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Hegel und das Nokia N95 - Das Magazin
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Das Magazin 04 / 2008

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Hegel und das Nokia N95

Aus Das Magazin

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 Mit dem Nokia N95 hat man die Welt im Griff. Bild: Thomas Zaugg

Mit dem Nokia N95 hat man die Welt im Griff.
Bild: Thomas Zaugg

Das digitale Leben des Thomas Zaugg. Diesmal mit dem Nokia N95 und Hegel.

Ich finde das Nokia N95 iPhonemässig gut.

Da ist zum Beispiel das integrierte GPS-Modul, mit dem man satellitengesteuert durch die Stadt navigiert und die besten Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Events findet. Und oder man hört Musik, schreibt in seinen Blog, checkt seine Mails, alles superschnell über WLAN, EDGE, UMTS, HSDPA oder man knipst oder filmt herum mit der 5-Megapixel-Kamera mit Carl Zeiss Optik. Wenn das N95 noch einen Touch-Screen hätte, dann wäre es besser als das iPhone.

Aber was würde Georg Wilhelm Friedrich Hegel zum Nokia N95 sagen, mein absoluter Lieblingsphilosoph?

Er würde es verabscheuen. Nicht nur das Handy, sondern diesen ganzen Handy-Lifestyle. WLAN, EDGE, UMTS, HSDPA. Er könnte nicht verstehen, wie wir unser Leben mit solchen Prothesen verbringen können.

«Warum denn nicht?», würde ich ihn fragen.

Er würde den Kopf schütteln.

Ich würde ihm ein bisschen etwas über unsere Zeit erzählen. Eine revolutionäre Zeit. Jetzt endlich erscheinen Handys, die zu unserer globalisierten Welt passen. Das Nokia N95 und bald auch das iPhone. Es sind Handys, die alles können. Wunderbare Geräte. Wenn man sie richtig gebraucht, können sie einem das Leben erleichtern. Shoppen. Reisen. Fotografieren. Irgendwann wird jeder so eins haben.

Die Welt wird weiter schrumpfen, wir müssen uns damit abfinden.

«Verstehen Sie das, Herr Hegel?»

«Eine Revolution sagen Sie?»

«Ja, eine Handyrevolution.»

«Und machen Sie bei ihr mit?»

«Bei dieser Revolution ist es leider so, dass sie sowieso stattfindet. Man muss sich nur entscheiden, wie man zu ihr steht.»

Hegel würde wieder den Kopf schütteln.

Ich kenne keinen Philosophen, der das N95 gut finden würde. Jede Professorin, jeder Professor läuft mit einem Handy im Sack durch die Uni, aber keiner beschäftigt sich damit. Man nimmt es leicht ironisch. Das richtige Leben, meinen sie, das richtige Leben ist natürlich nicht so. Das richtige Leben verbringt man in der Natur. Zu primitiv, diese Handys, dieses Knöpfchenzeugs, dieses WLANEDGEUMTSHSDPA.

Aber dieses Zeug ist unser Leben.

Und ich sehne mich nach einer Philosophie, einer Philosophie dieses Lebens.

«Sie haben selbst einmal gesagt, Herr Hegel, es gebe nichts Tiefgründigeres als das, was an der Oberfläche erscheine. Das Nokia N95 ist dieses Jahr erschienen. Ist dieses Handy also nicht tiefgründig, ein Zeichen der Zeit?»

Hegel würde sagen: «Ja, das stimmt. Darüber müssen Sie mal was schreiben.»

Und ich sagte: «Okay.»


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12 Kommentare

Gegenthese

Oliver Reichenstein

Muessig und doch immer wieder aufschlussreich: Die Frage, ob Mozart heute Yorke oder Cage oder Aphex Twin waere. In diem Fall denk ich: Hegel, der tatsaechlich oberflaechlichste (...) aller deutschen Universitaetsgecken, waere heute ein weltberuehmter Silicon Valley Geek, der die Leute mit kryptischem Techtalk uebers Ohr haut.

