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So sieht Grönland unter dem Eis aus - DER SPIEGEL
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Neue Landkarte So sieht Grönland unter dem Eis aus

Es ist der Blick in eine Welt, die nie ein Mensch gesehen hat: Eine neue Landkarte zeigt Grönland ohne seinen dicken Eispanzer. Zu sehen ist so unter anderem ein Flusstal größer als der Grand Canyon.
Neue Landkarte von Grönland

Neue Landkarte von Grönland

Foto: British Antarctic Survey/ University of Bristol/ University California, Irvine/ UK Natural Environment Research Council

Was ihn am meisten beeindruckt? Da muss Jonathan Bamber nicht lange überlegen. "Der Canyon", sagt der Forscher der University of Bristol und zeigt mit dem Finger in den linken oberen Bereich der Landkarte auf seinem Schoß. Dann fährt er langsam auf dem Papier entlang, in Richtung der Mitte. Es dauert eine ganze Weile. Schließlich ist das bis zu 800 Meter tief eingeschnittene Tal, das er in diesem Moment nachzeichnet, nicht weniger als 750 Kilometer lang. "Es ist der längste Canyon der Erde", sagt Bamber.

Seit vier Jahren weiß die Welt von dem spektakulären Einschnitt, damals berichteten Bamber und Kollegen im Fachmagazin "Science"  über das Tal, in dem einst wohl ein mächtiger Fluss seine Bahn zog. Mit eigenen Augen gesehen hat den Canyon aber noch kein Mensch. Das liegt daran, dass er unter Grönlands bis zu drei Kilometer dickem Eispanzer verborgen ist und nur mit Radarmessungen gefunden wurde.

Doch jetzt ist das Tal in ungekannter Detailtiefe zu sehen, auf der Landkarte, die Bamber gerade in der Hand hält. Ein internationales Team aus Forschern vom British Antarctic Survey sowie der Universitäten Bristol und Irvine hat sie auf dem Jahrestreffen der American Geophysical Union (AGU) in New Orleans vorgestellt. Die Daten dazu haben sie kürzlich im Fachblatt "Geophysical Research Letters" veröffentlicht .

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Grönland: Eisinsel im Wandel

Foto: DPA/ Laura A. Stevens/ Nature

Die Karte zeigt, wie die größte Insel der Welt ganz ohne den Eispanzer aussieht, der sie normalerweise bedeckt. Und neben dem riesigen Canyon sind darauf zahlreiche weitere beeindruckende Formationen zu sehen: die Watkins Mountain Range mit Grönlands höchstem Berg, dem fast 3700 Meter hohen Gunnbjörns Fjeld ganz im Osten der Insel zum Beispiel. Dessen felsiger Gipfel, im Jahr 1935 zum ersten Mal bestiegen, ragt aus dem Eis heraus.

Doch das ist die Ausnahme, die meisten Landschaften auf der Landkarte hat nie ein Mensch gesehen. Und es wird sie auch niemand sehen. Grönlands Eispanzer ist stellenweise mehr als drei Kilometer dick, er enthält insgesamt etwa 2,85 Millionen Kubikkilometer Eis. (Zum Vergleich: In der Antarktis liegen rund 26,5 Millionen Kubikkilometer.)

Die neue Grönlandkarte erlaubt einen faszinierenden Blick unter das Eis. Das Bild ist allerdings nicht überall gleich scharf. Für die Darstellung haben die Forscher Messungen von Radarsatelliten und Flugzeugen mit solchen zusammengefügt, die direkt auf dem Eis gesammelt wurden. Dazu kamen Daten von Schiffsexpeditionen vor der Küste der Insel.

Die Dichte der Messungen in der Mitte des Eispanzers ist längst nicht so hoch wie an den Rändern - deswegen sind manche Areale der Landkarte etwas unschärfer und andere wiederum in ungekannter Detailtiefe abgebildet, mit einer Auflösung von bis zu 150 Metern. Die Darstellung zeigt auch die Umgebung Grönlands, von der kanadischen Inselwelt im Westen bis Island und Spitzbergen im Osten - und den Meeresboden in der Region. Wasser ist dagegen keines eingezeichnet.

"Das größte Teil Grönlands ist verblüffend flach", sagt Jonathan Bamber mit Blick auf die Karte. Die zentralen Bereiche liegen heute deutlich unter dem Meeresspiegel. Doch das liegt daran, dass das Eis sie so stark nach unten drückt. Wäre es verschwunden, würde das Areal um die 800 Meter hoch liegen, so der Forscher. Der weltweite Meeresspiegel dagegen wäre 7,4 Meter höher. So viel Wasser ist nämlich aktuell in Grönlands Eis gebunden.

Bei der Abschätzung, wie dieses Eis in den kommenden Jahrhunderten verschwinden könnte, soll die neue Karte ebenfalls helfen. "Die Geographie ist ein wichtiger Input, wenn man das Schmelzen modellieren will", sagt Bamber. Konkret geht es zum Beispiel um die komplizierte Geometrie der Fjorde, in denen die mächtigen Auslassgletscher verlaufen: "Wenn man weiß, wie der Boden dort aussieht, kann man das Verhalten des Eises besser verstehen."

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