Rochen

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Rochen

Blaupunktrochen (Taeniura lymma)

Systematik
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Klasse: Knorpelfische (Chondrichthyes)
Unterklasse: Euselachii
Teilklasse: Plattenkiemer (Elasmobranchii)
ohne Rang: Rochen
Wissenschaftlicher Name
Batomorphi
Cappetta, 1980

Die Rochen (Batomorphi) sind ein Taxon in der Klasse der Knorpelfische. Mit etwa 630 Arten stellen sie mehr als die Hälfte der etwa 1170 Knorpelfischarten.[1]

Rochen leben weltweit in allen Meeren, einige Arten auch in der Tiefsee. Echte Rochen (Rajidae) und Zitterrochen sind in Meeresgebieten der gemäßigten Breiten artenreicher, die übrigen Familien in tropischen Regionen. Wenige Arten aus der Familie der Stechrochen (Dasyatidae) gehen auch in Brack- und Süßwasser. In Südamerika leben die Potamotrygonidae abgesehen von zwei Ausnahmen in den großen Strömen und Flüssen des Kontinents.

In der Nordsee kommen vor allem Angehörige der Echten Rochen (Rajidae) vor, so der Nagelrochen (Raja clavata), der Sternrochen (Raja radiata), der Glattrochen (Dipturus batis) und der Kuckucksrochen (Raja naevus).[2] Weitere europäische Arten sind der Gewöhnliche Stechrochen (Dasyatis pastinaca), der Marmor-Zitterrochen (Torpedo marmorata) und der Atlantische Zitterrochen (Torpedo nobiliana).

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bewegungsablauf beim Undulieren der Brustflossen bei einem Echten Rochen (von unten nach oben)

Rochen besitzen einen stark abgeplatteten Körper und große Brustflossen, die mit dem Kopf verwachsen sind. Der Schultergürtel ist ringförmig und fest oder gelenkig mit der Wirbelsäule verbunden. Einige der vorderen Wirbel sind zu einem Synarcuale verwachsen. Das Maul, die Nasenlöcher sowie fünf Kiemenspaltenpaare befinden sich auf der abgeflachten, meist hellen Unterseite. Auf der Oberseite befinden sich Augen und die mit einem Ventil versehenen Spritzlöcher, durch die das Wasser zum Atmen eindringt. Das obere Augenlid ist fest mit dem Augapfel verwachsen. Die Oberseite ist dem jeweiligen Lebensraum des Rochens angepasst, kann also von sandfarben gesprenkelt bis schwarz reichen. Der Oberkiefer, das Palatoquadratum, ist nicht mit dem Neurocranium verbunden, sondern wird nur vom großen Hyomandibulare gestützt.

Ernährung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die meisten Rochen ernähren sich von hartschaligen Wirbellosen wie Muscheln, Krebsen und Stachelhäutern.

Fortbewegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geigenrochen sowie die Sägerochen und die Zitterrochenartigen bewegen sich, wie die meisten Plattenkiemer (Elasmobranchi), durch Stammschlängeln des Körpers und der Schwanzflosse fort. Echte Rochen bewegen ihre großen Brustflossen wellenförmig (Undulation) und Adlerrochen (Aetobatidae und Myliobatidae) schlagen sie wie Flügel auf und ab („Unterwasserfliegen“).[3]

Fortpflanzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Rochen, mit Ausnahme der Echten Rochen, die kapselartige Eier legen, sind ovovivipar, d. h. die Jungtiere schlüpfen noch im Körper des Muttertieres bzw. kurz nach der Eiablage.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als wissenschaftliche Bezeichnung für die Rochen sind heute die Begriffe Batomorphi und Batoidea in Gebrauch. Der Name Batomorphi ist allerdings zu bevorzugen, da die Endung "oidea" in der Fischsystematik normalerweise für die Rangstufe einer Überfamilie gebraucht wird.[4] Ältere nicht mehr gebrauchte Bezeichnungen sind Batidoidimorpha, Hypotremata, Rajimorphii und Rajiformes; letzteres stammt aus einer Zeit als alle Rochen einer einzigen Ordnung zugeordnet wurden.[5]

Äußere Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ähnlichkeiten zwischen vielen Rochen- und bodenlebenden Haiarten – als Beispiel oben ein Sägerochen, unten ein Sägehai – ließen eine nahe Verwandtschaft vermuten.
Amblyraja badia

