Domizilgesellschaft

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Unter einer Domizilgesellschaft versteht man im Steuerrecht eine Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen (auch: statutarischen) Sitz im Ausland hat und sich nicht eigenwirtschaftlich betätigt. Der Begriff der Domizilgesellschaft ist gesetzlich nicht definiert.

Situation in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die steuerliche Behandlung von Domizilgesellschaften unterscheidet sich danach, ob es um Ertragsteuer oder Umsatzsteuer geht.

Ertragsteuerrechtlich gilt: Ein in Deutschland Steuerpflichtiger muss, um Zahlungen an eine Domizilgesellschaft als Betriebsausgaben absetzen zu können gemäß § 160 Abgabenordnung (AO) den hinter ihr stehenden Empfänger benennen (sog. Empfängerbenennung). Dazu urteilte der Bundesfinanzhof: „Leistet ein Steuerpflichtiger Zahlungen an eine in Liechtenstein ansässige Domizilgesellschaft für Leistungen, die diese mangels eigenen fach- und branchenkundigen Personals nicht selbst erbringen kann, so ist Empfänger i. S. des § 160 AO nicht die Domizilgesellschaft, sondern derjenige, an den diese die Gelder weitergeleitet hat.“ [1]

Als Umsatzsteuersubjekt wird aber auch eine Domizilgesellschaft anerkannt, wenn sie in Deutschland Lieferungen und Leistungen erbracht hat oder in eine Leistungskette zwischen deutschem Leistungserbringer und deutschem Leistungsempfänger zwischengeschaltet wurde. [2]

Situation in Liechtenstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Fürstentum Liechtenstein unterscheidet das Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) „zwischen zwei Arten von Gesellschaften liechtensteinischen Rechts, und zwar liechtensteinischen Gesellschaften, die keine Geschäftstätigkeit in Liechtenstein ausüben (Sitzgesellschaften), und solchen, die in Liechtenstein tätig sind (aktive Gesellschaften)“.[3] Im PGR sind verschiedene Erleichterungen für Unternehmen normiert, welche „kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben“.[4]

Mit dem neuen Steuergesetz (SteG), 2010[5], wurde der Begriff „Sitzgesellschaft“ bewusst vermieden. Juristischen Personen (hierzu zählen auch Stiftungen, Treuunternehmen), „welche in der Verfolgung ihres Zwecks keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, insbesondere wenn sie ausschliesslich Finanzinstrumente nach Art. 4 Abs. 1 Bst. g des Vermögensverwaltungsgesetzes sowie Beteiligungen an juristischen Personen, liquide Gelder und Bankkontoguthaben erwerben, besitzen, verwalten und veräussern“ (und die noch weitere Anforderungen erfüllen) werden nun als "Privatvermögensstrukturen" bezeichnet und als solche besteuert (Art 64 SteG). Alle anderen steuerpflichtigen juristischen Personen unterliegen nur noch der Ertragssteuer. Der Steuersatz beträgt 12,5 % p. a., wobei eine Mindestertragssteuer von 1800 Franken erhoben wird (Art. 62 Abs. 2 SteG). Privatvermögensstrukturen und besondere Vermögenswidmungen ohne Persönlichkeit (Trusts) unterliegen lediglich der Mindestertragssteuer und werden nicht veranlagt.

Situation in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich stellt sich die Situation ähnlich dar. Für die Absetzbarkeit von Zahlungen als Betriebsausgaben wird in diesen Fällen der § 162 BAO (Bundesabgabenordnung) herangezogen, nachdem die Abgabenbehörde verlangen kann, dass der Abgabenpflichtige die Empfänger der abgesetzten Beträge genau bezeichnet. Bei Leistungen an Domizilgesellschaften gelten Empfängerleistungen nur dann als erbracht, wenn die hinter der Gesellschaft stehenden Personen genannt würden.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BFH, Urteil vom 10. November 1998, Az. I R 108/97, BStBl. 1999 II, S. 121
  2. vgl. BFH, Urteil vom 21. April 1994, Az. V R 105/91, BStBl. 1994 II, 671, 672, und Beschluss vom 9. Juli 1998, Az. V B 143/979, BFH NV 1999, 221; FG München Urteil vom 28. Juli 2011, 14 K 300/08 (rechtskräftig)
  3. Definition gemäß Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 22. Februar 2002 zum Niederlassungsrecht – Wohnsitzerfordernis für mindestens ein Mitglied des Verwaltungsrats einer Sitzgesellschaft in Liechtenstein in der Rechtssache E-2/01, Rz 14. Siehe auch: Merkblatt bezüglich Firmengründung (sic!) in Liechtenstein des Amts für Volkswirtschaft, Leitfaden 12/2006, abgerufen am 10. März 2013 unter [1]@1@2Vorlage:Toter Link/www.llv.li (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 35 kB).
  4. Zum Beispiel in Art 291 Abs. 11, Art 394 Abs. 4, Art 538 Abs. 1a, Art 552 § 19, Art 690 Abs. 2a, Art 932a § 15, Art 957 PGR.
  5. Gesetz vom 23. September 2010 über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz), LGBl 340/2010.