Exklusiv: Die deutsche Kreditwirtschaft gibt ab September neue Girocards (EC-Karten) heraus, die auf das MM-Modul als Sicherheitskennzeichen verzichten. Dies führt zu Problemen im elektronischen Lastschriftverfahren (ELV). (Aktualisiert)

In den kommenden Wochen tauschen die Sparkassen turnusgemäß bis zum Jahresende rund sieben Millionen Girocards aus. Bei der neuen Kartengeneration verzichten die Kreditinstitute dabei erstmals auf das so genannte MM-Modul, was überraschend zu Akzeptanzproblemen im weit verbreiteten elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) führen kann.

Das MM-Modul ("moduliertes Merkmal") wird seit 1979 auf jeder EC-Karte aufgebracht und bewahrte die deutsche Kreditwirtschaft bislang vor Missbrauch durch Kartendubletten. Deutsche Geldautomaten erkannten anhand dieses Kennzeichens die Echtheit der Karte.

Im Gegensatz zu anderen Ländern war Kartenbetrug mit kopierten Magnetstreifen daher hierzulande nie eine große Problematik. Die gefälschten Dubletten kamen nur an ausländischen Automaten zum Einsatz.

EMV-Standard macht das MM-Modul überflüssig

Durch die Einführung des internationalen EMV-Sicherheitsstandards (Chip & PIN) auf den deutschen Girocards wurde das MM-Modul aus Sicht der Kreditwirtschaft obsolet und wird daher künftig aus Kostengründen nicht mehr auf den deutschen Debitkarten aufgebracht. Inzwischen lesen alle Geldautomaten in Deutschland statt des Magnetstreifens nur noch den Kartenchip aus, die Prüfung des MM-Merkmals ist hinfällig.

Nach Informationen von derhandel.de führt der Verzicht auf das MM-Modul jedoch zur Ablehnung der neuen Karten im elektronischen Lastschriftverkehr (ELV). Über das unterschriftenbasierte Kartenzahlungsverfahren werden rund 13 Prozent des deutschen Einzelhandelsumsatzes abgewickelt.

Verifone- und CCV-Terminals betroffen

Betroffen von den Akzeptanzproblemen sind Händler, die ELV als Offline-Verfahren mit Terminals der Hersteller Verifone und CCV einsetzen. Darüber hinaus sind Unternehmen tangiert, die das Lastschriftverfahren als Notfallsystem vorhalten und die entsprechenden Terminals verwenden.

"Verifone prüft bei der Artema-Produktserie das Vorhandensein der MM-Merkmalskennung", berichtet der Hersteller auf Anfrage von derhandel.de. "Zur Vermeidung von Störungen bei Offline-Lastschriftzahlungen werden den Netzbetreibern bis Mitte September Software-Updates zur Verfügung gestellt".

Schätzungen zur Anzahl der betroffenen Geräte seien nicht möglich, heißt es von Verifone, einem der weltweit führenden Terminalhersteller.

Quelle: Euro Kartensysteme
Quelle: Euro Kartensysteme
CCV, der größte Wiederverkäufer von Verifone-Terminals, erklärt auf Anfrage von derhandel.de, dass es bei der Geräteserie SECpos II/SECpos EVO zu Störungen kommen kann. "Unsere Auswertung hat ergeben, dass rund 20 Prozent der aktiven CCV-Terminals betroffen sein könnten". Man stünde in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern, um das Problem zu lösen und habe bereits in der vergangenen Woche ein Software-Update zur Verfügung gestellt. Zu Stückzahlen macht auch CCV keine Angaben.

Da die EC-Cash-Netzbetreiber regelmäßig Terminals mit unterschiedlichen Softwareversionen im Markt haben, wird die notwendige Update-Prozedur erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen.

Ein großer Netzbetreiber geht davon aus, dass rund 25.000 Terminals in seiner Handelskundschaft von der Problematik betroffen sind. Daraus lässt sich für Marktbeobachter schlussfolgern, dass insgesamt vermutlich mindestens 75.000 bis 100.000 Terminals betroffen sind.

Sparkassen halten die neuen Karten noch zurück

Den Sparkassen, die als erste Institutsgruppe die neuen Karten herausgeben, ist das Problem bekannt. Sie wollen die Ausgabe der Karten daher um zwei Wochen verzögern und erwägen, die Kunden im Anschreiben darum zu bitten, die neue EC-Karte möglichst erst Ende November einzusetzen.

"Die Kreditwirtschaft ist bemüht, den Handel und die Netzbetreiber bei der Lösung des Problems zu unterstützen", versichert Stefan Marotzke, Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) gegenüber derhandel.de. "Im EC-Cash-Verfahren und im Online-Lastschriftverfahren treten keinerlei Probleme beim Bezahlen auf", so der Verbandssprecher.

Händlern, die ELV in Eigenregie ohne Netzbetreiber durchführen, bleibt zur Abhilfe nur der Wechsel auf die Spur 2 des Magnetstreifens oder die Hoffnung, rechtzeitig ein passendes Software-Update vom Terminalhersteller zu erhalten. Nach den Zahlen des EHI Retail Institute gibt es rund 40.000 Handelsunternehmen, die Kartenzahlungen ohne Dienstleister abwickeln.
  
Hanno Bender

Update 30.8.: In einer telefonischen Pressekonferenz informierte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) am heutigen Donnerstag über seine Sicht der Problematik.

"Eine seriöse Schätzung der betroffenen Terminals ist nicht möglich", betonte Wolfgang Adamiok, Leiter Zahlungsverkehrs- und Kartenstrategie im DSGV gegenüber den Journalisten. "Die Kostentragung für die notwendigen Software-Updates muss in der Beziehung Händler-Netzbetreiber geklärt werden, denn dort ist das Problem verursacht worden."

Die beiden betroffenen Terminaltypen seien mit rund 120 verschieden Software-Versionen im Markt, ein Update des gesamten Bestandes könne sich über Wochen hinziehen, liege aber außerhalb des Einflussbereichs der Banken, so Adamiok.

Unklar bleibt, warum ein Netzbetreiber je veranlasste, das Vorhandensein des MM-Merkmals im ELV-Verfahren zu überprüfen. "Es bringt keine zusätzliche Sicherheit, da nur ein Steuerungskennzeichen für das Merkmal auf dem Magnetstreifen gelesen wird. Die tatsächliche Überprüfung des Moduls fand immer nur in Geldautomaten statt und war nie für den Einsatz am POS konzipiert."

In einer gemeinsamen Presserklärung zum Thema haben der Handelsverband Deutschland und der DSGV auch eine FAQ-Liste für Händler veröffentlicht.
Die FAQs finden Sie
Foto: B+S Card Service
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