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„Franziskanische Orden“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Guido di Graciano. Staint-Francis-and-Stories-from-his-Life. 1270..jpg|mini|hochkant=0.8|Der Ordensgründer Franziskus von Assisi (Tafelbild von [[Guido di Graciano]], nach 1270, Siena, Pinacoteca Nazionale)]]
 
'''Franziskanische Orden''' sind verschiedene vornehmlich [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] [[Ordensgemeinschaft]]en, die sich an derden von [[Franz von Assisi|Franziskus von Assisi]] (1181/1182 bis 1226) für dendie von ihm gegründeten [[Bettelorden]]Orden verfassten [[Ordensregel]]n orientieren.
 
Zu den bedeutendsten franziskanischen [[Theologe]]n und [[Philosoph]]en des 13.  und 14.  Jahrhunderts gehörten [[Antonius von Padua]], [[Alexander von Hales]], [[Bonaventura von Bagnoregio]], [[Roger Bacon]], [[Johannes Duns Scotus]] und [[Wilhelm von Ockham]]. Der Franziskaner-Publizist [[Thomas Murner]] war ein Gegner [[Martin Luther]]s in der [[Reformation]]szeit.
 
== Ordensgemeinschaften ==
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# Der erste Orden, der auf die von Franziskus gegründeten Orden der Minderen Brüder zurückgeht, umfasst die heute [[Minoriten]] genannten Konventualen (OFMConv), die [[Franziskaner (OFM)]] und die [[Kapuziner]] (OFMCap). Bis zur Teilung des Ordens 1517 findet sich auch für den gesamten Orden die Bezeichnung ''Minoriten'' (''Ordo fratrum minorum'', „Minderbrüder“).
# Der zweite Orden besteht aus den [[Nonne]]n der verschiedenen Zweige der [[Klarissen]], der [[Colettinnen]] und der [[Kapuzinerinnen]], deren Regel auf die heilige [[Klara von Assisi]] zurückgeht.
# Der 1221 gegründete [[Dritter Orden|dritte Orden]] (Terziaren) bestand ursprünglich aus Menschen, die die franziskanischen Ideale außerhalb der [[Klausur (Kloster)|Klausur]] eines Klosters umsetzen wollten. In Deutschland ist der franziskanische Drittorden unter der Bezeichnung Franziskanische Gemeinschaft (FG) organisiert; seit 2012 nennt er sich ''[[Ordo Franciscanus Saecularis]]'' („franziskanischer Orden in der Welt“). Innerhalb des dritten Ordens bildeten sich besonders im 19. Jahrhundert eine Vielzahl neuer [[Kongregation (Ordensgemeinschaft)|Ordensgemeinschaften]], die in sogenannten regulierten„regulierten dritten OrdenOrden“ zusammengefasst sind, darunter praktisch alle Gemeinschaften der [[Franziskanerinnen]] sowie weitere männliche und weibliche Verbände wie die [[Amigonianer]], [[Elisabethinnen]], [[Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz]], [[Franziskusbrüder]] oder [[Liebfrauenschwestern]].
 
Auch in anderen Konfessionen gibt es franziskanische Gemeinschaften, so [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanische]] Franziskaner und evangelische [[Terziaren]].
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Franziskus hatte die Bestellung von Brüdern für höhere kirchliche Ämter abgelehnt; kein Bruder dürfe, so die nicht bestätigte Regel 1221, ein leitendes Amt in dem Haus versehen, in dem er diene. Die Aufforderung von Kardinal [[Gregor IX.|Hugolin von Ostia]], Bischöfe aus dem Kreis seiner Brüder vorzuschlagen, wies er zurück mit der Begründung: „Mindere sind meine Brüder deswegen genannt, damit sie sich nicht herausnehmen, Höhere zu werden. Lasset sie daher unter keinen Umständen zu kirchlichen Ämtern emporsteigen, damit sie nicht umso stolzer werden, je ärmer sie sind, und gegen die übrigen sich überheblich zeigen.“<ref>[[Thomas von Celano]]: ''Das Leben des heiligen Franciscus von Assisi:'' Cap. CIX, nach: [[Andreas Rüther]]: ''Bettelorden in Stadt und Land. Die Straßburger Mendikantenkonvente und das Elsaß im Spätmittelalter'' (=&nbsp;Berliner historische Studien, Band 26: Ordensstudien XI). [[Duncker & Humblot]], Berlin 1997, ISBN 3-428-09235-X (Dissertation, Freie Universität Berlin, 1994), S. 177f., auch zum folgenden.</ref> Im Zuge der Klerikalisierung des Ordens wurden jedoch bereits ab der Mitte des 13.&nbsp;Jahrhunderts Ernennungen von Minderbrüdern zu Bischöfen üblich, einige wurden zu Kardinälen erhoben wie etwa der Ordensgeneral [[Bonaventura]] 1273. Der erste Papst aus dem Franziskanerorden war Girolamo Masci d’Ascoli als [[Nikolaus IV. (Papst)|Nikolaus IV.]] (1288–1292).
 
