(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Benutzer:Bahnmoeller/Schießbefehl – Wikipedia

Ein Schießbefehl ist der Befehl an Schützen einen (oder mehrere) Schüsse abzugeben. Im Militär- oder Polizeieinsatz dient dieser Befehl dazu, das taktische Handeln zu koordinieren.

Beim Militär soll der Gegner nicht durch vorzeitiges Feuer auf die eigenen Einheiten aufmerksam gemacht werden. So beziehen die Soldaten erst ihre Posten oder die sogenannte Ausgangsposition. Wenn die (nach Meinung des Befehlshabers) optimale taktische Position aller Soldaten/Einheiten erreicht ist oder wenn andere Umstände dazu zwingen (meist ein geändertes oder bisher nicht erkanntes Verhalten des Gegners), wird mit dem Befehl Feuer frei! ein Schießbefehl gegeben. Bei Übungen (z.B. auf einem Schießplatz) dient der Schießbefehl in erster Linie der Sicherheit. Der Befehl "Feuer frei" wird erst gegeben, wenn eine Gefährdung von Personen ausgeschlossen ist.

Bei Polizeieinsätzen ist oft der Schutz des Lebens einzelner Personen das Kriterium, ob und wann ein Schusswaffengebrauch angeordnet oder selbst vom Schützen entschieden wird.


Schießbefehl in der DDR

Bearbeiten

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Einsatz von Schusswaffen an der Staatsgrenze der DDR zur BR Deutschland fälschlicherweise als Schießbefehl bezeichnet. Einen direkten Befehl zum Schießen auf Grenzverletzer gab es nicht. Allerdings gab es vom Politbüro der SED vermutlich eine Richtlinie, nach der Grenzverletzungen auch unter Anwendung einer Schusswaffe grundsätzlich zu verhindern waren. Die Einzelheiten sind aufgrund unterschiedlicher Aussagen der Verantwortlichen und fehlender Dokumente bis heute nicht eindeutig geklärt.

Geltendes Recht waren das Grenzgesetz der DDR, die Dienstvorschriften der Grenztruppen der DDR und die Schußwaffengebrauchsbestimmung. Das Grenzgesetz regelte, dass die Ein- und Ausreise von und nach der DDR nur mit gültigen Dokumenten über zugelassene Grenzübergangsstellen möglich ist. Die Schußwaffengebrauchsbestimmung ist denen der Polizei der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesgrenzschutzes (BGS, jetzt Bundespolizei) vergleichbar.

Die Dienstvorschriften der Grenztruppen der DDR regelten das System der Sicherung der Staatsgrenze. Vor jedem Einsatz wurden die Grenzsoldaten entsprechend der seit 1974 gültigen Dienstvorschrift DV 018/0/008 "Einsatz der Grenztruppen zur Sicherung der Staatsgrenze, Grenzkompanie" mit folgendem Befehl vergattert: "Der Zug (...) sichert die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik im Abschnitt der (...) Grenzkompanie mit der Aufgabe, Grenzdurchbrüche nicht zuzulassen, Grenzverletzer vorläufig festzunehmen oder zu vernichten und den Schutz der Staatsgrenze unter allen Bedingungen zu gewährleisten - Vergatterung!" Einen ausdrücklichen Schießbefehl an die Grenzsoldaten gab es in dieser Dienstvorschrift nicht, jedoch läßt die Vergatterungsformel bei nicht erfolgversprechender Festnahme nur eine Alternative zu.

Der Gebrauch der Schusswaffe an der DDR-Grenze wurde durch die Schußwaffengebrauchsbestimmung geregelt. Diese Bestimmung erlaubte als letztes Mittel (wenn andere Möglichkeiten von körperlicher Gewalt keinen Erfolg versprachen) den Gebrauch der Waffe (nach Anruf und Warnschuss in die Luft) für einen gezielten Schuss in die Beine. Gegen Kinder, schwangere Frauen und offensichtlich geistig behinderte Personen durfte die Waffe nicht eingesetzt werden.

In der Praxis wurde der sich unerlaubt im Bereich der Staatsgrenze der DDR aufhaltende Grenzverletzer vom Posten laut angerufen:

  • "Halt Grenztruppen, stehenbleiben!",
  • "Halt, stehenbleiben, oder ich schieße!",
  • danach wurde ein Warnschuss in die Luft abgegeben (meist aus einem Sturmgewehr Typ Kalaschnikow AK-47),
  • falls der Grenzverletzer danach nicht stehenblieb und es auch keine andere Möglichkeit gab, ihn aufzuhalten, sollte ein gezielter Schuss, möglichst auf die Beine abgegeben werden, um ihn zu stoppen.

