Rösler will neue Kohlekraftwerke – Seite 1

Es ist eine schicke Werbekampagne, die sich das Bundeswirtschaftsministerium ausgedacht hat. Das Motiv: Ein Kraftwerk im pastellfarbenem Abendrot, darauf prangt der Slogan "Kraftwerke? Ja bitte!"

Seit Anfang Dezember wirbt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) für den Neubau von Kraftwerken, ausdrücklich auch für konventionelle, also für Braun-, Steinkohle- und Gaskraftwerke. Persönlich hat er Briefe verfasst und Unterstützer gesucht. Auch die Deutsche Umwelthilfe erhielt Post von ihm. "Wer für den vollständigen Verzicht auf Strom aus Kernenergie eintritt, kann nicht die Notwendigkeit neuer Kraftwerke und Netze bestreiten oder gar entsprechende Projekte bekämpfen", schrieb Rösler.

Was Wirtschaftsminister Rösler offenbar nicht wusste: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist einer der engagiertesten Kohle-Gegner des Landes. Seit Jahren kämpft der Verein gegen den Neubau von Kraftwerken, laufend aktualisiert die DUH eine Liste der aktuellen und geplanten Kraftwerksbauten . Über Röslers Post amüsierte man sich in Berlin. "Deutschland braucht keinen weiteren Zubau an Kraftwerken", sagt ein Sprecher. "Was für ein Unsinn."

Ohne Zuschüsse ist der Bau neuer Kraftwerke derzeit nicht attraktiv

Das nationale Kraftwerksförderprogramm hat die Bundesregierung im Zuge der Energiewende beschlossen. Das Energiekonzept sieht in Punkt 24 vor, "hocheffiziente und flexible Kraftwerke" zu fördern, um eine Kraftwerkslücke durch den Atomausstieg zu füllen. Ohne staatliche Subventionen haben Energiekonzerne derzeit keinen Anreiz, in neue Kraftwerke zu investieren.

Die Subventionen sollen aus dem neuen Energie- und Klimaschutzfonds (EKF) stammen. Zwischen 2013 und 2016 will Schwarz-Gelb offenbar rund 165 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen. Das Bundeswirtschaftsministerium will diese Zahlen allerdings vorerst nicht bestätigen.

Das Ministerium ist so zurückhaltend, weil ein Okay aus Brüssel fehlt. Dort sieht man den Subventionsdrang der Deutschen kritisch. Zurzeit erarbeitet Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia neue Beihilferichtlinien, die er bis Ende des Jahres vorlegen will.

 Brüssel könnte Probleme machen

Brüssel will dabei hohe Klimaschutzstandards setzen. Der Entwurf, der ZEIT ONLINE vorliegt, sieht vor, dass nur Kraftwerke, die mit CCS-Technologie (Abscheidung und Verpressung von Kohlendioxid) ausgestattet sind und vor 2020 ans Netz gehen, das Maximum an Subventionen erhalten dürfen. Das wären 15 Prozent der Kosten.

Verzichten die Energiekonzerne auf den CCS-Einsatz vor 2020, dürfen Regierungen dagegen nur fünf Prozent der Kosten übernehmen. Die Richtlinie solle Unternehmen motivieren, Innovationen voranzutreiben, Energie zu sparen und grüne Energie nachzufragen, lässt Almunía verlauten.

Für Rösler ist die CCS-Klausel ein enormes Problem. Denn Bundesregierung und Bundesrat können sich nicht auf ein CCS-Gesetz einigen , inzwischen prüft Brüssel gar, ob es ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin einleiten muss.

Die CCS-Klausel wäre das Aus für Röslers Pläne

Erst Anfang der Woche gab Vattenfall daher bekannt, seine Pläne für ein 1,5 Milliarden teures CCS-Kraftwerk in Jänschwalde aufzugeben. Gegen den strikten Klimaschutz-Kurs der EU mit Hilfe von CCS wehrt sich Rösler daher. Man wollen sich für "praxisnahe Kriterien" einsetzen, sagt seine Sprecherin. 

Die EU-Kommission gibt sich dagegen bislang noch standfest. Die CCS-Klausel will sie nicht aufgeben. Wieder einmal macht Brüssel die ambitioniertere Energie- und Klimaschutzpolitik im Vergleich zu Deutschland. Seit Wochen versucht etwa das FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium die Pläne für eine ehrgeizige EU-Energiespar-Richtlinie abzuschwächen. Jetzt kämpft Rösler für neue Kohlekraftwerke.

Setzt sich Brüssel durch, dann muss Rösler sein Subventionsprogramm wohl aufgeben. Auch die schicke Werbekampagne wäre dann umsonst. Die Opposition reagiert mit Häme: "Ein solches Förderprogramm schafft heute die Altlasten von morgen", sagt Oliver Krischer, energiepolitischer Sprecher der Grünen. "Röslers Aufforderung an die Umweltverbände, den Bau von Kohlekraftwerken zu unterstützen, wird dadurch noch mehr zur Lachnummer."

 Klimaschützer fordern Alternativen

Ob und wie viel Geld für neue Kraftwerk zur Verfügung steht, ist noch unklar. Denn die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) sind alles andere als sicher. Der EKF finanziert sich aus Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten, deren Wert nahezu wöchentlich sinkt. Und gegen die andere Quelle, die Brennelementesteuer, haben E.on, Vattenfall und RWE bereits erfolgreich geklagt.

Statt große Kraftwerkseinheiten zu subventionieren, fordern Klimaschützer den Ausbau von dezentralen Einheiten mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Das können etwa Blockheizkraftwerke sein. Sie sind besonders effizient, weil sie gleichzeitig Strom und Wärme produzieren und Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen – mehr als doppelt so viel wie ein konventionelles Kohlekraftwerk. Die Bundesregierung hat das ehrgeizige Ziel, im Jahr 2020 auf einen KWK-Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung zu kommen.

Dass sie dies mit der derzeitigen Förderung schafft, ist aber unwahrscheinlich. Zurzeit liegt der KWK-Anteil lediglich bei 13 Prozent. Die Bundesregierung will daher das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung überarbeiten.

Die Bundesregierung novelliert das KWK-Gesetz

Die Deutsche Umwelthilfe hat überschlagen, dass mit den Subventionen, die Rösler den Kraftwerksbauern gewähren will, jeder Privathaushalt für den Einbau einer Mini-KWK-Anlage im Keller 4500 Euro Zuschuss erhalten könnte. Wer Strom aus einem Blockheizkraftwerk ins öffentliche Netz einspeist, erhält dafür per Umlage eine Förderung je Kilowattstunde. Wird die KWK-Anlage mit Biomasse betrieben, erhöht sich diese sogar.

Der Charme solcher Anlagen liegt auf der Hand: Sie sind unabhängig von Wind und Wetter und könnten fluktuierenden Ökostrom ausgleichen. Das Hamburger Unternehmen Lichtblick will etwa langfristig 100.000 solcher KWK-Anlagen in Privathaushalten installieren und deutschlandweit vernetzen. Die Wärme würde privat im eigenen Haus genutzt, der Strom dagegen ins öffentliche Netz eingespeist. Man wolle keine Werbung für Lichtblick machen, heißt es bei der Umwelthilfe. "Aber solche Ideen könnten den Bau von Großkraftwerken überflüssig machen."