Die erste Niederlassung in Deutschland gründeten die Franziskaner 1221 in Augsburg, nachdem eine Reise 1217 erfolglos geblieben war, weil man die Brüder für [[Ketzer]] ([[Katharer]]) gehalten und vertrieben hatte. Die Brüder wurden auf dem großen Mattenkapitel an Pfingsten 1221 an der [[Portiuncula]]-Kapelle in Assisi ausgesandt, und am 16.&nbsp;Oktober 1221 fand in Augsburg ein erstes [[Ordenskapitel|Kapitel]] der nach Deutschland gekommenen Brüder statt. Im selben Jahr wurden von dort aus Niederlassungen in Würzburg<ref>Bruno Rottenbach: ''Würzburger Straßennamen.'' Band 1, Fränkische Gesellschaftsdruckerei, Würzburg 1967, S. 102 f. ''(Franziskanergasse)''.</ref> und Regensburg gegründet, am 30. November brachen die Franziskaner nach Köln auf<ref>[http://www.kolumba.de/?language=ger&cat_select=1&category=48&artikle=675&preview= kolumba.de].</ref>, wo sie sich 1222 niederließen. 1225 wurden Bremen und Lübeck erreicht, 1230 Riga.<ref>Bayerische Franziskanerprovinz (Hrsg.): ''1625–2010. Die Bayerische Franziskanerprovinz. Von ihren Anfängen bis heute.'' Furth 2010, S. 6f.<br />[[Dieter Berg]] (Hrsg.): ''Spuren franziskanischer Geschichte.'' Werl 1999, S. 19 (Bearb.: Bernd Schmies, Kirsten Rakemann).<br />Bernd Schmies: ''Aufbau und Organisation der Sächsischen Franziskanerprovinz und ihrer Kustodie Thüringen von den Anfängen bis zur Reformation.'' In: [[Thomas T. Müller]], Bernd Schmies, Christian Loefke (Hrsgg.): ''Für Gott und die Welt. Franziskaner in Thüringen.'' Paderborn u.&nbsp;a. 2008, S. 38–49, hier S. 39ff.</ref> Binnen weniger Jahre breitete sich der Orden im [[Heiliges Römisches Reich|Reich]] bis zur Ostsee aus. Bei ihrer Ankunft in Deutschland war bereits die Lebensweise in eigenen Häusern üblich, die jedoch im Eigentum der bisherigen Besitzer blieben. Mancherorts kamen die Brüder in Spitälern oder in verlassenen Klöstern anderer Orden unter. Häufig wurde ihnen eine Kirche überlassen, mitunter bevor sie ein Wohnhaus an dem Ort hatten.<ref>Dieter Berg (Hrsg.): ''Spuren franziskanischer Geschichte.'' Werl 1999, S.&nbsp;19.<br />Bernd Schmies: ''Aufbau und Organisation der Sächsischen Franziskanerprovinz und ihrer Kustodie Thüringen von den Anfängen bis zur Reformation.'' In: Thomas T. Müller, Bernd Schmies, Christian Loefke (Hrsg.): ''Für Gott und die Welt. Franziskaner in Thüringen.'' Paderborn u.&nbsp;a. 2008, S. 38–49, hier S. 39ff.</ref><ref>Lothar Hardick OFM: ''Die Entwicklung des Ordens der Minderbrüder nördlich der Alpen. (Testament des hl. Franziskus, Nr. 7).'' In: ''Geistliches Vermächtnis IV. Studientag der Franziskanischen Arbeitsgemeinschaft 1977.'' Werl 1977 (Wandlung in Treue Bd. 20), S. 18–29, jetzt auch in: [[Dieter Berg]] (Hrsg.): ''Spiritualität und Geschichte. Festgabe für Lothar Hardick OFM zu seinem 80. Geburtstag.'', Werl 1993, ISBN 3-87163-195-7, S. 137–146, hier S. 138f.</ref>
 
