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Aktuel Urol 2004; 35: 6-8
DOI: 10.1055/s-2004-819034
 
 
Test zur Differenzierung von Hodenhochstand oder Pendelhoden

Human chorionic gonadotropin

 
 
Kommentar
 
 
 

Der HCG-Test wird routinemäßig zur Differenzierung einer Anorchie vom abdominal gelegenen Hoden eingesetzt. Ob eine kontrollierte HCG-Gabe auch einen Pendelhoden von einem nicht deszendierten Hoden differenzieren und ggf. therapieren kann, war Gegenstand der Studie von Miller et al. (J Urol 2003; 169: 2328-2331).

67 Patienten (Durchschnittsalter: 4 Jahre) mit insgesamt 90 Pendelhoden oder nicht deszendierte Hoden wurden untersucht. Nach einer ausführlichen körperlichen und skrotalen Untersuchung zur Differenzierung des Hodenbefundes erhielt jeder Patient 50 IU/kg HCG i. m. 5-mal alle 5 Tage. Eine Woche nach Therapieende erfolgte eine erneute klinische Evaluierung.

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Leeres Skrotum bei Hodenhochstand (Bild: Praxis der Urologie, GTV, 2003).

Bei Therapiebeginn wurden 64 Hoden als hochstehend und 26 Pendelhoden festgestellt. 13 der hochstehenden Hoden (20 %) befanden sich nach Abschluß der HCG-Therapie im Skrotum. Deutlich besser schnitt die Gruppe der Patienten mit Pendelhoden ab: hier befanden sich 15 der 26 Pendelhoden (58 %) nach Therapieabschluss im Skrotum. Dabei waren alle initial hochskrotal getasteten Hoden deszendiert, jedoch nur 40 % der inguinal gelegenen. Beim Vergleich von unilateralen versus bilateralen Prozessen zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei den unilateral betroffenen Patienten: 5 von 6 (83 %) unilateralen Pendelhoden waren nach Therapieabschluss intraskrotal, wogegen nur 5 von 38 (13 %) hochstehenden Hoden nach Therapieende intraskrotal lagen (p<0,001). Der Altersgipfel mit dem besten HCG induzierten Ergebnis lag zwischen 4 und 7 Jahren.

Die überwiegende Anzahl der Patienten mit Hodenhochstand wird in einem Alter unter 2 Jahren diagnostiziert und sollte so früh wie möglich behandelt werden. Die Erfolgsrate dieser Studie lag bei unter 2-Jährigen bei Behandlung mit HCG nur bei 15 %. Dies zeigt die Limitierung der Therapie in dieser Altersklasse.

Deutlich besser zeigte sich die HCG-Therapie in diagnostischer und therapeutischer Funktion beim Pendelhoden bei über 3-Jährigen, insbesondere bei normal entwickeltem ipsilateralen Hemiskrotum. Zusammenfassend spielt HCG nur eine sehr limitierte Rolle in der Differenzierung zwischen Hodenhochstand und Pendelhoden und bietet meistens keine Therapiealternative zur Operation

Dr. Anke Diehl, Essen

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Kommentar

Der Hodenhochstand ist eine der häufigsten Anomalien mit einer Inzidenz von 3-5 % der Neugeborenen und 33 % bei Frühgeborenen. Durch Spontandeszensus im 1. Lebensjahr liegt die verbleibende Inzidenz nach einem Jahr bei 1-3 % mit deutlicher familiärer Häufung.

Die Ätiologie ist bislang noch immer unklar, sicher ist nur, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Wahrscheinlich spielt ein zumindest passagerer hypogonadotroper Hypogonadismus eine Rolle, der möglicherweise durch einen gestörten Östrogenhaushalt der Mutter ausgelöst wird. Das Risiko der späteren Infertilität bzw. Subfertilität ist bei einseitigem Hodenhochstand mit 15 % (Vaterschaftsrate bei 89 %) und bei beidseitigem Hodenhochstand mit ~50 % (Vaterschaftsrate bei 62 %) deutlich erhöht. Der normalerweise in den ersten 6 Lebensmonaten stattfindende Gonadotropin- und Testosteron-Anstieg fällt je nach ein- oder beidseitigem Geschehen vergleichsweise geringer aus. Durch Ausbleiben dieses frühen Priming-Effektes kommt es zu einer verminderten bis ausbleibenden Transformation von primitiven Gonozyten, den fetalen Stammzellen, zu adulten Spermatogonien, den adulten Stammzellen, aus denen mit der nächsten Maturationsstufe etwa mit dem 5. Lebensjahr die ersten Spermatozyten entstehen.