Die Rochen werden schon seit langem als ein mit den Haien gleichrangiges Taxon der Knorpelfische geführt. Diese Sichtweise stand zwischenzeitlich in Frage: Im Jahr 1996 gliederten de Carvalho und Shirai unabhängig voneinander die Neoselachii (ein Taxon, das die modernen Haie und die Rochen umfasst) nach morphologischen Merkmalen in zwei ihrer Ansicht nach monophyletische Taxa, die Galeomorphii (Galea bei Shirai), zu denen vor allem große, das Freiwasser bewohnende Haie zugeordnet werden, und die Squalea, zu denen viele bodenbewohnende sowie Tiefseehaie und auch die Rochen zählen sollten. Das Taxon der Haie wären demnach ein paraphyletisches (ein Formtaxon), die Rochen eine Untergruppe der squalomorphen Haie.[6][5]

Nachfolgende molekularbiologische Untersuchungen bestätigten jedoch eine basale Dichotomie von Haien und Rochen. Die morphologischen Übereinstimmungen der squalomorphen Haie mit den Rochen sind danach konvergent entstanden. Da sich die Rochen, genauso wie die modernen Haie, schon seit dem frühen Jura in der fossilen Überlieferung nachweisen lassen, wird eine Abstammung der Rochen am Endpunkt einer langen Evolutionslinie der Squalea auch nicht von paläontologischen Daten gestützt.[7][8][9][5]

Innere Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die innere Systematik der Rochen ist stark umstritten und es existieren mehrere Vorschläge. Wikipedia folgt hier Aschliman und Kollegen, die einen phylogenetisch ausgerichteten Ansatz verfolgen und die Rochen in zwei Linien unterteilen, die Rajiformes, die sich durch eine wellenförmige Undulation ihrer Brustflossen fortbewegen und im englischen ‚skates‘ genannt werden, und eine Klade aller übrigen Rochen, im englischen ‚rays‘ genannt, die sich, wie die meisten Haie, durch Stammschlängeln des Körpers und der Schwanzflosse fortbewegen bzw. durch gleichmäßige Schläge ihrer flügelartigen Brustflossen gleichsam durchs Wasser fliegen (Stechrochenartige).

Die Rajiformes – zu dieser Ordnung zählen die meisten in europäischen Randmeeren vorkommenden Rochenarten – werden heute in vier Familien unterteilt, die früher alle zur Familie der Echten Rochen (Rajidae) gezählt wurden. Die zweite große Rochenklade vereint die Zitterrochenartigen, die Geigenrochen, die Sägerochen und die Stechrochenartigen, wobei die Zitterrochenartigen, zusammen mit ihrer Schwestergruppe, den Dornrücken-Gitarrenrochen (Platyrhinidae), eine basale Stellung innerhalb dieser Klade einnehmen, gefolgt von einer Klade aus drei Geigenrochengattungen. Die übrigen Rochen teilen sich in eine Klade aus Geigenrochen und Sägerochen, für die Gavin J.P. Naylor und Kollegen den neuen Ordnungsnamen Rhinopristiformes vorgeschlagen haben, und in die Stechrochenartigen (Myliobatoidei) mit ihrer Schwestergruppe, den monotypischen Zanobatoidei. Die Sägerochen stehen tief innerhalb einer großen Geigenrochenklade, mit der Geigenrochengattung Glaucostegus als Schwestergruppe.[1][10]

Innere Systematik der Rochen nach Aschliman u. a. (2012)[1] Innere Systematik der Myliobatoidei nach Aschliman u. a. (2012)[1]
 Rochen 
 „Skates“ Rajiformes 


Weichnasenrochen (Arhynchobatidae)


   

Anacanthobatidae



   

Echte Rochen (Rajidae)



 „Rays“ 

Zitterrochenartige (Torpediniformes), inklusive Dornrücken-Gitarrenrochen (Platyrhinidae)


   

Trygonorrhinidae


   
 Rhinopristiformes 

Rhinobatidae


   


Sägerochen (Pristidae)


   

Glaucostegidae



   

Rhinidae




 Myliobatiformes 
 Zanobatoidei 

Zanobatidae


   

Myliobatoidei







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 Myliobatoidei 

Sechskiemen-Stachelrochen (Hexatrygonidae)


   

Tiefwasser-Stachelrochen (Plesiobatidae)


   


Schmetterlingsrochen (Gymnuridae)


   

Rundstechrochen (Urolophidae)



   


Stechrochen (Dasyatidae)


   

Amerikanische Rundstechrochen (Urotrygonidae)


   

Süßwasserstechrochen (Potamotrygonidae)




   

Aetobatidae[11]


   

Myliobatidae


   

Kuhnasenrochen (Rhinopterinae)


   

Teufelsrochen (Mobulinae)









Vorlage:Klade/Wartung/Style

Dieses Konzept über die Verwandtschaft innerhalb der Rochen gibt die folgende Systematik wieder:

Stammesgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Asterodermus platypterus