Die Franziskaner bevorzugten Bischofsstädte und ordneten sich dem dortigen Klerus wie auch den weltlichen Autoritäten unter, bei Wahrung ihrer Eigenständigkeit. Die zu der Zeit expandierenden Städte waren offen für die Zuwanderung armer, aber arbeitsfähiger Menschen; Geld- und Marktwirtschaft sowie bürgerliche Autonomiebestrebungen führten zu sozialen Spannungen. In dieser Situation bot die Lebensweise der neuen, päpstlich anerkannten Wanderprediger ohne „Klaustrum“, also ohne fest umgrenzten Klosterbezirk offenbar überzeugende soziale und religiöse Lösungen. Die Weigerung der Franziskaner, Besitz, Macht über andere und sozialen Aufstieg anzustreben, sind Ursachen für ihre große Verbreitung und Popularität, genauso wie ihre Zuwendung zu den Armen und Ausgegrenzten; in Speyer wohnten sie nach Angabe des Chronisten [[Jordan von Giano]] „außerhalb der Mauern bei den Aussätzigen“. Die Minderbrüder stellten eine „vom Evangelium Jesu Christi her gelebte Alternative zur herrschenden Wirtschaft und Gesellschaft, ja zur damals herrschenden Mentalität, Kultur und Religiösität“ dar und waren deshalb erfolgreich.<ref>Johannes Schlageter: ''Die Anfänge der Franziskaner in Thüringen.'' In: Thomas T. Müller, Bernd Schmies, Christian Loefke (Hrsgg.): ''Für Gott und die Welt. Franziskaner in Thüringen.'' Paderborn u.&nbsp;a. 2008, S. 32–37, hier S. 33f.36.</ref> Von Vorteil für ihre Expansion bis zur ersten Hälfte des 14.&nbsp;Jahrhunderts war, dass die Franziskaner an vielen Orten in Mitteleuropa von den Fürsten und Stadtoberen gefördert und zur Klostergründung ermuntert wurden.<ref>Dieter Berg (Hrsg.): ''Spuren franziskanischer Geschichte.'' Werl 1999, S.&nbsp;19.<br />Bernd Schmies: ''Aufbau und Organisation der Sächsischen Franziskanerprovinz und ihrer Kustodie Thüringen von den Anfängen bis zur Reformation.'' In: Thomas T. Müller, Bernd Schmies, Christian Loefke (Hrsgg.): ''Für Gott und die Welt. Franziskaner in Thüringen.'' Paderborn u.&nbsp;a. 2008, S. 38–49, hier S. 39ff.</ref>
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Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit.
|Autor=''Regula bullata'', Kap. 1<ref>[https://franziskaner.net/bullierte-regel/ franziskaner.net: Bullierte Regel]</ref>}}
Für Franziskus und Klara setzte sich das Erlösungswerk Jesu Christi in der Feier der [[Heilige Messe|heiligen Messe]] und der Verehrung der Eucharistie fort, die in ihrer Frömmigkeit einen hohen Stellenwert einnahm. Franziskus selber war nicht [[Priester (ChristentumKatholizismus)|Priester]], und im Franziskanerorden hat der Aspekt der brüderlichen Gemeinschaft heute ein größeres Gewicht als die priesterliche Berufung der einzelnen Brüder. Krippenfrömmigkeit und die Kreuzverehrung, etwa beim [[Kreuzweg]], wurden durch Franziskaner und Klarissen weltweit gefördert und verbreitet.<ref>Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung.'' Band 1: ''Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;145ff., 157–180.</ref>
 
Von großer Bedeutung ist eine Haltung des Friedens. Franziskus beruft sich auf göttliche Weisung: „Der Herr hat mir geoffenbart, dass wir als Gruß sagen sollen: ‚Der Herr gebe dir den Frieden!‘“ (Testament, 23). Der „wahre Friede“ ist der Frieden, den Gott gibt, aber er ist vom Frieden mit den Menschen nicht zu trennen, und er entspringt wesentlich aus der Begegnung mit den Armen; Franziskus selber hatte am Beginn seiner Berufung [[Lepra|Aussätzige]] gepflegt. In Verbindung mit dem Armutsideal bedeutet das franziskanische Friedensverständnis den Verzicht auf Waffen und Gewalt sowie eine Haltung von Demut und Geduld gegenüber allen Menschen.<ref>Horst von der Bey OFM: ''Franziskanischer Friedensdienst.'' In: Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung. Band 1: Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;73–89.</ref>
 
