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Die Mittelklasse blickt auf Kerry
27. Jul 07:21

John Kerry vor dem Parteitag in Boston
Foto: AP
Der demokratische Parteitag wird keine spektakuläre Wende nehmen. Dabei steht die Partei vor der schwierigen Aufgabe, ihr traditionell liberales Image mit dem Projekt einer Krankenversicherung für alle zu verbinden.

 
Von Anjana Shrivastava

Seit Montag ist Boston Schauplatz der Democratic National Convention, auf der vier Tage lang die großen Männer der Partei die Delegierten auf den Wahlkampf einzustimmen versuchen. Doch die Stadt erscheint in diesen Tagen als nicht gerade prädestiniert für eine Veranstaltung. Mancher Republikaner freute sich schon vorab über den erwarteten Verkehrskollaps, den die 35.000 demokratischen Delegierten in den engen Straßen verursachen könnten, die vor fast vierhundert Jahren noch als Pfade fürs Rindvieh dienten.

Wer sich nach altem Delegiertenbrauch schon vorab Limousinen reservieren wollte, um den Nachhauseweg von den zahlreichen Partys am Rand des Parteitags komfortabel zu gestalten, wurde von Bostoner Hoteliers abgeraten: Man laufe wohl besser zu Fuß. An der schwierigen Verkehrssituation wird auch das 14 Milliarden Dollar teure Untertunnelungsprojekt in Boston nichts ändern, das nach 12-jähriger Bauzeit nun größtenteils fertig gestellt ist. Die Einheimischen nennen das unterirdische Verkehrsnetz «Big Dig» und vergleichen es gerne mit dem Panama-Kanal. Zu allem Überfluss hat auch die Polizeigewerkschaft der Stadt die nationale Aufmerksamkeit genutzt, um mit Streiks Einfluss auf die Tarifverhandlungen zu nehmen.

In den Pubs von Boston

Der symbolische Charakter dieser eher chaotischen Verhältnisse liegt darin, dass die Amerikaner Boston ohnehin mit dem alten, «liberalen» demokratischen Parteiapparat unter der Führung Ted Kennedys und seiner rechten Hand Mary Beth Cahill verbinden. Dieser wird der Erfolg der Kerry-Kampagne zugeschrieben, der es an einem kritischen Punkt gelang, die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire doch noch zugunsten Kerrys zu wenden. Der einflussreiche demokratische Parteiapparat Bostons hat Wurzeln, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Lange Zeit dominierten die Nachkommen irischer Einwanderer die Parteiorganisation, die im Kleinen Aufgaben des Sozialstaats für Parteimitglieder übernahm.

Aus dieser Tradition erwuchsen etwa demokratische Patriarchen wie Tip O'Neill. Der leidenschaftliche Politiker bekleidete das Amt des Parlamentspräsidenten in der Ära eines anderen charmanten irischstämmigen Manns, Ronald Reagan. Seine rhetorischen Fertigkeiten mag O'Neill in jenen kleinen Pubs von South Boston erworben haben, die seit jeher die kommunikativen Zentren der Stadt sind. In ihnen fühlt sich Diplomatensohn Kerry allerdings nicht besonders wohl. Obwohl Boston seine Heimatstadt ist, entstammt er nicht der alteingesessenen städtischen Parteiorganisation.

Mit dem Fernsehen arbeiten

Die Bostoner Demokraten stehen traditionell für jenen Flügel der Partei, der der europäischen Sozialdemokratie am nächsten steht. Der damit verbundene Traditionalismus beinhaltet an der Parteibasis zwar auch eine xenophobische Seite: Boston gilt im Vergleich zu anderen Metropolen als geteilte und sozial wenig mobile Stadt, in der es schwarze Bostoner eher schwer haben, ihre Wohnsituation und ihre berufliche Position zu verbessern. Dennoch ist es dem Parteiapparat um Ted Kennedy immer wieder gelungen, sozialdemokratische Positionen ganz unglamourös und pragmatisch in politische Projekte zu transformieren. So arbeitete Kennedy in einer parteiübergreifenden Arbeitsgruppe mit, die einen Gesetzesentwurf zur Regelung einer Krankenversicherung vorlegen sollte. Weil er das Ergebnis am Ende aber als geradezu entgegengesetzt zur ursprünglichen Intention empfand, lehnte er den Entwurf am Ende aber ab.

