Chinesischer Kalender
Der chinesische Kalender war der offizielle Kalender des Kaiserreichs China.
Bezeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heutige Bezeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Er ist meist noch als „Bauernkalender“ (chinesisch
Traditionelle Namen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die traditionellen Bezeichnungen waren Xiàlì (
Heutige Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der chinesische Kalender wird noch im gesamten chinesischsprachigen Raum für die Berechnung traditioneller chinesischer Feiertage verwendet. Darüber hinaus dient er Anhängern der chinesischen Astrologie oder Fengshui-Meistern als Berechnungsgrundlage für die Festlegung „astrologisch günstiger“ Tage, um beispielsweise Feste und Feiern zu begehen, bauliche Tätigkeiten zu beginnen oder besondere Aktivitäten an „astrologisch ungünstigen Tagen“ zu vermeiden o. Ä.
Die meisten traditionellen chinesischen Feste richten sich nach dem Mondkalender. Wichtige Ausnahmen sind das Qingming-Fest und das Fest der Wintersonnenwende.
Traditionelles Fest | Langzeichen | Kurzzeichen | Pinyin | Datum | Bemerkung |
---|---|---|---|---|---|
Neujahrsfest Frühlingsfest |
农历 |
nónglì xīnnián, chūnjié |
1. Tag des 1. Monats | Feier zum Frühlingsbeginn | |
Laternenfest | yuánxiāojié dēngjié |
15. Tag des 1. Monats | abendliche Laternenschau, informelle Brautwerbung durch Gedichte auf den Laternen im historischen China | ||
Qingming-Fest | qīngmíngjié | variiert im 3. Monata (4., 5. selten 6. April) |
Totengedenktag | ||
Drachenbootfest | duānwǔjié chóngwǔjié |
5. Tag des 5. Monats | Gedenken an Qu Yuan | ||
Qixi-Fest | 乞巧 |
乞巧节 |
qīxī qǐqiǎojié |
7. Tag des 7. Monats | Fest der Liebenden – vergleichbar dem Valentinstag |
Ullambana-Festb Zhongyuan-Festc Geisterfestd |
盂兰 |
yúlánpénjié zhōngyuánjié guǐjié |
15. Tag des 7. Monats | in Japan als Obon | |
Mondfest (Mittherbstfest) | zhōngqiūjié | 15. Tag des 8. Monats | in Japan als O-Tsukimi | ||
Chongyang-Fest (Doppelneunfest) |
chóngyángjié chóngjiǔjié |
9. Tag des 9. Monats | Totengedenktag | ||
Wintersonnenwende | dōngzhì | variiert im 11. Monata (21., 22. selten 23. Dezember) |
traditionell wichtiger als das Chinesische Neujahrsfest | ||
Laba-Fest | 腊八 | làbā | 8. Tag des 12. Monats | Erwachen Siddhartha Gautamas, Ankündigung des Frühlings |
Regelwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der chinesische Kalender ist eine Kombination aus einem gebundenen Mondkalender (Lunisolarkalender = Mondkalender mit Schaltmonaten, die zum Abgleich mit dem Sonnenjahr eingefügt werden) und einem Sonnenkalender.[1] Es gibt parallel das Mondjahr (
Sonnenkalender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Sonnenjahr sui beginnt am Tag der Wintersonnenwende und ist – wie im Gregorianischen Kalender – immer 365 oder 366 Tage lang.
