Stellt euch vor, es ist Krieg und Kerner geht hin. Denn so sieht's aus: 71 Prozent der deutschen Bevölkerung sind für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan . Und da Johannes B. Kerner immer dort ist, wo man zuhören und vermitteln muss, ist er eben mitgeflogen zum Hindukusch – auf freundliche Einladung von Karl-Theodor zu Guttenberg. Schon die ganze Woche über hat die Presse den Ausflug verwundert eskortiert. Warum Guttenberg denn seine Frau Stephanie mitnehme ins Krisengebiet , die mit teuren Stiefeln und Landlustblüschen durch die Dürre stapfte. Dass auch JBK aus HH der Transall entstiegen war, schien kaum jemanden zu irritieren.

Verständnis. Das ist das Wort. Damit schmückt sich Kerner selbst, als großer Versteher nationaler Sorgen, der dranbleibt, wo andere aufhören. Viertel nach Elf, Sondersendung aus Masar-i-Scharif , knapp 2000 Isaf-Soldaten sind hier stationiert. Kerner auf einem Klappstuhl inmitten eines Hangars, umringt von flecktarnenen Soldaten und schwerem Militärgerät, das man der Kulisse wegen vorfahren ließ. Auf dem anderen Klappstuhl schlägt Guttenberg die weißen Hosenbeine übereinander und guckt, wie die Lage es erfordert. So wird das eine Stunde gehen, abzüglich dreier Werbepausen für Phil Collins und Sekt mit Schuss.

Das Skript ist allbekannt: Guttenberg sagt, man müsse sein Herz sprechen lassen, der Einsatz sei notwendig, und wir sollten dankbar sein für das Engagement der Truppen, die hier ihr Leben riskierten bei "40 bis 50 Grad". Kerner lässt sich die Gefechtsmontur erklären (Nach der Pause werden wir hören, warum jeder Soldat eine kleine Spritze bei sich trägt. Bleiben Sie dran!). Er befragt Soldaten nach der Anzahl ihrer Schutzengel und spielt Steilvorlagen an Guttenberg, die dieser professionell verwandelt.

Dann wieder Gefühle: Als dramaturgisches Zwischendurch zeigen Einspielfilme die Nöte der Soldaten, die getrennt von ihren Familien ihren Dienst an der Waffe leisten. Von steigender posttraumatischer Belastung ist zu hören, von Tod und Sprengfallen und "dem hinterlistigen Feind", kurzum von den Schrecken des Kriegs, die Kerner mit ostentativ kräftigem Nicken beglaubigt, als sei er der erste, der Deutschland davon berichtet. Und genau hier liegt das größte Problem seiner Sondersendung. Nicht der Verteidigungsminister, nicht der unvermutete Besuch der Ministergattin, auch nicht das Klaviergesäusel, das die Einspielfilme parfümiert – es ist die aufgeblasene Geste des Großaufklärers, die Kerner sich eine Stunde lang zu eigen macht.

Grundiert vom Vorwurf, in Deutschland würde sich keiner für diesen Einsatz interessieren , spult Kerner sein Programm herunter. Der Krieg erscheint als Zwangsläufigkeit, als unvermeidliches Naturereignis, und das Schicksal dieser Menschen ist es, da hinein geraten zu sein. Es wird vereinfacht und verkitscht. Der Feind ist eben der Feind, weil er der Feind ist. Diese Orwellsche Begründung genügt und eigentlich müsste jetzt Peter Scholl-Latour in die Kulisse schwanken und mahnende Worte sprechen. Aber der kommt nicht, und Kerner macht weiter. Das afghanische Isaf-Mandat wird plötzlich zum Nato-Bündnisfall erklärt, damit man dem nicht weiter nachgehen muss, warum man hier sitzt. Das wäre sonst unangenehm, und Kerner will nicht unangenehm sein, sondern honett und verständnisvoll – auch wenn er neben dem Verteidigungsminister sitzt, der Kritikern oder Befürwortern vielleicht noch das ein oder andere erklären könnte.

Aber erklärt werden soll nichts, sondern beworben mit der üblichen Masche, die Kerners und auch Guttenbergs Markenzeichen ist, nämlich kübelweise Emotion, Herz und Betroffenheit. Zweifellos sind die Erzählungen der Soldaten furchterregend. Anstatt zu fragen, warum so etwas überhaupt erlitten werden muss, wendet Kerner das Leid der Truppen in einen Appell an die Bevölkerung, falls diese nicht schon vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Zum Schluss der Dauerwerbesendung verschenkt er zwei Sätze Trikots der Fußballnationalmannschaft, die ja seine zweite Lieblingstruppe ist. Ralf Möller hatte damals wenigstens Fitnessgeräte mitgebracht.