Sarden

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Die sardische Flagge: die Vier Mauren

Als Sarden bezeichnet man die einheimische Bevölkerung der Insel Sardinien im westlichen Mittelmeer, die politisch zu Italien gehört.[1][2] Die Bewohner werden als Sarden bezeichnet und nicht wie oft angenommen als „Sardinier“. Bedingt durch die wechselhafte Geschichte Sardiniens mischten sich immer wieder Menschen aus anderen Völkern mit „ethnischen Sarden“, die an den Küsten lebten.[3]

Ursprung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die einzige Zikkurat Europas, der Tempel von Monte d’Accoddi, der von den vornuragischen Sarden aus der Ozieri- und Abealzu-Filigosa-Kultur errichtet wurde.
Darstellung des Sardus Pater Babai in einer römischen Münze (59 v. Chr.).

Die Herkunft des sardischen Volks bleibt unklar:[4][5] das Stammwort „S(a)rd“ gehört zu einem alten vorindogermanischen Substrat und könnte seinen Ursprung bei den Iberern haben.[6][7] Die älteste schriftliche Bescheinigung über das Ethnonym befindet sich auf der Stele von Nora, wo das Wort Šrdn (Shardan[8]) bereits zu einer Zeit bezeugt scheint, als die phönizischen Kaufleute zum ersten Mal an die sardische Küste kamen.[6]

Nach Platons Dialogem Timaios, könnten die Sarden (Σαρδονιοί oder Σαρδιανοί) nach „Sardò“[6] (Σαρδώ) benannt worden sein, einer legendären lydischen Frau aus Sardes (Σάρδεις) in der Region Westanatolien (Türkei).[9][10][11] Nach anderen Autoren, wie Pausanias und Sallust, führten die Sarden ihre Abstammung zum Sardus Pater Babai zurück[12] („Sardischer Vater“ oder „Vater der Sarden“), einem mythischen Vorfahr und libyschen Sohn des Herkules oder Makeris,[13][14][15][16][17][4] der entweder verwandt mit der Kabylischen Maqqur „Er ist der Größte“ oder verbunden mit der Figur vom Melqart ist.[18]

Es wurde auch behauptet, dass die alten Nuraghen-Sarden das Seevolk von den Sherden (šrdn auf dem Altägyptischen) gewesen sein könnten.[19][20][21][7][22][23][24][25][4] Das Ethnonym wurde dann als sardus und sarda romanisiert.

Die Daten scheinen darauf hinzudeuten, dass die heutige Bevölkerung Sardiniens zum großen Teil aus den steinzeitlichen Siedlern und dem Beitrag der historischen Kolonisatoren stammt.[26][27][28][29] Letzteres ist jedoch nur in den Küstengebieten relevant, da die Einheimischen den fremden Mächten das malariaverseuchte (wenn auch strategisch wichtige) Tiefland überließen und in das rauere Landesinnere flüchteten, wo sich die meisten historischen Siedlungen Sardiniens konzentrierten. Die alten Sarden waren keine Italiker: einige Forscher behaupten, dass sie aus dem östlichen Mittelmeer kamen.[30] Weitere Forschung deutet darauf hin, dass die Basken aus Spanien die genetisch am nächsten liegende Bevölkerung zu den ethnischen Sarden sein könnten und diese Ähnlichkeit nicht auf den Einfluss anderer Spanier während der Neuzeit zurückzuführen ist.[31]

Ein Rauchverbotszeichen auf Sardisch und Italienisch.
Ein alter Sarde von Ulassai, 1950er Jahre.

Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Italienisch wurde erstmals im Juli 1760 durch das Haus Savoyen auf Sardinien eingeführt[32] und ist heute die am häufigsten gesprochene Sprache, wenn auch in einer regionalen Variante, als Ergebnis von Assimilationswellen und Sprachwechsel, die die kulturelle Italianisierung förderten.

Das sardische Volk zählt etwa 1,0 bis 1,3 Millionen Menschen und deckt sich etwa mit den Sprechern der Sardischen Sprache (sardu),[33][34] die zur romanischen Sprachfamilie gehört. Der historische Verlust der politischen Autonomie der Sarden hat ihre Sprache in einem Stadium von dialektaler Fragmentierung gehalten, da verschiedenen anderen Sprachen (nämlich Katalanisch, Spanisch, und letztendlich Italienisch) sich in einer politischen Prestigeposition durchsetzten[35]. Aufgrund des italienischen Schulunterrichts, der das Italienische zum Nachteil des Sardischen gefördert hat, ist die sardische Sprache im Niedergang begriffen. Obwohl die Sarden die Bevölkerungsmehrheit in Sardinien stellen, sind die meisten aber weitgehend kulturell italienisiert und die zweisprachigen Sarden zu einer kleinen Minderheit auf ihrer eigenen Insel geworden. Es wird geschätzt, dass heutzutage nur 13 Prozent der jungen Sarden Sprachkenntnisse des Sardischen haben.[36][37]

Um Alghero wird lokal begrenzt ein katalanischer Dialekt gesprochen, da dort einst Nachfahren katalanischer Siedler lebten,[38] und in Arborea in der Provinz Oristano lebt noch eine Gruppe von Mussolini umgesiedelter Festlanditaliener, die furlanische und venezianische Dialekte sprechen.

