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Porträt: Der Herr ist so frei - FOCUS online
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FOCUS Magazin | Nr. 8 (2009)
Porträt: Der Herr ist so frei
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Der neue CSU-Star zu Guttenberg agiert selbstbewusst, aber ohne Hochmut. Und versteht einiges von Wirtschaft

Er kam, sah und spielte. Als Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg jüngst in München dem FOCUS seine Aufwartung machte, um der Bayern-Ausgabe – ohne es zu ahnen – sein letztes Interview als CSU-Generalsekretär zu geben, konnte er in der Burda-Bar dem schwarz lackierten Klavier nicht widerstehen. Noch bevor er gewohnt eloquent erklärte, wie seine Partei künftig in Berlin den Ton angeben will, setzte er sich flugs ans Piano und bewies fingerfertig, dass er nicht umsonst der Spross des Stardirigenten Enoch zu Guttenberg ist.

Während der Herr Papa vorübergehend aus der CSU ausgetreten war, weil sich der damalige Ministerpräsident Max Streibl geweigert hatte, an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilzunehmen, legte der Filius in der Partei eine Blitzkarriere hin. Erst vor zehn Jahren trat der damals 27-jährige Adelige in die CSU ein, schon 2002 saß er im Bundestag. Überraschend schnappte er sich vor zwei Jahren in einer Kampfkandidatur gegen CSU-Platzhirsch Hartmut Koschyk den Bezirksvorsitz von Oberfranken – vor vier Monaten holte der frisch gekürte Parteichef Horst Seehofer den Senkrechtstarter als Generalsekretär an seine Seite.

Nach dem ebenso unerwarteten wie perfide inszenierten Rücktritt des amtsmüden Parteisoldaten Michael Glos (siehe S. 23) avancierte der Baron mit den zehn Vornamen, der von Freunden nur „KT“ gerufen wird, über Nacht zum Bundeswirtschaftsminister. Mit nur 37 Jahren, als bisher jüngster Ressortchef, soll er maßgeblichhelfen, Deutschland bis zur Bundestagswahl im September durch die Finanzkrise zu steuern.

Kaum hatte der Nachkomme eines fränkischen Adelsgeschlechts, das im Jahr 1149 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, aus den Händen von Bundespräsident Horst Köhler seine Ernennungsurkunde entgegengenommen, hagelte es nicht nur von der Opposition beißenden Spott.



Zu jung sei der Dandy mit den gegelten Haaren, der zum edlen Anzug auch mal Wildlederschuhe trägt, für sich einen Chauffeur und für die beiden Töchter Anna, 7, und Mathilde, 6, ein Kindermädchen beschäftigt. Und der mit Gattin Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen in der Berliner Villa und auf Schloss Guttenberg im gleichnamigen oberfränkischen Ort gern zu feinen Empfängen lädt. Zu unerfahren sei der Bonvivant mit hohem Glamour-Faktor, der US-Star Tom Cruise zu seinen Freunden und Oscar-Preisträger Florian Graf Henckel von Donnersmarck als Cousin zu seinen Verwandten zählt.

Ebenso plump wie falsch qualifizierte der designierte bayerische SPD-Chef Florian Pronoldden Christsozialen mit den guten Manieren und der geschliffenen Rhetorik ab. Guttenberg habe „von der Wirtschaft so viel Ahnung wie der Papst vom Kinderkriegen“.

Zumindest im ersten Teil täuscht sich der vorurteilende Bayern-Sozi. Glaubt man einem einst engen Geschäftspartner der zu Guttenbergs, wurde der erstgeborene Karl-Theodor seit frühester Jugend darauf vorbereitet, dereinst das beträchtliche Familienvermögen zu vermehren, das auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt wird.

Eugen Münch, der 1974 als Geschäftsführerzur damals maroden Abschreibungsfirma der zu Guttenbergs stieß – dem Rhön-Klinikum in Bad Neustadt an der Saale – , kennt den neuen Wirtschaftsminister von Kindesbeinen an. Der Manager stand damals vor der Herkulesaufgabe, den Guttenbergschen Kurbetrieb wieder auf die Beine zu bringen, den er zunächst als „großen Scheißhaufen“ bezeichnet haben soll. Heute arbeiten die Rhön-Kliniken profitabel – und sind seit 1989 an der Börse notiert.

