Krankheitskonzept

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Krankheitskonzepte werden durchdachte, systematisch formulierte und begründete Theorien von den Krankheitserscheinungen (vgl. Krankheit), ihrer Verursachung (Ätiologie) und ihrer Regelmäßigkeit bezeichnet.[1] Der Begriff ist nicht klar abgegrenzt von den Begriffen Krankheitsvorstellung und Krankheitsmodell. Einige Autoren verwenden den Begriff (subjektives) Krankheitskonzept, um damit besonders die Sicht von Patienten darzustellen.[2]

In der modernen Medizin stehen Krankheitskonzepte, die sich hauptsächlich an somatischen Faktoren orientieren, neben solchen, die psychologische oder soziale Faktoren hervorheben. Andere Konzepte versuchen diese Orientierungen zu integrieren (beispielsweise in psychosomatischen oder bio-psychosozialen Krankheitsmodellen). Die Ethnomedizin bzw. Medizinethnologie beschäftigt sich mit Krankheitskonzepten in anderen Kulturen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das älteste Konzept ist vermutlich die Iatromagie[3] (oder Iatrodämonologie), ein magisch-mystisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Im Schamanismus wird etwa innerhalb dieses Konzeptes therapiert, indem man beispielsweise durch Beschwörungen versucht, den krankheitsverursachenden Dämon aus dem Körper des Kranken zu treiben.

Im Gegensatz dazu ist die Iatrotheologie ein sogenanntes theurgisches Medizinmodell. Dazu gehört die Vorstellung, dass Krankheit als Strafe der Götter entsteht.[4] Krankheit als Strafe der Götter kommt z. B. im Alten Testament der Bibel vor, wenn Gott Krankheit über die Feinde seines Volkes verhängt.

Neben den in allen Kulturen[5] und bis in die neueste Zeit[6] zu findenden Konzepten von Krankheit als Strafe für Sünden bzw. Folge sündhaften Verhaltens existierte (in der Bibel und bei Kirchenvätern wie Ambrosius und Thomas von Aquin) auch die Vorstellung von Krankheit als Prüfung Gottes.[7][8] Johann Christian August Heinroth etwa sah 1818[9] im „Irresein“ einen „Ausfluß persönlicher Schuld“, der Sünde.[10] Heinroth wird zu den Psychikern gezählt. Diese befürworteten eine moralische Erziehung von Kindern und die entsprechende Behandlung von Kranken.[11]

In der europäischen Medizingeschichte war das Krankheitskonzept der Humoralpathologie besonders wirkmächtig. Entstanden in der Antike hatte es bis ins 19. Jahrhundert Bestand, wo es dann von der Zellularpathologie (Rudolf Virchow) und der medizinischen Mikrobiologie (Robert Koch) abgelöst worden ist.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karl Eduard Rothschuh in: Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart. Stuttgart 1978, zit. nach Eduard Seidler: Wörterbuch medizinischer Grundbegriffe. Freiburg 1979, S. 173.
  2. Josef Bäuml: Psychoedukation bei schizophrenen Erkrankungen. Schattauer Verlag, 2008, ISBN 978-3-7945-2481-5, S. 277. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche )
  3. Karl Ernst Rothschuh: Iatromagie. Begriff, Merkmale, Motive, Systematik. Opladen 1978.
  4. Wolf von Siebenthal: Krankheit als Folge der Sünde. Eine medizinhistorische Untersuchung (= Heilkunde und Geisteswelt. Eine medizinhistorische Schriftenreihe. Hrsg. von Johannes Steudel. Band 2). Schmorl & von Seefeld, Hannover 1950. Zugleich Medizinische Dissertation Bonn.
  5. Wolf von Siebenthal (1950).
  6. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 68.
  7. Wolf von Siebenthal: Krankheit als Folge der Sünde. (Medizinische Dissertation Bonn 1949). Hannover 1950 (= Heilkunde und Geisteswelt. Band 2).
  8. Bernhard D. Haage: Krankheit als Strafe für Sünde. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 803.
  9. Johann Christian August Heinroth: Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens oder der Seelenstörungen und ihrer Behandlung. Vom rationalen Standpunkt aus entworfen, Theil 1–2. Leipzig 1818.
  10. Magdalena Frühinsfeld: Kurzer Abriß der Psychiatrie. In: Anton Müller. Erster Irrenarzt am Juliusspital zu Würzburg: Leben und Werk. Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie bis Anton Müller. Medizinische Dissertation Würzburg 1991, S. 9–80 (Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie) und 81–96 (Geschichte der Psychiatrie in Würzburg bis Anton Müller), 56–58.
  11. Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. [1969] Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt / M 1975, ISBN 3-436-02101-6; S. 286 f. zu Stw. „Heinroth“ und „Psychiker“.