Die Bahn, die die Sonne innerhalb eines tropischen Jahres von 365,24 Tagen scheinbar auf der Ekliptik durchläuft, wird in 24 Teile von je 15° unterteilt. Dies sind die 24 Stationen oder Jahreseinteilungen (
Die 24 Stationen sind traditionell wichtig für die chinesische Landwirtschaft und werden noch in den meisten Kalendern in China verzeichnet[2]. Klimatisch gesehen treffen sie eher für Nordchina zu, für Südchina weniger. Sie wurden 2016 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[3]
Jeweils sechs Jahreseinteilungen gehören zu einer Jahreszeit. Während aber im westlichen Kalender die Jahreszeiten mit dem Tag der Sonnenwende bzw. der Tagundnachtgleiche beginnen, liegen im chinesischen Kalender diese Tage in der Mitte der jeweiligen Jahreszeit. Man zählt die Stationen beginnend mit dem Frühlingsanfang – lichun, und mancherorts gilt der Frühlingsanfang (und nicht die Wintersonnenwende) als Beginn des sui-Jahres.[4]
315° | Frühlingsanfang (3.–5. Februar) | 330° | Regen (18.–20. Februar) | ||
345° | Erwachen der Insekten (5.–7. März) | 0° | Frühlingstagundnachtgleiche (20.–22. März) | ||
15° | Klar und hell (4.–6. April) | 30° | Regen auf die Saat (19.–21. April) | ||
45° | Sommeranfang (5.–7. Mai) | 60° | Kleine Fülle / Ährenbildung (20.–22. Mai) | ||
75° | Körner mit Grannen / Ährenzeit (5.–7. Juni) | 90° | Sommersonnenwende (21.–22. Juni) | ||
105° | Mäßige Hitze (6.–8. Juli) | 120° | Große Hitze (22.–24. Juli) | ||
135° | Herbstanfang (7.–9. August) | 150° | Ende der Hitze (22.–24. August) | ||
165° | Weißer Tau (7.–9. September) | 180° | Herbsttagundnachtgleiche (22.–24. September) | ||
195° | Kalter Tau (8.–9. Oktober) | 210° | Reif (23.–24. Oktober) | ||
225° | Winteranfang (7.–8. November) | 240° | Mäßiger Schnee (22.–23. November) | ||
255° | Großer Schnee (6.–8. Dezember) | 270° | Wintersonnenwende (21.–23. Dezember) | ||
285° | Mäßige Kälte (5.–7. Januar) | 300° | Große Kälte (20.–21. Januar) |
Gebundener Mondkalender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Mondjahr nián wird in Monate (
Der heutige Kalender gilt seit der Reform von 1645, die mit Hilfe der Jesuiten (Adam Schall von Bell) durchgeführt wurde. Er lässt sich in den folgenden fünf Regeln zusammenfassen:
- Bezugspunkt ist der Meridian, der der Zeitzone von Peking entspricht (heute: 120°O).
- Der Tag beginnt um Mitternacht.
- Der Neumond fällt immer auf den ersten Tag eines Monats.
- Die Wintersonnenwende der Nordhalbkugel fällt immer auf den 11. Monat.
- Wird ein Schaltmonat notwendig, so ist dies der erste Monat zwischen zwei Wintersonnenwenden, auf den kein Zhongqi fällt.
Der erste Monat des Jahres heißt Zhēngyuè (
Die Monate haben 29 Tage (
Die Berechnung des chinesischen Kalenders ist deswegen so kompliziert, weil sie nicht auf den Mittelwerten, sondern auf den exakten astronomischen Stellungen von Mond und Sonne fußt. Während im gregorianischen Kalender und im jüdischen Lunisolarkalender die Schaltjahre einem festen Rhythmus folgen und die Schalttage bzw. Schaltmonate sowie die Länge der einzelnen Monate festgelegt sind, ist dies im chinesischen Kalender nicht der Fall. Überdies variiert der synodische Monat zwischen 29,27 und 29,84 Tagen und ist manchmal länger als der Zeitabstand zwischen zwei Zhongqi (29,45 … 31,45 Tage). Daher kommt es in seltenen Fällen vor, dass auf einen Monat zwei Zhongqi fallen oder dass auf einen Monat kein Zhongqi fällt, er aber kein Schaltmonat ist.
