Dachreiter

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Dachreiter des Rathauses Münchingen

Ein Dachreiter ist ein dem Dachfirst eines Gebäudes aufsitzendes Türmchen. Er wird in der Regel nicht gemauert, sondern zumeist in Zimmermannstechnik mit Holzpfosten auf den Dachstuhl aufgesetzt und anschließend verschiefert oder mit einer Metallauflage (Blei, Kupfer) versehen.

Ein Dachreiter, der als Glockenstuhl dient, wird auch Glockenreiter genannt. Glockenreiter haben seitliche Öffnungen. Befindet sich der Dachreiter über dem Chor einer Kirche, spricht man von einem Chorreiter.

Vom Dachreiter kann der Dachturm unterschieden werden, der meist von einer Kirchenwand und von hölzernen Pfeilern oder Säulen abgestützt wird und nicht von dem Dachstuhl getragen wird. Oft werden jedoch aufgrund ihrer äußeren Form auch solche Türmchen als Dachreiter bezeichnet,[1] die konstruktiv beispielsweise Mauer- oder Bogenreiter sind.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dachreiter gewannen beim Kirchenbau der Zisterzienser und Bettelorden seit dem 12. Jahrhundert an Bedeutung, deren Ordensregeln prächtige Turmbauten verboten.[3] Dachreiter sind oft auf Kapellen und kleinen bzw. schmalen Kirchen zu finden. Die ältesten Dachreiter befinden sich auf gotländischen Landkirchen. Bei gotischen Kathedralen mit Westturmanlagen wird der Vierungsturm an der Stelle, wo sich Längsschiff und Querschiff kreuzen, häufig nur in Form eines Dachreiters ausgeführt (z. B. Altenberger Dom, Kölner Dom, Kathedrale von Amiens, Kathedrale Notre-Dame de Paris).

Viele Dachreiter sind nicht original – sie wurden von Wind und Wetter beschädigt oder gar heruntergeweht und später erneuert; andere sind Nachahmungen oder Erfindungen des 19. Jahrhunderts.

Im späten Mittelalter befinden sich Dachreiter auch auf Profanbauten oder über einem Giebel. Dachreiter mit Glocke gibt es oft auf Herrenhäusern, deren Torhäusern, auf großen Bauernhäusern, Gebäuden der Feuerwehr, Rathäusern sowie bergbaulichen Huthäusern.

Heute werden auch Privathäuser mit Dachreitern in Form individueller Dachfiguren versehen. Das Dorf Seckach im Neckar-Odenwald-Kreis zum Beispiel weist über fünfzig solcher hauptsächlich von ortsansässigen Künstlern gestalteten Dachverzierungen auf.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dachreiter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Dachreiter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 30. Dezember 2023), S. 122 f.
  2. Philip S. C. Caston: Spätmittelalterliche Vierungstürme im deutschsprachigen Raum – Konstruktion und Baugeschichte. Imhof, Petersberg 1997, ISBN 978-3-932526-05-3, S. 10.
  3. Hans Vogts: Dachreiter. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. III (1953), Sp. 968–976 (online), abgerufen am 23. April 2019.