Auch der Selbstanspruch, ein bewusstes Leben mit der [[Schöpfung]] zu führen, hängt eng mit der Abkehr von irdischem Reichtum zusammen. Durch die Betonung dieses Aspektes erlangen die franziskanischen Orden seit Beginn der [[Ökologische Bewegung|ökologischen Bewegung]] in den 1980er-Jahren ein verstärktes Ansehen. [[Franziskus (Papst)|Papst Franziskus]] wählte 2015 für seine [[Enzyklika]] ''[[Laudato si’]]. Über die Sorge für das gemeinsame Haus'' zum Thema [[Umweltschutz|Umwelt-]] und [[Klimaschutz]] als Titel und [[Incipit]] den Anfang des [[Sonnengesang (Franz von Assisi)|Sonnengesangs]] des heiligen Franziskus.
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=== Mission ===
Von Anfang an gingen die Franziskaner hinaus, um das Christentum in nichtchristliche Länder zu bringen. Franziskus selber reiste als Missionar nach [[Palästina (Region)|Palästina]] und predigte in Ägypten vor dem [[Al-Kamil|Sultan Al-Kamil]]. Franziskus verstand seinen Auftrag als Friedensdienst und nicht in erster Linie als „Heidenbekehrung“. Bis heute sind Franziskaner in Nordafrika und in Palästina präsent. Dem friedlichen Missionsverständnis entspricht es, dass sie ein vorbildliches christliches Leben unter Andersgläubigen führen. Im 13. und 14.&nbsp;Jahrhundert waren Franziskaner in der [[Mongolei]] tätig, so [[Johannes de Plano Carpini]] im Auftrag von Papst [[Innozenz IV.]], und sie gelangten auch in das [[Kaiserreich China]] – als erster [[Johannes von Montecorvino]]. Mit [[Christoph Kolumbus]] kamen auch Franziskaner nach Amerika. Die Namen von Städten wie [[San Francisco]] und [[Los Angeles]], entstanden im 18.&nbsp;Jahrhundert, zeigen den Einfluss der Franziskaner. Das System der [[Konquistador|''Conquista'']] stellten sie nicht grundlegend in Frage, und es fanden sich Franziskaner unter den Förderern wie unter den Gegnern der [[Kolonisation]].<ref>Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung. Band 1: Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;131–138.</ref>
 
Seit dem 19.&nbsp;Jahrhundert sind deutsche Franziskaner in Brasilien tätig. Auch China war bis zum [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] ein Schwerpunkt für das Engagement mehrerer deutscher Ordensprovinzen. Ab den 1980er-Jahren wurden sie auch in Afrika tätig. Inzwischen sind überall einheimische, unabhängige Franziskanerprovinzen entstanden, in denen einheimische und europäische Brüder in „brüderlicher Assistenz“ zusammenarbeiten.<ref>Herbert Schneider: ''Die Franziskaner im deutschen Sprachgebiet. Leben und Ziele.'' Dietrich-Coelde-Verlag, Werl 1988, S.&nbsp;88–93.</ref>
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Neben den [[Dominikaner]]n beteiligten sich ab der ersten Hälfte des 13.&nbsp;Jahrhunderts unter anderem auch die Franziskaner an der Untersuchung und Verurteilung von [[Häresie|Häretikern]] im Rahmen der [[Inquisition]], vor allem in Italien, Frankreich und dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Da Dominikaner und Franziskaner aus christlichen [[Laienbewegung (Römisch-katholische Kirche)|Laienbewegungen]] hervorgegangen waren und sich ebenso wie die zeitgenössischen häretischen Bewegungen an persönlicher Armut orientierten, eigneten sie sich nach damaliger Meinung besonders gut, um inhaltliche Unterschiede zwischen rechtgläubigen und häretischen Standpunkten aufzuzeigen.
 
