselbe Kerbe. Dieser funktionale Zusammenhang wurde bislang viel zu wenig berücksichtigt. Denn, wie der Arierkomplex zur Chimäre wurde, hat sein Gegenstück in der Gestalt der Hamiten nie bestanden. Mit den Ariern sind auch die Hamiten verschwunden. Zu den faszinierendsten Bereichen des menschlichen Wissens gehört das Grenzland zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten. Behauptungen zu Ort und Zeit, die nicht historisch belegbar sind, sind auch schlecht zu widerlegen. Den Ismen kann keine Patentlösung entgegengesetzt werden, weil dies nur einen weiteren Mythos ergeben würde. Die Hamiten bergen für diejenigen, die die Geschichte Afrikas nicht aufregend genug finden, 274 Geheimnis und Romantik zugleich. Ob sie wie im dritten Teil dargestellt als Erben von Atlantis auftreten oder sich in einem rätselhaften Felsbild verkörpern ist nicht so wichtig. Am meisten fällt wohl ins Gewicht, dass dieses Thema eine Saite zum Klingen bringt, die etwas mit Melancholie zu tun hat. Etwas Schönes und Wertvolles sei verlorengegangen, das Afrika vor der Kolonisation durch die Europäer besessen hatte. In diesem Sinne werden uns die Hamiten stets begleiten. 275 Bibliografie Lexika und Nachschlagewerke A DICTIONARY OF SOUTH AFRICAN ENCYCLOPAEDIA A dictionary Southey (Hrsg.). (David Phillip) Cape Town, archaeology, geography and natural history Johannesburg, 1998. of the Bible. T. K. Cheyne; J. Sutherland ENZYKLOPÄDIE WISSENSCHAFTEN UND DER KÜNSTE Johann Samuel Ersch; Johann Gottfried religious critical HISTORY Christoph, Saunders; Nicholas ALLGEMEINE and BIBLICA history, the Black (Ed.). (Black) London, 1901. ENCYCLOPAEDIA JUDAICA (Keter Publishing House Ltd.) Jerusalem, 1972. Gruber (Hrsg.). (Friedrich Gleditsch) Leipzig, ENCYCLOPEDIA OF CULTURAL ANTHRO- 1818-1889 [Reprint (ADEVA) Graz, 1969- POLOGY David Levinson; Melvin Ember 1992]. (Ed.). DER BABYLONISCHE TALMUD Lazarus Goldschmidt (Hrsg.). 12 Bände. (Jüdischer BIBEL-LEXIKON Herbert Lang (Hrsg.). 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Forster, Johann Georg Adam [1754-1794], De Cuvier, George [1769-1832], französische Drake, John Anthropologe und Rassentheoretiker 198- Cust, Robert Needham [1821-1909], englischer Dart, Fage, Afrikahistoriker 231, 262 Churchward, James [1852-1936], britischer Czermak, Ersch, Samuel [1766-1828], Halle an der Saale, Innsbruck, österreichischer Afrikanist 118, 196 Von Eickstedt, Egon [1892-1965], Breslau, schlesischer Anthropologe 10, 151, 175-175, 197, 200, 203, 216-218, *218, 222 Elliot-Smith, Grafton [1871-1837], australischer Anatomist und Ägyptologe 9, 142, 228-232, 235, 238, 270, 273 Epiphanius [315-403], Bischof von Salamis und Kirchenlehrer 15-16, 25 75, 77, 79-83, 124-125, 127, 161, 164, 168, 180, 231, 254 Greenberg, Joseph Harold [1915-2001], USamerikanischer Afrikanist 116, 223-224 Gruber, Johann Gottfried [1774-1851], Halle an der Saale, deutscher Enzyklopädist 70, 72-73 Grünewald, Matthias [1460/1470-1528], deutscher Maler 40 Günther, Hans Friedrich Karl [1891-1968], Jena, deutscher Rassenkundler 142, 200, 217 Eratosthenes von Kyrene [276-194 v. Chr.], Haddon, Alfred Cort [1855-1940], britischer libysch-griechischer Geograf und Biblio- Anthropologe 9, 61, 148, 223, 226-227, 229, thekar 25 232-233, 235 318 Ernst Haeckel, [1834-1919], deutscher Naturforscher und Darwinist 85-87, 124-126, 130, 132, 172, 227, 268 Schriftsteller 228, 257, 259-260 Eduard Harry [1857-1929], deutscher 213 Robert [1831-1893], nieder- sächsischer Zoologe und Ethnologe 106, 139, 144, 149, 166, 181-183, 222 William Jones, 229, 240- deutscher Philosoph 6, 73-75, 