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Felipe VI. tritt ein schwieriges Erbe an | NZZ

Felipe VI. tritt ein schwieriges Erbe an

Wenn Spaniens Kronprinz Felipe am Donnerstag sein Amt antritt, wird ihm kaum Jubel entgegenschlagen. Das Ansehen der Monarchie ist beschädigt.

Cornelia Derichsweiler, Madrid
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Generationenwechsel in Spanien: Juan Carlos umarmt nach der Abdankung seinen Sohn Felipe. (Bild: imago)

Generationenwechsel in Spanien: Juan Carlos umarmt nach der Abdankung seinen Sohn Felipe. (Bild: imago)

Am Mittwochabend hat der spanische König Juan Carlos im Madrider Königspalast das Gesetz zu seiner eigenen Abdankung unterzeichnet. Mit dieser letzten Amtshandlung tritt der Bourbone nach fast 39-jähriger Regentschaft ab und legt das Schicksal der spanischen Monarchie in die Hände seines Sohnes Felipe. Dieser wird mit der Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt um Mitternacht neuer König.

Wächter und Schlichter

Felipe VI. tritt ein ebenso schweres wie ungewisses Erbe an, wenn er am Donnerstag im Parlament offiziell als König und Staatsoberhaupt proklamiert wird. Vor den Abgeordneten beider Kammern wird er eine mit Spannung erwartete Grundsatzrede halten, in der er zu erläutern hat, wie er sein Amt auszuführen gedenkt. In der Verfassung ist die Rolle des Königs als Symbol der Einheit und der Beständigkeit Spaniens klar umrissen. Dem Staatsoberhaupt kommen in erster Linie repräsentative Funktionen zu. So hat der König die Regierung und die Minister zu ernennen, Gesetze zu unterschreiben und Spanien im Ausland zu vertreten. Ausserdem ist er Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Über politische Macht verfügt Felipe VI. als König nicht. Vielmehr hat er seinem Land gemäss der Verfassung als Wächter und Schlichter fern jeder Parteilichkeit zu dienen.

Felipe übernimmt das Zepter jedoch in einer Zeit, in der die nach wie vor krisengeplagte Nation vor mehr als einer Zerreissprobe steht. Es brodelt in dem Land, in dem nach offizieller Statistik 6 von 48 Millionen Menschen ohne Arbeit sind und die Bevölkerung unter zahlreichen Einschnitten und Sparprogrammen leidet, während nahezu täglich neue Fälle von Korruption bekannt werden. Nicht nur Unternehmer, Parteien und Gewerkschaften stehen am Pranger. Auch die Monarchie ist nach einer Finanzaffäre um den königlichen Schwiegersohn und nach einem kostspieligen Jagdausflug Juan Carlos' mitten in Krisenzeiten bei weiten Teilen der Bevölkerung in Ungnade gefallen. Alle Institutionen wanken, und selbst die territoriale Architektur des Landes droht durch das Unabhängigkeitsstreben Kataloniens aus den Fugen zu geraten.

Immer lauter werden in einer desillusionierten Gesellschaft die Forderungen nach einem grundsätzlichen Umbruch im Land. Das führt dazu, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung der Meinung ist, eine Monarchie sei in Zeiten der Krise zu teuer. Viele finden es unangebracht, eine Institution am Leben zu halten, die den Staat jährlich 7,7 Millionen Euro kostet. Von der Gesamtsumme ist nicht nur ein königliches Gehalt von fast 300 000 Euro zu bezahlen, sondern auch andere Mitglieder der Königsfamilie erhalten Lohnzahlungen. Hinzu kommen Repräsentationsspesen.

Skepsis der Jungen

Skepsis schlägt Felipe VI. vor allem seitens der jungen Generation entgegen. Diejenigen nämlich, die die Verdienste seines Vaters als Wegbereiter der Demokratie und dessen mutiges Einschreiten gegen den Militärputsch von 1981 nicht miterlebt haben, können der Monarchie kaum etwas abgewinnen. Sie zweifeln daran, dass das Amt des Staatsoberhauptes in einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts erblich sein soll. Der Thronwechsel hat daher auch den Ruf nach einer Rückkehr zur Republik und die Forderung nach einem Referendum über Spaniens künftige Staatsform verstärkt.

Ein anderer Teil der Gesellschaft aber glaubt, dass das Land keinen Systemwechsel brauche, sondern eine innere Erneuerung der Institutionen. So mancher in Spanien hofft, Felipe VI. möge der Monarchie wieder moralische Autorität verleihen und, so wie einst Juan Carlos, das Land über alle politischen und territorialen Differenzen hinweg einen helfen.

Zugute kommt Felipe dabei, dass er – anders als sein Vater – die jüngsten Affären und Skandale im Bourbonen-Haus ohne Schaden überstanden hat. Er gilt neben der Königsmutter Sofía als das beliebteste Mitglied der spanischen Monarchie. Auch wusste er sich frühzeitig und konsequent von seiner Schwester Cristina zu distanzieren, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Iñaki Urdangarin wegen des Vorwurfs von Steuerhinterziehung und Geldwäsche im Visier der Justiz steht.

Bestens vorbereitet

Im Vergleich mit Juan Carlos gilt Felipe als weniger volkstümlich und ungezwungen, sondern eher als von nachdenklichem Naturell. Dafür aber hat er den Ruf, taktvoll und bescheiden zu sein und vor allem ein aufmerksamer Zuhörer, der auf seine Gesprächspartner eingeht und sich auf Termine gut vorbereitet. Um für sein Amt gewappnet zu sein, unternahm Felipe als Stellvertreter seines Vaters in den letzten 18 Jahren bereits mehr als 200 offizielle Reisen in 60 Länder. Vor allem in Lateinamerika vertrat er Spanien bei der Einführung zahlreicher Staatspräsidenten. Viele Spanier hoffen daher, dass der künftige König ihr Land auch im Ausland erfolgreich vertrete. Bereits Juan Carlos hatte sich über Jahrzehnte hinweg einen Ruf als «Spaniens bester Botschafter» erworben und gute Kontakte auch zu anderen Königshäusern, vor allem in den Golfstaaten, aufgebaut, was dem Land politisch wie wirtschaftlich manchen Vorteil brachte.

Viel Fingerspitzengefühl nötig

Die Schwäche und der Glaubwürdigkeitsverlust der führenden Parteien bärgen nun allerdings die Gefahr, auf den künftigen König die Verantwortung abzuwälzen, sämtliche «Lecks der Demokratie» zu kitten, schreibt die Zeitung «El País» warnend. Zwar zähle es zu seinen Aufgaben, nicht nur Transparenz in der Monarchie zu schaffen, sondern auch für territorialen und sozialen Zusammenhalt im Land einzutreten. Dies alles aber sei kaum zu leisten, wenn die an den Urnen gewählten Volksvertreter weiterhin auf ihren Positionen beharrten und erwarteten, dass der König allein auf dem Schachbrett agiere. Die spanische Ausgabe der «Huffington Post» sieht den angehenden Monarchen vor allem in einer unparteiischen Schlichter-Rolle gefordert. Dies sei umso wichtiger in einem Land mit «brudermörderischen Tendenzen».

Felipe VI. wird gewiss viel Fingerspitzengefühl beweisen müssen, um den Hoffnungen der einen gerecht zu werden und dem Argwohn der anderen zu begegnen.

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