Aussagen über die [[Juden]] oder Begegnungen mit Juden sind von Franziskus nicht bekannt. Wie die Dominikaner, so führten auch die Franziskaner Disputationen mit jüdischen Gelehrten und waren enttäuscht, wenn diese das Christentum weiterhin ablehnten. Judenfeindliche Predigten von Franziskanern wurden im 14. und 15.&nbsp;Jahrhundert mehrfach von Päpsten kritisiert. Namentlich [[Johannes Capistranus]] trat als fanatischer Promotor der [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945|Judenverfolgung]] auf.<ref>Jörn Roland Christophersen: ''Krisen, Chancen und Bedrohungen. Studien zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg während des späteren Mittelalters (13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts)'' (= Forschungen zur Geschichte der Juden; Abt. A 32). Wiesbaden: Harrassowitz 2021, ISBN 978-3-447-11710-4, S. 324 (mit weiterer Literatur).</ref> Insgesamt ist die Beziehung zwischen den Franziskanern und den Juden aber noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet.<ref>Horst von der Bey OFM: ''Dunkles Erinnern: Juden und Franziskaner.'' In: Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung. Band 1: Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;148–157, bes. S.&nbsp;148.152f.155f.</ref>
 
=== Armutsstreit ===
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[[Datei:Barfuesser.jpg|mini|Darstellung eines Kapuziners (Schwäbisch Haller Chronik, um 1590)]]
 
Gegen diese Tendenzen einer Verwässerung des Armutsideals wandte sich eine Bewegung innerhalb des Ordens, die für eine Rückkehr zu einer strengeren Beachtung der ursprünglichen Ordensregel (''regularis observantia'', „Observanz“) eintraten. Ähnliche Bestrebungen gab es zu der Zeit auch in anderen Orden. Für die Franziskaner war die radikale Befolgung des Ideals von Bedeutung, die sich durch ein ungesichertes Leben, eine Abwendung von den Städten und die Niederlassung in Einsiedeleien am leichtesten verwirklichen ließ. Erste Gruppen entstanden etwa um die Mitte des 14.&nbsp;Jahrhunderts in Italien, wo Paul von[[Paolo Trinci]] aus [[Foligno]] seine Gefährten 1368 „Brüder von der Familie der Observanz“ nannte,<ref>[[Herbert Schneider (Franziskaner)|Herbert Schneider]]: ''Die Franziskaner im deutschen Sprachgebiet. Leben und Ziele.'' Dietrich-Coelde-Verlag, Werl 1988, S.&nbsp;18.</ref>, bald aber auch in Spanien und Frankreich. Diese Gruppen, denen im 15.&nbsp;Jahrhundert beispielsweise [[Bernhardin von Siena]], [[Johannes von Capestrano]], [[Albert von Sarteano]] (1385–1450) und [[Jakobus von der Mark]] (1394–1476) angehörten, erfreuten sich regen Zulaufs und bildeten schon bald die Mehrheit im Minderbrüderorden.
 
Das [[Konzil von Konstanz]] erlaubte 1414 in seiner Konstitution ''Supplicationibus'' den Brüdern der strengen Observanz ''(stricta observantia regularis)'', sich in allen Provinzen des Ordens niederzulassen, reformwillige Ordensmänner aufzunehmen und eigene [[Vikar#Orden|General- und Provinzvikare]] zu wählen, wodurch in den Provinzen eine zweite, eigenständige Verwaltungsebene entstand. 1430 versuchte Papst [[Martin V.]] durch die [[Martinianische Konstitutionen|Martinianischen Konstitutionen]] einen Mittelweg zu eröffnen, den „martinianische“ Konvente als Lebensweise übernehmen konnten, jedoch konnte die Trennung des Ordens dadurch nicht aufgehalten werden.<ref>Dieter Berg: ''Die Franziskaner in Westfalen.'' In: ders.: ''Armut und Geschichte. Studien zur Geschichte der Bettelorden im Hohen und Späten Mittelalter.'' (=&nbsp;''Saxonia Franciscana'' Band 11.) Butzon & Bercker, Kevelaer 2001, ISBN 3-7666-2074-6, S. 307–334, hier S. 319ff.</ref><ref>Bernd Schmies, [[Volker Honemann]]: ''Die Franziskanerprovinz Saxonia von den Anfängen bis 1517: Grundzüge und Entwicklungslinien.'' In: Volker Honemann (Hrsg.): ''Von den Anfängen bis zur Reformation.'' (= ''Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts, Bd. 1'', hrsg. von der Sächsischen Franziskanerprovinz) Paderborn 2015, S. 21–44, hier S. 66.</ref> Zur Schwächung des ursprünglichen Stammordens, der so genannten Konventualen, trugen auch äußere Einflüsse bei, etwa der [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährige Krieg]], die in den Städten wütende [[Pest]] und das [[Abendländisches Schisma|Abendländische Schisma]].
 