80-81, 112, 126, 147 [1746-1794], britischer Orientalist und Jurist in Bengalen 95 Hermann [1877-1962], österreichischer Ägyptologe Wien, 117-118, 166, 235 Kant, Hegel, Georg Wilhelm Friedrich [1770-1831], Immanuel [1724-1804], Königsberg, deutscher Aufklärungsphilosoph 56-57, 74 Keane, Augustus Henry [1835-1913], irischer Anthropologe und Orientalist 61, 227-228 Heller von Hellwald, Friedrich Anton [18421891], österreichischer Schriftsteller und Darwinist 127, 130-131, 181-182, 227 Claude Helvétius, [1858-1927], Afrikanist und Kolonialbeamter Junker, Hartmann, Hamilton 246, *244 Wirtschaftsethnologe und Zoologe 193-194, Adrien Richard [1874-1951], deutscher Geograf Kern, Fritz [1884-1950], Bonn, deutscher Historiker 192, 217 Khaldun, Ibn [Abd ar-Rahman ibn Mohammed], [1715-1777], französischer Philosoph und Freimaurer 71 Hennig, Kirchenschriftsteller 21-22 Johnston, Haggard, Henry Rider [1856-1925], britischer Hahn, Johannes Cassianus [um 360-435], Mönch und Düsseldorf, 36, 48, 101, 160, 228, 249, 255-256 [1332-1406], berberisch-arabischer Historiker 90, *103 Kircher, Athanasius [1601-1680], Rom, Polyhistor und Sprachgelehrter 53, 73 Klemm, Gustav Friedrich [1802-1867], Dresden, Herskovits, Melville Jean [1885-1963], US- deutscher Kulturhistoriker 165, 180, 185 amerikanischer Kulturrelativist 212, 223 Koelle, Sigismund [1823-1902], LMS-Missionar Hieronymus, Sophronius Eusebius [ca. 347419/420], lateinischer Kirchenlehrer und Bibelübersetzer 17-18, 20 Hirschberg, Walter Von Köppen, Karl Friedrich [1734-1797], deutscher Freimaurer 68 [1904-1996], österreichischer Ethnohistoriker Wien, 145, 197, 215, 238 Honorius am Fourah Bay College in Freetown 99 Kossinna, Gustaf [1858-1931], deutscher Prähistoriker 119, 135-136, 142, 195 Krause, Fritz [1881-1963], Leipzig, deutscher von Autun [ca. 1090-1156], französischer Scholastiker 33 Hörbiger, Hanns [1860-1931], österreichischer Ingenieur 199 Horn, Georg [1620-1670], Leiden, deutscher Geschichtstheologe 55-56 Amerikanist und Ethnosoziologe 215 Krause, Gottlob Adolph [1850-1938], deutscher Afrikareisender und Linguist 107 Krapf, Johann Ludwig [1810-1881], deutscher LMS-Missionar in Ostafrika 97-98 Lafiteau, Joseph-François Isidor von Sevilla [ca. 560-636], Bischof, französischer Theologe und Geschichtskompilator 20, 25 Ethnograf 89 [1681-1746], Jesuitenmissionar und 319 Lanz von Liebenfels, Jörg (eigentlich Josef Oswald Menghin, [1888-1973], Wien, Adolf Lanz) [1874-1954], österreichischer österreichischer Kulturkreistheoretiker und Rassenideologe und Sektengründer 146 Prähistoriker 192, 195, 222 Lepsius, Carl Richard [1810-1884], Berlin, deutscher Ägyptologe 78, 84, 91-92, 99-100, 105-108, 111, 117, 123, 251 und Freimaurer 64 [1867-1908], deutsche Schutztruppe 173, 177 Milton, Lessing, Gottfried Ephraim [1729-1781], Dichter Moritz Merker, John [1608-1674], englischer Barockdichter 19 Moffat, Robert, [1795-1883], schottischer LMS- Lhote, Henri, französischer Archäologe 269 Von Linné, Karl [1770-1778], schwedischer Missionar 104-106, 110 De Montesquieu, Charles de Secondat, de La Botaniker und königlicher Leibarzt 56-57, Brède 102 Staatsphilosoph und Freimaurer 64, 67 Lugard, Frederick John Dealty [1858-1945], britischer Kolonialbeamter 246 Von Luschan, Felix [1854-1924], Berlin, 90, 106, 115, 119, 125, 142-154, *152, 175178, 184, 186, 211, 223, 263, 273 Martin [1483-1546], Emil [1904-1988], Mukarovsky, Hans Günther [1922-1992], Wien, österreichischer Afrikanist 4, 120-121 Müller, Friedrich Max [1823-1900], britischer Indologe deutscher Herkunft 91, 232 deutscher Kirchenreformer 39, 49, 