St. Martha (Nürnberg)

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Die Westfassade der Marthakirche, von der Königstraße aus gesehen.
Luftaufnahme einen Monat nach dem Brand, Juli 2014 (Links neben dem Baukran)

Die Marthakirche ist eine Kirche in der Königstraße im Südosten der Altstadt von Nürnberg, schräg gegenüber der Klarakirche zwischen Königstor und Lorenzkirche. Bemerkenswert ist die zurückgesetzte Lage in einer Lücke zwischen zwei Häusern.

In der Nacht zum 5. Juni 2014 wurde die St.-Martha-Kirche durch einen Brand weitgehend zerstört.[1] Nach dem Wiederaufbau wurde sie 2018 neu eröffnet.

Die Kirche ist Station der Historischen Meile Nürnberg.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelalter und Reformation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von links nach rechts: das Groß-Fenster (Nord II), das Waldstromer-Fenster (I) und das Stromer-Fenster (Süd II) im Chor der Kirche St. Martha, alle um 1390
Chor der Marthakirche (2009)

Konrad und Johann von Waldstromer stifteten die Kirche und das Pilgerspital St. Martha im Jahr 1363. Sie erfüllten damit eine Stiftungszusage ihrer Eltern Agnes Pfinzing und Konrad von Waldstromer aus dem Jahr 1356. Am 24. März 1385 wurde die Marthakirche der heiligen Martha geweiht, ihre drei Altäre weihte man der Heiligen Dreifaltigkeit, der Gottesmutter Maria und den zwölf Aposteln.

Um 1390 wurde der Chor der Kirche mit einem Zyklus von gotischen Glasfenstern ausgestattet, die jeweils einzeln von Nürnberger Patrizierfamilien gestiftet wurden. Weitere Fenster entstanden um 1410–1430.

Kirche und Pilgerspital wurden im Jahr 1526 als Folge der Reformation geschlossen. Das einstige Gotteshaus wurde für Schauspielaufführungen und als Probenraum der Nürnberger Meistersinger genutzt, die dort eine eigene Bühne hatten. 1614 verbot man die Schauspiele in der Kirche. Ab 1615 wurde das Gebäude renoviert und ab 1627 wieder als Kirche genutzt. Im Jahr 1800 übergab man sie an die evangelisch-reformierte Gemeinde. Die Statuen und der Altar wurden infolgedessen aus der Kirche verbracht und der Lorenzkirche übergeben.[2]

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 21. Februar 1945 beschädigte eine Fliegerbombe, die von einem Bomber der US Army Air Forces abgeworfen worden war, das Dach und das Chorgewölbe von St. Martha. Die Schäden waren relativ gering und 1946 wieder instand gesetzt.

Brand 2014[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchenbrand in den frühen Morgenstunden des 5. Juni 2014 (Ansicht vom Parkplatz des Bauhofs)

In den frühen Morgenstunden des 5. Juni 2014 brach im Dachstuhl der Kirche ein Feuer aus. Der gesamte Dachstuhl brannte aus und stürzte in das Kirchenschiff. Die Orgel und zwei von drei Glocken wurden vollständig zerstört. Wegen laufender Renovierungsarbeiten waren unter anderem die historischen Kirchenfenster zuvor ausgebaut worden und blieben so erhalten.[3]

Die bei der Bergung in mehrere Teile zersprungene Hans-Glockengießer-Stundenglocke aus dem 14. Jahrhundert konnte repariert werden.

Am 10. Februar 2017 goss die Glocken- und Kunstgießerei Rincker zwei neue Glocken. Beim Richtfest am 16. Mai 2017 zogen Zimmerleute die Richtkrone zusammen mit einer der neuen Glocken auf das Dach und schlugen sie dort zum ersten Mal an.[4]

Am 10. November 2018 wurde die Kirche mit einer Feier offiziell wiedereröffnet.[5][6]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beim Brand zerstörte Orgel wurde 1990 von dem Orgelbauer Peter Vier (Friesenheim) erbaut. Das Instrument hatte 30 klingende Register (darunter 2 Register als Vorabzüge) auf zwei Manualen und Pedal. Die Trakturen waren mechanisch. Das erste Manual war als Koppelmanual angelegt.[7]

Orgel der Orgelmanufaktur Lutz

Die heutige Orgel wurde 2019 von der Orgelmanufaktur Lutz (Feuchtwangen) erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 31 Register (darunter vier extendierte Register im Pedal) auf zwei Manualwerken und Pedal. Die Stimmung ist Neidhardt (kleine Stadt). Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen zusätzlich elektrisch (Doppeltraktur).[8]