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Pathologische Hodenlagen/Retentio testis (Bild: Urologie, GTV, 2002).

2 Punkte stehen bei der hormonellen Therapie zur Debatte. Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit die Hormonbehandlung mit HCG oder GnRH einen Einfluss auf die verbesserte Reifung des kryptorchen Hodens und die Entwicklung von reifen Keimzellen hat. Zum anderen ist nach wie vor offen, ob und wie ausgeprägt die Gabe von HCG oder GnRH den ausgebliebenen Deszensus unterstützen bzw. sogar vervollständigen kann. Erstens: Die Verbesserung der Reifung kryptorcher Hoden, war nicht das Thema der hier vorgestellten Studie. Hierzu ist zu sagen, dass als Vorreiter vor allem Hadziselimovic die Hodenbiopsie fordert, um die Knaben mit einem Maturationsarrest der Keimzellen zu identifizieren. Diese sollten postoperativ eine Hormontherapie erhalten. In der Mehrzahl der Fälle hat dieses Regime zu einer Normalisierung der testikulären Histologie geführt mit besseren Spermiogramm-Ergebnissen zum Ende der Pubertät als in der unbehandelten Gruppe. Bezüglich des zweiten Punktes, der Unterstützung des Deszensus dagegen stehen sich die Lager Europa und USA teils kritisch gegenüber. Während in Europa die Hormontherapie nahezu zum etablierten Standard gehört, wird sie in den Vereinigten Staaten wesentlich restriktiver angewandt. Daten für beide Standpunkte sind in der Literatur zu finden. So werden für die reine Therapie mit HCG oder GnRH etwa gleiche Erfolgsraten von 15 bis über 50 % und für die Kombinationstherapie sogar von 63 % beschrieben. Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien von Pyorola et al. aus dem Jahr 1995 fand dagegen für LHRH eine Erfolgsrate von lediglich 21 % inklusive Pendelhoden und lediglich 12 %, wenn Pendelhoden ausgeschlossen wurden. Für HCG betrug der Erfolg mit oder ohne Pendelhoden insgesamt 19 %. Beide Hormone waren auf jeden Fall besser als Plazebo. Hinzu kommt, dass bis zu 24 % der erfolgreich deszendierten Hoden wieder reaszendierten. Der tatsächliche Wert der Hormontherapie bleibt damit also kritisch zu sehen. Auf der anderen Seite wiederum gibt es zahlreiche Berichte, die beschreiben, dass vor allem nicht-palpable Hoden in bis zu 90 % nach Hormontherapie tastbar waren, was z. B. eine sonst fällige Kaskade von diagnostischen Prozeduren bis hin zur Laparoskopie verhindern kann. Darüber hinaus werden verschiedentlich die operative Situation verbessernde Eigenschaften der präoperativen Hormontherapie wie eine Zunahme der Durchblutung beschrieben. Diese Berichte lassen allerdings zumeist objektive Messparameter vermissen, die diese These belegen.

Die hier vorgestellte Studie befasst sich mit der Frage, ob durch die Gabe von HCG hochstehende Hoden von Pendelhoden differenziert werden können. Dafür analysieren die Autoren prospektiv 67 Knaben mit 64 hochstehenden und 26 Pendelhoden. Dass Pendelhoden besser ansprechen, konnte erwartungsgemäß nach- gewiesen werden (58 % vs. 20 % bei Hochstand, bei unilateralen Pendelhoden sogar 83 %), eine eindeutige Differenzierung lässt sich aber daraus nicht ableiten. Interessant ist dagegen der Befund, dass kryptorche Hoden im späteren Alter (> 3 Jahre) besser auf die Hormontherapie ansprechen. Dies könnte theoretisch auf eine erhöhte Sensibilität in der hormonellen Ruhephase der Hoden hinweisen.

