(Translated by https://www.hiragana.jp/)
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – Versionsunterschied – Wikipedia

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Die letzte Textänderung von 80.151.209.90 wurde verworfen und die Version 240151911 von Leif Czerny wiederhergestellt.
Markierung: Manuelle Zurücksetzung
 
(4 dazwischenliegende Versionen von 4 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:David - The Death of Socrates.jpg|mini|hochkant=1.5|[[Jacques-Louis David]]: ''Der Tod des Sokrates'']]
'''„Ich weiß, dass ich nichts weiß“''' ist ein [[geflügeltes Wort]] [[antike]]n Ursprungs: „Denn von mir selbst wusste ich, dass ich gar nichts weiß ...“ (Platon: Apologie des Sokrates&nbsp;22d).<ref>Platon, Apologie 22d, Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, bearb. von Heinz Hofmann, 5. Aufl., WBG, Darmstadt 2005, S. 17; in anderen Übersetzungen wird etwas eingeschränkt: so gut wie nichts, praktisch nichts (z.&nbsp;B. Otto Apelt, Ernst Heitsch, Rafael Ferber, Harold North Fowler).</ref> Es ist in der Fassung „{{lang|la|ipse se nihil scire id unum sciat}}“<ref>Cicero, ''Academica'' 1,16: „{{lang|la|[Socrates] ita disputat, ut&nbsp;[…] nihil se scire dicat nisi id ipsum, eoque praestare ceteris, quod illi quae nesciant scire se putent, ipse se nihil scire id unum sciat}}“&nbsp;– „[Sokrates] pflegt in der Weise zu diskutieren, dass er&nbsp;[…] erklärt, er wisse selbst nichts außer diesem, und darin sei er den anderen überlegen, dass jene zu wissen meinten, was sie nicht wissen, während er selbst nur das eine wisse, dass er nichts wisse.“</ref> auch bei [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]] bezeugt, der in seinem 45 v.&nbsp;Chr. verfassten literarischen [[Dialog]] ''Academici libri'' den Gesprächspartner [[Marcus Terentius Varro]] feststellen lässt, es handle sich um eine bekannte Aussage des griechischen Philosophen [[Sokrates]]. Dies sei den Schriften der Sokratiker, der Schüler des Sokrates, zu entnehmen. Cicero bezieht sich dabei in erster Linie auf [[Platon]]s ''[[Apologie (Platon)|Apologie]]'', eine literarische Version der Verteidigungsrede, die Sokrates als Angeklagter im Jahr 399 v.&nbsp;Chr. vor dem athenischen Volksgericht hielt. Allerdings lässt ihn Platon in einer anderen Textstelle der Apologie wörtlich sagen: „{{lang|grc|[…]&nbsp;οおみくろんὖτος μみゅーνにゅー οおみくろんἴεταί τたうιいおた εいぷしろんἰδέναι οおみくろんκかっぱ εいぷしろんἰδώς, ἐγがんまὼ δέ, ὥσπερ οおみくろんνにゅー οおみくろんκかっぱ οおみくろんδでるたαあるふぁ, οおみくろんδでるたοおみくろんμみゅーαあるふぁιいおた}}&nbsp;– allein dieser [ein für weise gehaltener Staatsmann] doch meint zu wissen, da er nicht weiß, ich aber, wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht.“<ref>Platon, Apologie 21d–22a, Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, bearb. von Heinz Hofmann, 5. Aufl., WBG, Darmstadt 2005, S. 15</ref>
 
