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Zum Tod von Jörg Andrees Elten | Connection

Unter der Überschrift »Indien und zurück«, Untertitel »Ehemaliger SZ-Korrespondent Elten gestorben« stand in der Süddeutschen Zeitung vor ein paar Tagen ein Nachruf: 

»Zu zwei Themen ist Jörg Andrees Elten in den letzten zwei Jahren seines Lebens immer mal wieder befragt worden, zu seinen Erfahrungen als Jugendlicher bei der Waffen-SS und zu seiner Zeit bei der Bhagwan-Bewegung. Im Jahr 1977 hatte Elten den Guru für sich entdeckt, als er im indischen Poona recherchierte. Für das Magazin Stern war der Reporter damals nach Indien gereist – und blieb dort. Er schloss sich der Sekte an und gab seinen Job auf.«

Aus Gründen der presserechtlich erlaubten Zitatlänge unterbreche ich dieses Zitat des SZ-Nachrufs und füge ein, dass das gleich von Eltens Tochter kommentiert wird. Im Jahr 1977 war übrigens auch ich in Poona. Einen Guru im üblichen Sinne habe ich dort aber nicht getroffen, eher einen Anti-Guru. Und jetzt weiter im Zitat:

»In einem Interview mit seinem früheren Arbeitgeber sagte er im Jahre 2010, er habe damals zunehmend eine innere Leere gespürt, die er mit »Erfolg, Geld und Anerkennung nicht mehr kompensieren konnte«. Seine Laufbahn hatte der 1927 geborene Elten nach dem Krieg in München begonnen. Er arbeitete für die Abendzeitung, war später sechs Jahre Nahost- und Afrika-Korrespondent für die Süddeutsche Zeitung, bevor er als politischer Reporter zum Stern wechselte. Er verbrachte vier Jahre bei der Sekte…«,

Sorry, dass ich hier nochmal unterbreche, mit der Frage: Sekte? Das war eher ein wilder Haufen von Freaks, die sich dort sexuell, sozial und spirituell ausleben konnten. Konfrontierend für Schüchterne, ein Paradies für Abenteurer und für mich, den Ex-Mönch, ein Ashram vom Feinsten. Übrigens: vier Jahre? Meines Wissens ist Elten bis zu seinem Tod Sannyasin geblieben.

Ich glaube nicht, dass die Kollegen von der SZ es mir übelgenommen hätten, wenn ich die Meldung ganz gelassen hätte, aber ich hatte mal Ärger mit einem Abmahnverein aus Hamburg, der per Computer das Web nach Doubletten durchsuchte und dann eine Einstweilige Verfügung rausließ, mit Strafandrohung, wenn man nicht sofort die verlangte Gebühr zahlte, allein schon aufgrund eines Zitates, dass die übliche Länge überschreitet. Was üblich ist, darüber kann man sich streiten – aber wer will schon mit Anwälten streiten; und das wissen sie, das ist ihre Geschäftsgrundlage – also deshalb diese Unterbrechung, und jetzt weiter im Zitat:

1979 schrieb er darüber das Buch Ganz entspannt im Hier und Jetzt. Später ging Elten als freier Schriftsteller in die USA. 1998 zog er nach Deutschland zurück, leitete Kreativitäts- und Meditationsseminare. Jetzt ist Jörg Andrees Elten kurz vor seinem 90. Geburtstag gestorben.«

Diffamierung as usual 

Da ich gerade mit seiner Tochter Susanne, mit Sannyas-Namen Avinasho, korrespondierte, erfuhr ich von seinem Tod und diesem Nachruf in der Süddeutschen mit der hierzulande üblichen Anti-Sannyas-Häme. Avinasho hatte daraufhin gleich der SZ geschrieben, mit wenig Hoffnung, dass sie ihren Leserbrief veröffentlichen würden. Hier ist ihr Brief:  