Flagge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sogenannte Flagge der Vier Mauren ist die historische Flagge der Sarden. Die Flagge besteht aus dem Georgskreuz und vier enthaupteten Maurenköpfen, die in jedem Viertel ein weißes Stirnband tragen. Seine Ursprünge sind im Wesentlichen rätselhaft, aber es wird vermutet, dass er seinen Ursprung in Aragon hat, um die Niederlage der sarazenischen Invasoren in der Schlacht von Alcoraz 1096 zu symbolisieren.[39]

Demografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu den anderen Europäern findet sich in der Volksgruppe der Sarden ein sehr hoher prozentualer Anteil an Menschen, die über 100 Jahre alt sind[40]; man vermutet, das könnte aus spezifischen genetischen[26][41][42] sowie sozialen[43] Gründen der Fall sein.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Historia de la isla de Cerdeña, por el caballero G. de Gregory, traducida al castellano por una sociedad literaria. Imprenta de Guardia Nacional, Barcelona, 1840.
  • Amiram Gonen: Diccionario de los pueblos del mundo. Hrsg.: Anaya&Mario Muchnik. 1996.
  • Steven Danver (Hrsg.): Native peoples of the world: An Encyclopedia of Groups, Cultures, and Contemporary Issues. Sharpe Reference, Armonk, 2013, ISBN 9780765682222.
  • Francesco Cesare Casula: La Storia di Sardegna. Hrsg.: Carlo Delfino Editore. Sassari 1994.
  • Manlio Brigaglia, Giuseppina Fois, Laura Galoppini, Attilio Mastino, Antonello Mattone, Guido Melis, Piero Sanna, Giuseppe Tanda: Storia della Sardegna. Hrsg.: Soter Editore. Sassari 1995.
  • Giovanni Ugas: L’Alba dei Nuraghi. Hrsg.: Fabula Editore. Cagliari 2006, ISBN 978-88-89661-00-0.
  • Jeffrey Cole: Ethnic Groups of Europe: an Encyclopedia. Hrsg.: ABC-CLIO. 2011, ISBN 978-1-59884-302-6.
  • Ercole Contu: I sardi sono diversi. Hrsg.: Carlo Delfino Editore. 2014.
  • Omar Onnis: La Sardegna e i sardi nel tempo. Hrsg.: Arkadia Editore. 2015.
  • Rolf Ackermann: Sardinien: Weit weg von den Sarden. In: Die Zeit 7/1985. 8. Februar 1985;.
  • Albert Richter: Aus dem Lande der Sarden. In: Die Gartenlaube. Heft 29, 1876, S. 485–487 (Volltext [Wikisource]).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lisa-Marlene Edelsward, Philip Salzman: Sardinians. In: Encyclopedia of World Cultures, 1996.
  2. Jeffrey Cole: Ethnic Groups of Europe: An Encyclopedia. S. 321–325
  3. Viola Grugni et al.: Y-chromosome and Surname Analyses for Reconstructing Past Population Structures: The Sardinian Population as a Test Case. In: International Journal of Molecular Sciences. Abgerufen am 18. November 2019.
  4. a b c Marcello Serra: Enciclopedia della Sardegna: con un saggio introduttivo intitolato Alla scoperta dell’isola. Giardini editori e stampatori, Pisa 1978, S. 29: Origine e carattere dei Sardi
  5. Natale Sanna: Sull’origine del popolo sardo le fonti classiche non riescono a darci che poche e scarse notizie, la cui interpretazione non è affatto facile. In: Il cammino dei Sardi: storia, economia, letteratura ed arte di Sardegna, I. Ed.Sardegna, Cagliari 1986, S. 19
  6. a b c Sardinia. Online Etymology Dictionary, abgerufen am 19. März 2020.
  7. a b Sardi. In: Dizionario di Storia (2011). Treccani, abgerufen am 19. März 2020.
  8. I.E.S. Edwards, C.J. Gadd, N.G.L. Hammond, E.Sollberger (edited by): The Cambridge Ancient History. Volume II, Part 2. Cambridge University Press, 1970, S. 369
  9. Platonis dialogi, scholia in Timaeum (edit. C. F. Hermann, Lipsia 1877), 25 B, pag. 368
  10. M. Pittau: La Lingua dei Sardi Nuragici e degli Etruschi. Sassari 1981, S. 57
  11. Emanuele Sanna: Nella preistoria le origini dei sardi. CUEC, Cagliari, 2009, S. 76
  12. Francesco Cèsare Casula: La storia di Sardegna, I, Evo Antico Sardo: Dalla Sardegna Medio-Nuragica (100 a.C. c.) alla Sardegna Bizantina (900 d.C. c.). 2017, S. 92
  13. Sallust, Historiae, II, fr.4
  14. Pausanias, Ελλάδοσ περιήγησισ, X, 17