Auseinandersetzungen um die Ausrichtung eines Konventes verliefen nicht immer reibungslos, einerseits unter den Ordensleuten selber, andererseits auch außerhalb des Klosters, wobei Bischöfe, Gemeinderäte, Weltklerus, Klöster anderer Orden und die Bevölkerung beteiligt sein konnten. Auch einige Landesherren nahmen auf die Förderung der Observanzbewegung Einfluss, so der Brandenburger Markgraf [[Friedrich I. (Brandenburg)|Friedrich&nbsp;I.]], die mecklenburgischen Herzöge [[Magnus II. (Mecklenburg)|Magnus&nbsp;II.]] und [[Heinrich V. (Mecklenburg)|Heinrich&nbsp;V.]], Herzog [[Friedrich II. (Braunschweig-Lüneburg)|Friedrich der Fromme]] in [[Celle]] und [[Wilhelm III. (Sachsen)|Wilhelm III.]] als thüringischer Landgraf.<ref>Dieter Berg (Hrsg.): ''Spuren franziskanischer Geschichte.'' Werl 1999, S.&nbsp;155, 157ff., 173, 177, S.&nbsp;181 am Beispiel der Klostergründung in Lemgo.</ref><ref>Ingo Ulpts: ''Die Bettelorden in Mecklenburg.'' Werl 1995, S. 317, 320 f.</ref> 1466 ließ sich [[Ludwig IX. (Bayern)|Ludwig der Reiche]], Herzog von [[Bayern-Landshut]], von [[Paul II.|Papst Paul II.]] das Recht zusichern, alle Klöster seines Herzogtums zugunsten der Observanz zu reformieren. Die Brüder im Landshuter Kloster [[Kloster Sankt Peter und Paul (Landshut)|St. Peter und Paul]] beispielsweise wollten die Regeln der strengen Observanz nicht übernehmen und mussten daher das Kloster 1466 verlassen, an ihrer Stelle kamen Observanten in den [[Konvent (Kloster)|Konvent]].<ref>{{Literatur |Autor=Christian Lankes |Titel=Klöster in Bayern: Landshut, St. Peter und Paul |Hrsg=Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft |Sammelwerk=Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg |Online=https://www.hdbg.eu/kloster/index.php/pdf?id=KS0180}}</ref>
Die observanten Strömungen waren in verschiedenen Regionen uneinheitlich ausgeprägt. Als gemeinsame Kennzeichnung kann gelten<ref>Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung. Band 1: Geschichte und Spritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;97 (nach [[Kajetan Eßer]] OFM).</ref>:
 
Die observanten Strömungen waren in verschiedenen Regionen uneinheitlich ausgeprägt. Als gemeinsame Kennzeichnung kann gelten<ref>Horst von der Bey, Johannes-Baptist Freyer (Hrsg.): ''Die Franziskanische Bewegung. Band 1: Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Mainz 1996, S.&nbsp;97 (nach [[Kajetan Eßer]] OFM).</ref>:
* Annäherung an das von Franziskus grundgelegte Ideal durch strenge Beachtung der Ordensregel, Verzicht auf [[Dispens]]en von der Einhaltung der Regel und auf Privilegien,
* Abkehr von einer Verbürgerlichung des Ordens durch strenge gemeinsame Armut und einfache Kirch- und Klosterbauten,
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* Den Konventualen oder [[Minoriten]] ''(Ordo fratrum minorum conventualium)'' ist gemeinschaftlicher Besitz erlaubt; sie sind an ihrem schwarzen [[Habit]] zu erkennen.
* Die Observanten oder [[Franziskaner (OFM)]] ''(Ordo fratrum minorum (regularis observantiae))'' streben eine möglichst enge Befolgung der Franziskusregel an und tragen einen braunen Habit. Sie differenzierten sich seit den 1530er-Jahren in die [[Petrus von Alcantara#Alcantariner|Alcantariner]] (auch [[Discalceaten]]), die [[Franziskaner-Reformaten|Reformaten]] und die [[Franziskaner-Rekollekten|Rekollekten]]. Die drei Zweige unterstanden einem gemeinsamen [[Generalsuperior|Generalminister]], hatten jedoch jeweils eine partielle Selbständigkeit mit eigenen Statuten und eigenen Oberen, bis Papst [[Leo XIII.]] sie in der ''Unio Leonina'' durch die Apostolische Konstitution ''[[Felicitate quadam]]'' vom 4.&nbsp;Oktober 1897 wieder vereinigte. Mit weltweit derzeit rund 18.000 Brüdern bilden sie heute die größte Gruppe.
* Ebenfalls braun gekleidet sind die 1528 von den Observanten abgespalteten [[Kapuziner]], zunächst ''Fratres minores de vita eremitica'', ab etwa 1534 zunehmend ''Scapuccini'' genannt. Die Kapuze des [[Habit]]s weicht in der Form von der der Franziskaner und Minoriten ab und ist direkt am Habit befestigt.<ref>[[Dieter Berg]] (Hrsg.): ''Spuren franziskanischer Geschichte.'' Werl 1999, S. 245.277.</ref>
 