In Platons ''Apologie'' thematisiert Sokrates an fünf Textstellen ausdrücklich sein Nichtwissen oder seinen Mangel an Weisheit. Er behauptet jedoch nicht, wie Ciceros ungenaue lateinische Wiedergabe seiner Auffassung annehmen lässt, dass die Kenntnis seiner eigenen Unwissenheit ein echtes, gesichertes Wissen sei und damit die einzige Ausnahme von der Unwissenheit darstelle. Vielmehr besagen Platons Textstellen nur, dass Sokrates sich des Umstands bewusst sei, dass ihm Weisheit oder ein wirkliches, über jeden Zweifel erhabenes Wissen fehle. Nur der delphische Gott Apollon sei wahrhaft weise, die menschliche Weisheit sei sehr wenig wert oder gar nichts (Platon, Apologie&nbsp;23a). Zudem geht es Sokrates nicht um technisches Fachwissen, sondern um Bestimmungen im Bereich der Tugenden und um die Frage nach dem Guten.<ref>[[Marcel van Ackeren]]: ''Das Wissen vom Guten'', Amsterdam 2003, S. 54–64.</ref> Was ist Besonnenheit? Was ist Tapferkeit? Was ist Frömmigkeit? Was ist Gerechtigkeit? Die wahre menschliche Weisheit ist es, sich des Nichtwissens im Wissenmüssen des Guten bewusst zu sein.<ref>Hans-Georg Gadamer: ''Sokrates’ Frömmigkeit des Nichtwissens.'' In: Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Band 7, Tübingen 1991, S. 83–117, hier: 109.</ref> Wie der historische Sokrates sein Nichtwissen und die prinzipielle Möglichkeit oder Unmöglichkeit menschlichen Wissensbesitzes beurteilt hat, ist in der altertumswissenschaftlichen Forschung umstritten.<ref>Eine Übersicht über den Forschungsstand und Erörterung der Problematik bietet [[Gail Fine]]: ''Does Socrates Claim to Know that He Knows Nothing?'' In: ''Oxford Studies in Ancient Philosophy'' 35, 2008, S. 49–88.</ref>
Zeile 88:
 
== Literatur ==
* [[Gernot Böhme]]: ''Der Typ Sokrates''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-57925-8.
* [[Günter Figal]]: ''Sokrates''. 3. Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54747-8.
* [[Manfred Fuhrmann]]: ''Apologie des Sokrates.'' Reclam, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008315-X.
* [[Hans-Georg Gadamer]]: ''Sokrates' Frömmigkeit des Nichtwissens.'' In: Gadamer: ''Gesammelte Werke'', Band 7, Mohr, Tübingen 1999, S. 83–117.
* [[Rolf Gröschner]], Wolfgang Mölkner: ''Sokrates: „Wissen“ des Nichtwissens''. In: dieselben: ''„Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Fatale Fehldeutungen philosophischer Klassiker''. Verlag Karl Alber, Baden-Baden 2023, ISBN 978-3-495-99546-4, S. 9–20.
* Elisabeth Gräb-Schmidt: ''Ironie als Existenzbestimmung der Unendlichkeit. Zur Differenz des Ironiebegriffs bei Sokrates und Kierkegaard.'' In: Niels J. Cappelørn (Hrsg.): ''Kierkegaard Studies Yearbook'' 2009, S. 41–69.
* Mugerauer, Roland Mugerauer: ''Wider das Vergessen des Sokratischen Nichtwissens''. 2 Bände, Tectum, Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9343-6 (Habilitationsschrift).
* [[Søren Kierkegaard]]: ''Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates''. In: Kierkegaard: ''Gesammelte Werke.'' Abteilung 31, Band 25, hrsg. von Emanuel Hirsch u. a., 2. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1986–1995.
* [[Karl Popper]]: ''„Ich weiss, dass ich nichts weiss – und kaum das.“ Karl Popper im Gespräch über Politik, Physik und Philosophie.'' Ullstein, Frankfurt am Main 1991.
* Mugerauer, Roland: ''Wider das Vergessen des Sokratischen Nichtwissens''. 2 Bände, Tectum, Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9343-6 (Habilitationsschrift).
* [[Bruno Preisendörfer]]: ''Sokrates weiß, dass er nichts weiß''. In: derselbe: ''Sätze, die die Welt verändern. Eine Gedankenreise von Sokrates bis Nietzsche.'' Galiani Berlin, Köln 2023, ISBN 978-3-86971-256-7, S. 13–40.
* [[Wolfgang H. Pleger]]: ''Sokrates. Der Beginn des philosophischen Dialogs.'' Rowohlt, Reinbek 1998.
* Karl Popper: ''„Ich weiss, dass ich nichts weiss – und kaum das.“ Karl Popper im Gespräch über Politik, Physik und Philosophie.'' Ullstein, Frankfurt am Main 1991.
* Gerhart Schmidt: ''Der platonische Sokrates. Gesammelte Abhandlungen 1976 – 2002''. Königshausen und Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3363-9.
* [[Wolfgang Wieland]]: ''Platon und die Formen des Wissens''. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999.
 
== Anmerkungen ==