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Weichtiere - Zeno.org

Weichtiere

[468] Weichtiere (Mollusken, Malakozoen, Mollusca), eine Gruppe von Tieren, die den Namen Mollusken von Cuvier erhalten haben, der sie 1812 aus dem Verbande der Linnéschen »Würmer« löste und sie zu einer besondern Klasse erhob. Seitdem wurden aber einige kleinere Gruppen von ihnen abgetrennt, so die Rankenfüßer, Armfüßer, Manteltiere und Moostierchen. Bezüglich ihrer Herkunft und Verwandtschaft ist man anzunehmen geneigt, daß diese auf die Würmer hinweist. Der Körper der W. ist sowohl äußerlich wie innerlich ungegliedert. Ein Skelett fehlt, und da die W. durchgehends eine weiche Körperdecke besitzen, so rechtfertigt sich der Name Weichtier. Dagegen haben weitaus die meisten W. eine Schale, d. h. eine durch Ablagerung von Kalksalzen mehr oder weniger erhärtete Abscheidung der Hautdecke, und zwar bildet sie eins der wesentlichsten Merkmale, da auch die im erwachsenen Zustand schalenlosen W. zumeist in der Jugend eine Schale besitzen. Diese entsteht im Bereich einer vom Rücken des Tieres ausgehenden, oft sehr umfangreichen Hautfalte, des sogen. Mantels, und ist im einfachsten Fall ein unpaares, schüsselförmiges Gebilde, das den Rücken überdeckt, oder aber es wächst assymmetrisch aus und stellt dann ein spiralig gewundenes Gehäuse dar (Schnecken). Bei den Muscheln besteht die Schale aus zwei am Rücken gelenkig miteinander verbundenen Klappen; bei den Tintenschnecken erscheint die ebenfalls unpaare Schale meiner Ebene gewunden und außerdem gekammert, doch wird sie hier wie auch bei manchen Schnecken rückgebildet und zu einer im Mantel verborgenen, hornigen oder kalkigen Platte. Die Schale pflegt im Jugendzustand aus einem äußern organischen Häutchen[468] (Periastracum) und mehreren darunter liegenden Schichten aus kohlensaurem Kalk zu bestehen. Sie ist anfangs sehr klein und vergrößert sich mit dem Wachstum des Tieres und hält also mit der Ausdehnung des zu schützenden weichen Körpers gleichen Schritt. Höchst charakteristisch für die W. ist der Fuß, eine mehr oder weniger umfangreiche, recht verschieden gestaltete Hervorragung an der Bauchfläche, die sehr muskulös zu sein pflegt und vorzugsweise zur Bewegung dient. Bei den meisten Schnecken stellt der Fuß die verbreiterte Sohle dar, auf der das Tier (mit oder ohne Schale) ruht oder sich fortbewegt; bei andern dagegen hat er die Form eines Ruders oder einer Flosse, bei Muscheln auch wohl die eines Beiles, bei den Tintenschnecken ist er trichterförmig, kurz, er wechselt so sehr, daß er als kennzeichnendes Merkmal vielfach zur Klassifizierung der W. verwendet wird (daher z. B. die Namen Bauchfüßer, Flügelfüßer etc.). Auch der übrige Körper besitzt unmittelbar unter der Haut eine oft recht starke Muskelschicht und kann sich daher zusammenziehen oder ausdehnen. Bei den höhern Weichtieren läßt sich ein Kopf unterscheiden, der besonders Mund, Gehirn und Sinnesorgane enthält und an der spiraligen Drehung des Rumpfes, wie sie den Schnecken zukommt, keinen Anteil nimmt; bei den Muscheln ist dieser Kopfabschnitt zurückgebildet.