Synthese

Thomas Zaugg

Eine steile Gegenthese. Man muss dazu sagen, dass Oliver Reichenstein philosophisch gesehen auf der hellen Seite der Macht steht. Oliver mag Schopenhauer, und Schopenhauer mochte den Hegel überhaupt nicht. Wie auch immer. Hegel wusste sich immer zu arrangieren, das stimmt schon. Er würde schnell lernen. Aber in der Kolumne ist er ja erst seit kurzem im 2007. Warten wir also ab. Lieben Gruss, Thomas Zaugg

Frank Schrillmacher

Der Kulturpessimist, wie seinerzeit Schopenhauer schnaubte, würde selbstherrlich entgegnen, das Natel drücke ein spezifisch westlich-zivilisiertes Lebensgefühl aus: die Furcht, etwas «verpassen» zu können, «ausgeschlossen» zu werden, was in der Obsession sich doppelt, dauernd erreichbar und «vernetzt» sein zu müssen. Ich lebe ohne Natel.

Magnus Frei

Dem Verfasser, welcher Hegel als seinen „absoluten Lieblingsphilosophen“ behauptet, wird wohl bekannt sein, dass es diesem darum ging, die ‚Vernunft in der Wirklichkeit’ aufzuzeigen (dass jenes Diktum oft falsch, nämlich als blosse Affirmation, verstanden wurde, soll hier aus gleichem Grund auch nur am Rand erwähnt werden). Frucht dieses Absicht ist das, was bei Hegel dann ‚Realphilosophie’ heisst, nämlich dem systematischen Durchgang durch alle möglichen Bereiche der Wirklichkeit – natürlichen Phänomenen, Wissensformationen, Institutionen, etc. -, nachdem deren Struktur (bzw. die der Wirklichkeit) entwickelt wurde in dem, was Hegel ‚Logik’ nennt. Angesichts dessen wäre es sehr erstaunlich, wenn einem heutigen Hegel – gerade ihn – so etwas wie Mobiltelefonie kalt lassen würde und er wie in obigem Text bloss nicken, kopfschütteln und einsilbig fragen würde und vom Autor auf die Sprünge geholfen werden müsste.

„Und machen Sie bei ihr [d.i. bei der Revolution] mit?“, wäre zudem eine Frage, welche vielleicht einer stellen würde, der sagt: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ – nicht aber Hegel, der, wie dem Verfasser natürlich bekannt sein wird, der Überzeugung war, dass „die Eule der Minerva [...] erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug [beginnt]“, wie es so schön heisst; der also der Überzeugung war, dass die Philosophie erst nachträglich kommt und das was „sowieso stattfindet“, wie etwa die ‚Revolution’ durch moderne Telekommunikation – egal was der Einzelne tut und wie er sich dazu stellt (die Vernunft ist ja für Hegel bekanntlich „listig“ und findet schon ihre Wege) – analysiert und versteht. Allerdings fragt man sich überhaupt, warum - ausser als bildungsbürgerliches Kolorit - von Hegel die Rede ist. Man könnte beliebigen anderen Philosophen oder meinetwegen was sonst man wolle an deren Stelle setzen, der Text würde leider gleich oberflächlich in seinem Bezug bleiben; insofern er auf Hegel eingeht, geht er ja gerade nicht auf ihn, und also natürlich – denn vielleicht wollte unser Autor ja performativ über Hegel schreiben, was hier dann dialektisch hiesse – gerade auf ihn ein.

Dass dann am Ende des Textes noch heutigen Philosophen Ignoranz gegenüber den durch Mobiltelefonie oder Technik überhaupt bewirkten Veränderungen der Lebenswelt vorgeworfen wird, ist eine blosse, ungedeckte, aus der Luft gegriffene Behauptung. Woher kommen nun auf einmal solch unbestimmt romantizistischen Vorstellungen, welche „jede Professorin, jeder Professor“ heutzutage haben soll? Statt sich mit „Lieblingsphilosophen“ zu schmücken vielleicht besser mal in eine Buchhandlung oder Bibliothek gehen und von Wikipedia die Finger lassen, auch wenn es noch praktisch sich mit dem neuen Nokia N95 aufrufen lässt.

Hegel und die Wirklichkeit

Thomas Zaugg

Lieber Herr Frei

Vielen Dank für Ihren anregenden Beitrag. Spannend wäre doch die Frage, ob Hegel auch heute noch die Vernunft in der Wirklichkeit aufzeigen könnte. Das frage ich mich jedenfalls manchmal. Ob er zum Beispiel die Vernunft hinter Auschwitz erkennen könnte. Oder eben hinter dem Nokia N95.

Haben Sie dazu auch ein Hegel-Zitat?

Vielleicht hat Hegel, als gewiefter Dialektiker, in der Kolumne einfach mal die Gegenposition eingenommen.