Schüsse auf das Gebiet Westdeutschlands und Westberlins waren unbedingt zu vermeiden.

Datei:Berlin Wall graffiti&death strip.jpg
Frühere Berliner Mauer am Bethaniendamm/ Kreuzberg - Blick von Westberlin

Hinterher fand immer eine Untersuchung der "Grenzverletzung" durch die Militärstaatsanwaltschaft und Dienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) HA I ("Verwaltung 2000") statt. Bei der Angabe der Todesursache auf dem Totenschein wurden verschleiernde Angaben gemacht; für das Begräbnis ergingen an die Familienangehörigen strenge Auflagen, so durften sie z.B. keine Todesanzeige in der Tageszeitung veröffentlichen.

Im Vorfeld der Grenzanlagen waren zahlreiche viersprachige Warnschilder aufgestellt, die vor dem Betreten der Grenze warnten: "Grenzgebiet - Betreten und Befahren verboten", zusätzlich in Englisch, Französisch und Russisch. Die Grenze war durch ein 5 km tiefes Sperrgebiet abgeschottet, das nur von Anwohnern und Personen mit entsprechender Genehmigung betreten werden durfte.

Laut Grenzgesetz der DDR vom 25. März 1982 war das Betreten der Staatsgrenze der DDR nur an den dafür vorgesehenen Grenzübergangsstellen (GÜST) vorgesehen. Darin war auch der Schusswaffengebrauch gemäß § 27 Abs. 2 als äußerstes Mittel "gerechtfertigt, um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern, die sich den Umständen nach als Verbrechen darstellt." In der strafrechtlichen Praxis der DDR wurde die "Republikflucht" meist als Verbrechen gewertet und mit ca. zwei Jahren Gefängnisstrafe geahndet. Zuvor galten ab 1964 die Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze und die Grenzordnung von 1972. Bereits kurz nach dem Mauerbau forderte am 20. September 1961 der zuständige Nationale Verteidigungsrat (NVR) der DDR in einem einstimmigen geheimen Beschluss: "Gegen Verräter und Grenzverletzer ist die Schußwaffe anzuwenden". Die "Grenzverletzung" war auch nach dem StGB-DDR strafbar.

Dies sind die formal-rechtlichen Aspekte, die nicht vergessen lassen dürfen, dass spätestens nach dem Mauerbau 1961 die Reisefreiheit für Besuchsreisen bzw. ständige Ausreisen nach Westen (BR Deutschland, Westberlin) sehr eingeschränkt war und somit vielen Menschen nur das illegale Überwinden der Sperranlagen blieb, um in den Westen zu kommen. Insgesamt wurden ca. 260 Menschen bei Fluchtversuchen über die Berliner Mauer nach Westberlin, die innerdeutsche Grenze oder die Ostsee getötet. In Berlin starben in den 28 Jahren der Mauer ca. 190 Flüchtlinge. Eine unbekannte Anzahl wurde schwer verletzt und anschließend inhaftiert. Letzter Mauertoter war am 5. Februar 1989 Chris Gueffroy. An hohen Feiertagen und bei Staatsbesuchen wurde zeitweise der "Schießbefehl" an der Grenze ausgesetzt, um negative Nachrichten zu vermeiden.

Anfang April 1989 ordnete Erich Honecker als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates streng vertraulich die Aufhebung des Schießbefehls aufgrund der angespannten politischen Situation an. In der Anordnung hieß es unter anderem: "...Lieber einen Menschen abhauen lassen, als in der gegenwärtigen Situation die Schußwaffe anzuwenden."

Zu Opfern des Grenzsystems zählen neben den sogenannten Republikflüchtlingen auch einige Grenzsoldaten.

Grenzzwischenfälle wurden vom die Grenze bewachenden bundesdeutschen Bundesgrenzschutz (BGS) sowie der Bayrischen Grenzpolizei (BGP), der Westberliner Polizei und der alliierten Militärpolizei dokumentiert. Eine Aktensammlung war bei der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter angelegt.

Vergleich der Schusswaffengebrauchbestimmungen der BR Deutschland und DDR im Grenzdienst

Bearbeiten

Grenzgesetz der DDR, § 27 "Anwendung von Schußwaffen"

Bearbeiten

(1) Die Anwendung der Schußwaffe ist die äußerste Maßnahme der Gewaltanwendung gegenüber Personen. Die Schußwaffe darf nur in solchen Fällen angewendet werden, wenn die körperliche Einwirkung ohne oder mit Hilfsmitteln erfolglos blieb oder offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Die Anwendung von Schußwaffen gegen Personen ist erst dann zulässig, wenn durch Waffenwirkung gegen Sachen oder Tiere der Zweck nicht erreicht wird.

