Die Bundesregierung hat in der Affäre um den TV-Moderator Jan Böhmermann entschieden: Angela Merkel lässt den Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu, den TV-Moderator wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts zu verfolgen.

Böhmermann hatte Ende März in seiner satirischen TV-Show Neo Magazin Royale ein Gedicht über Erdoğan vorgetragen, das zahlreiche Formulierungen enthielt, die unter die Gürtellinie zielten. Dies sorgte in der Türkei für große Empörung. An der Entscheidung der Bundesregierung waren nach Angaben des Regierungssprechers Steffen Seibert das Kanzleramt, das Auswärtige Amt, das Innen- und das Justizministerium beteiligt. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sei einbezogen worden.

Allerdings hatten die SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas dagegen gestimmt. Die Ermächtigung zur Strafverfolgung Böhmermanns hätte nicht erteilt werden sollen, sagte Außenminister Steinmeier. "Wegen der Stimmengleichheit entschied die Stimme der Bundeskanzlerin."

Die türkische Regierung hatte in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt das Verlangen nach Strafverfolgung formuliert. Der Paragraf 103 StGB stellt die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts unter Strafe, allerdings ist Voraussetzung, dass die Bundesregierung ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.

Merkel sagte: "Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen." In Deutschland solle nicht die Regierung, sondern die Justiz "das letzte Wort" haben.

Davon unabhängig hat Präsident Erdoğan außerdem einen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt und die Staatsanwaltschaft Mainz nahm Ermittlungen auf – nach Paragraf 185 StGB, unabhängig von der Bundesregierung.

Außerdem kündigte Merkel an, den umstrittenen Strafparagrafen zur Beleidigung ausländischer Staatschefs abzuschaffen. Paragraf 103 des Strafgesetzbuches sei nach Auffassung der Bundesregierung "für die Zukunft entbehrlich", sagte Merkel. Noch in dieser Wahlperiode werde ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet, der 2018 in Kraft treten solle.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), ein Vertrauter Merkels, hatte in der Passauer Neuen Presse vom Freitag gesagt: "Im Fall Böhmermann sollten jetzt einfach die Gerichte entscheiden, ob die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit überschritten worden sind oder nicht. Das ist die Aufgabe der Judikative in der Gewaltenteilung."

Der Sprecher von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte, dass für das Auswärtige Amt das Strafrecht nicht das geeignete Mittel sei, um mit dem Fall umzugehen.