Mit freundlichem Gruss, Thomas Zaugg

Magnus Frei

Lieber Herr Zaugg,

mit Ihrer Freundlichkeit nehmen sie natürlich meiner Polemik etwas den Wind aus den Segeln. Wie wäre es mit Karl Marx: „Dass das Vernünftige wirklich ist, beweist sich eben im Widerspruch der unvernünftigen Wirklichkeit“. (MEW 1, 266). Pathologien der Vernunft, eine Dialektik von Aufklärung und Barbarei und dergleichen bleibt – da kann ich Ihnen zustimmen – möglicherweise ausserhalb von Hegels Blickfeld; dass aber die prononciertesten Vertreter von solchem, von Marx bis zur Frankfurter Schule, in ständiger Tuchfühlung mit Hegel bleiben (gegenwärtig zum Beispiel auch Axel Honneth) zeigt aber immerhin das Potential an, welche dafür in Hegels Schriften liegt. Der kritische Kern scheint mir hierbei im Gedanken zu liegen, dass Gegeben scheinendes in Wahrheit Gemachtes ist; und insofern keine Verantwortung abgeschoben werden kann an Verhältnisse, historischen Konstellationen, an einen 'naturhaften Kern', der trotz aller Zivilisation hervorgebrochen ist, oder dergleichen.

Über das andere muss ich noch nachdenken. Und zwar in ähnlicher Richtung: dass mit dem Telefon natürlich gegeben und unüberwindbar scheinende Schranken oder Bedingungen überwunden werden, indem die Bedingungen (etwa die der Kommunikation) vom Menschen sich selbst gegeben werden.

Hegelei

Oliver Reichenstein

Genau diese Art von esotherischer Laverei hat der Philosophie jede Substanz genommen. Hegel ist das Olten der Philosophie.

Magnus Frei

Eigentlich sollte ich ja besser gar nichts mehr sagen.

Aber vielleicht glaubt Herr Reichenstein ja auch, dass "esotherisch" (sic) und Theorie dasselbe sind. Wie schade.

Es ist genauso fest oder wenig esoterisch wie "WLAN, EDGE, UMTS, HSDPA". Dass ob einer These etwas Exegese angebracht ist, finde ich durchaus berechtigt; hierfür benutzt man am besten das geläufige Vokabular. Wenn Herr Zaugg von Ausschwitz und Hegel spricht, spielt er auf Adorno an; genauso wie 'Aufklärung und Barbarei' dies tut. Man kann auch nicht immer von vorne beginnen. Dass das von aussen dann nicht ersichtlich ist, ist natürlich schon klar; genauso auch, dass man anders schreiben würde, wenn's etwa in einem Artikel wäre. Weswegen das dann Laverei ist, weiss ich auch nicht.

Olten ist zudem immerhin Kilometer Null der SBB und heute noch einer der wichtigsten Knotenpunkte.

Hegel und Olten

Oliver Reichenstein

Schade eigentlich, dass ich nicht in Olten, sondern in Freiburg dem Hegelschen Geist zum ersten mal begegnet bin. In diesem zünftigen Seminar zum Thema "Ist der Mensch ein Politisches Tier?" leierte – wenn ich mich richtig erinnere – Ludwig Siep einen dieser typisch kryptischen Monologe zu Hegels Rechtsphilosophie herunter.

Wobei leiern ja das falsche Wort ist. Siep hat, soviel ich mich erinnern kann, eine angenehme Stimme, wunderbare Manieren und eine schöne Golduhr an einem Kettchen (ich kann mich da auch täuschen) und einen wunderbaren blauen Anzug, der mir sehr imponiert hat.

Und Herr Siep wusste sicher genau, wovon er sprach, und inzwischen würd ich als lizenzierter ja wohl auch diesen oder jenen Satz aphoristisch sinnhaft finden – entscheidend ist aber dieser Augenblick hier:

Sichtlich irritiert darüber, dass ihm offenbar niemand richtig zugehört hatte, bricht Siep seinen Vortrag nach 5 Minuten ab und schliesst das Fenster. Dann macht er einen runden Witz: "Die Stimmen der Kinder im Hof sind ja ganz angenehm, aber mit Hegel vertragen die sich nicht besonders gut."

Mir waren die Kinderstimmen gar nicht aufgefallen. Im guten Glauben, dass es wohl wirklich an den Kinderstimmen hat liegen müssen, hab ich mich wieder aufgrappelt und versucht zuzuhören. Vergebens. Einen wirklich schönen blauen Anzug hatte er aber, dreiteilig. Oder war der grau?

