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Kunduz-Bericht: Opposition wirft Merkel schwere Fehler vor - DER SPIEGEL
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Kunduz-Bericht Opposition wirft Merkel schwere Fehler vor

SPD, Grüne und Linke erheben heftige Vorwürfe gegenüber allen Beteiligten in der Kunduz-Affäre: Die Luftangriffe seien "völkerrechtswidrig" gewesen, heißt es in den Abschlussberichten der Opposition. Bundeskanzlerin Merkel habe ihr Versprechen zur Aufklärung nicht eingehalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Versprechen nicht gehalten

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Versprechen nicht gehalten

Foto: dapd

Berlin - Vor fast zwei Jahren bombardierte die Bundeswehr in Afghanistan zwei Tanklaster, viele Menschen starben. Jetzt liegen die Berichte der Oppositionsparteien zum Luftangriff von Kunduz vor - SPD, Grüne und Linke üben darin heftige Kritik an den militärisch und politisch Verantwortlichen. Die drei Parteien bezeichnen in ihren jeweiligen Sondervoten das von dem deutschen Oberst Georg Klein befohlene Bombardement übereinstimmend als völkerrechtswidrig. Der Befehl zum Bombenabwurf sei militärisch falsch gewesen, heißt es weiter.

Wegen unterschiedlicher Auffassungen zu Einzelfragen legten SPD, Linke und Grüne eigene Sondervoten vor. Die SPD macht in ihrem 268 Seiten starken Abschlussbericht zunächst den deutschen Kommandeur Klein für die aus ihrer Sicht krasse Fehlentscheidung verantwortlich. Der Bombenabwurf sei "ethisch nicht vertretbar" und "militärisch-operativ falsch" gewesen, sagte Verteidigungsexperte Rainer Arnold.

Ähnlich kritisch bewertete die Linke die Umstände des Luftschlags. Bei der Aufklärung im Untersuchungsausschuss sei klargeworden, dass Oberst Klein seine Kompetenzen "weit überschritten" habe, sagte der Verteidigungsexperte der Linksfraktion, Paul Schäfer. Auch aus Sicht der Grünen hat Klein gegen Einsatzregeln der Nato und gegen Vorschriften des Völkerrechts verstoßen. Allerdings habe der Offizier Entscheidungen auf der Grundlage von Falschinformationen getroffen, die möglicherweise aus der afghanischen Administration gekommen seien, sagte Grünen-Obmann Omid Nouripour.

Am 4. September 2009 hatte die Bundeswehr einen Luftangriff auf zwei von den radikalislamischen Taliban gekaperte Tanklaster in Nord-Afghanistan befohlen. Zahlreiche Menschen wurden getötet - wie viele, ist unklar. Die Nato ermittelte ursprünglich mindestens 142 Tote oder Verletzte. Eine vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai eingesetzte Untersuchungskommission kam auf 99 Tote - 69 Taliban und 30 Zivilisten. Die Bundeswehr geht von 91 Toten und 11 Verletzen aus, Opferanwälte von 137 getöteten Menschen.

Nouripour: "Keinen der Akteure kann man mit gutem Gewissen entlasten"

Anderthalb Jahre lang hatte ein Untersuchungsausschuss versucht, die Hintergründe aufzuklären. Mit der Aufarbeitung waren neben der Nato und der Bundeswehr auch der Generalbundesanwalt und der Verteidigungsausschuss des Bundestages befasst. Union und FDP hatten bereits vor der Sommerpause ihre Bewertung vorgelegt. Darin wurden der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Klein entlastet. Die Regierung kritisierte zwar die Entscheidung zum Angriff auf die Tanklaster, verteidigte sie aber als nachvollziehbar.

Klein hatte die Angriffe damals mit einer möglichen Gefahr für das Bundeswehr-Feldlager Kunduz durch die von Taliban entführten Tanklaster begründet. Strafrechtlich ist der Fall abgeschlossen. Im April vergangenen Jahres stellte die Bundesanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Klein ein. Auch seitens der Bundeswehr gibt es keine Disziplinarmaßnahmen gegen den Offizier.

Die Grünen werfen dem damaligen Staatssekretär Peter Wichert und dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan vor, Informationen über den Ablauf der Bombardierung nicht an den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) weitergegeben zu haben. Dies sei offenbar aus "falsch verstandener" Loyalität mit Oberst Klein geschehen, sagte Nouripour.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold nannte es dagegen "Unsinn", den beiden die Schuld in die Schuhe zu schieben. Vielmehr habe die "desaströse Öffentlichkeitsarbeit" des Ministers Jung zu den Fehleinschätzungen geführt. Jung musste aufgrund der Affäre zurücktreten. Nach Ansicht der SPD war auch die Behauptung seines Nachfolgers Guttenberg vorgeschoben, ihm seien wesentliche Dokumente vorenthalten worden. Guttenberg habe mit der Entlassung der Spitzenbeamten Wichert und Schneiderhahn nur "Sündenböcke" für sein Fehlverhalten gesucht. Guttenberg hatte den Angriff zunächst als militärisch angemessen eingestuft.

Oppositionspolitiker von Grünen und SPD hielten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "gravierende Bewertungsfehler" vor. Sie habe ihr Versprechen einer lückenlosen Aufklärung vor dem Bundestag nicht eingehalten. Nach Ansicht der Grünen hat auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) seine Verpflichtungen "nur ungenügend" wahrgenommen und sich bei der Aufklärung zu passiv verhalten. "Keiner der handelnden Akteure hat so gehandelt, dass man ihn mit gutem Gewissen entlasten kann", sagte Nouripour.

lgr/dpa/dapd/AFP
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