Der Tag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Tag (von Mitternacht bis Mitternacht) wurde zunächst in 100 Einheiten (Ke
Die Zeiteinheit Ke wurde in 100 oder 60 Fen (
Daneben wurden die 12 traditionellen chinesischen Stunden (Shichen,
Zeitrechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Für die Zeitrechnung (Datumsangabe, Zählung der Jahre) wurde der Mondkalender verwendet.
Regierungsdevise (Ära)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Zählung der (Mond-)Jahre richtete sich nach der Regierung des Kaisers. Bei der Thronbesteigung proklamierte der Kaiser eine Regierungsdevise, die traditionell aus zwei Schriftzeichen bestand. Oft gab auch ein Kaiser im Laufe seiner Regierungszeit weitere Regierungsdevisen aus. Mit jeder Regierungsdevise begann eine neue Ära mit eigener Zählung der Jahre. Das Jahr 1 wurde Yuan (
Der 60-Jahre-Zyklus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Jahre folgen einem Zyklus, der über 60 Jahre läuft. Er setzt sich aus einem Zyklus der zehn Himmelsstämme (
Dieser Zyklus war unabhängig von der jeweiligen Dynastie und deshalb im Falle eines Dynastiewechsels zuverlässiger.
Zum Termin der Neujahrstage der drei 60-Jahre-Zyklen zwischen 1900 und 2080 und ihrer Zuordnung zu Tierkreiszeichen und Element siehe Chinesische Neujahrstermine.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder Verbesserungen gemacht oder Berechnungsgrundlagen gingen im Laufe von Auseinandersetzungen zwischen den chinesischen Staaten verloren. Auch kamen im Laufe der Zeit indische, persische und europäische Ideen und veränderten den Ansatz der Astronomen. Das führte zu einer ganzen Reihe von Kalendern, die z. T. gleichzeitig in Gebrauch waren.
Shen Kuo entwickelte den 12-Qijie-Kalender während der Song-Dynastie (960–1127).
Persische Erkenntnisse bewogen Guo Shoujing (1231–1316), den Shoushi-Kalender (auch: Shou shih li – 授時
Nach dem Ende der Qing-Dynastie wurde der chinesische Kalender am 1. Januar 1912, dem Datum der Gründung der Republik China, durch den gregorianischen Kalender (
Kulturelle Einflüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ostasien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der chinesische Kalender wurde über China hinaus im ostasiatischen Kulturraum übernommen. So basieren der traditionelle koreanische Kalender, der japanische Kalender und der vietnamesische Kalender auf dem chinesischen. Das koreanische Neujahrsfest „Seollal“ und das vietnamesische Neujahrsfest „Tết Nguyên Đán“ liegen daher normalerweise zeitgleich mit dem chinesischen. Nur in seltenen Fällen kommt es aufgrund der unterschiedlichen geographischen Länge zu Verschiebungen, zum Beispiel wenn es zum Zeitpunkt des Neumonds in Vietnam kurz vor Mitternacht ist, in China aber schon der neue Tag angebrochen ist.
Tibetischer Kalender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der traditionelle tibetische Kalender beruht auf dem 1. Kapitel des indischen Kālacakratantra und ist somit grundsätzlich indischer Herkunft. Er beruht auf dem Lunisolarjahr. Seine Berechnung setzt die Kenntnis komplizierter astronomischer Rechnungen, wie etwa der Mittelpunktsgleichungen von Sonne und Mond, und die Beherrschung von Kalkulationen auf dem Tibetischen Sandabakus voraus. Das Neujahrsfest heißt Losar und fällt in den Februar oder März, meist 4 Wochen später als in China. Was die verschiedenen in Tibet gebräuchlichen Jahreszählungen angeht, so enthalten diese einige Elemente, die chinesischer Herkunft sind.[6]
Uigurischer „Zwölf-Tiere-Kalender“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1256 wurde Iran Teil des mongolischen Imperiums, 1258 China. Der mongolische Khan Hülegü ließ in Marâgheh im Westiran ein Observatorium für den Astronomen Nâsir al-Din al-Tusi erbauen, bei dem auch einige chinesische Astronomen arbeiteten.
