Miso

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Helles Miso – auch „Shiro-miso“
Unterschiedliche Sorten Miso

Miso (japanisch みそ, Kanji 味噌みそ) ist eine ursprünglich japanische Paste, die hauptsächlich aus Sojabohnen mit veränderlichen Anteilen von Reis, Gerste, anderem Getreide oder Pseudogetreide und Speisesalz besteht. Miso ist wesentlicher Bestandteil der japanischen Küche und dient in vielen traditionellen Gerichten wie der Misosuppe als Zutat.

Mit Steinen beschwerte Miso-Bottiche

Zur Herstellung wird eine Mischung aus gedämpften Sojabohnen, je nach Sorte zusammen mit z. B. gedämpftem Reis oder gedämpfter Gerste in mit Steinen beschwerten Fässern fermentiert. Zur Gärung werden die Kōji-Schimmelpilze Aspergillus flavus var. oryzae sowie Aspergillus sojae verwendet.[1][2][3] Dieses Herstellungsverfahren stammt vermutlich ursprünglich aus dem Kaiserreich China. Heutzutage erfolgt die Herstellung in Feststoff-Bioreaktoren.

Die Ursprünge von Miso sind nicht klar definierbar, aber es scheint gesichert, dass die Paste entweder aus Korea oder China nach Japan kam. Manche Historiker datieren dies auf die Zeit kurz vor der Einführung des Buddhismus in Japan, also in die Jahre zwischen 540 und 552.[4]

Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen, die das Vorhandensein von Miso in Japan bestätigen, stammen aus der Nara-Zeit (710–784).[5][6] Im Jahr 760 wurden Notizen, die sich auf fermentierte Lebensmittel beziehen, in einem Sammelband (Man’yōshū) hinterlassen, der frühe japanische Lieder und Gedichte enthält. In den folgenden Jahren wurden für die Herstellung der Miso-Paste immer weniger Sojabohnen verwendet; stattdessen nahm der Anteil von Reis oder Gerste zu.

Während der Kamakura-Zeit (1185–1333) wurde Miso Teil des empfohlenen buddhistischen Lebensstils zur gesunden und ausgewogenen Ernährung. Als Hungersnöte das Land heimsuchten, wurde – oft auch prophylaktisch – mehr und mehr Miso als Lebensretter eingelagert.

Erst in der folgenden Muromachi-Zeit (1336–1568) wurde durch den Ausbruch von sozialen Missständen und Bürgerkriegen in Japan das große Potenzial von Miso als nahrhaftes Lebensmittel für die Versorgung der Samurai erkannt. Takeda Shingen veranlasste aus diesem Grund seine Gefolgschaft und die ihm Verständnis entgegenbringenden Bauern dazu, seine Ländereien mit Sojabohnen zu bepflanzen und sie zu Miso zu verarbeiten.

Während des 16. Jahrhunderts entstanden erste Geschäfte, die die verschiedenen regionalen Miso-Pasten anboten. Die Paste wurde für das japanische Volk verfügbar und durch sinkende Preise erschwinglich.

In der Edo-Zeit (1603–1867) stieg der Verbrauch von Miso weiter an. Dennoch wehrten sich die vielen kleinen Miso-Hersteller dagegen, sich zu größeren Betrieben zusammenzuschließen. Auf der einen Seite war der Transport über lange Strecken beschwerlich, wodurch lokale Anbieter eine wirtschaftliche Überlebenschance hatten; auf der anderen Seite gehörte es zur Tradition, Miso selbst im Kreise der Familie herzustellen und einzulagern.

Zu dieser Zeit revolutionierten europäische Forscher das Feld der Fermentation in Japan, indem sie wirkungsvolle Werkzeuge und Methoden einführten. Der erste messbare Fortschritt war im Jahr 1904 die Extraktion und Vervielfältigung des Kōji-Pilzes (Aspergillus flavus var. oryzae), der das sogenannte Starterferment für die Miso-Produktion darstellt.