Ein weiterer klinischer Aspekt der Arbeit ist erwähnenswert. Bei der Untersuchung der Kinder sollte immer die Entwicklung des Skrotums mitbeurteilt werden. Bei hypoplastisch ausgeprägtem (Hemi-)Skrotum ist ein Spontan- wie auch ein hormonell induzierter Deszensus wesentlich seltener zu erwarten. Dieser Untersuchungsbefund sollte daher immer bei der Erstuntersuchung mitdokumentiert werden. Sehr wichtig ist es auch, auf die Möglichkeit einer spontanen Reaszension nach Spontan- oder hormonell induziertem Deszensus in bis zu einem Viertel der Fälle hinzuweisen. Dies zeigen die jedem bekannten Fälle kryptorcher Hoden, bei denen Eltern über eine zu einem früheren Untersuchungszeitpunkt skrotale Lage von Hoden berichten. Unter Kenntnis dieser Tatsache reicht eine einmalig zu einer frühen Vorsorgeuntersuchung bestätigte normale Hodenposition nicht aus, sie sollte zu einem späteren Zeitpunkt, am besten vor dem zweiten Lebensjahr noch einmal gesichert werden. Trotz langjähriger Forschung bleiben nach wie vor verschiedene Fragen zum Einsatz der Hormontherapie offen: soll die Hormontherapie generell eingesetzt werden? Ist die Hormontherapie prä- oder postoperativ indiziert? Soll sich der Einsatz an dem Befund einer Biopsie orientieren und dann nur bei Knaben mit festgestelltem Maturationsarrest gegeben werden? Und wann ist der beste Zeitpunkt? Welche Dosierung welchen Präparates über welchen Zeitraum ist optimal?

Klar bleibt zumindest die Tatsache, dass eine operative Verlagerung beim nicht spontan oder durch hormonelle Stimulation deszendierten Hoden stattfinden muss. Dies bleibt unumstritten, da alleine die skrotale Lage eine spätere sichere palpatorische Beurteilung des Hodens zulässt. Hinzu kommt auch ein für den Knaben zu einem späteren Zeitpunkt nicht zu vernachlässigender kosmetischer Effekt. Der Zeitpunkt der Verlagerung ist aber nach wie vor unsicher. Zwar besteht mittlerweile ein großer Konsens bezüglich einer Operation vor dem 2. Lebensjahr und nach dem ersten Lebensjahr, um die Möglichkeit eines Spontandeszensus abzuwarten. Gerade die durch die bioptischen Untersuchungen nachgewiesenen verschiedenen Maturationsstufen des Ho- dens lassen aber die Frage aufkommen, ob nicht ein früherer Zeitpunkt etwa mit 6 Monaten anzustreben wäre.

Sollte die Hormontherapie die frühe, beim nicht-deszendierten Hoden nicht oder nur teilweise vollzogene Reifung der Gonozyten nachträglich unterstützen, so wäre ihr Einsatz generell indiziert. Dies nicht nur aus Gründen der Verbesserung der Fertilitätschancen sondern vor allem auch deswegen, da die sonst ausbleibende Apoptose der fetalen Stammzellen zu deren Persistenz führen kann mit der potentiellen Gefahr deren später malignen Entartung. Die Möglichkeit der Vollendung des Deszensus oder zumindest der Lageverbesserung und der Optimierung der Bedingungen für die spätere operative Verlagerung wie auch die insgesamt als sehr gering in allen wie auch der vorliegenden Studie beschriebenen Nebenwirkungen lassen aber insgesamt trotz noch vieler offener Fragen den breiteren Einsatz der Hormontherapie anstreben.

Prof. Dr. Alexander Lampel, Villingen-Schwenningen

 
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