Homosexualität in Albanien

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Gay Pride in Tirana im Jahr 2018

Homosexualität ist in Albanien legal, wird aber in der Gesellschaft kaum öffentlich thematisiert und unterliegt ebenfalls sozialen Tabus.

Legalität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1995 ist Homosexualität in Albanien legal.[1] Das Gesetz zur Legalisierung und zur Aufhebung von Artikel 137 des albanischen Strafgesetzbuches wurde am 20. Januar 1995 vom albanischen Parlament verabschiedet. Das Schutzalter liegt einheitlich bei 14 Jahren.

Antidiskriminierungsgesetze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 2010 besteht ein Antidiskriminierungsgesetz zum Schutz der sexuellen Orientierung. Als EU-Beitrittskandidat hat Albanien die europäischen Antidiskriminierungsregeln entsprechend umsetzen müssen, um Mitglied der Europäischen Union werden zu können.[2] Das europäische Recht verbietet eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Eigentum, Gesundheitswesen sowie Zugang zu Waren und Dienstleistungen.

Das Gesetz wird von Vertretern von Organisationen der Homosexuellen eher als Papiertiger bezeichnet.[3]

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Albanien ist weder eine gleichgeschlechtliche Ehe noch eine eingetragene Partnerschaft gesetzlich zugelassen. Im Juli 2009 kündigte die albanische Regierung von Sali Berisha einen Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe an,[4][5] der wegen des Widerstands in der Gesellschaft – insbesondere wegen der lauten Kritik von Vertretern der muslimischen, orthodoxen, katholischen und evangelischen Religionsgemeinschaften – vom Parlament nicht umgesetzt wurde.[2]

Die derzeitige sozialistische Regierung unter Ministerpräsident Edi Rama hat erklärt, eine neue Initiative für eingetragene Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare zu unterstützen.[6]

Gesellschaftliche Situation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gay-Pride-Umzug 2016 in Tirana

In Albanien gibt es keine offen homosexuelle Community. Aufgrund der geringen Bevölkerungszahl des Landes und der gesellschaftlichen Stimmungslage haben sich selbst in der Hauptstadt Tirana bisher keine Treffmöglichkeiten wie Schwulenkneipen oder Lesbenbars entwickelt. Homosexuelle treffen sich zumeist privat und organisieren sich über Facebook.

Kristi Pinderi
Kristi Pinderi

Eine 2012 erstmals geplante Gay-Pride-Demonstration musste kurzfristig abgesagt werden, nachdem auch von Regierungsvertretern massive Drohungen ausgesprochen worden waren. Einige wenige Aktivisten veranstalteten stattdessen einen Tag vor dem geplanten Umzug eine Fahrrad-Demonstration, bei der erstmals öffentlich ein Zeichen für die Sichtbarkeit von Homosexualität gesetzt wurde. Trotz Polizeischutz bewarfen einige Jugendliche die Teilnehmer mit Rauchbomben.[7] Seither steigerte sich die Anerkennung Homosexueller nach eigenen Angaben deutlich, sowohl gesellschaftlich als auch politisch. Sie sind besser organisiert und haben regelmäßige Präsenz in den Medien. Xheni Karaj und Kristi Pinderi sind die bekanntesten LGBT-Aktivisten in Albanien, die auch regelmäßig Aktivitäten organisieren.[3]

Laut European Social Survey von 2013 ist Albanien das homophobste Land Europas.[8] Bekennende Homosexuelle werden von ihren Familien oft ausgegrenzt oder schikaniert.[3] 2016 wurde von Beobachtern allerdings ein allmählicher Liberalisierungsprozess beschrieben.[9]

Am 17. Mai 2014 fand in Tirana eine weitere Demonstration der LGBT-Aktivisten statt. Es wurden, wie auch in den Folgejahren, keine Zwischenfälle registriert.[10][11]

In Tirana wurde 2014 eine erste Notunterkunft für Homosexuelle eröffnet, die aus dem Zuhause Vertriebenen eine Zuflucht bietet.[12] Es ist die erste solche Einrichtung im Westbalkan.[13]