Dass sich Kinderstimmen nicht mit Hegel vertragen, ist mehr oder weniger alles, was ich von dem Vortrag gelernt habe. Und das ist mehr oder weniger alles, was man über Hegel wissen muss.

Zu den Frankfurter Würsten nur noch etwas Senf: Philosophie muss auf dem Marktplatz möglich sein.

Magnus Frei

Ich glaube Marktplatz und Elfenbeinturm sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, weil beide einander bedingen, um wirklich fruchtbar zu sein; es ist ein Verhältnis von Grundlagenforschung und im weitesten Sinne angewandter Wissenschaft.

Zugegebenermassen ist zum Beispiel die Rechtsphilosophie zunächst sehr befremdlich und vor lauter 'an sich', 'für sich' und 'an und für sich' weiss man nicht wirklich, um was es eigentlich geht. Das Ganze lässt sich aber herunterbrechen auf eine Theorie darüber, wie eine Person als Träger von Rechten fundiert sein muss in einer Konzeption einer Person als moralisches Subjekt, dies wiederum aber zur Bedingung hat eine Verortung in einem sozialen Kontext (tradierten institutionalisierten Formen des Zusammenlebens, die zunächst vor-reflexiv sind; man wird hineingeboren und wächst darin auf, ohne zunächst alles zu hinterfragen). Dies wird dann z.T. als konservativ gescholten; zumindest ist es ein wesentlich anderer Ansatz als etwa eine liberalistische Position, die vom freien einzelnen Individuum ausgeht. Ohne jetzt für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen, sind doch damit Analyseinstrumente (die natürlich viel reichhaltiger sind als hier skizziert) gegeben, mit denen gerade Diskussionen wie die im 'Magazin' über Integration wie ich finde gewinnbringend betrachtet werden können; welche Seite geht eigentlich von welchen Voraussetzungen aus, etc. Aber warum dann kryptisches 'an und für sich'? Vielleicht ist das zurecht gefragt. Aber einerseits ist es nun Mal ein Grundlagentext, in dem viele Probleme überhaupt aufgeworfen wurden, andererseits verhindert vielleicht gerade die Distanz zwischen uns und dem Text eine vorschnelle Identifikation mit der Position - weil es doch häufig so ist, dass das, was man versteht, einem zuerst Mal als wahr erscheint. Das man es vielleicht nicht einfach so in den Marktplatz werfen soll, gebe ich zu (vielleicht waren auch meine obigen Kommentare etwas vorschnell), überhaupt möchte es man manchmal lieber in die Ecke werfen, wenn man Mal wieder nichts versteht. Zu Frankfurt: gerade dort gibt es Leute, die sich bemühen, in Zeitungen allgemeinverständliche Artikel zu verfassen, etwa Rainer Forst oder Martin Seel immer wieder z.B. in der 'Zeit'.

Zu Freiburg: Freiburg ist natürlich nicht so ein geeignetes Pflaster, wenn man die "awful philosophers with h" - Hegel, Husserl, Heidegger - nicht mag, weil sie dort sehr erpicht sind auf ihr Erbe.


Unklar

Oliver Reichenstein

Ich hab's dann später nochmal versucht, in Sils-Maria, in einem einwöchigen Seminar zu Hegels Rechtsphilosophie zusammen mit den Juristen. Was mir aus dem Seminar geblieben ist, ist hm... ich will keine peinlichen Unigeheimnisse ausplappern. Jedenfalls hat es nichts mit Hegel zu tun. Und glauben Sie mir, wir haben uns (alle) alle Mühe gegeben, diesen Hegel festzunageln. Erfolglos, weil da ausser ein paar aphoristischen Sophismen und schwerer Dünkelhaftigkeit NICHTS ist. Ein Bisschen lexikalisches Wissen ist mir schon noch geblieben... – Aber ohne auf die inhaltliche Stimmigkeit ihrer Hegelexegese eingehen zu wollen, möcht ich den Finger auf den HHH-schen Sprachgebrauch legen. Sie sagen, Hegels Rechtsphilosophie liesse sich "herunterbrechen", auf:


eine Theorie darüber, wie eine Person als Träger von Rechten fundiert sein muss in einer Konzeption einer Person als moralisches Subjekt, dies wiederum aber zur Bedingung hat eine Verortung in einem sozialen Kontext (tradierten institutionalisierten Formen des Zusammenlebens, die zunächst vor-reflexiv sind; man wird hineingeboren und wächst darin auf, ohne zunächst alles zu hinterfragen)


Was heisst das?