»Mit unglaublicher Geschwindigkeit haben Sie einen Nachruf auf meinen Vater aus einer ganz alten Schublade gerissen. Dabei haben sie völlig übersehen, dass dieser im Jahre 27 nach Bhagwan/Osho immer noch im Diffamierungssprech der Kirchen gehalten ist, die in den 80er Jahren alles platt zu machen versuchten, das irgendwie spirituell, aber ohne ihren Segen war. Heute bieten die Kirchen die Meditationen selber an, und sicher war jeder SZ-Mitarbeiter schon mal auf einem Workshop bei dem es um Selbsterkenntnis, Spiritualität, Yoga, Tantra, Psycho oder Ähnliches ging.

Totschlagbegriff »Sekte«

Woher also diese Häme? Und wie infam ist das denn, gleich im ersten Satz die Waffen-SS in einem Aufwasch mit Bhagwan/Osho zu nennen? Und können Sie sich vorstellen, dass es für uns, die Angehörigen, der pure Stress ist, wenn wir uns dauernd gegen den Begriff »Sekte« wehren müssen, weil gedankenlose Journalisten seit anno dunnemals immer den gleichen Mist voneinander abschreiben, anstatt mal bei Wikipedia nachzulesen, was eine Sekte eigentlich sein soll. Um dann festzustellen, dass nix davon auf Osho-Fans zutrifft.

Und selbst wenn: Der Begriff Sekte ist in Deutschland zum Ober-Grusel-Totschlag-Begriff hochgejazzt worden. Der Dalai Lama z.B. sieht das völlig anders. Wenn man hier »Sekte« sagt, dann braucht man gar nicht mehr inhaltlich zu werden. Man kann sich wohlig gruseln, und fertig.

Ein Nachruf – anders

Meine Schwestern und ich hätten uns stattdessen gefreut, wenn sie z.B. erwähnt hätten, dass unser Vater Gründungsmitglied der AZ war, dass er über die griechischen Inseln geflogen ist, um die KZs der griechischen Junta zu entlarven, dass er den russischen Geheimdienst abgeschüttelt hat, um Sacharov zu interviewen, dass er mit Sharon im Sinai im Sand gelegen hat und mit ihm dessen Fresspakete geteilt hat (die ihm seine Mutter in den Krieg geschickt hat), dass er noch auf dem Rollfeld aus dem Flugzeug geworfen wurde, welches dann mit Dag Hammarskjöld abstürzte…. Weggefährten wie Klaus Happrecht z.B. beschreiben ihn als einen hochkompetenten Kollegen.

Die Angst der Journalisten

Man könnte auch durchaus darüber nachdenken, warum die Kollegen von der Presse Vaters Reise nach Indien gar so sehr, so oft und so laut erwähnt haben. Was bitte war denn für sie daran eigentlich so aufregend? Hatten sie Angst ihre Beobachterrolle zu verlieren? Und warum bitte hat der damalige Innenminister Zimmermann eine Einreiseverbot für Osho/Bhagwan ausgesprochen? Wovor graut Politiker und Journalisten hierzulande?

Mein Vater ist sehr alt geworden. Kann gut sein, dass diejenigen, die heute die SZ machen sich gar nicht mehr an ihn als Journalisten und Kollegen erinnern. »Ganz entspannt im Hier und Jetzt« ist nicht nur ein Bestseller geworden, sondern auch ein geflügeltes Wort.«

Randgruppenexistenz

Ich bringe das hier in meinem Blog aus mehreren Gründen. Zum einen, weil ich Jörg-Andrees Elten persönlich kannte und meine eigene Geschichte mit ihm hatte (die ich vielleicht mal an anderer Stelle erzählen will). Zum anderen, weil das Thema der Diffamierung alternativer religiöser Bewegungen in Deutschland auch mich als Herausgeber viele Jahre lange beschäftigt hat, inhaltlich und wirtschaftlich: Es war für uns geistig höchst herausfordernd, bedeutete aber wirtschaftlich eine Existenz auf Messers Schneide, die in den drei Jahrzehnten der Existenz von Connection nie ein ruhiges Fahrwasser erreichte. Für den Durschnittsdeutschen genügte damals ein indisch klingender Name, um das Etikett »Sekte« aufzukleben, was es für mich auf dem Land – in einem kleinen, oberbayerischen Dorf, wo der Verlag 25 Jahre lang seinen Sitz hatte, weil die Mieten in München unerschwinglich waren – schwer machte Mitarbeiter zu bekommen und nachbarschaftliche Unterstützung, geschweige denn Kapital. 