(2) Die Anwendung der Schußwaffe ist gerechtfertigt, um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer Straftat zu verhindern, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt. Sie ist auch gerechtfertigt zur Ergreifung von Personen, die eines Verbrechens dringend verdächtig sind.

(3) Die Anwendung der Schußwaffe ist grundsätzlich durch Zuruf oder Abgabe eines Warnschusses anzukündigen, sofern nicht eine unmittelbar bevorstehende Gefahr nur durch die gezielte Anwendung der Schußwaffe verhindert oder beseitigt werden kann.

(4) Die Schußwaffe ist nicht anzuwenden, wenn

a) das Leben oder die Gesundheit Unbeteiligter gefährdet werden können,
b) die Personen dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter sind oder
c) das Hoheitsgebiet eines benachbarten Staates beschossen würde.
Gegen Jugendliche und weibliche Personen sind nach Möglichkeit Schußwaffen nicht anzuwenden.

(5) Bei der Anwendung der Schußwaffe ist das Leben von Personen nach Möglichkeit zu schonen. Verletzten ist unter Beachtung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen Erste Hilfe zu erweisen.

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes

Bearbeiten

Paragraph 10, Anwendung von Schußwaffen

(1) Schußwaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden,

1. um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach

a) als ein Verbrechen

oder

b) als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Sprengstoffen begangen werden soll oder ausgeführt wird,

darstellt;

2. um eine Person, die sich der Festnahme oder der Feststellung ihrer Person durch die Flucht zu entziehen versucht, anzuhalten, wenn sie

a) bei einer rechtswidrigen Tat auf frischer Tat betroffen wird, die sich den Umständen nach als ein Verbrechen darstellt oder als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Sprengstoffen begangen wird,

b) eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder

c) eines Vergehens dringend verdächtig ist und Anhaltspunkte befürchten lassen, daß sie von einer Schußwaffe oder einem Sprengstoff Gebrauch machen werde; ...

Paragraph 11, Schußwaffengebrauch im Grenzdienst

(1) Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, daß die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuß ersetzt werden.

(2) Als Grenzdienst gilt auch die Durchführung von Bundes- und Landesaufgaben, die den in Absatz 1 bezeichneten Personen im Zusammenhang mit dem Grenzdienst übertragen sind.

Paragraph 12, Besondere Vorschriften für den Schußwaffengebrauch

(1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges erfolglos angewendet sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Der Zweck des Schußwaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Es ist verboten, zu schießen, wenn durch den Schußwaffengebrauch für die Vollzugsbeamten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden, außer wenn es sich beim Einschreiten gegen eine Menschenmenge (§ 10 Abs. 2) nicht vermeiden läßt.

(3) Gegen Personen, die sich dem äußeren Eindruck nach im Kindesalter befinden, dürfen Schußwaffen nicht gebraucht werden.

Paragraph 13, Androhung

(1) Die Anwendung von Schußwaffen ist anzudrohen. Als Androhung gilt auch die Abgabe eines Warnschusses. ...


Allein aus dem direkten Vergleich erschließt sich dem juristischen Laien die Äquivalenz der Bestimmungen. Über die Handhabung, sprich Auslegung im Augenblick der Gefahr ist dabei nichts ausgesagt. Dies gilt insbesondere für die Extremsituation sich einem Grenzverletzer gegenüber zu sehen und dessen Absichten oder dessen zu verwendende Hilfsmittel nicht zu kennen. Im UZwG wird hier explizit auf den möglichen Waffen- oder gar Sprengstoffgebrauch des Subjekts hingewiesen!

Mauerschützenprozesse

Bearbeiten

Nachweisliche Todesschützen der DDR-Grenztruppen wurden nach der Wiedervereinigung vor bundesdeutschen Gerichten in den Mauerschützen-Prozessen strafrechtlich verurteilt. Gegen die für das Grenzregime verantwortlichen Kommandeure der Grenztruppen und die Mitglieder im Nationalen Verteidigungsrat (NVR) der DDR wurden ebenfalls Prozesse geführt. Die Richter waren der Ansicht, dass auch die einfachen Grenzsoldaten damals hätten erkennen können und müssen, dass die DDR-Grenzgesetze aufgrund übergeordneter Menschenrechte rechtswidrig waren und sie sich dem Schießbefehl ihrer Grenzoffiziere hätten verweigern müssen. Es gab insofern Ausnahmen von Rückwirkungsverbot nach der Radbruchschen Formel.

Ebenso mussten sich schon vor der Wende auch Personen vor Gerichten der Bundesrepublik ggf. verantworten, wenn sie Grenzsoldaten erschossen hatten.

Siehe auch: DDR-Justiz