Werk-Schließung in Kempen Bald rollt die letzte Prinzenrolle vom Band

Kempen · Ende dieses Jahres schließt der Süßwarenhersteller Griesson-de Beukelaer sein Werk in Kempen. Im November wird nach 65 Jahren an der Arnoldstraße die letzte Prinzenrolle produziert. Die Produktion wird nach Thüringen verlagert.

 Das Areal von Griesson-de Beukelaer an der Arnoldstraße in Kempen: Hier gehen Ende des Jahres die Lichter aus.

Das Areal von Griesson-de Beukelaer an der Arnoldstraße in Kempen: Hier gehen Ende des Jahres die Lichter aus.

Foto: Norbert Prümen

„Wir sind im Zeitplan. Mehr gibt es aktuell aus Sicht der Geschäftsführung nicht zu berichten.“ So bringt Peter Gries die aktuelle Situation bei Griesson-de Beukelaer (GdB) auf den Punkt. Der GdB-Sprecher hatte Mitte November 2018 verkündet, den Standort Kempen zu schließen und die Produktion schrittweise an den größten Produktionsstandort Kahla in Thüringen zu verlagern. Nach 65 Jahren Prinzenrolle und zuletzt 50.000 Tonnen Jahresproduktion in Kempen ein Paukenschlag für die 270 Mitarbeiter.

„In Anbetracht der schwierigen Situation läuft die Betriebsschließung geordnet“, bestätigt Betriebsratsvorsitzender Detlev Büschges mit Blick auf Sozialplan und Interessensausgleich. Seit Anfang 2020 wird in Kempen Personal abgebaut. 230 Mitarbeiter gehen momentan noch an der Arnoldstraße 62 ihrer Arbeit nach. Spätestens am 31. Dezember soll auch für sie Schicht sein. Am 30. November läuft die letzte Linie des berühmten Doppeldeckers vom Band. Teile der Produktion sind bereits nach Kahla verlagert.

 Fußballer Lukas Podolski („Prinz Poldi“) besuchte vor Jahren als Werbebotschafter der Prinzenrolle das Kempener Werk.

Fußballer Lukas Podolski („Prinz Poldi“) besuchte vor Jahren als Werbebotschafter der Prinzenrolle das Kempener Werk.

Foto: Kaiser, Wolfgang

Der Stufenplan sieht vor, dass Ende August weitere zwei Dutzend Mitarbeiter das Unternehmen verlassen werden. Das Gros hört Ende November mit dem Stopp der Produktionsbänder im Kempener Werk auf. Ende des Jahres sollen auch die letzten 40 Mitarbeiter ihren Dienst quittiert haben. Dann ist die Prinzenrolle „made in Kempen“ Vergangenheit.

„Die Mehrheit der Mitarbeiter schließt über das beschlossene Freiwilligenprogramm Aufhebungsverträge und begibt sich aus eigener Kraft auf die Suche nach neuen Jobs“, berichtet Detlev Büschges. Je nach Alter und Lebenssituation haben sich einige für Altersteilzeit entschieden. Wenige ziehen mit zu anderen Griesson-de Beukelaer-Standorten, zum Beispiel zum Hauptsitz nach Polch in Rheinland-Pfalz.

Das Unternehmen hat darüber hinaus mit Unterstützung des Betriebsrats eine Jobbörse entwickelt, auf der im September über zwei Tage Arbeitgeber eingeladen werden, um möglichst viele Mitarbeiter in adäquate Jobs zu vermitteln. Corona, so betont Detlev Büschges, habe den Prozess des Personalabbaus extrem erschwert, worunter auch die Vermittlungsversuche der Agentur für Arbeit leide. An dieser Stelle wäre man ohne die Pandemie schon deutlich weiter und hätte mehr Mitarbeiter an anderer Stelle in Lohn und Brot gebracht.

Für Detlev Büschges, der selbst seit 36 Jahren bei de Beukelaer arbeitet und seit 21 Jahren an der Spitze des Betriebsrats steht, ist die Betriebsschließung nach wie vor „nicht akzeptabel“. Für den Standort Kempen hätte es aus seiner Sicht durchaus Möglichkeiten gegeben, die Betriebsschließung zu verhindern. Für die schwierige Finalrunde hat der 65-Jährige seinen Eintritt in den Rentnerstatus verschoben und will als letzter von Bord gehen.

Nachdem die Stadt Kempen sich mit der Entscheidung abfinden musste, dass Griesson-de Beukelaer Kempen den Rücken kehrt, laufen die Nachfolgebemühungen im Rathaus auf Hochtouren. Insbesondere der neue Wirtschaftsförderer Stefan von Laguna ist hier engagiert. „Wir haben ein Interesse, die Fläche zu erwerben, um sie anderen Unternehmen anbieten zu können“, sagt Stefan von Laguna auf Anfrage unserer Redaktion. Der Wirtschaftsförderer macht kein Hehl daraus, dass entsprechende Flächenangebote für Industrie und Gewerbe in Kempen Mangelware sind und Firmen in der Warteschleife sind, die sich liebend gerne in Kempen ansiedeln würden.

Nachdem sich die Entwicklung eines neuen 4,3 Hektar großen Gewerbegebietes am Wasserturm „Südlich Hülser Straße“ – seit fünf Jahren ein Thema bei der Stadt – wegen einer damit einhergehenden Baumfällung als schwierig und langwierig herausgestellt hat, ist das de-Beukelaer-Areal aktuell so etwas wie ein Filetstück der städtischen Wirtschaftsförderung, mitten im Industriegebiet „Am Selder“ und in der Nähe des Bahnhofs gelegen.

Bereits im Frühjahr hat Stefan von Laguna zusammen mit Bürgermeister Volker Rübo (CDU) bei der GdB-Zentrale in Polch angeklopft und Interesse an dem 76.000 Quadratmeter großen Grundstück bekundet. Einen Durchbruch mit den GdB-Justitiaren konnte von Laguna zwar noch nicht vermelden, allerdings sei man guter Dinge. Realistisch dürfte im übernächsten Schritt sein, dass ein Investor die in die Jahre gekommenen de-Beukelaer-Gebäude abreißt und die Fläche je nach Ausrichtung und Bedürfnis des Unternehmens neu sortiert.

Griesson-Sprecher Peter Gries betont noch einmal, dass ihm und den Kollegen in der Geschäftsleitung die Entscheidung, den Standort Kempen zu schließen, nicht leicht gefallen sei. Als Grund für die komplette Verlagerung von Kempen nach Kahla nennt er notwendige Investitionen in effizientere Produktionslinien sowie in weitere Logistikkapazitäten. In Kempen sei eine Modernisierung aufgrund der baulichen und technischen Einschränkungen nicht wirtschaftlich realisierbar gewesen. Außerdem fehle der Platz für zusätzlich benötigte Palettenstellplätze.

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