== Annäherung ==
Vom 12. bis 14. Juni 2017 fand aus Anlass des 500.&nbsp;Jahrestages der Ordensteilung und des [[Reformation]]sgedenkens in [[Hofheim am Taunus]] ein gemeinsames [[Mattenkapitel]] mit 70 Brüdern der drei Männerorden in Deutschland statt, an dem auch die Provinziale der [[Deutsche Franziskanerprovinz|Deutschen Franziskanerprovinz]], der [[Kapuziner#Deutschland|Deutschen Kapuzinerprovinz]] und der [[Minoriten#Organisation|Deutschen Minoritenprovinz]] teilnahmen. Man hielt eine künftige Wiedervereinigung der Minderbrüder für möglich und vereinbarte konkrete Schritte einer weiteren Annäherung.<ref>Provinzialat der Deutschen Franziskaner (Hrsg.): ''Franziskaner. Magazin für franziskanische Kultur und Lebensart.'' Sommer 2017, S.&nbsp;29.<br />[https://franziskaner.net/franziskaner-auf-dem-weg-zur-ordensvereinigung/ franziskaner.net: Franziskaner auf dem Weg zur Ordensvereinigung? Die drei Zweige des Ersten Ordens des heiligen Franziskus denken offen über einen Zusammenschluss nach (19.06.2017)]; [https://franziskaner.net/bericht-vom-mattenkapitel-der-minderbrueder/ franziskaner.net: Bericht vom Mattenkapitel der Minderbrüder (19.06.2017)]</ref> Vom 14. bis 18.&nbsp;Oktober 2021 fand in Würzburg ein weiteres Mattenkapitel mit gut 70 Brüdern aus den drei Orden statt, 800 Jahre nach der dauerhaften Niederlassung der Franziskaner in Deutschland.<ref>Tobias Rauser: '' Franziskanisches Feuer in Würzburg. Gemeinsames Treffen der Brüder des heiligen Franziskus in Deutschland.'' In: ''Franziskaner. Magazin für franziskanische Kultur und Lebensart.'' Winter 2021, S.&nbsp;30f.</ref> Die drei deutschen Provinzen habenhatten 2016 zusammen 552 Mitglieder in 79 Niederlassungen (Franziskaner 321, Minoriten 112 und Kapuziner 117).<ref>[https://www.orden.de/presseraum/zahlen-fakten/statistik-maennerorden/ orden.de: Statistik Männerorden, Stand 31. Dezember 2016], abgerufen am 11. &nbsp;Juli 2017.</ref>
 