51-52, 64, *65 Mader, Ernst Friedrich Wilhelm [1866-1947], österreichischer Jugendbuchschriftsteller 259 Martin, Rudolf [1864-1924], Paris, München, schweizer Anthropologe 122 Müller, Friedrich Wilhelm Karl [1834-1898], Wien, Orientalist und Darwinist 77, 87, 92, 99, 107, 115, 123-127, 130-134, 138-139, 144, 168, 172, 178, 190 Naville, Edouard [1844-1926], schweizer Ägyptologe 254-255 Martini, Martin [1614-1661], österreichischer Chinamissionar und Historiker 52-53 Mas’udi, Abu’l Hasan ‘Ali [ca. 900-956], arabischer Entdeckungsreisender 100-101 De Maupertuis, Pierre Louis Moureau [16981759], französischer Mathematiker 81 Mauritius, christlicher Heiliger und Märtyrer Niebuhr, Barthold Georg [1776-1831], Historiker und preußischer Diplomat 78 Nikolaus von Verdun [nachw. 1181-1205], lothringischer Goldschmied und Emailmaler 34, *35, 43 Ol’derogge, Dmitrij Aleksejwitsch [1903-1987], baltischer Afrikahistoriker 197, 222-223 Oliver, Roland A. [geb. 1923], britischer 39-40, *41-42 Meiners, Christoph [1747-1810], Göttingen, Polyhistor und Antiabolitionist 58-60, 147, Afrikahistoriker 231, 240-241 Origines von Alexandria [185-253], griechischer Kirchenlehrer und Philosoph 36 242 Meinhof, Wilhelm Mühlmann, französischer deutscher Ethnosoziologe 66 österreichischer Anthropologe und Ethnologe Luther, [1689-1755], Carl [1857-1944], Hamburg, Afrikanist 6, 86, 107-118, *109, 142-143, 148, 153, 176, 186, 195, 204, 223 Otto von Freising [1114-1158], Zisterzienser und Bischof 34, 36 320 Passarge, Siegfried Otto Karl [1867-1958], Anders Retzius, Adolf [1796-1860], Hamburg, deutscher Anthropogeograf 175, schwedischer Physiker und Anthropologe 212, 215 122-123 Paulitschke, Phillip [1854-1899], Wien, österreichischer Geograf 48 Peschel, Oskar [1826-1875], Geograf und Carl britischer Ritter, Carl [1779-1859], Berlin, deutscher Geograf 86-88, 256 [1856-1918], deutscher Schriftsteller und Kolonialpolitiker 124, 166, 228, 260-261 Edith, Sanders, 132 US-amerikanische Afrikahistorikerin 6, 33, 46, 50, 64, 70, 234 Heinrich Schäfer, Petráček, Kárel, Prag, tschechischer Afrikanist [1868-1957], Berlin, deutscher Ägyptologe 261 Schedel, Hartmann [1440-1514], Nürnberg, De La Peyrère, Isaak [1596-1676], jüdischfranzösischer Kalvinist 52 jüdisch-hellenistischer Stoiker 15, 18 der Ältere Humanist und Physiker *14, 29, 43, *44 Von Philon von Alexandria [20 v.- ca. 45 n.Chr], Plinius Nairobi, Sozialanthropologe 7, 161 Darwinist 87-88, 101, 135 Peters, Peter, Rigby, [23/24-79], Scherzer, [1821-1903], österreichischer Forschungsreisender 89 Adolf Schleicher, römischer Karl Walter [1854-1894], Mediziner und Afrikanist 134-135 Enzyklopädist und General 26, 29, *30, 45 Schleicher, August [1821-1868], Darwinist und Plutarchos von Chaironeia [45- ca. 120], Sprachwissenschaftler 86, 113, 124, 227 griechischer Neuplatoniker 20, 68, 72 Pöch, Rudolf [1870-1921], Von Schlözer, August Ludwig [1735-1809], Wien, österreichischer Anthropologe und Mediziner 153-155, 257 Geograf und Astronom 25, 160 Reiseschriftsteller 18-19, 24 [1844-1904], Geograf, deutscher Anthropogeograf 87-92, 135, 147, [1832-1919], Wien, österreichischer Ägyptologe und Afrikanist 4, 10, 73, 118-129, 123, 125, 131-134, 190, 252 [1868-1954], St. Gabriel bei Mödling, Kulturkreistheoretiker Schön, Jakob Friedrich [1803-1889], deutscher Schopenhauer, Arthur [1760-1840], Frankfurt Schuchardt, Carl [1859-1943], deutscher Archäologe 119 deutscher Romanist und Baskologe 118-119 Schurtz, [1823-1892], französischer Religionshistoriker und Orientalist 83-84 Heinrich [1863-1903], Bremen, deutscher Evolutionist und Diffusionist 