Rochen aus der als ursprünglich geltenden Gruppe der Geigenrochen tauchen im Oberjura in der fossilen Überlieferung auf. Die Gattungen Aellopos und Asterodermus sind aus dem Solnhofener Plattenkalk bekannt. Ein weiterer Geigenrochen ist Rhombopterygia aus der Oberkreide des Libanon. Die rezenten Geigenrochengattungen Rhinobatos, Trygonorrhina und Zapteryx sind seit der Unterkreide bzw. dem Eozän fossil überliefert.[14]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph S. Nelson, Terry C. Grande, Mark V. H. Wilson: Fishes of the World. Wiley, Hoboken, New Jersey, 2016, ISBN 978-111834-233-6, S. 80–82.
  • Wilfried Westheide, Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel und Schädeltiere. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2004, ISBN 3-8274-0307-3.
  • Bent J. Muus, Jørgen G. Nielsen; Preben Dahlström und Bente Olesen Nyström (Illustrationen): Die Meeresfische Europas. In Nordsee, Ostsee und Atlantik. (Originaltitel: Havfisk og fiskeri i Nordvesteuropa 1998, übersetzt von Matthias Stehmann), Franckh-Kosmos, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07804-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rochen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Rochen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Neil C. Aschliman, Mutsumi Nishida, Masaki Miya, Jun G. Inoue, Kerri M. Rosana, Gavin J.P. Naylord: Body plan convergence in the evolution of skates and rays (Chondrichthyes: Batoidea). In: Molecular Phylogenetics and Evolution. Band 63, Nr. 1, April 2012, S. 28–42, doi:10.1016/j.ympev.2011.12.012.
  2. Bent J. Muus, Jørgen G. Nielsen; Preben Dahlström und Bente Olesen Nyström (Illustrationen): Die Meeresfische Europas. In Nordsee, Ostsee und Atlantik. (Originaltitel: Havfisk og fiskeri i Nordvesteuropa 1998, übersetzt von Matthias Stehmann), Franckh-Kosmos, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07804-3.
  3. spektrum.de. Batidoidimorpha. In: Kompaktlexikon der Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg. 2001
  4. Joseph S. Nelson, Terry C. Grande, Mark V. H. Wilson: Fishes of the World. Wiley, Hoboken, New Jersey, 2016, ISBN 978-111834-233-6. S. 56.
  5. a b c Joseph S. Nelson, Terry C. Grande, Mark V. H. Wilson: Fishes of the World. Wiley, Hoboken, New Jersey, 2016, ISBN 978-111834-233-6. S. 80–82.
  6. Alfred Goldschmid: Chondrichthyes. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3
  7. Christophe J. Douady, Miné Dosay, Mahmood S. Shivji & Michael J. Stanhop: Molecular phylogenetic evidence refuting the hypothesis of Batoidea (rays and skates) as derived sharks. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, 26. Jg., Nr. 2, Februar 2003, S. 215–221 doi:10.1016/S1055-7903(02)00333-0
  8. C. J. Winchell, A. P. Martin, J. Mallatt: Phylogeny of elasmobranchs based on LSU and SSU ribosomal RNA genes. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, 31 Jg., Nr. 1, April 2004, S. 214–224, doi:10.1016/j.ympev.2003.07.010
  9. C. J. Underwood: Diversification of the Neoselachii (Chondrichthyes) during the Jurassic and Cretaceous. In: Paleobiology, Band 32, Nr. 2, 2006, S. 215–235 (PDF)
  10. Gavin J. P. Naylor, Janine N. Caira, Kirsten Jensen, Kerri A. M. Rosana, Nicolas Straube, Clemens Lakner: Elasmobranch Phylogeny: A Mitochondrial Estimate Based on 595 Species. Seite 43 in Jeffrey C. Carrier, John A. Musick, Michael R. Heithaus: Biology of Sharks and Their Relatives (Marine Biology). Verlag: Crc Pr Inc, 2012, ISBN 1-4398-3924-7.
  11. a b White, W.T. & Naylor, G.J.P. (2016): Resurrection of the family Aetobatidae (Myliobatiformes) for the pelagic eagle rays, genus Aetobatus. Zootaxa, 4139 (3): 435–438. doi:10.11646/zootaxa.4139.3.10
  12. Last, P.R., Weigmann, S. & Yang, L. (2016): Changes to the nomenclature of the skates (Chondrichthyes: Rajiformes). Seite 11 bis 34 in Last, P.R. & Yearsley, G.K. (Hrsg.) (2016): Rays of the World: Supplementary information. CSIRO Australian National Fish Collection
  13. Last, P.R., Séret, B. & Naylor, G.J.P. (2016): A new species of guitarfish, Rhinobatos borneensis sp. nov. with a redefinition of the family-level classification in the order Rhinopristiformes (Chondrichthyes: Batoidea). Zootaxa, Vol 4117, No 4: 451–475. doi:10.11646/zootaxa.4117.4.1
  14. Karl Albert Frickhinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle 1999, ISBN 3-88244-018-X.