== Frühe Kirchen- und Klosterbauten des Ersten Ordens ==
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=== Deutschsprachiger Raum ===
* Eine 1221 errichtete ''Provincia Teutonia'' wurde 1230 geteilt in eine [[Sächsische Franziskanerprovinz|sächsische]] ''(Saxonia)'' und eine rheinische Provinz. Die rheinische Provinz teilte sich nach 1239 in eine niederdeutsche Provinz, die [[Kölnische Franziskanerprovinz|Kölner Provinz]] ''(Colonia)'', und eine oberdeutsche, die Straßburger Provinz ''(Argentina)''. Von der ''Saxonia'' wurden in derselben Zeit die ''Dacia'' (Dänemark) und die ''Bohemia'' (Böhmen) abgetrennt.<ref>Bayerische Franziskanerprovinz (Hrsg.): ''1625–2010. Die Bayerische Franziskanerprovinz. Von ihren Anfängen bis heute.'' Furth 2010, S. 6f.<br />Willibald Kullmann: ''Die Sächsische Franziskanerprovinz, ein tabellarischer Leitfaden ihrer Geschichte.'' Düsseldorf 1927, 9.14–20.</ref>
* Die ersten Klostergründungen im deutschsprachigen Raum ([[Augsburg]], [[Würzburg]], [[Regensburg]], [[Mainz]], [[Worms]] und [[Speyer]]) erfolgten im Jahre 1221 durch Brüder, die vom Ordensgründer selbst entsandt worden waren; 1222 kamen [[Straßburg]], [[Köln]], [[Franziskaner (Schwäbisch Gmünd)|Schwäbisch Gmünd]] und [[Haguenau|Hagenau im Elsass]] hinzu, 1224 [[Barfüßerkirche (Erfurt)|Erfurt]].<ref>auf www.franziskanerkloster-wuerzburg.de, Stand 2. Februar 2010. Ein Ansiedlungsversuch in Salzburg scheiterte zunächst, vgl. {{Webarchiv |url=http://franziskaner.members.cablelink.at/provinzarchiv/pa_anfaenge_salzburg.pdf |text=Vortragstext |wayback=20141220193627}} auf franziskaner.members.cablelink.at, abgerufen am 20. Dezember 2014.</ref>
* In Eisenach stiftete Landgräfin [[Elisabeth von Thüringen]] 1225 das [[Franziskanerkloster St. Paul]]. Die Franziskaner mussten 1525 Eisenach verlassen.
* Das Lübecker Katharinenkloster mit [[Katharinenkirche (Lübeck)|Katharinenkirche]] war von 1225 bis zur Reformation 1531 in Funktion. Der Gebäudekomplex gehört heute zum [[UNESCO-Welterbe|Weltkulturerbe]]. Von Lübeck aus wurde bald nach 1230 ein Konvent in [[Riga]] gegründet.
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* Das [[Franziskanerkloster Graz]] wurde 1239 gegründet, wobei zwei Minderbrüder, Albert und Marchward, urkundlich bezeugt sind. 1241 fand hier das erste urkundlich nachweisbare Provinzkapitel der österreichischen Minderbrüder statt.<ref>Horst Schweigert: ''Die Franziskaner- und Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Graz. Ehemalige Minoritenkirche.'' Reihe ''Christliche Kunststätten Österreichs'', Band 170, {{ZDB|2182605-5}}, Verlag St.&nbsp;Peter, Salzburg 1989, S. 2.</ref> 1515 wurde das Kloster von den [[Franziskaner (OFM)|Franziskaner-Observanten&nbsp;(OFM)]] übernommen, die es seitdem besitzen. An das Konventsgebäude schließt sich die Franziskanerkirche Graz an.
* Das [[Franziskanerkloster Fritzlar|Franziskanerkloster in Fritzlar]] wurde 1244 geweiht. 1517 bekannten sich die Ordensleute zu den Minoriten, 1811 wurde das Kloster aufgehoben.
* Nach Berlin kamen die Franziskaner in den 1240er-Jahren und gründeten das [[Graues Kloster (Berlin)|Graue Kloster]]. DieDas Kloster wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört; allein die [[Franziskaner-Klosterkirche (Berlin)|Klosterkirche]] wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und ist als Ruine erhalten.
* Das Franziskanerkloster mit [[Oppenheimer Sakralbauten#Bartholomäuskirche|Bartholomäuskirche]] in [[Oppenheim]] wurde ab etwa 1250 erbaut.
* Das [[Franziskanerkloster Dresden|Franziskanerkloster in Dresden]] wurde 1272 erstmals urkundlich erwähnt, 1539 im Zuge der Reformation aufgehoben, im 17. bis 19. Jahrhundert abgerissen. Die zugehörige Kirche blieb bis 1945 als [[Sophienkirche (Dresden)|Sophienkirche]] erhalten.
* Heute ist das älteste durchgehend bestehende Franziskanerkloster Deutschlands das [[Franziskanerkloster Würzburg]] der Minoriten. Es wurde 1221 gegründet.
 
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== Literatur ==
* Horst von der Bey, [[Johannes-Baptist Freyer]]: ''Die Franziskanische Bewegung.''
** Bd. 1: ''Geschichte und SpritualitätSpiritualität.'' Matthias-Grünewald, Mainz 1996.
** Bd. 2: ''Weltweites Engagement heute.'' Matthias-Grünewald, Mainz 1996.
* [[Ferdinand Doelle]]: ''Die Observanzbewegung in der sächsischen Franziskanerprovinz bis zum Beginn der Glaubensspaltung: mit Berücksichtigung der Martinianischen Reform in Kursachsen.'' Münster 1918.