Guttenberg bittet um Aberkennung seines Titels Uni Bayreuth will Doktorarbeit trotzdem prüfen

Bayreuth (RPO). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg versucht in der Plagiats-Affäre den Befreiungsschlag. Der CSU-Politiker leitete der Universität Bayreuth am Montagabend einen Brief zu, in dem er um die Rücknahme des Titels bat, wie ein Uni-Sprecher sagte. Um eine Prüfung seiner Arbeit kommt er dennoch nicht herum.

Leserstimmen zum Plagiats-Fall Guttenberg
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Foto: dapd

Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hessen gestand der Minister am Montagabend "gravierende Fehler" beim Verfassen der Arbeit ein. Der Sprecher der Universität Bayreuth, Frank Schmälzle, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Guttenberg habe zur Begründung für seine Bitte um Aberkennung des Titels ausgeführt, er habe bei nochmaliger Durchsicht seiner Dissertation "gravierende handwerkliche Fehler festgestellt". Diese seien "nicht mit wissenschaftlichem Arbeiten zu vereinbaren".

Laut Schmälzle wird sich die Promotionskommission der Uni noch am Dienstag mit Guttenbergs Bitte befassen und die nötigen Schritte für die Aberkennung des Titels einleiten. Nach wie vor sei nach der Promotionsordnung ein ordentliches Verfahren zur Prüfung der Dissertation nötig, daran ändere auch die Bitte Guttenbergs nicht. "Mit dem Statement des Ministers ist es aber einfacher geworden." Eine Entscheidung sei am Dienstag nicht zu erwarten. Auch müsse noch die ebenfalls mit dem Fall befasste Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft über Guttenbergs Arbeit beraten. Die Universität kündigte für Dienstag, 14.30 Uhr, eine Pressekonferenz an.

Hells Bells beim Einmarsch

Guttenberg hatte sich für seinen Befreiungsschlag am Montagabbend ein Heimspiel ausgesucht — das Valentinstreffen der CDU in der Stadthalle Kelkheim. In der kleinen konservativ-bürgerlichen Taunus-Gemeinde nördlich von Frankfurt am Main traf er auf überzeugte Unionsanhänger. Der erste öffentliche Auftritt des CSU-Stars nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe sorgte für reichlich Rummel in der Gemeinde. "Man könnte meinen, die Bundeskanzlerin kommt und spricht zur Lage der Nation", sagte ein Christdemokrat. 900 Besucher fanden letztlich Platz in der Halle — und staunten: Der Verteidigungsminister ließ beim Einmarsch in die Halle einen Titel seiner Lieblingsband AC/DC spielen: "Hell's Bells".

Der Hard-Rock-Titel peitschte auf: Guttenberg wurde umjubelt wie ein Box-Star auf dem Weg zum Ring, und er gab sich genauso kämpferisch — sogar in dem Moment, in dem er erklärte, seinen Doktortitel endgültig nicht mehr zu führen. Dazu habe ihn ein eingehender Blick in seine Doktorarbeit bewogen. Die Entscheidung sei ihm schwer gefallen. "Ich bin ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, und zu diesen Fehlern stehe ich." Die Fehler habe er nicht bewusst gemacht.

"Ich stehe zu dem Blödsinn"

Am Freitag noch hatte er angekündigt, den Titel vorübergehend nicht mehr zu führen, bis die Universität Bayreuth die Plagiatsvorwürfe geprüft habe. Diese Einschränkung machte er gestern Abend nicht mehr. "Die Entscheidung, den Doktortitel nicht zu führen, schmerzt", sagte er. Der Minister begründete dies mit den gravierenden, handwerklichen Fehler in seiner Dissertation.

Guttenberg entschuldigte sich bei jenen, die er mit seiner Arbeit verletzt habe. Er wolle mit seiner Entscheidung auch dazu beitragen, dass sein ehemaliger Doktorvater und seine frühere Universität keinen Schaden nähmen. Er wies erneut die Vermutung zurück, die Arbeit nicht selbst geschrieben zu haben. "Ich habe diese Arbeit selbst geschrieben. Ich stehe dazu, aber ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe."