Heute geht der Totschlag-Begriff »Lügenpresse« um, weil ein großer Teil der Bevölkerung ahnt, dass die Journalisten des Mainstreams in enorm vielen Bereichen massenhypnotischen Beeinflussungen unterliegen, wenig recherchieren, viel voneinander abschreiben und manche Themen und Standpunkte tabu sind: Man macht sich zum Aussätzigen, wenn man sie bringt, und wer will schon seine eigene Karriere zerstören. Die in jenen Jahren mit dem Begriff »Sekte« Beklebten erfuhren schon damals, unmissverständlich und nachhaltig, dass man »der Presse« nur bedingt trauen darf. 

Herbert Riehl-Heyse

Eine positive Ausnahme der üblichen Sannyas- und Bhagwan-Diffamierung war der SZ-Autor und Redakteur Herbert Riehl-Heyse. Er schrieb des öfteren positiv über Bhagwan und die Sannyasins. Vermutlich musste er damals deswegen einiges an Kollegenschelte einstecken, aber er war ein Mann, der das aushalten konnte. Warum? Auch darüber schrieb er in der SZ: 

Geboren im Oktober 1940, wuchs Herbert Riehl-Heyse im oberbayerischen Altötting auf. Das wohl prägendste Erlebnis seiner Kindheit betrifft seinen Vater. Als die Amis im Mai 1945 in den letzten Tagen des Krieges gegen Altötting vorrückten, war sein Vater trotz jahrelanger Nazi-Gehinwäsche besonnen genug zu versuchen, seine Kameraden davon abzuhalten, noch ein letztes Aufgebot von Desperados ins gegnerische Feuer zu schicken. Er wurde daraufhin kurzerhand als Verräter erschossen, nur wenige Tage vor der Unterzeichnung der Kapitulation. Sein Sohn Herbert wurde in den Folgejahren in der Schule als Kind eines Feiglings und Verräters gehänselt. Sowas prägt einen Menschen. Es muss in dem kleinen Herbert eine Art inneren Schwur gegeben haben, sich nie einer Massenhypnose zu unterwerfen und zum Mitläufer einer Herde zu werden, egal wie verführerisch und opportun das Blöken mit der Masse auch sein mag. 

Rache fürs Schubladendenken 

Weil Herbert Riehl-Heyse so unbestechlich war in seiner Beobachtung, verbunden mit einer feinen Ironie, die er vor allem in den berühmten (nicht signierten) Streiflicht-Kolumnen der Süddeutschen äußerte, gibt es heute einen »Herbert-Riehl-Heyse-Preis«. Meines Wissens ist er der einzige SZ-Redakteur, zu dessen Ehren es einen Journalisten-Preis gibt. Und er wird von den Gesellschaftern des Süddeutschen Verlages gestiftet! Wäre doch schön, wenn man sich dort erinnern würde, was Riehl-Heyse auszeichnet. Der Nachruf auf Jörg Andrees Elten wäre dann anders ausgefallen. 

Und nicht nur das: Die SZ wäre dann nicht so leicht in der Schublade der Lügenpresse gelandet, diesem Schlagwort der Rechtspopulisten, unter dem nun auch seriöse recherchierende Journalisten leiden müssen. So wie es seit je der Sektiererei unverdächtige spirituell orientierte Menschen außerhalb des von den Kirchen akzeptierten religiösen Mainstreams gibt.