Libertin

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Der Begriff Libertin (veraltet auch Libertiner, von lateinisch libertinus) bedeutet, „zu den Freigelassenen gehörig“ zu sein.

Der Libertin des Geistes (französisch libertin d’esprit) bezeichnet den Freidenker oder Freigeist. Auch Libertäre werden mit ihrer als Libertinage zu bezeichnenden Haltung als Anhänger der Freiheit so bezeichnet, allerdings sind sie davon überzeugt, die Freiheit ende dort, wo die eines anderen anfängt.

Der Libertin der Sitten (französisch libertin de mœurs) bezeichnet eine in der Regel männliche Person, die sich nicht an traditionelle moralische und insbesondere sexuelle Normen gebunden fühlt und einen ausschweifenden Lebenswandel führt.[1] Libertinage bzw. Libertinismus bezeichnet davon abgeleitet den moralisch ausschweifenden Lebenswandel.[1] Beispiele hierfür sind Marquis de Sade, Aleister Crowley und Giacomo Casanova.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seiner ursprünglicheren, antiken Bedeutung ist der Begriff eine Gruppenbezeichnung für Sklaven, denen man die Freiheit geschenkt hat. So sind die „Libertiner“ im Neuen Testament (Apg 6,9), jüdische freigelassene Kriegsgefangene, die durch römische Eroberung in die Diaspora gingen und später eigene Synagogen in Jerusalem hatten.

Der Begriff kommt in der Neuzeit vom spanischen libertino, ursprünglich hijo de liberto und bezeichnete den Sohn eines freigelassenen Sklaven.[2]

Die Bezeichnung wurde später, z. B. von katholischen Theologen, ihrer ursprünglich philosophischen Bedeutung beraubt und nach der Regel „ein Freidenker ist unfähig moralisch zu handeln“ als Schmähbegriff für Menschen mit permissiver Sexualmoral („Wüstling“) und zweifelhafter Religiosität verwendet. Der Begriff bekam zugleich eine soziologische Konnotation, indem der typische Libertin vor allem als junger Adeliger vorgestellt wurde. Als Beispiel kann die ausführliche Abrechnung von Garasse (1623) dienen.

Im Frankreich des 17. Jahrhunderts gerieten viele Autoren wie z. B. Théophile de Viau oder Cyrano de Bergerac[2] in Schwierigkeiten, weil sie verdächtigt wurden, sie seien Libertins.

Pierre Gassendi, einer der wichtigsten Libertins des Barock, widerlegte mit seinem skeptisch-materialistisch/ -atomistisch geprägten Werk Teile der idealistischen Erkenntnistheorie Descartes’, unter anderem seinen Gottesbeweis. Gassendis Lehre kann als Reaktion gesehen werden auf Restauration und den Eifer der Religionskriege, die beide auf einer Auseinandersetzung zwischen dogmatisch verhärteten Fronten basieren. Die Freiheit des Denkens eines jeden Individuums wird stärker fokussiert.

Weitere Beispiele von Libertins sind John Wilmont, 2. Earl of Rochester und François Tristan L’Hermite.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Textausgaben

  • Frédéric Lachèvre: Le Libertinage au XVIIe siècle. 11 Bände in 14 Teilbänden. Paris 1909–1924.
    • Band 1,1: Le Procès du poète Théophile de Viau. Band 1. 1909 archive.org.
    • Band 1,2: Le Procès du poète Théophile de Viau. Band 2. 1909 archive.org.
    • Band 2: Disciples et Successeurs de Théophile de Viau. La Vie et les Poésies libertines inédites de Des Barreaux (1599–1673) et de Saint Pavin (1595–1670). 1911 archive.org.
    • Band 3: Une seconde révision des Œuvres du poète Théophile de Viau.
    • Band 4,1: Les recueils collectifs de poésies libres et satiriques publiés depuis 1600 jusqu’à la mort de Théophile (1626).
    • Band 4,2: Supplément. 1922.
    • Band 5: Disciples et Successeurs de Théophile de Viau. Les Œuvres libertines de Claude Le Petit. 1918 archive.org.
    • Band 6: Disciples et Successeurs de Théophile de Viau. Les Chansons libertines de Claude de Chouvigny. Paris 1919 archive.org, archive.org (nur: notice biographique).
    • Band 7: Mélanges. Paris 1920 archive.org.
    • Band 8,1: Les Œuvres libertines de Cyrano de Bergerac. Band 1. Paris 1921 archive.org, archive.org (nur: notice biographique).
    • Band 8,2: Les Œuvres libertines de Cyrano de Bergerac. Band 2. Paris 1921 archive.org, archive.org.
    • Band 9: Disciples et Successeurs de Théophile de Viau. Les Œuvres de Jean Dehénault. 1922 archive.org.
    • Band 10: Les Successeurs de Cyrano de Bergerac. Paris 1922 archive.org, archive.org.
    • Band 11: Disciples et Successeurs de Théophile de Viau. Les Derniers Libertins. Paris 1924 archive.org.
  • François Garasse: La doctrine curieuse des beaux esprits de ce temps (ou pretendus tels). Gregg, Westmead 1971, ISBN 0-576-12103-7 (2 Bde., Repr. d. Ausg. Paris 1623).
  • Jacques Prévot (Hrsg.): Libertins du XVIIe siècle (Bibliothèque de la Pléiade, 450). Gallimard, Paris 2007, ISBN 2-07-011360-4 (2 Bde.).
  • Patrick Wald Lasowski (Hrsg.): Romanciers libertins du XVIIIe siècle (Bibliothèque de la Pléiade, 472). Gallimard, Paris 2002–2005, Bd. 1: 2002, ISBN 2-07-011329-9, Bd. 2: 2005, ISBN 2-07-011570-4

Monographien

  • Martin Mulsow: Die unanständige Gelehrtenrepublik. Wissen, Libertinage und Kommunikation in der frühen Neuzeit. Metzler Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02182-3.
  • Peter Prange: Das Paradies im Boudoir. Glanz und Elend der erotischen Libertinage im Zeitalter der Aufklärung. Hitzeroth, Marburg 1990, ISBN 3-89398-032-6 (zugl. Dissertation, Universität Tübingen).
  • Jean Goldzink: A la recherche du libertinage. L’Harmattan, Paris 2005, ISBN 2-7475-9059-3.

Herausgeberschaften

  • Antony MacKenna (Hrsg.): Libertinage et philosophie au XVIIe siècle. Journée d’étude.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Libertin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Der Brockhaus in einem Band. ISBN 978-3-7653-1683-8
  2. a b Octavio Paz: Die doppelte Flamme, Liebe und Erotik. ISBN 3-518-22200-7, S. 31