Die innere Organisation ist in den einzelnen Klassen eine ziemlich verschiedene. Das Nervensystem zunächst besteht in seinem zentralen Teil aus drei durch Kommissuren untereinander verbundenen Gangliengruppen: einem Oberschlundganglion (Zerebralganglion, Gehirn), das die Sinnesnerven entsendet, einem untern Fußganglienpaar (Pedalganglion), das hauptsächlich die Muskeln des Fußes versorgt, und einem dritten Paar (Viszeral- oder Eingeweideganglion), das die Nerven für Mantel, Kiemen etc. liefert. Diese Ganglien sind durch Kommissuren verbunden, in die sich zwischen Zerebral- und Viszeralganglien noch ein Pleuralganglion und Parietalganglion einschieben kann. Die Augen sind meist von kompliziertem Bau; sie liegen in der Regel paarig am Kopf (zuweilen tief in dessen Innern), bei den des Kopfes ermangelnden Muscheln in größerer Anzahl am Mantelrand. Hörwerkzeuge finden sich weit verbreitet als geschlossene Hörblasen mit Flimmerhaaren im Innern; sie sind gewöhnlich dem Fußganglion angelagert. Auch Riech- und Schmeckwerkzeuge sind, wenigstens bei den höher organisierten Formen, vorhanden, und die erstern (Osphradien) können mit dem Viszeralganglion in Verbindung stehen. Dem Gefühlssinn endlich dienen die verschiedensten Anhänge am Kopf, am Vorderteil des Körpers oder an den Mantelrändern sowie manchmal die sehr empfindliche Spitze des Fußes. Der Verdauungskanal zerfällt in mindestens drei Abteilungen, von denen die mittlere, der Magendarm, meist mit einer sehr großen Leber verbunden ist. Der After liegt ursprünglich in der Mitte des hintern Körperendes, oft aber seitlich. Alle W. haben auf der Rückenseite ein Herz in Gestalt eines Sackes, welches das arterielle Blut aus den Atmungswerkzeugen in eine einfache oder mehrfache Vorkammer aufnimmt und aus der einfachen Kammer in den Körper sendet. An die Arterien schließt sich nur bei den höchsten Formen ein Netz von Kapillargefäßen an; meist dagegen bestehen zwischen Arterien und Venen weite Bluträume, wie denn auch die Leibeshöhle einen solchen Behälter für das Blut bildet. Letzteres ist in der Regel farblos. Die Tintenschnecken u. a. haben in ihrem blauen Blut einen dem Hämoglobin der Wirbeltiere analogen Körper, das Hämocyanin, der die Aufnahme des Sauerstoffes zu vermitteln scheint; bei einigen Muscheln kommt auch echtes Hämoglobin vor. Viele W. atmen mit der ganzen Haut, die meisten aber haben Kiemen oder (seltener) Lungen. Die Kiemen sind flimmernde Fortsätze der Haut, meist zwischen Mantel und Fuß, in Form von Blättern oder verzweigten Anhängen; die Lunge dagegen entwickelt sich bei den Lungenschnecken (s. d.) als ein mit Luft gefüllter und mit Blutgefäßen ausgekleideter Teil in der Mantelhöhle. Die Niere ist bei den niedern Weichtieren paarig, bei den höhern vielfach unpaar. Bei einem Teil der W. münden auch die Öffnungen der Geschlechtsorgane in sie und stehen nicht direkt mit der Außenwelt in Verbindung. Die Fortpflanzung erfolgt stets auf geschlechtlichem Wege. Zwittertum, verbunden mit großer Komplikation der Geschlechtsteile, ist sehr verbreitet; bei den niedersten Weichtieren sind letztere paarig, bei den übrigen unpaar. Charakteristisch ist vor allem die sogen. Zwitterdrüse, in der sowohl Eier als Same gebildet werden (wegen des Nähern s. Schnecken). Besondere Ausführgänge fehlen mitunter, und dann übernimmt die Niere den Transport von Eiern und Samen nach außen. Getrenntgeschlechtlich sind viele Seeschnecken, Muscheln und alle Tintenschnecken. Die Entwickelung geschieht nur selten im mütterlichen Körper. Die fast immer in das Wasser oder an feuchte Orte in Form eines Laiches abgelegten Eier liefern einen Embryo, der sich häufig mittels Flimmerhaare schon im Ei bewegt und oft auch schon eine Schale erhält. Im allgemeinen ähneln die jungen, eben ausgeschlüpften Tiere den Erwachsenen wenig, sondern sind mit Wimperkränzen ausgestattete Trochophora oder mit ein- oder zweilappigem Wimpersegel (Velum) versehene Veligerlarven, die eine recht komplizierte Metamorphose durchmachen müssen.

Weitaus die meisten W. sind Bewohner des Wassers, und zwar vorwiegend des Meeres; die Landbewohner suchen sich feuchte Aufenthaltsorte, da sie ihrer mehr auf das Wasserleben berechneten Atmungswerkzeuge wegen nur hier zu leben vermögen. Sie sind über die ganze Erde verbreitet und haben auch in den frühern Epochen eine bedeutende Rolle gespielt. Vielfach dienen sie dem Geologen zur Bestimmung des Alters der Formationen und werden dann Leitmuscheln genannt. Man unterscheidet drei große Gruppen: Muscheln (Lamellibranchiata), Schnecken (Cephalophora) und Tintenschnecken oder Kopffüßer (Cephalopoda), denen man auch als gleichwertig die sehr ursprünglichen Amphineuren am Anfang sowie die Skaphopoden oder Solenokonchen (zwischen Muscheln und Schnecken) hinzufügt.

Vgl. Cuvier, Mémoires pour servir à l'histoire et à l'anatomie des mollusques (Par. 1817); Deshayes, Traité élémentaire de conchyliologie (das. 1835–59, 3 Bde.); Johnston, Einleitung in die Konchyliologie (a. d. Engl. von Bronn, Stuttg. 1853); Woodward, Manual of the mollusca (3. Aufl., Lond. 1875); Philippi, Handbuch der Konchyliologie und Malakozoologie (Halle 1853); Adams, The genera of recent mollusca (Lond. 1853–58, 3 Bde.); Chenu, Manual de conchyliologie et de paléontologie conchyliologique (Par. 1859–62, 2 Bde.) und Illustrations conchyliologiques (das. 1843–54,85 Lfgn., unvollendet); Clessin, Deutsche Exkursions-Molluskenfauna (u. Aufl., Nürnb. 1884-[469] 1890); Kobelt, Illustriertes Konchylienbuch (Nürnb. 1876–81) und Prodromus faunae molluscorum testaceorum etc. (das. 1886–87); Tryon, Structural and systematical conchology (Philad. 1882–84, 3 Bde.); v. Ihering, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken (Leipz. 1877); v. Martens, Die Weich- und Schaltiere (das. 1883); Fischer, Manuel de conchyliologie (Par. 1887); Bronn, Klassen und Ordnungen der W. (bearbeitet von Keferstein, Leipz. 1862–66; neue Bearbeitung von Simroth, das. 1892–1905); Grobben, Zur Kenntnis der Morphologie, Verwandtschaftsverhältnisse und System der W. (Wien 1894); Pelseneer, Introduction à l'étude des mollusques (Brüssel 1894); Goldfuß, Die Binnenmollusken Mitteldeutschlands (Leipz. 1900), und die Literatur bei Artikel »Schnecken«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 468-470.
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