  15. Silius Italicus, Punica, XII, 360
  16. Gaius Julius Solinus, Collectanea rerum memorabilium, IV, 1
  17. Isidor von Sevilla, XIV, Etymologiae, Thapsumque iacentem, 39
  18. Attilio Mastino: L’iscrizione latina del restauro del tempio del Sardus Pater ad Antas e la problematica istituzionale. 27. August 2015, abgerufen am 19. März 2020.
  19. E. De Rougè. In: Révue Archéologique, XVI, 1867, S. 35 ff.
  20. F. J. Chabas: Étude sur l’antiquité historique d’après les sources égyptiennes et les monuments réputés préhistoriques. impr. de J. Dejussieu, (Chalon-sur-Saône) 1872, S. 191–192, 314
  21. Giovanni Ugas: Shardana e Sardegna: i popoli del mare, gli alleati del Nordafrica e la fine dei grandi regni (15.-12. secolo a.C.). Edizioni della Torre, Cagliari 2017, S. 398–408
  22. Sardi. In: Enciclopedia Italiana. Giacomo Devoto, Treccani 1936
  23. Nuovo studio dell’archeologo Ugas: “È certo, i nuragici erano gli Shardana”
  24. Shardana, sardi nuragici: erano lo stesso popolo? Interview with Giovanni Ugas (in Italian)
  25. La certezza degli accademici egiziani: “Gli shardana erano i nuragici sardi”. In: SardiniaPost. 25. Januar 2019, abgerufen am 19. März 2020 (italienisch).
  26. a b Francesco Cucca: “Caratteri immutati da diecimila anni, ecco perché la Sardegna è speciale” (di Elena Dusi) - Sardegna Soprattutto
  27. Marcus et al.,Population history from the Neolithic to present on the Mediterranean island of Sardinia: An ancient DNA perspective, 2019
  28. Ancient DNA from Sardinia reveals 6,000 years of genetic history. In: Science Daily. 24. Februar 2020, abgerufen am 19. März 2020 (englisch).
  29. J. H. Marcus, C. Posth, H. Ringbauer et al.: Genetic history from the Middle Neolithic to present on the Mediterranean island of Sardinia. In: Nature Communication. Band 11, 24. Februar 2020 (englisch, nature.com).
  30. …«La separazione della Sardegna dal resto del continente, anzi da tutte le altre popolazioni europee, che probabilmente rivela un'origine più antica della sua popolazione, indipendente da quella delle popolazioni italiche e con ascendenze nel Mediterraneo Medio-Orientale.» Alberto Piazza, I profili genetici degli italiani, Accademia delle Scienze di Torino
  31. Genomic history of the Sardinian population, Nature
  32. Cardia, Amos (2006). S'italianu in Sardìnnia candu, cumenti e poita d'ant impostu: 1720-1848; poderi e lìngua in Sardìnnia in edadi spanniola, Iskra, Ghilarza, pp. 88, 91
  33. Sardinians. In: World Directory of Minorities
  34. Marius Sala, Rebecca Posner: Sardinian language. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 31. Juli 2019 (englisch).
  35. Martin Maiden, John Charles Smith, Adam Ledgeway (edited by). The Cambridge History of the Romance Languages: Volume II, Contexts, Cambridge University Press, 2013, p.167
  36. La Nuova Sardegna, 04/11/10, Per salvare i segni dell'identità – di Paolo Coretti
  37. Luciano Piras: Silanus diventa la capitale dei vocabolari dialettali. In: La Nuova Sardegna. 5. Februar 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Dezember 2020; abgerufen am 19. März 2020 (italienisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lanuovasardegna.it
  38. L’Alguer and Alguerese Catalan, Corpus Oral de l’Alguerés
  39. B. Fois: The crest of the four Moors, brief history of the Sardinian emblem. Carlo Delfino, Sassari 1990
  40. Katie Breen: Altersforschung: Das Geheimnis der Sarden. In: stern.de. 4. Juni 2014, abgerufen am 22. November 2015.
  41. Sardinia Exploration Backgrounds – Blue Zones
  42. M. C. Polidori, E. Mariani, G. Baggio et al.: Different antioxidant profiles in Italian centenarians: the Sardinian peculiarity. In: European Journal of Clinical Nutrition (= 61. Band 7). Nr. 922–4, Juli 2007, doi:10.1038/sj.ejcn.1602596, PMID 17228351.
  43. Susan Pinker: why face-to-face contact matters in our digital age – The Guardian