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„Barschel-Affäre“: Barschel, Pfeiffer, Engholm und „Der Spiegel“ - Inland - FAZ
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„Barschel-Affäre“ : Barschel, Pfeiffer, Engholm und „Der Spiegel“

Bei der berühmt gewordenen „Ehrenwort”-Pressekonferenz

Bei der berühmt gewordenen „Ehrenwort”-Pressekonferenz Bild: dpa

Die „Barschel-Affäre“ ist ein weites Feld für Verschwörungstheorien geworden. Vor zwanzig Jahren begann der Politikskandal in Kiel, der ein Medienskandal war. Denn eigentlich müsste man von einer „Spiegel“-Affäre reden.

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          Heinrich Wille glaubt nach wie vor, dass es Mord war. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck würde seine Beweise gern in einem Buch vorlegen. Dass der Tod des früheren CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Uwe Barschel gerade zwei Jahrzehnte zurückliegt, wäre ein guter Anlass für das Buch gewesen - Aufsehen und Auflage wären garantiert. Aber Wille, der schon damals mit dem Fall beschäftigt war, darf sein Buch nicht veröffentlichen.

          Frank Pergande
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Er dürfe nicht dienstlich erworbene Erkenntnisse privat nutzen und dafür Honorare beziehen, meinte Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt Erhard Rex und untersagte die Veröffentlichung. Wille dürfe seine Erkenntnisse gern in einer hausinternen Reihe veröffentlichen.

          Wille wollte sich das nicht gefallen lassen. Es kam zum Rechtsstreit unter Staatsanwälten, in dem Rex vor dem Oberverwaltungsgericht und schließlich am Donnerstag auch vor dem Bundesverfassungsgericht obsiegte.

          Geschichte über angebliche Machenschaften Barschels

          Der „Fall Barschel“ hat damit eine weitere bizarre Fußnote bekommen - schon durch den Streit an sich, aber auch durch die handelnden Personen. Wille spricht von Mord, Rex von Selbstmord. Der „Fall Barschel“, der in den Medien schnell zur „Barschel-Affäre“ wurde, begann vor genau zwei Jahrzehnten.

          Am 7. September 1987 erschien die Zeitschrift „Der Spiegel“ mit einer atemberaubenden Geschichte über angebliche Machenschaften Barschels gegen seinen Kontrahenten von der SPD, Björn Engholm. „Waterkantgate“ überschrieb der die Zeitschrift ihren Bericht - in Anlehnung an die „Watergate-Affäre“ in den Vereinigten Staaten, die Präsident Richard Nixon 1974 das Amt gekostet hatte.

          „Ehrenwort“ auf der Pressekonferenz

          Am darauf folgenden Sonntag wurde in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Die Veröffentlichung kam also nicht von ungefähr. Das Wahlergebnis ergab ein Patt zwischen beiden Lagern, also CDU und FDP auf der einen, SPD und Grünen auf der anderen Seite. Ob die „Spiegel“-Veröffentlichung das Wahlergebnis beeinflusst hat, wer will das so genau sagen?

          Es ist auch gleichgültig, denn erst nach der Wahl entfaltete das publizistische „Waterkantgate“ seine volle Wirkung. Am 18. September folgte eine Pressekonferenz Barschels, auf der er sein berühmt gewordenes „Ehrenwort“ gab, nichts mit der Sache gegen Engholm zu tun, nichts davon gewusst zu haben.

          Skandal des Fotos

          Aber die Dinge nahmen ihren unheimlichen Lauf. Barschels Hand auf seinem Herzen, die das „Ehrenwort“ bekräftigen sollte, dient noch heute dazu, das Gegenteil von Ehrlichkeit zu illustrieren, etwa auf dem Umschlag eines Buches über „deutsche Politskandale“.

          Am 2. Oktober musste Barschel zurücktreten. Dann fuhr er erst einmal in den Urlaub. Neun Tage später fand ihn ein Fotograf der Zeitschrift „Stern“ im Genfer Hotel „Beau Rivage“ tot in der Badewanne liegend. Dass der Fotograf damals sofort auf den Auslöser drückte, ist einer der wirklichen Skandale des Falles Barschel. Skandalöser noch aber ist die Rolle des „Spiegel“ gewesen.

          Intrigenspiele von Pfeiffer

          Das Blatt berief sich bei „Waterkantgate“ auf Reiner Pfeiffer, eine irrlichternde, zweifelhafte Persönlichkeit. Pfeiffer hatte als Journalist vorher bei verschiedenen Zeitungen gearbeitet und war schließlich vom Axel-Springer-Verlag als Medienreferent an die Kieler Staatskanzlei vermittelt worden. Pfeiffer sollte die Medien beobachten, tat aber etwas ganz anderes.

          Er fingierte eine anonyme Anzeige wegen Steuerhinterziehung gegen Engholm; er beschaffte sich ein Abhörgerät, mit dem Barschels Telefon ausgerüstet werden sollte, um dies der SPD in die Schuhe schieben zu können; er rief als Arzt bei Engholm an und sagte ihm, es bestehe bei ihm der Verdacht auf Aids; er beauftragte einen Privatdetektiv, um das Privatleben des SPD-Spitzenkandidaten auszuforschen; er fälschte eine Pressemitteilung der Grünen und setzte überhaupt falsche Behauptungen in den politischen Betrieb Kiels, um so überall Verwirrung auszulösen.

          Dann erzählte er die von ihm selbst inszenierte Geschichte dem „Spiegel“ und setzte hinzu, zu alledem sei er von Barschel angestiftet worden. Und nicht nur das: Er sagte es auch der SPD selbst, noch vor der „Spiegel“-Veröffentlichung.

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