I Hauptwerk C–g3
1. Bourdon 16′
2. Prinzipal 08′
3. Soloflöte[A. 1] 08′
4. Viola 08′
5. Gedackt 08′
6. Octave 04′
7. Spitzflöte 04′
8. Quinte 0223
9. Octave 02′
10. Mixtur IV 0113
11. Cornett III (ab g0)0
12. Trompete 08′
II Schwellwerk C–g3
13. Principal 08′
14. Salicional 08′
15. Vox coelestis 0 08′
16. Bourdon 08′
17. Octave 04′
18. Traversflöte 04′
19. Nasat 0223
20. Flöte 02′
21. Terz 0135
22. Mixtur III-V 02′
23. Trompette 08′
24. Oboe 08′
Pedal C–f1
25. Principal 16'
26. Subbaß 16′
27. Octave (Ext. Nr. 25) 08′
28. Bourdon (Ext. Nr. 26) 0 08′
29. Octave (Ext. Nr. 25) 04′
30. Posaune 16′
31. Trompete (Ext. Nr. 30) 08′
  • Koppeln: II/I (auch als Suboktavkoppel), II/II (Suboktavkoppel), I/P, II/P (auch als Superoktavkoppel)
  • Spielhilfen: Elektronischer Setzer mit 20 × 1.000 Kombinationen und USB-Port, Crescendo (als Rollwalze) mit drei frei programmierbaren Walzen, Schaltung für das Umblättern digitaler Noten auf Tablets, Balanciertritt und Handzug für Schweller.
  • Anmerkungen
  1. C-H zusammen mit Nr. 5.

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Materialablieferungen im Zweiten Weltkrieg wurden 1950 für die Kirche zwei neue Glocken gegossen. Sie wurden nach den Reformatoren Johannes Calvin und Ulrich Zwingli benannt und erklangen auf a1 und d2. Eine historische Stundenglocke von Hans Glockengießer hing unbenutzt in dem kleinen Türmchen am Westgiebel. Nach dem Brand blieb die historische Glocke erhalten, zerbrach aber bei der Bergung in drei Teile. Sie konnte von der Glockenschweißerei Lachenmeyer repariert werden und ertönte am 4. Oktober 2015 im Chorraum nach 60 Jahren das erste Mal wieder.[9] Die beiden zerstörten Glocken wurden durch einen Neuguss im Jahr 2017 von der Firma Rincker ersetzt. Die Läutedisposition wurde verändert, um die historische Glocke in das Gesamtgeläut zu integrieren. Alle drei Glocken befinden sich jetzt in der Glockenstube auf dem Dachboden.[10]

Nr.
 
Name
 
Schlagton
 
Gussjahr
 
Glockengießer
 
1 Calvin a1 2017 Rincker
2 Zwingli c2 2017 Rincker
3 - d3 15. Jh Hans Glockengießer

Glasfenster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die einstige Pilgerspitalkirche St. Martha bewahrt im Chor und in den beiden Fenstern an den östlichen Stirnseiten der Seitenschiffe noch einen umfangreichen Teil ihrer ursprünglichen mittelalterlichen Farbverglasung aus der Zeit um 1385 bis 1430. Mit einem Gesamtbestand von rund 150 Einzelfeldern ist sie nach den großen Pfarrkirchen St. Lorenz und St. Sebald das bedeutendste Denkmal der Glasmalerei in Nürnberg.

In den Chorfenstern von St. Martha wurde mit Aufträgen unterschiedlicher Patrizierfamilien ein kohärentes Bildprogramm ins Werk gesetzt, das die Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht zeigt. Die ausführliche Darstellung apokalyptischer Themen wie die „15 Zeichen vor dem Jüngsten Gericht“ (Rieter-Fenster) sind Ausdruck eines allgemeinen Krisenbewusstseins nach der Großen Pest Mitte des 14. Jahrhunderts.[11]

Ausgeführt wurden die Glasmalereien von leistungskräftigen Nürnberger Werkstätten, die im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert ihre Erzeugnisse weit über die Grenzen der Stadt hinaus exportierten. An den künstlerisch bedeutendsten Fenstern des Langhauses finden sich Glasmaler wieder, die um 1400 auch für den Erfurter Dom, das Ulmer Münster und die pfalzgräfliche Residenz in Amberg tätig waren.[11]

Chor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zugehörige Fenster

  • Fenster der Waldstromer
  • Fenster der Groß
  • Fenster der Stromer
  • Fenster der Rieter
  • Fenster der Behaim
  • Depotfenster
  • Fenster der Ottnandt

Langhaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zugehörige Fenster

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Martha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 650 Jahre alte Kirche nach Brand einsturzgefährdet. In: Spiegel online. 5. Juni 2014.
  2. Zeittafel: Geschichte der Gemeinde
  3. 700 Jahre alte St. Martha ausgebrannt. (Memento vom 11. Juni 2014 im Internet Archive) In: BR Nachrichten.
  4. Drei Jahre nach dem Brand: Richtfest an der Nürnberger St. Martha Kirche. (Memento vom 16. Mai 2017 im Internet Archive) auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks, abgerufen am 16. Mai 2017.
  5. Wiedereröffnung der Kirche im November. Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde St. Martha Nürnberg, abgerufen am 17. April 2019.
  6. Alte Steine vom Ruß befreit. 17. November 2018, abgerufen am 17. April 2019.
  7. Informationen zur Vier-Orgel beim Orgelbauer. Abgerufen am 21. November 2021.
  8. Informationen zur Orgel auf organindex.de; siehe auch die Informationen auf der Website der Gemeinde
  9. Bericht auf der Website der Kirchengemeinde, abgerufen am 24. Oktober 2019
  10. Georg Rieger: Der Wiederaufbau der vom Brand zerstörten St. Martha Kirche in Nürnberg. Presbyterium der Kirchengemeinde St. Martha, Nürnberg 2019.
  11. a b Nürnberg, Pilgerspitalkirche St. Martha digitales Bildarchiv des Corpus Vitrearum Medii Aevi

Koordinaten: 49° 26′ 54,57″ N, 11° 4′ 51,44″ O