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Effizienzlabel für Neuwagen: Alles außer sinnvoll - DER SPIEGEL
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Neues Effizienzlabel: Im Chaos der Referenzwerte

Effizienzlabel für Neuwagen Alles außer sinnvoll

Am 1. Dezember wird das erste Türchen des Adventskalenders geöffnet - und in Autohäusern das Tor zu neuer Verwirrung weit aufgestoßen. Grund ist das ab jetzt verbindliche Effizienzlabel für Neuwagen. Es soll den Kunden Orientierung bieten, tut aber genau das Gegenteil.

Wen man auch fragt aus der automobilen Fachwelt, das Urteil fällt vernichtend aus. "Dieses Label ist pure Verbraucherverwirrung", sagt Christian Buric, Technik-Experte des Automobilclubs ADAC. Stefan Bratzel, Professor für Automotive Management in Bergisch Gladbach, hält die neue Effizienzklasse-Regelung für so missglückt, dass "das eigentliche Ziel konterkariert" werde. Und Alexander Bugge vom Internet-Neuwagenportal meinauto.de  erklärt: "Für einzelne Modellvarianten ist der neue Energiepass ein echter Wettbewerbsnachteil." Ein Einlenken der entscheidenden Stellen in Politik und Autolobby ist jedoch nicht in Sicht.

Und so gilt ab 1. Dezember eine hanebüchene Regelung, nach der die Energieeffizienz von Neufahrzeugen berechnet wird. "Grundsätzlich finden wir die Idee einer solchen Grafik toll", sagt ADAC-Mann Buric. Autos erhalten künftig - ähnlich wie Kühlschränke oder Waschmaschinen - eine übersichtliche Bewertung ihrer Effizienz. Dazu gibt es eine achtstufige Skala von A+ bis G, wobei zusätzlich eine Farbskala von grün über gelb zu rot zum Einsatz kommt. Alles ganz klar, alles ganz logisch, denkt der interessierte Verbraucher - und irrt komplett.

Denn der einzige Wert, mit dem der CO2-Ausstoß und damit der Kraftstoffverbrauch in Relation gesetzt wird, ist das Fahrzeuggewicht. Allerdings greift die Formel "Geringes Gewicht plus geringer CO2-Ausstoß ist gleich A-, B- oder C-Effizienzklasse" auch nicht. Denn die Experten des Bundeswirtschaftsministeriums haben für unterschiedliche Gewichtsklassen sogenannte Referenzwerte errechnet, und zwar auf Basis der Pkw-Neuzulassungen des Jahres 2008.

Wiegt ein Neuwagen also 1500 Kilogramm, so schwer ist ungefähr ein VW Golf, liegt der CO2-Referenzwert für diesen Pkw bei 171 Gramm je Kilometer. Entspricht der CO2-Ausstoß eines Neuwagens mit 1500 Kilogramm Leergewicht exakt jenen 171 g/km, erhält er die Effizienzklasse E. Ist der CO2-Ausstoß geringer, erhält das Auto mindestens das Effizienzlabel D; bei weniger als 120 g/km ist es die Klassifizierung A, und bei weniger als 108 g/km gibt es die Öko-Bestnote A+.

Sind Zweieinhalbtonner, die elf Liter Sprit schlucken, wirklich effizient?

So weit würde man das System noch begreifen, doch schon geringe Abweichungen des Fahrzeuggewichts bedeuten einen neuen Referenzwert - und damit eine andere Einstufung. Und das wiederum bedeutet: Statt Transparenz zu schaffen, stiftet das neue Label Verwirrung. Weil Kompaktautos mit hundert Kilogramm Gewichtsunterschied grundsätzlich anders klassifiziert werden. Und weil plötzlich spritsaufende Geländewagen, die zweieinhalb Tonnen wiegen, eine bessere Öko-Einstufung erhalten als sparsame, fünftürige Kleinwagen mit kompletter Sicherheitsausstattung (die nun einmal Gewicht mit sich bringt).

Der Fiat 500 sei beispielsweise so ein Fall, sagt ADAC-Experte Buric. "Das Auto ist sparsam, umweltfreundlich und hat in unserem Crashtest die Bestnote von fünf Sternen erhalten. Trotzdem erhält der Wagen das zweitschlechteste Effizienzlabel F." Das, was man ursprünglich mal erreichen wollte, nämlich grundsätzlich effiziente und verbrauchsarme Autos klar zu kennzeichnen, sei durch die Umsetzung komplett über den Haufen geworfen worden.

Politik und Autolobby verteidigen das Label mit dem Argument, die Gewichtsklassen seien sinnvoll, weil man ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen könne. Dass sie so erzeugte Schein-Objektivität jedoch nichts mit wirklicher Effizienz zu tun hat, wird ausgeblendet. Bei Kühlschränken zum Beispiel wird, um die Effizienz zu bestimmen, der Stromverbrauch im Verhältnis zum Kühlraumvolumen berechnet.

Warum sollte Effizienz ausschließlich am Gewicht gemessen werden?

Vermutlich gäbe es auch für Automobile zweckmäßigere Größen als ausgerechnet das Gewicht. Vielleicht die Zahl der Sitzplätze? Eventuell die Grundfläche des Fahrzeugs? Möglicherweise ein Mix aus Platzangebot, Gewicht und Fläche? Automobilwirtschaftler Bratzel sagt: "Autos sind sehr teure, komplexe Produkte, die nicht wie Kühlschränke klassifiziert werden können. Die jetzt gewählte gewichtsbasierte Logik der Effizienzklassen-Einteilung reduziert diese Komplexität des Einflussfaktors Energieeffizienz in nicht sinnvoller Weise."

Gewinner und Verlierer der Effizienzskala für Neuwagen

"Wir hoffen darauf", sagt ADAC-Mann Buric, "dass die europäische Lösung eine andere sein wird als die jetzige." Die Hoffnung scheint nicht unberechtigt, denn in Brüssel wird die deutsche Autolobby, die mit wuchtigen, schweren Autos glänzende Geschäfte macht, wohl nicht ganz so laut gehört wie in Berlin.