Doch wird es bei der Democratic National Convention selbst wohl nur am Rand um konkrete politische Entwürfe gehen. Der Fernsehproduzent des Kongresses, Don Mischner, muss versuchen, die immer noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Elemente der Parteiversammlung mit dem Fernsehen zu versöhnen. Dieser Zwang zur Fernsehkompatibilität macht die Versammlung erfahrungsgemäß für die anwesenden Delegierten nicht unbedingt spannender, so dass man die Convention 1996 mit dem «Macarena» einleitete, um die Delegierten in Schwung zu bringen: Nichts fürchten die Regisseure mehr als die von den Sendern gern eingebauten Kameraschwenks über schlafende Delegierte.

Zurück zu den harten Fakten

Obwohl die amerikanischen Zeitungen bereits darauf hinweisen, dass die Demokraten noch nie eine Präsidentschaft gewonnen haben, wenn sie ihren Kandidaten in dessen Heimatstadt kürten, liegt Boston als Veranstaltungsort aus einem Grund durchaus nahe: Seit Beginn von Kerrys Kandidatur fließt von hier ein besonders großer Anteil von Wahlkampfspenden. Seiner Kampagne ist es darüber hinaus aber auch gelungen, durch die Übernahme der Onlinestrategien Howard Deans auch weniger zahlungskräftige Unterstützer in ganz Amerika zu gewinnen: Die Höhe der durchschnittlichen Einzelspende ist in den letzten Wochen von 950 auf 108 Dollar gesunken.

Dennoch, so vermuten Beobachter, verdankt Kerry das Gros seiner Spenden aber nicht unbedingt der Sorge um sozialstaatliche Verbesserungen, Kerry gilt seinen wohlhabenden Unterstützern eher als Erbe der Politik der Sechziger, als Bürgerrechte und individuelle bürgerliche Freiheiten im Zentrum demokratischer Politik standen.

Eben diese Fixierung auf die Rechte von Minderheiten und die Kulturrevolution der Sechziger stellt sich den Parteistrategen aber auch als Gefahr dar, weil die als Wählerschicht entscheidende Mittelklasse sich heute vor allem für eine demokratische Partei interessiert, die ihren prekären ökonomischen Status ernst nimmt. Noch 1977 erklärten 72 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner, sie seien Demokraten. Heute muss die Tatsache, dass sich Country-Legende Willie Nelson bereit erklärt hat, auf dem Kongress zu spielen, als stärkster Beweis dafür herhalten, dass die Demokraten immer noch die Partei des Volkes sind.

Kerry muss die allgemeine Krankenversicherung einführen

In der aktuellen Lage scheint es Hoffnung zu geben für einen demokratischen Wahlsieg: In den Umfragen ist der Wert derer, die Bushs Arbeit für gut befinden, unter 50 Prozent gesunken. Im Westen wächst die Bedeutung urbaner Wählerschichten, die zum Teil selbst einst als Einwanderer nach Kalifornien kamen. Diese Wähler sympathisieren mit den liberalen demokratischen Positionen zur Abtreibung und zur Waffenkontrolle.

Gerade weil das Profil der Demokraten so vielschichtig ist, und so unterschiedliche Bedürfnisse unter einen Hut gebracht werden müssen, stehen die Demokraten bei dieser Wahl aber mit dem Rücken zur Wand. Wenn die Wahl für die Demokraten verloren geht, wird ein von einem monolithischen republikanischen Block in allen politischen Körperschaften dominiertes Washington so grundlegende Veränderungen im Land vornehmen können, wie man sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat. Falls Kerry gewinnt, es ihm aber wie bereits Clinton nicht gelingt, eine universelle Mindestabsicherung bei der Vorsorge im Krankheitsfall oder die Alternative einer gesetzlich verankerten Krankenversicherung durch den Arbeitgeber durchzusetzen, die 75 Prozent der Amerikaner gerne sehen würden, könnte es mit der Partei ebenfalls vorbei sein.


 


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