Einen Rückschlag für die Weiterentwicklung stellten die Jahre des Zweiten Weltkriegs dar, wobei die Herstellung und der Verkauf stark reglementiert wurden. So wurden staatlich festgeschriebene Preise und Qualitäten festgelegt: Auf dem Markt wurden ausschließlich die drei Sorten Reis-, Gersten- und Sojabohnen-Miso in den Qualitätsstufen exzellent und mittel angeboten.

Mit der anschließenden Modernisierung der Produktionsprozesse wurden die regionalen Hersteller und ihr traditionelles Miso stark verdrängt. Nur wenige sind ihren hölzernen Gefäßen und Werkzeugen treu geblieben. Jedoch wird seit den 1970er Jahren die Forderung nach authentischen Lebensmitteln wieder größer. Sogar hausgemachtes Miso ist wieder häufiger anzutreffen.

Ausgehend von den Grundbestandteilen kann Miso in folgende Sorten getrennt werden:

  • Mamé-miso (まめ味噌みそ), Hatchō-miso (八丁はっちょう味噌みそ), Tamari-miso, das nur aus Sojabohnen besteht
  • Komé-miso (べい味噌みそ), Saikyo-miso (西京にしぎょう味噌みそ), das aus Sojabohnen und Reis besteht, Genmai-miso (玄米げんまい味噌みそ) mit Naturreis.
  • Mugi-miso (むぎ味噌みそ), das aus Sojabohnen und Gerste besteht. (Karakuchi, Amakuchi)

Diese Gruppen lassen sich darüber hinaus grob nach Farbe trennen: rot Aka-miso (赤味噌あかみそ ‚rotes Miso‘), weiß Shiro-miso (白味噌しろみそ ‚weißes Miso‘), gelb Shinshū-miso (信州しんしゅう味噌みそ ‚Miso aus Shinshū[7], länger fermentiert als weißes Miso), Kuro-miso (くろ味噌みそ ‚schwarzes Miso‘) und Geschmack: scharf Kara-miso (辛味噌からみそ ‚scharfes Miso‘) und süß Ama-miso (甘味噌あまみそ ‚süßes Miso‘), sowie Awase-miso (わせ味噌みそ ‚gemischtes Miso‘, eine Mischung verschiedener Miso-Sorten).

Auch gibt es Moromi-miso (もろみ味噌みそ): Moromi ist die Maische, aus der Shoyu gemacht wird. Es besteht aus Kōji, Sojabohnen, geknacktem geröstetem Weizen, Salz und Wasser. Nattō-miso (納豆なっとう味噌みそ) mit Gerstenmalz und Ingwer.

Außerdem gibt es Miso aus Buchweizen und Gerste (Soba-miso 蕎麦そば味噌みそ), Hirse, Hanfsamen (Taima-miso 大麻たいま味噌みそ), Quinoa, Amarant, Mais, Kichererbsen, Adzukibohnen und Japanischen Sagopalmfarn-Samen Stärke (Sotetsu-miso 蘇鉄そてつ味噌みそ), sowie Roggen (Hadakamugi-Miso 裸麦はだかむぎ味噌みそ).

Weitere sind das „5-Getreide-Miso“ Gokoku-Miso (五穀ごこく味噌みそ), Inaka-Miso Red Miso (田舎いなか味噌みそ), Gemüse-Miso – Kinzanji-miso (金山寺きんざんじ味噌みそ) und Namé-miso (なめ味噌みそ, auch 味噌みそ englisch Finger lickin miso), sowie Goto-miso (味噌みそ), Neri-miso (味噌みそ deutsch ‚glänzendes Miso‘, englisch Sweet simmered miso), Hishio.

Abhängig von den verwendeten Rohstoffen und der Fermentationszeit erhält das fertige Miso eine helle bis dunkelbraune Farbe.

