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Zug setzt sich für schärfere Regeln ein | NZZ

Zug setzt sich für schärfere Regeln ein

Jahrzehntelange Auseinandersetzungen haben im Kanton Zug für eine besondere Sensibilität gegenüber dem Rohstoffsektor gesorgt. Etwas anders sieht es in der Westschweiz und im Tessin aus.

Erich Aschwanden, Jean-Pierre Kapp, Peter Jankovsky
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Hauptsitz des Rohstoffkonzerns Glencore in Baar. (Bild: KEYSTONE/Sigi Tischler)

Hauptsitz des Rohstoffkonzerns Glencore in Baar. (Bild: KEYSTONE/Sigi Tischler)

In keinem anderen Kanton wurde der im März veröffentlichte Grundlagenbericht Rohstoffe mit grösserer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen als in Zug. Seit Ende der fünfziger Jahre ist Zug eine wichtige Drehscheibe für den Rohstoffhandel. Grosskonzerne wie Glencore Xstrata, Shell oder BP haben hier ihren Sitz. Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel (fdp.) verweist darauf, dass Handels- und Wirtschaftsrecht in der Kompetenz des Bundes liegen. Probleme im Bereich dieses Clusters müssten auf nationaler und internationaler Ebene angegangen werden. Für Zug sieht er dieselben Reputationsrisiken, wie sie der Bundesrat für die Schweiz darstellt. «Die Rohstoffe werden häufig in Ländern abgebaut, die Defizite haben bei der Rechtsstaatlichkeit und der Durchsetzung von Standards, so bei den Arbeitsbedingungen und beim Umweltschutz», erklärt Michel.

Embargos besser durchsetzen

Schon vor der Veröffentlichung des Grundlagenberichts bot Michel in einem gemeinsamen Schreiben mit seinen Amtskollegen aus den Kantonen Genf und Tessin eine aktive Mitwirkung an. Die Zuger Regierung erwartet nun, dass Vertreter der drei Kantone vom Bund zur Mitwirkung in einer Arbeitsgruppe eingeladen werden, die Vorschläge für Standards im Bereich Corporate Social Responsibility erarbeiten soll. Wie Michel weiter erklärt, hat er sich über die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren beim Seco für eine optimierte Durchsetzung des Embargogesetzes gegenüber mit Sanktionen belegten Personen eingesetzt.

Ein derartiges Engagement eines bürgerlichen Zuger Politikers wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Legendär ist der Spruch, den der damalige Stadtrat Walther Hegglin in den frühen achtziger Jahren prägte: «Was gut ist für Marc Rich, ist auch gut für Zug.» Immer wieder führten in der Folge die Spuren internationaler Skandale rund um den Rohstoffhandel ins kleine Zug. Häufig stand dabei die Reizfigur Marc Rich im Mittelpunkt. Die grosse Bedeutung der alternativen Linken, die Protagonisten wie den früheren grünen Nationalrat Josef Lang oder Ex-Regierungsrat Hanspeter Uster hervorbrachte, ist nicht zuletzt auf diese Auseinandersetzungen zurückzuführen. Sowohl Michel wie auch Lang stellen eine Versachlichung der Diskussion fest. Für den Kämpfer der ersten Stunde ist es eine Genugtuung, «dass der Bundesrat im Grundlagenbericht Rohstoffe endlich das geschrieben hat, was wir 30 Jahre lang angeprangert haben».

Günstigeres politisches Klima

Am Lac Léman ist Kritik am Rohstoffsektor weniger häufig zu hören als in der Deutschschweiz. Von den Vertretern linker Parteien und der Grünen gibt es in den kantonalen Parlamenten nur selten kritische Voten. In Genf stellten die Grünen mit David Hiler den Leiter des Finanzdepartementes, der sich in den vergangenen Jahren äusserst erfolgreich um die Ansiedlung zusätzlicher Unternehmen aus dem Sektor bemühte. In seiner Partei ist Hiler wegen dieser Politik zwar umstritten, öffentliche Kritik aus der Partei wurde aber kaum laut. Die vornehme Zurückhaltung hat ihre Gründe. Sowohl der Kanton Genf wie auch der Kanton Waadt befürchten, dass Rohstoffhändler sich verabschieden, wenn sie zu stark kritisiert werden oder sich die Rahmenbedingungen verschlechtern sollten.

Auch im Tessin herrscht für die Rohstoffbranche ein sehr günstiges Klima. Das zeigt sich an der auffällig zurückhaltenden Art, wie die Tessiner Medien die Geldwäsche-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die Goldraffinerie Argor-Heraeus in Mendrisio thematisierten (NZZ 6. 11. 13): Meist handelte es sich um neutrale Kurzmeldungen. Kritische Kommentare gab es keine. Im Südkanton gibt es weder Massnahmen noch Vorstösse, welche die weltweiten sozialen oder ökologischen Folgeerscheinungen der Rohstoffbranche als Ausgangspunkt hätten. Und die jüngste nationale NGO-Kampagne gegen die Branche findet unter den linken Tessiner Politikern wenig Widerhall.

200 Millionen Franken Steuern

In allen drei Regionen stellt der Rohstoffhandel einen Eckpfeiler der Wirtschaft dar. Die Branche zahlt im Kanton Zug jährlich rund 204 Millionen Franken Steuern. Davon sind 36 Millionen Franken Kantons- und Gemeindesteuern, was rund zehn Prozent der Steuereinnahmen aller juristischer Personen entspricht. Die im Kanton Zug wohnhaften Angestellten der Rohstofffirmen liefern rund 134 Millionen Franken an den Fiskus ab. Der Branchenverband Zug Commodity Association schätzt die Zahl der Rohstofffirmen auf etwa 100.

Nach Schätzungen der Behörden arbeiten im Arc Lémanique zwischen 9000 und 10 000 Personen direkt oder indirekt in diesem Sektor. Neben den Rohstoffhandels-Unternehmen beschäftigen Banken viele Mitarbeiter, die sich ausschliesslich um die Finanzierung des Rohstoffhandels kümmern, Ähnliches gilt für Versicherungen, Anwaltskanzleien und Firmen für Warenkontrollen wie die Genfer SGS.

Die Rohstoffbranche, die in Lugano einen Handelsplatz unterhält, ist im Südkanton ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dies umso mehr, als der Tessiner Finanzplatz auch in nächster Zukunft mit Schwierigkeiten kämpfen wird. Laut Luca Albertoni, dem Direktor der Tessiner Handelskammer, weist der Handelsplatz Lugano ungefähr die gleiche Dimension wie jener in Zug auf. Rund 70 branchenspezifische oder branchennahe Unternehmen sind hier tätig; die Zahl der Angestellten, die direkt oder indirekt mit dem Rohstoffhandel zu tun haben, wird auf 1000 bis 2500 geschätzt. Der Platz Lugano hat sich in den letzten 10 Jahren durch den Handel mit Stahl, Basismetallen, Kohle und auch Agrarrohstoffen profiliert. Ausserdem spielt der Südkanton mit seinen drei Goldraffinerien eine international wichtige Rolle.

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