„Schon mit 13, 14 Jahren“, so erzählt Münch, saßen die Brüder Karl-Theodor und Philipp Franz bei wichtigen Entscheidungen mit im Führungskreis. Um zu lernen, dass man Geld nicht nur verdienen, sondern auch vernichten kann, bekamen die beiden Jugendlichen „ein Dispovermögen in erheblicher Größenordnung zur freien Verfügung“. Karl-Theodor habe bereits als 16-jähriger Teenager gewusst, dass die Verwaltung des Familienvermögens mit Immobilien, Weingut und Wäldern auf ihn zulaufen würde. Und seine Eltern wussten, dass er nicht wie der Vater Musiker, sondern Jurist oder Ökonom werden sollte.

„KT“ enttäuschte die Erwartungen nicht. Er schloss sein Jurastudium mit Prädikat ab, promovierte „summa cum laude“ und stieg 1994 mit gerade mal 22 Jahren in die Leitung der Guttenberg GmbH ein, deren Geschäftsführender Gesellschafter er später wurde. 1996 wurde er in den Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG gewählt. Bis die Familie 2002 ihren Aktienanteil, der zu dieser Zeit auf 260 Millionen Euro taxiert wurde, an die HypoVereinsbank verkaufte. Kein Wunder also, dass die zu Guttenbergs noch heute zu den 200 reichsten Deutschen zählen.

So viel scheint der neue Wirtschaftsminister demnach nicht falsch gemacht zu haben. „Die Familie hat den Sohn hervorragend auf eine unternehmerische Aufgabe vorbereitet, und der hat die gebotenen Möglichkeiten optimal genutzt“, resümiert Münch als langjähriger Freund der Familie des nordbayerischen Adeligen.

Als gelernter Außenpolitiker, der selbstredend perfekt Englisch und passabel Französisch parliert und auch im diplomatischen Dienst eine steile Karriere hingelegt hätte, dürfte er sich gerade auf internationalem Parkett routiniert bewegen – nicht zuletzt dank seiner hervorragenden Kontakte. Er traf Barack Obama bereits, bevor dieser für den Chefposten im Weißen Haus kandidierte – bei dessen Visite in Berlin im vorigen Sommer suchten Obamas Berater gezielt das Gespräch mit dem Blaublüter aus Oberfranken.

Der auch historisch mit der CSU verbandelt ist. Der Großvater und Geber seiner ersten beiden Vornamen war Mitbegründer der Partei. Der einstige Parlamentarische Staatssekretär im Kanzleramt von CDU-Regierungschef Kurt Georg Kiesinger galt als einer der Architekten der ersten Großen Koalition – und als scharfer Debattenredner. In dieser Disziplin übte sich sein Enkel – nun wie der Opa Großkoalitionär – am Freitag im Bundestag im neuen Amt zum ersten Mal.

Karl-Theodor zu Guttenberg weiß aber auch, dass er sein Regierungsamt mit der Bundestagswahl wieder abgeben muss. Vermutlich nicht sehr lange. An dem Wochenende, als der langegemobbte Glos hinwarf und der Generalsekretär Minister wurde, war der Baron so frei, sich von CSU-Chef Seehofer zusichern zu lassen, bei entsprechendem Wahlausgang weiterhin im Bundeskabinett zu verbleiben. Es muss ja nicht wieder das Wirtschaftsministerium sein.

Wirtschaftsministerium – Prominente Amtsinhaber

Der „Vater des Wirtschaftswunders“, Ludwig Erhard, war der erste Ressortchef.

Ein weites Feld


Der Minister soll gegen Kartelle und Wettbewerbshemmnisse kämpfen, die Industriesowie die Energiepolitik gestalten, neue Technologien und den internationalen Handel fördern. Dabei helfen ihm 1700 Mitarbeiter und ein Etat von 6,1 Milliarden Euro.

Der Kopf des Hauses zählt


Der Finanzminister ist von Amts wegen stark – sein Wirtschaftskollege muss sich seinen Einfluss erarbeiten. Als starke Vorgänger gelten Ludwig Erhard (CDU), die „Super-Minister“ Karl Schiller sowie Wolfgang Clement (SPD) und Otto Graf Lambsdorff (FDP). Glanzlos blieben Michael Glos (CSU), Martin Bangemann oder Helmut Haussmann (FDP).

Die Agenda zu Guttenbergs


Der Neue muss in den sieben Monaten bis zur Bundestagswahl überwachen, dass die Konjunkturpakete korrekt umgesetzt werden – und kann mit entscheiden, wie weit Not leidenden Unternehmen wie der Hypo Real Estate, Opel oder Schaeffler geholfen wird.

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