Gesundheit und Ernährung

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Hauptsächliche Inhaltsstoffe des Miso sind Eiweiß, Vitamin B2, Vitamin E, verschiedene Enzyme, Isoflavone, Cholin und Lecithin. Aufgrund dieser Inhaltsstoffe werden die Vorteile von Miso für die menschliche Ernährung häufig von Nahrungsmittelfirmen hervorgehoben. Auch ein hoher Gehalt an Vitamin B12 wurde häufig betont, was sich jedoch als falsch herausstellte: Vitamin B12, ein für die menschliche Ernährung relevantes Vitamin, kommt nicht natürlich in Miso vor.

„Kaum gibt man ein wenig Miso in eine Sauce, strahlen die Geschmäcker heller und intensiver als noch Sekunden zuvor, ein Effekt, den man sonst nur nach stundenlangem Einkochen erreicht. Bei einer Mayonnaise oder Hollandaise ersetzt eine Messerspitze Miso Hunderte Kalorien in Gestalt von Öl oder Butter, ohne das Aroma zu verwässern. Und als getrocknetes Pulver verdrängt Miso spielend Salz- und Pfefferstreuer, denn auch in dieser Form ist es das, was sein Name auf Japanisch bedeutet: die Quelle allen Geschmacks.“

Jakob Strobel y Serra: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)[8]
  • John Belleme, Jan Belleme: The Miso Book: The Art of Cooking with Miso. Square One Publishers, 2004, ISBN 978-0-7570-0028-7. (englisch)
  • William Shurtleff, Akiko Aoyagi: The Book of Miso. Vol. 1, Second Edition, Ten Speed Press, 2001, ISBN 978-1-58008-336-2, archiviert (PDF; 37,43 MB) In: archive.org (englisch)
  • William Shurtleff, Akiko Aoyagi: Miso Production: The Book of Miso. Vol. II, Second Edition, Soyfoods Center, 1980, ISBN 978-0-933332-00-3. (englisch)
  • Shizuo Tsuji, Mary Sutherland: Japanese Cooking. A Simple Art (= Cookery, Food and Drink Series). Überarbeitete Auflage. Kodansha International, Tokio, New York, London 2006, ISBN 978-4-7700-3049-8 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – japanisch: つじ静雄しずお日本にっぽん料理りょうり: A Simple Art. Tokio 1980. 25. Jubiläumsausgabe unter Mitwirkung von M. F. K. Fisher; Standardwerk der japanischen Küche).
Commons: Miso – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. 'Miso, die traditionelle Herstellung. naturgarten.com, archiviert vom Original am 18. Februar 2017; abgerufen am 17. Februar 2017.
  2. Keith A. Powell, Annabel Renwick, John F. Peberdy: The Genus Aspergillus: From Taxonomy and Genetics to Industrial Application. Springer, 2013, ISBN 978-1-4899-0981-7, S. 161. (englisch)
  3. William Shurtleff, Akiko Aoyagi: History of Koji – Grains And/or Soybeans Enrobed with a Mold Culture (300 BCE To 2012). Soyinfo Center, 2012, ISBN 978-1-928914-45-7. (englisch)
  4. William Shurtleff, Akiko Aoyagi: History of Miso and Soybean Chiang – Page 1. A Chapter from the Unpublished Manuscript, History of Soybeans and Soyfoods, 1100 B.C. to the 1980s. In: soyinfocenter.com. Soyinfo Center, abgerufen am 24. September 2023 (englisch).
  5. Open innovation of Marukome and Panasonic in order to create "New Miso Life" – Stories. In: gccatapult.panasonic.com. Abgerufen am 1. Januar 2024 (englisch).
  6. The History of Miso. In: abokichi.com. 2. März 2017, abgerufen am 1. Januar 2024 (englisch).
  7. Die historische Provinz Shinshū (信州しんしゅう) auch Provinz Shinano genannt, liegt im heutigen Präfektur Nagano.
  8. Jakob Strobel y Serra: Miso aus dem Schwarzwald – Eine Würzsauce als Wunderwaffe. Feuilleton. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). 13. Januar 2023, ISSN 0174-4909, S. 14 (faz.net [abgerufen am 23. September 2023]).