Seine Stimme klingt hart an diesem Abend

Guttenberg gab sich im Übrigen, als könne ihm der Wirbel der vergangenen Tage nichts anhaben. "Viele haben gezweifelt: Kommt er oder sagt er ab?", ruft Guttenberg in den Saal. "So weit kommt es noch, dass ich mich drücke." Vor einigen Tagen wirkte er da durchaus dünnhäutiger. In Kelkheim aber klingt seine Stimme hart. Er lasse sich nicht aus der Ruhe bringen. "Hier steht das Original und kein Plagiat." Und er stellte klar: An Rücktritt denkt er nicht.

In der Koalition hatten sich vor dem Auftritt in Kelkheim die Reihen hinter dem 39-Jährigen geschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete ungewohnt deutlich ihre Solidarität. "Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern hier geht es um die Arbeit als Verteidigungsminister", sagte Merkel und stellte sich gegen Rücktrittsforderungen. Die Arbeit erfülle Guttenberg hervorragend, "und das ist das, was für mich zählt", sagte sie. Die offensive Unterstützung wurde in Berlin mit Erstaunen aufgenommen. Damit würde Merkel bei einem Rücktritt Guttenbergs selbst massiv beschädigt. Auch CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, dass Guttenberg die "uneingeschränkte Solidarität" der CSU genieße.

SPD attestiert Guttenberg Realitätsverlust

Seehofer dementierte, dass sein Parteifreund ihm in einem Gespräch am Wochenende seinen Rücktritt angeboten habe. Diese Deutung sei "falsch". Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hatte Seehofer gesagt, dass er "rechtzeitig" mit Guttenberg geredet habe. Diesen Satz interpretierten Beobachter in Berlin so, dass es eine Rücktrittsdrohung des Verteidigungsministers gegeben habe. "Wir stehen und wir bleiben stehen", sagte Seehofer nun.

Die SPD hält zu Guttenberg für irreparabel beschädigt. "Der Verteidigungsminister leidet unter einem Realitätsverlust, der kurz vor dem Rücktritt kommt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, "Spiegel Online". Oppermann warf dem Minister ein katastrophales Krisenmanagement vor. Nach einer "aggressiven Vorwärtsverteidigung" habe sich Guttenberg zu einer "panikartigen Flucht" entschieden. "Bauernopfer" sei dabei der Doktortitel.

Mappus: aller Ehren wert

Dagegen lobte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die Entscheidung des Verteidigungsministers. "Ich finde, dass Karl-Theodor zu Guttenberg die Sache in geeigneter Weise gelöst hat", sagte Mappus dem "Hamburger Abendblatt". Die Entscheidung, auf den Titel zu verzichten, sei "aller Ehren wert". Zugleich kündigte Mappus an, Guttenberg eine wichtige Rolle im baden-württembergischen Wahlkampf einzuräumen. "Wir haben eine Reihe von Auftritten mit Karl-Theodor zu Guttenberg geplant", sagte er. Mappus äußerte sich überzeugt, dass die Doktorarbeit im Wahlkampf "keine entscheidende Rolle spielen" werde.

Merkel begrüßt Entschluss Guttenbergs

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat indessen den Entschluss Guttenbergs begrüßt, dauerhaft auf seinen Doktortitel zu verzichten. Die Bundeskanzlerin finde die Entscheidung des Ministers "richtig", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag in Berlin.

Bürger sind mit der Arbeit Guttenbergs zufrieden

Trotz der Plagiatsvorwürfe gegen den Verteidigungsminister sind die meisten Bürger einer Umfrage zufolge mit dem Minister zufrieden. Demnach seien 73 Prozent der Befragten mit der politischen Arbeit Guttenbergs zufrieden und nur 21 Prozent unzufrieden. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes infratest dimap im Auftrag des ARD-Politmagazins "report" München am Montag.

Die Zustimmung geht über die Parteigrenzen hinweg: 89 Prozent der Unions-Anhänger, aber auch 71 Prozent der SPD- und 61 Prozent der Grünen-Anhänger seien mit der Arbeit zufrieden. Für die Erhebung wurden 500 Personen befragt.

(AFP/pst)
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