206 Schwab, Ernest Wilhelm Schuchardt, Hugo Ernst Mario [1842-1927], 171, 179, 181 Renan, Pater am Main, deutscher Skeptiker 73, 75-76, 131 1874], belgischer Statistiker 122 Leo und Missionar und Afrikanist 107 Quétélet, Lambert Adolphe Jacques [1796- Reinisch, Historiker 174-175, 184, 189-198, 212-215, 222-223 Purchas, Samuel [ca. 1575-1626], britischer Friedrich deutscher Philologe 94 Schmidt, Ptolemäus, Claudius [100-160], Alexandria, Ratzel, Göttingen, Gustav Benjamin deutscher Schriftsteller 38 [1792-1850], 321 Seligman, Charles Gabriel [1873-1940], Jean-Marie Voltaire, Arouet [1694-1778], britischer Ethnologe 6, 9, 188-189, 223-226, französischer Aufklärer und Freimaurer 16, 229-240, *237, *239, 270, 273 64, 6 Sergi, Giuseppe [1841-1936], Rom, italienischer Anthropologe 119-120, 136-142, *140, *141, 184, 230-231, 273 Spannaus, Günther [1901-1984], Leipzig, Afrikareisender 90, 161-168, 174, 190, 226 [1880-1936], München, deutscher Geschichtsphilosoph 207-208 Jena, Anthropologe und Afrikanist 169, 202 Franz Ludwig [1863-1928], Hamburg, Amani, deutscher Zoologe und Kolonialbeamter 111-112, 135, 139, 167- 170, 177, 227 Tertullian [1813-1887], München, deutscher Naturforscher und Darwinist 83. Waitz, Theodor Franz W. [1821-1864], Marburg, Philosoph, Völkerpsychologe 127, 129, 183 Weiss, Struck, Bernhard Friedrich Eduard [1888-1971], Stuhlmann, Moritz 88-89 Speke, John Hanning [1827-1964], britischer Oswald: 117-118, 236 Wagner, deutscher Ethnologe 187-188, 223 Spengler, Vycichl, Werner, österreichischer Afrikanist 99, Max Karl Georg Vermessungstechniker und [1874-?], Expeditions- fotograf 175-178 Werner, Alice [1859-1935], London, britische Afrikanistin 116-117 Westermann, Dietrich Hermann [1875-1956], Berlin, deutscher Afrikanist, Missionar und [160-220], Karthago, ältester lateinischer Kirchenschriftsteller 37 Richard Historiker 6, 108, 111, 118, 174-175, 202204, 211, 213 [1869-1940], Weule, Karl [1864-1924], Leipzig, deutscher Ethnosoziologe und Funktionalist 153-154, Ethnologe 90, 150, 165, 174-175, 184-189, 168, 175, 211 211, 215 Thurnwald, Tobias, Phillip V., südafrikanischer Anthropologe 262 Laguna, österreichischer Ethnolinguist und Tylor, Edward Burnett [1832-1917], Oxford, Evolutionist und Religionsethnologe 130, 179, 182, 226, 229 Ussher, James Rudolf [1580-1656], irisch- Wolgemut, Michael [1434-1519], Maler und [1822-1902], deutscher De Volney, Constantin François Chasseboef französischer Philosoph und Freimaurer 70-73 Wyclif, John [ca. 1320-1384], Oxforder Theologieprofessor und Reformer 49 Mediziner und Anthropologe 132, 136, 182 [1757-1820], Anthropologe 4, 118-121, 196-202, 251 Zeichner 43 anglikanischer Erzbischof 51-52 Virchow, Wölfel, Dominik Josef [1888-1963], Wien, La Reisender, Zedler, Johann Heinrich [1706-1763], Leipzig, Verleger und Enzyklopädist 21, 24, 39, 70, 183 Zyhlarz, Ernst [1890-1964], Hamburg, österreichischer Afrikanist 117-119, 197 322 Verwendete Abkürzungen ADEVA Akademische Druck- und Verlagsanstalt BSAAAS The British and South African Associations for the Advancement of Science IAI Internationales Afrikainstitut LMS London Missionary Society LSE London School of Economics MAGW Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien NSDAP Nationalsozialistische Arbeiterpartei RAI Royal Anthropological Institute SAAB South African Archaeological Bulletin SOAS School of Oriental and African Studies SOS School of Oriental Studies SVD Societas Verbi Divini (Gesellschaft des Göttlichen Wortes) UCP University of Capetown WITS Witwatersrand, University of Johannesburg ZfE Zeitschrift für Ethnologie