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Drohnenmetropole Wiener Neustadt - fm4.ORF.at

Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Drohnenmetropole Wiener Neustadt"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

15. 3. 2012 - 12:27

Drohnenmetropole Wiener Neustadt

Weltweit sind bereits Hunderte Helikopterdrohnen der Firma Schiebel im Einsatz. Die modernste Drohne der Luftwaffe Israels, der Dominator II, wird von Diamond Air in Wiener Neustadt gebaut und in Israel aufgerüstet.

Vergangene Woche hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA die Einrichtung von mindestens sechs zivilen Basen für unbemannte Flieger angekündigt. Rundum werden auch Flugkorridore durch den zivilen Luftraum eingerichtet, denn dort sollen die Drohnen auch eingesetzt werden. Parallel dazu wurden die bisher sehr strikten Beschränkungen für unbemannte Flieger gelockert. Ähnliches spielt sich gleichzeitig in Deutschland und mehreren anderen europäischen Ländern ab.

Im zivilen Aviationsbereich gelten Drohnen schon länger als das "nächste große Ding", zumal sie sich in immer mehr militärischen Bereichen durchsetzen.

Drohnen für Großevents

Das erste massive Auftauchen der Flieger in der zivilen Lebenswelt wird zur Fußball-EM in Polen und der Ukraine und bei den Olympischen Spielen in London erwartet. Es ist sehr gut möglich, dass dabei auch Gerät aus Wiener Neustadt mitfliegt, das bereits auf dem G-20-Gipfel in Seoul nicht näher definierte Überwachungsaufgaben übernommen hat.

Der Camcopter 100 des österreichischen Familienunternehmens Schiebel ist gerade für einen solchen Einsatzzweck geeignet wie kaum ein zweites unbemanntes Flugobjekt. Bevor die Firma Schiebel mit der Entwicklung von unbemannten Fliegern begonnen hat, war sie von einer bescheidenen Fabrik für Schaltanlagen zum Weltmarktführer bei tragbaren Minensuchgeräten aufgestiegen.

Camcopter der Firma Schiebel

Schiebel

Der Schiebel Camcopter

Jenseits der Spielzeugklasse

Um diese Form unbemannten Fluggeräts gesetzlich "abzubilden", wurde im Jänner das Luftverkehrsgesetz geändert. Begründung: Schließlich habe sich die europäische Agentur für Flugsicherheit seit 2009 mit der möglichen Freigabe des zivilen Luftraums für Drohnen befasst.

Alle anderen Helikopterdrohnen sind entweder noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, oder es handelt sich um umgebaute kleine Hubschrauber, die als reine Waffenträger nur für militärische Zwecke geeignet sind. Geräte aus der Spielzeugklasse wie Quadro- oder Hexakopter haben maximal 20 Minuten Flugzeit zur Verfügung und können überhaupt nur bei Schönwetter mit annähernder Windstille in die Luft.

Die Schiebel-Drohne kann laut Hersteller und Tests bis zu sechs Stunden in der Luft bleiben und ist seit Jahren rund um die Welt im Einsatz.

Hunderte Systeme in der Luft

"Unsere Camcopter sind in allen Klimazonen der Erde unterwegs", sagt Firmeninhaber Hans-Georg Schiebel, doch genauer wollte er sich nicht äußern. Branchenexperten schätzen die Gesamtzahl der weltweit im Einsatz befindlichen Drohnen der Firma auf mehrere hundert Systeme ein.

Zu jeder Drohne gehört ein kleines Kontrollzentrum mit PCs für zwei Operators, die weniger mit der Fliegerei selbst zu tun haben, als mit der Auswertung der Echtzeitdaten. Im Gegensatz zu allen Flügeldrohnen, die manuell gestartet und gelandet werden müssen, tut der Camcopter 100 das autonom.

