Rankenfußkrebse

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Rankenfußkrebse

Diverse Rankenfußkrebse. Aus Ernst Haeckels Werk „Kunstformen der Natur“ von 1904. In der Mitte ein Sackkrebs aus der Gattung Sacculina.

Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Krebstiere (Crustacea)
Überklasse: Multicrustacea
Klasse: Kapselschaler (Thecostraca)
Unterklasse: Rankenfußkrebse
Wissenschaftlicher Name
Cirripedia
Burmeister, 1834

Die Rankenfußkrebse (Cirripedia) sind eine Teilklasse der Krebstiere (Crustacea). Insgesamt sind etwa 800 Arten bekannt, die alle marin leben. Adulte Tiere leben sessil im oder am Wasser oder parasitisch an anderen Tieren.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rankenfußkrebse besitzen keine Gliedmaßen, der Hinterleib ist reduziert, der Körper ist kurz und gedrungen. Ursprünglich besteht der Thorax aus sechs Segmenten, an denen je ein Spaltbeinpaar ausgebildet ist. Die Spaltbeine, die aus beborsteten Gliedmaßen (Cirren) bestehen, sind für die Fortbewegung ungeeignet. Bei parasitisch lebenden Tieren sind diese vollständig zurückgebildet. Den Körper umschließt ein aus zwei Teilen bestehender Carapax oder Mantel. Bei sessilen Lebensformen bilden sich typische Kalkplatten aus, die ein festes Außengehäuse (Mauerkrone) bilden können.

Fortpflanzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rankenfußkrebse sind in der Regel zweigeschlechtlich (Zwitter). Bei getrenntgeschlechtlichen Arten sind die Männchen extrem klein (Zwergmännchen) und befinden sich am Carapax des Weibchens. Die Cirripedien besitzen zwei Larvenstadien. Die für Crustaceen typische Naupliuslarve sowie die Cyprislarve, die nur bei den Cirripedien vorkommt. Die Larvenstadien sind im Gegensatz zu den adulten sessilen Tieren frei-schwimmend.

Nauplius[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem befruchteten Ei entwickelt sich eine Naupliuslarve. Die Larve besitzt ein Auge und einen Kopf, der aus drei Segmenten besteht, die die 1. und 2. Antennen sowie die Mandibeln tragen. Ihr Telson ist nicht in Thorax und Abdomen gegliedert. Die Naupliuslarve verbringt die erste Zeit im Carapax des Weibchens. Sobald sie das Muttertier verlässt ist sie frei-schwimmend, ernährt sich von anderem Plankton und durchläuft sechs Larvenstadien, bevor sie sich in das zweite Larvenstadium, die Cyprislarve, entwickelt.[1][2] Im sechsten Larvenstadium der Naupliuslarve entwickelt sich ein Komplexauge.

Die Naupliuslarve der Cirripedia besitzt 1. Paar lateral Hörner, eine Apomorphie dieser Gruppe.

Cyprislarve[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Cyprislarve ist das letzte Larvenstadium vor der adulten Form und unterscheidet sich zwischen den Teilklassen. Das Larvenstadium weist erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Muschelkrebs auf. Im Gegensatz zur Naupliuslarve nimmt die Cyprislarve keine Nahrung auf. Für die Thoracica und Acrothoracica dient sie alleinig der Suche nach einem geeigneten Platz zum Ansiedeln, da die adulten Tiere sesshaft sind.[1] Das Cyprisstadium dauert einige Tage bis Wochen. Die Larve kundschaftet mithilfe modifizierter Antennen potentielle Oberflächen aus. Die Wahl eines geeigneten Platzes wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, z. B. chemische Reize (Pheromone adulter Thoracica, Hydrothermalquellen), die Wahrnehmung roter Fluoreszenz adulter Tiere (mittels der ausgebildeten Komplexaugen der Cyprislarve kann dies wahrgenommen werden), Oberflächenbiofilm, Oberflächenstruktur, Lichtverhältnisse (bei Tageslicht setzen sich die Larven häufiger fest, als bei Nacht), Salzgehalt, Tideverhältnisse und Strömungen.[3] Schwärmende Arten setzen sich eher in der Nähe anderer Seepocken fest. Wenn die Suche lange dauert und die Energiereserven knapper werden, wird die Larve weniger wählerisch. Hat sie eine potentiell geeignete Stelle gefunden, heftet sie sich mit ihren Antennen und einer abgesonderten Glykoprotein-Substanz mit dem Vorderkopf (also kopfüber) an die feste Unterlage an, um sich vollständig zu einem adulten Tier zu entwickeln.[4]

Die Rhizocephala sind Endoparasiten und parasitieren vornehmlich Decapoden, Isopoden und Stomatopoda. Die weibliche Cyprislarve dient der Wahl eines geeigneten Wirts, der der Fortpflanzung des Parasiten dient. Sie setzt sich an die Borsten des Wirts fest und entwickelt einen Kentrogon, einen Sack undifferenzierter Zellen, die in den Wirt eindringen und sich in ein adultes Tier, welches keinen typischen Körper besitzt, entwickeln. Sobald das Reproduktionsorgan des weiblichen Tiers (Externa) am Abdomen des Wirts ausgebildet ist, werden männliche Cyprislarven der Rhizocephala mittels Pheromone angelockt. Diese setzen sich an der Externa fest und entwickeln ein weiteres amöboides Larvenstadium, das Trichogon. Das Trichogon dringt in die Externa ein, entwickelt sich zu Spermien und befruchtet die Eier.[5]

Lebensmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Portugal und Teilen Spaniens gelten die zur Klasse der Rankenfußkrebse zählenden Entenmuscheln (Pollicipes pollicipes) als Delikatesse. Die dort unter dem Namen percebes angebotenen Tiere sind bei Gourmets als recht teure Spezialität beliebt.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entenmuscheln

Neuere Untersuchungen durch Chan et al. in 2021 führten zu einer neuen Anordnung der Cirripedia als Unterklasse innerhalb der Klasse der Thecostraca und einer Überarbeitung der Ordnungen und Familien der einzelnen Teilklassen.[6] Die überarbeitete Systematik ist anerkannt durch das World Register of marine species (Stand: Dezember 2022)[7] und wird im Folgenden dargestellt:

Geschichtliches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles Darwin führte vor der Abfassung seines Hauptwerks Über die Entstehung der Arten mehrere Jahre lang Untersuchungen an Rankenfußkrebsen durch. Er nutzte sie als Modellgruppe für das Hervorgehen von Arten aus anderen Arten durch Evolution.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich W. Stöcker (Hrsg.): Fachlexikon ABC Biologie. Ein alphabetisches Nachschlagewerk für Wissenschaftler und Naturfreunde. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Harri Deutsch, Thun u. a. 1986, ISBN 3-87144-883-4.
  • C. Schmalz: Cirripedia - Systematisches Conchylien-Cabinet. Verlag Bauer & Raspe, Nürnberg 1906, OCLC 246583014.
  • Charles Darwin: Living Cirripedia. 2 Bände, The Ray Society, London 1852–1854
    • Living Cirripedia, A monograph on the sub-class Cirripedia, with figures of all the species. The Lepadidae; or, pedunculated cirripedes. London: The Ray Society 1852; digitalisierte Fassung
    • Living Cirripedia, The Balanidae, (or sessile cirripedes); the Verrucidae. The Ray Society, London 1854; digitalisierte Fassung
  • Charles Darwin: Fossil Cirripedia of Great Britain. 2 Bände, Palaeontographical Society, London 1851–1855
    • Fossil Cirripedia of Great Britain: A monograph on the fossil Lepadidae, or pedunculated cirripedes of Great Britain. London: Palaeontographical Society 1851; digitalisierte Fassung
    • A monograph on the fossil Balanidae and Verrucidae of Great Britain. Palaeontographical Society, London 1855; digitalisierte Fassung

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rankenfußkrebse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Cirripedia. In: W. Appeltans, P. Bouchet, G. A. Boxshall, C. De Broyer, N. J. de Voogd, D. P. Gordon, B. W. Hoeksema, T. Horton, M. Kennedy, J. Mees, G. C. B. Poore, G. Read, S. Stöhr, T. C. Walter, M. J. Costello (Hrsg.): World Register of Marine Species. 2012.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b William A. Newman; Sol Felty Light, James T. Carlton (Hrsg.): The Light and Smith Manual: Intertidal Invertebrates from Central California to Oregon. 4. Auflage. University of California Press, 2007, ISBN 978-0-520-23939-5, Cirripedia, S. 475–484.
  2. Edward E. Ruppert, Richard S. Fox, Robert D. Barnes: Invertebrate Zoology. 7. Auflage. Cengage Learning, 2004, ISBN 81-315-0104-3, S. 683.
  3. Matsumura, K. and Qian, PY.: Larval vision contributes to gregarious settlement in barnacles: adult red fluorescence as a possible visual signal. In: Journal of Experimental Biology. Band 217, Nr. 5, 2014, S. 743–750.
  4. Donald Thomas Anderson: Barnacles: Structure, Function, Development and Evolution. Springer, 1994, ISBN 978-0-412-44420-3, Larval development and metamorphosis, S. 197–246 (google.com).
  5. Henrik Glenner and Martin Bay Hebsgaard: Phylogeny and evolution of life history strategies of the Parasitic Barnacles (Crustacea, Cirripedia, Rhizocephala). In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Band 41, Nr. 3, 2006, S. 528–538.
  6. Chan, B. K., Dreyer, N., Gale, A. S., Glenner, H., Ewers-Saucedo, C., Pérez-Losada, M., Kolbasov, G. A., Crandall, K. A., & Hoeg, J. T.: The evolutionary diversity of barnacles, with an updated classification of fossil and living forms. In: Zoological Journal of the Linnean Society. 193. Jg, Nr. 3, 2021, S. 789–846.
  7. Systematik der Cirripedia. In: World Register of Marine Species. 12. Dezember 2022, abgerufen am 12. Dezember 2022 (englisch).
  8. John Francis Thackeray: Human evolution from an African perspective, with reference to Charles Darwin, palaeoclimate and the problem of defining a species. Amsterdam Archeologisch Centrum van de Universiteit van Amsterdam. J. Enschede, Amsterdam 2013.