Im Resultat erhielt man den chinesisch-uigurischen Kalender, den al-Tusi in seinem Werk Zij-e Ilkhâni[7] beschreibt. Ein Zwölf-Jahre-Zyklus, mit türkisch/mongolischen Bezeichnungen der Tiernamen (auch bekannt unter dem Namen sanawât-e turki سنوات ترکی, „Türkische Jahre“), wurde in der Chronologie, Historiografie und in der Bürokratie in allen türkisch und persisch sprechenden Gebieten Asiens, von der heutigen Türkei bis in das heutige Indien, vom frühen Mittelalter bis in die frühe Moderne genutzt. Im Iran wurde dieser Kalender in landwirtschaftlichen Aufzeichnungen bis zum Verbot im Jahre 1925 verwendet.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Helmer Aslaksen: The Mathematics of the Chinese Calendar. Singapore 2010, (englisch) online als PDF-Datei, abgerufen am 28. März 2012.
- Wilhelm Brandes: Alte Japanische Uhren. Klinhardt & Biermann, München 1984, ISBN 3-7814-0233-9, S. 6–21.
- Friedrich Karl Ginzel: Handbuch der mathematischen und Technischen Chronologie. Bd. 1: Zeitrechnung der Babylonier, Ägypter, Mohammedaner, Perser, Inder, Südostasiaten, Chinesen, Japaner und Zentralamerikaner, Leipzig 1906 [Reprint der Originalausgabe, Universität Innsbruck, o. J.] – (online in Internet Archive)
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Bernhard Peter: Einführung in den chinesischen Kalender und Kalendersysteme Asiens. 2005. In: kultur-in-asien.de
- Erich Hartmann: Wann ist Frühlingsfest ? – 22. Februar 2006. In: mathematik.tu-darmstadt.de, (PDF-Datei; 68 kB)
- Helmer Aslaksen: The Mathematics of the Chinese Calendar. In: herongyang.com (englisch)
- Helmer Aslaksen: The Mathematics of the Chinese Calendar – Draft: 17. Juli 2010. In: vdocuments.mx, (PDF-Datei; 775 kB, englisch)
- Helmer Aslaksen: Heavenly Mathematics: The Mathematics of the Chinese, Indian, Islamic and Gregorian Calendars. In: mathcircle.berkeley.edu, (PDF-Datei; 5,1 MB, englisch)
- Hong Kong Observatory – Gregorian-Lunar Calendar Conversion Table (chinesisch, englisch)
- Universität Bonn – History of Astronomy: Topics: Calendars, Time and Chronology (englisch)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Aslaksen: The Mathematics of the Chinese Calendar. 2010, S. 21.
- ↑ Bernhard Peter: Kalender und Zeitrechnung: Wann ist chinesisch Neujahr?
- ↑ The Twenty-Four Solar Terms, knowledge in China of time and practices developed through observation of the sun’s annual motion. In: ich.unesco.org. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2016, abgerufen am 14. Dezember 2023 (englisch).
- ↑ Aslaksen: The Mathematics of the Chinese Calendar. 2010, S. 22.
- ↑ The Chinese observe traditional and modern festivals and holidays, based both on the lunar and solar calendars. (Memento vom 16. März 2008 im Internet Archive)
- ↑ Dieter Schuh: Untersuchungen zur Geschichte der tibetischen Kalenderrechnung (= Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland. Supplementbände. 16, ZDB-ID 538341-9). Steiner, Wiesbaden 1973.
- ↑ Benno van Dalen, Edward S. Kennedy, Mustafa K. Saiyid: The Chinese-Uighur Calendar in Tūsī’s Zīj-i Īlkhānī. In: Zeitschrift für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften. Band 11, 1997, ISSN 0179-4639, S. 111–152, (Auch als Sonderdruck. Digitalisat).