Wiener Neustadt, Abu Dhabi

Die Haupt- und Produktionsstandorte der Firma sind in Wiener Neustadt und Wien, Niederlassungen gibt es in Abu Dhabi, Washington und Pnom Penh. Geht man nach den Berichten der Branchenmedien, so sind allein am Golf bis zu hundert solcher Drohnen im Einsatz. Ausführliche Tests wurden von der deutschen, französischen, spanischen und pakistanischen Marine durchgeführt. Ob und wie viel geordert wurde, bleibt ein Geheimnis.

Dieseldrohnen

Dass geordert wurde, ist ziemlich evident, denn seit Oktober 2011 wurden allein an den österreichischen Standorten von Schiebel 20 neue Mitarbeiter eingestellt, das entspricht zehn Prozent Zuwachs. Insgesamt seien es nunmehr 200 Arbeitsplätze, sagt der Drohnenfabrikant. Obendrein wurde ein neuer Motor extra für den Marinebereich entwickelt, wo Treibstoffe mit hoher Entflammbarkeit a la Benzin gar nicht gern gesehen werden.

Immerhin ist Herrn Schiebel zu entlocken, dass für den Einsatz des Camcopters als Seeaufklärer eine Motorvariante entwickelt wurde, die mit Diesel läuft.

55-PS-Wankel

Die herkömmliche Schiebel-Engine ist ein selbst entwickelter 55-PS-Wankelmotor, der sich sogar mit bleifreiem 95-Oktan-Benzin zufriedengibt. Die wenigen beweglichen Elemente von Wankelmotoren drehen sich um ihre eigene Achse, dadurch ist der Motor extrem vibrationsarm, was gerade bei hochauflösenden Kameraaufnahmen ausschlaggebend ist.

Seit Anfang des Jahres werden in Afghanistan zwei neu entwickelte Helidrohnen getestet. Die unbemannte Version der K-Max-Helikopters von Kaman/Lockheed Martin schließt als Lastentransporter eine Lücke in der Kriegslogistik. Der etwa zehn Meter lange Heliaufklärer Hummingbird 160 kann laut Herstellerangaben in Höhen bis zu neuntausend Metern operieren und soll mehr als 20 Stunden in der Luft bleiben können.

Je nach Flugweise - Höchsttempo ist 220 km/h - liegt der Verbrauch gerade um die acht Liter pro Flugstunde, das Gerät kann damit in einem Radius von mehr als 200 Kilometern autonom operieren.

Heikle Missionen

Minihelikopter mit Lautsprecher

Schiebel

Schiebel-Drohne mit Lautsprecher

Für den Einsatz gegen ferngezündete "Roadside Bombs" können die Camcopter 100 mit Funkscannern und Jammern (Störsendern ausgestattet werden).

Zur HD-Kamera kommen eine ganze Reihe weiterer Sensoren, wie Infrarotkameras, verschiedene Sorten Radar, je nach Einsatzzweck des Fliegers. Zumindest testweise wurde in die seitlichen Nutzlastkammern allerdings auch ganz andere Gerätschaft eingebaut. Für sogenannte "PsyOps" - psychologische Operationen - wurden einerseits Leistungsverstärker und Lautsprecher eingebaut. Aus dem anderen Cargo-Board können Tausende Flugblätter über einer Menschenmenge abgeworfen werden.

Dramatik in der Sensortechnik

Neben der Optimierung des Verbrauchs hat sich in den letzten paar Jahren vor allem "die Sensortechnik dramatisch weiterentwickelt", sagt Schiebel. "Die Stabilisierbarkeit der Cams wurde ebenso stark verbessert und natürlich ihre Auflösung. Mittlerweile sind wir bei High Definition angelangt." Damit lassen sich sowohl Stromleitungen auf Schäden überprüfen als auch hochauflösende Fotos von Demonstrationen schießen.

Vernetzte unbemannte Flugzeuge spielen eine tragende Rolle im von der EU-Kommission geförderten Projekt INDECT. Das geplante System zur Rundumüberwachung in Städten ist den militärischen Kommandostrukturen für die vernetzte Kriegsführung nachgebildet. Alle Erkenntnisse aus dem Projekt laufen über den Tisch der nordirischen Polizei. Ziel: die Bekämpfung künftiger Aufstände im urbanen Raum.

