100.000 Soldaten weniger, dann doch nur 70.000, die Wehrpflicht sollte bestehen bleiben, dann abgeschafft werden, schließlich wurde sie ausgesetzt. Der Generalinspekteur müsse mehr Einfluss erhalten, hieß es. Er dürfe aber nicht Generalstabschef genannt werden, ist aber dennoch wohl künftig den Inspekteuren der Teilstreitkräfte, die bald nicht mehr so heißen werden, weisungsbefugt. Die Truppe soll flexibler werden, aber weitere Einsätze wie Afghanistan sind nicht angedacht. Ein wenig konnte man bei den Plänen für die Bundeswehrreform schon die Übersicht verlieren. Eine klare Linie lässt der selbsternannte Reformminister Karl-Theodor zu Guttenberg vermissen.

"Es wird sich mancher wundern, was am Ende tatsächlich umgesetzt wird", sagte zu Guttenberg der Welt am Sonntag . Mancher mag das als Drohung verstehen – um im Sprachstil des Ministers zu bleiben. Die Empörung über den erschlichenen Doktortitel des CSU-Politikers übertönt momentan die gravierenden Probleme, die auf die Bundeswehr mit der größten Reform in ihrer Geschichte zukommen.

Allein der Umbau von der Wehrpflicht- zur Berufsarmee ist eine Aufgabe, an der andere Streitkräfte fast gescheitert sind. Doch die ambitionierten Pläne Guttenbergs sehen noch viel mehr vor: Konzentration auf den Einsatz, streichen von Doppelstrukturen, verkleinern des Ministeriums, Umbau der Befehlsketten. Bei der Bundeswehr fragt sich mancher, wie das alles umgesetzt werden soll. Noch drängender ist aber das Warum. Weshalb die kämpfende Infanterie aufgestockt, die Marine einschneidend verkleinert, die Heeresflugabwehr aufgelöst wird, wenn die Hindukusch-Mission keine Blaupause für die Zukunft der Truppe sein soll, wie Minister und Generalinspekteur beteuern, muss Guttenberg dringend erklären.

Wie wenig die Reform durchdacht ist, zeigt die Abschaffung des Wehrdienstes. Die Wehrpflicht sei sicherheitspolitisch nicht mehr begründet, sagt Guttenberg jetzt. Vor wenigen Monaten klang dies ganz anders. Mit ihm werde es die Abschaffung des Dienstes nicht geben, verkündete Guttenberg. Dann übernahm er das auf dem Hamburger Parteitag der SPD 2007 beschlossene Konzept der Freiwilligenarmee, verzichtete auf die Option zur Zwangsverpflichtung, die die Sozialdemokraten noch festgeschrieben hatten, und wandelte sich vom Befürworter zum Totengräber des Wehrdienstes.

Doch die verbindliche sicherheitspolitische Richtlinie der Bundesregierung sieht weiterhin die Wehrpflicht vor. Im Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr von 2006 steht: "Die Bundeswehr wird auch in Zukunft eine Wehrpflichtarmee bleiben. Die allgemeine Wehrpflicht hat sich unter wechselnden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen uneingeschränkt bewährt." Das Weißbuch ist weiterhin gültig. Die Sicherheitslage Deutschlands hat sich in dieser Zeit auch nicht grundlegend gewandelt. Der Einsatz in Nordafghanistan ist gefährlicher geworden, dafür gelten die Missionen in Bosnien und im Kosovo als so gut wie erledigt, an der Operation Enduring Freedom beteiligt sich Deutschland nicht mehr in Afghanistan und am Horn von Afrika.

Das Ende der Wehrpflicht ist dennoch richtig. Gegen die Einberufung Tausender junger Männer gibt es berechtigte Bedenken: Die Ausbildung von Wehrdienstleistenden bindet viele Kräfte, bei einer Dienstzeit von sechs Monaten minus zwei Monate Grundwehrdienst und einigen Tagen Urlaub konnten die Wehrdienstleistenden in der Truppe kaum noch sinnvoll eingesetzt werden. Bei regulären Wehrpflichtigen ist zudem der Einsatz im Ausland untersagt. Wegen der fehlenden Wehrgerechtigkeit bestehen gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken. Dennoch scheint der Hauptgrund für die Reform ein anderer zu sein.

Guttenberg soll in diesem und den kommenden drei Jahren mehr als acht Milliarden Euro aus dem Wehretat einsparen. Doch eine Bundeswehr nach Kassenlage werde es nicht geben, wiederholt der Minister als Mantra seiner Reform. Doch wozu soll die Bundeswehrreform dienen, außer um das Spardiktat zu erfüllen? Klare Antworten bleiben aus.

Die Opposition äußert deswegen berechtigte Zweifel an den Plänen Guttenbergs. "Wichtig wäre es, zuerst die Aufgaben festzulegen, die die Bundeswehr erfüllen soll. Und danach müsste entschieden werden, welche Ausbildung und Ausstattung die Soldaten dafür benötigen", sagt Gernot Erler von der SPD. "Anschließend müsste der entsprechende Finanzbedarf für diese Aufgaben und für diese Nachwuchsgewinnung festgelegt werden."