Positionen der Religionsgemeinschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anlässlich eines gemeinsamen Symposiums erklärten die Vertreter der Muslimischen Gemeinschaft, der autokephalen orthodoxen Kirche, der römisch-katholischen Kirche und der evangelischen Kirche ihre Position gegen die LGBT-Gemeinde Albaniens. Sie betonten die Wichtigkeit der Familie als Fundament einer gesunden Gesellschaft.[14]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gespräch mit Kristi Pinderi und Xheni Karaj, bekannten LGBT-Aktivisten in Albanien. In: Deutsch-Albanische Freundschaftsgesellschaft (Hrsg.): Albanische Hefte. Nr. 4, 2013, ISSN 0930-1437, S. 17–22 (Übersetzung eines Gesprächs mit dayagainsthomophobia.org vom April 2013).
  • Franziska Tschinderle: Unterwegs in Albanien. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2020, ISBN 978-3-7701-6635-0, Don’t kill love! – LGBT-Rechte in Albanien, S. 113–122.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Homosexualität in Albanien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. State-sponsored Homophobia. Mai 2009, archiviert vom Original am 2. Mai 2010; abgerufen am 25. Mai 2014 (englisch, PDF-Datei, 717 kB).
  2. a b Julie Bolcer: Albanian Gay Rights Law, Minus Marriage. In: The Advocate. 2. Mai 2010, abgerufen am 25. Mai 2014 (englisch).
  3. a b c Gespräch mit Kristi Pinderi und Xheni Karaj, bekannten LGBT-Aktivisten in Albanien. In: Deutsch-Albanische Freundschaftsgesellschaft (Hrsg.): Albanische Hefte. Nr. 4, 2013, ISSN 0930-1437, S. 17–22.
  4. Albania Plans To Legalize Gay Marriages. In: Seattle Time. 30. Juli 2009, archiviert vom Original am 25. Mai 2014; abgerufen am 14. September 2012 (englisch).
  5. Queer.de: Albanien will Ehe öffnen, 30. Juli 2009
  6. Eingetragene Partnerschaften in Albanien? In: Queer.de. 6. Dezember 2013, abgerufen am 16. September 2014.
  7. Homosexuelle durchbrechen Kreislauf der Angst. In: Der Standard. 15. Mai 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. September 2012; abgerufen am 25. Mai 2014.
  8. Dan Beeson: Albania is the „most anti-gay“ country in Europe. In: Gay Star News. 26. März 2013, archiviert vom Original am 21. Mai 2013; abgerufen am 25. Mai 2014 (englisch): „Albania is being called the most homophobic European country with 53 % of participants are against homosexuality, according to a new survey published today“
  9. Dewi van de Weerd: Courage is what it takes...and perseverance. In: Netherlands Embassy in Tirana. Mai 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Mai 2016; abgerufen am 27. Mai 2016 (englisch, Blog der Botschafterin).
  10. Parada LGBT në Tiranë, vijnë edhe aktivistë nga Maqedonia. In: Lajmpress.com. 17. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Mai 2014; abgerufen am 25. Mai 2014 (albanisch).
  11. Re: Aufbruch statt Angst – Homo-Liebe im strengen Albanien. In: arte. 6. Juli 2017, abgerufen am 9. Juli 2017 (albanisch).
  12. Jamie Tabberer: First LGBTI shelter opens in Europe’s „most anti-gay“ country. In: Gay Star News. 19. Dezember 2014, abgerufen am 17. Januar 2016 (englisch).
  13. Dan Littauer: Albania gay rights groups open first LGBTI shelter in Balkan region. In: LGBTQ Nation. 11. Dezember 2014, abgerufen am 9. Dezember 2017 (englisch).
  14. Komunitetet fetare kundër LGBT (Religionsgemeinschaften gegen LGBT). In: Top Channel. 25. Mai 2014, abgerufen am 25. Mai 2014 (albanisch).