Fußball und INDECT

Das von der EU-Kommission mit zehn Millionen Euro geförderte INDECT-Projekt - ein für zivile Zwecke umgebautes, militärisches Command-&-Control-Center für Aufklärungszwecke - sieht einen massiven Einsatz von Drohnen im zivilen Alltag vor.

INDECT wurde bezeichnenderweise von britischen und polnischen Polizeikräften vorangetrieben, die Bekämpfung von Hooligans rund um sportliche Großveranstaltungen wurde mehrmals explizit als eines der Projektziele genannt. Daher die Frage an Hans-Georg Schiebel, ob bald einmal Wiener Neustädter Drohnen über europäischen Städten Patrouillen fliegen werden.

Miniflugzeug mit HD-Kamera überfliegt Stromleitung

Schiebel

Schiebel Camcopter über einer Stromleitung

Drohnen im urbanen Raum

Er könne dieses Unbehagen bezüglich der allgegenwärtigen Überwachung schon nachvollziehen, sagt der Drohnenfabrikant. Dass "Drohnen als Präventivmaßnahme durch die Straßen geschickt werden" hält Schiebel für sehr unwahrscheinlich, denn das sei eine Kostenfrage.

Unbemannte Flieger würden hier auch in Zukunft allenfalls eine marginale Rolle spielen, denn der urbane Raum werde allerorts schon längst mit einer Unzahl von fix montierten Kameras an Kreuzungen, auf Häusern und Lichtmasten überwacht.

Von Wiener Neustadt nach Israel

Schiebel ist zwar der einzige Hersteller von Drohnen in Österreich, doch ein zweites Unternehmen aus Wiener Neustadt baut Flieger, aus denen letztlich Drohnen werden.
Eine der eleganten und als ebenso sparsam wie leistungsstark beschriebenen zweimotorigen Sportmaschinen vom Typ D-42 wird in Wiener Neustadt zwar gebaut und als zivile Version ganz normal verkauft. Mindestens acht dieser Maschinen sollen nach Fertigstellung direkt nach Israel überstellt und von der Firma Aeronautics Defense Systems zur Drohne Dominator II umgebaut worden sein. Eine Anfrage von ORF.at bei Diamond Aircraft zum Thema blieb trotz mehrmaliger Nachfrage bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels unbeantwortet (siehe Update unten).

Aus diesem eleganten Flieger wird dieses Monster, das mit einer halben Tonne Nutzlast theoretisch auch waffenfähig ist. Die Schiebel-Drohne ist mit 40 Kilo Nutzlast hingegen ein reiner Aufklärer. Im Netz kursierende Bilder, die den Camcopter mit einem kleinen Raketchen an der Seite zeigen, sind laut Schiebel ein "Fake".

Dominator II

Aus israelischen Quellen ist zu entnehmen, dass bereits acht derartige Maschinen umgebaut wurden. Dominator II erreicht auf Basis der Wiener Neustädter Technologie eine maximale Fluggeschwindigkeit von 350 km/h, kann bis auf 9.000 Meter Höhe steigen und etwa 400 Kilogramm Nutzlast transportieren.

Besonders relevant für den Einsatz als unbemannter Aufklärer ist auch hier die Rechnung Leistung gegen Verbrauch. Und deren Ergebnis sind eindrucksvolle 28 Stunden Flugdauer. Laut unbestätigten Quellen war der in Wiener Neustadt gebaute und Israel mit Sensoren und Elektronik hochgerüstete Flieger 2009 zumindest eine Zeitlang an der türkisch-syrischen Grenze im Einsatz.

Update

Kurz nach Publikation des Artikels traf der Rückruf von Diamond Aircraft ein. Die Firma legt Wert auf die Klarstellung, dass sie ausschließlich die Plattform - also den Flieger - herstellt. Mehr Informationen dazu in einer Follow-up-Story, die bei gegebenem Anlass erscheint.