1. Die "Person" ist in der "Konzeption einer Person" fundiert – als moralisches Subjekt.

2. Die "Bedingung" (dieser Fundierung) sei eine "Verortung in einem sozialen Kontext"

3. Der Soziale Kontext geht zurück auf tradierte Formen des Zusammenlebens.

4. Diese Formen des Zusammenlebens sind zunächst vor-reflexiv (also nicht bewusst)

5. Wir wachsen in diesen Formen des Zusammenlebens auf, ohne sie zunächst zu hinterfragen.


Und jetzt gehn wir denselben Weg wieder paraphrasierend zurück:


5. Wir hinterfagen unser Umfeld, in dem wir aufwachsen, nicht, ...

4. ...denn die Lebensform, in die wir hineingeboren werden, ist uns nicht bewusst.

3. Lebensformen bilden, wachsen und verändern sich durch die Generationen.

2. Wir müssen die Person vor dem Gesetz in in diesen Lebensformen, d.h. seinem gesellschaftlichen Zusammenhang sehen.

1. Erst hier kann die Person moralisch belangt werden.


Naja, jetzt versteht man wenigsten etwas. Scheint mir alles einerseits (gesellschaftstheoretisch) banal, andererseits (rechtsphilosophisch) dubios. Vielleicht hab ich Sie auch falsch verstanden? – Und genau darum geht es mir. Wenn sich Philosophen mehr Zeit nehmen würden, ihre Gedanken klar auszudrücken, dann würden Sie nicht so viel schreiben (wie der elende Hegel), und dann würden sie vielleicht nicht unbedingt besser verstanden, sicher aber interessanter diskutiert werden.


Sache ist: Wer sich unklar äussert, denkt unklar.


(Die Ausnahme: Kant. Ein Schluderi sondergleichen und doch ein messerscharfer Denker. Aber der stand bekanntlich unter Zeitdruck, sonst hätt' er seine Kritiken nicht so heruntergefetzt.)

Magnus Frei

Wenn Sie sich offensichtlich schon mehrmals und über längere Zeit damit auseinandergesetzt haben, werden Sie wohl einige Zeilen hier nicht gleich überzeugen; dass das übliche principle of charity ausser Kraft gesetzt, führe ich auch darauf zurück. Soll mir ja recht sein. Deshalb kläre ich nur noch meine Rekonstruktion: 1. Person, verstanden als Träger von Rechten, ist keine selbsttragende Konstruktion. Sie beruht auf 2. das Verständnis von Personen als moralischen Subjekten. Das Verständnis von Personen als moralischen Subjekten muss wiederum 3. fundiert werden in einer Lebensform. Warum dies jeweils so ist, bleibe ich natürlich schuldig. Das war nicht mein Punkt. Banal ist es insofern, als das nach meinem Verständnis genau der Sinn von "Herunterbrechen" ist. Aber gerade dass die Übergänge (von 1. zu 2. zu 3.) nicht selbstverständlich sind, zeigt meines Erachtens, dass das so banal auch wieder nicht ist. Man kann z.B. mit guten Gründen 3. bestreiten und sagen, dass 2. reicht (um etwa Kritik üben zu können) (vielleicht habe ich auch etwas verpasst: aber mir scheint Kants 'kategorischen Imperativ' wäre hier etwa eine Argumentation). 1. zu 2. - dass hinter Rechtsgrundsätzen oder -zusammenhängen eine bestimmte Auffassung von Personen (etwa als in seinen Entscheidungen frei) steht - scheint mir weniger kontrovers. Gleichwohl ist diese Auffassung aber nicht überall auf der Welt gleich: sind wir in Europa jetzt die vernünftigsten, oder was heisst das jetzt? Wenn ja, dürfen wir also (oder müssen wir sogar) die (europäische) Charta der Menschenrechte überall durchsetzen? Oder muss den jeweiligen Kulturen ihre eigene Art und Weise gelassen werden (also 3.). Aber wenn Genozid begangen wird, auch dann? Und wie ist es, wenn andere Kulturen in Europa leben? Offensichtlich ist 2. zu 3. ein diskussionswürdiger Punkt. Wenn ich Hegel lesen, heisst das nicht, dass er für mich Recht hat und die einzige Wahrheit ist; aber ich finde, es werden viele auch heute noch sehr aktuelle Fragen aufgeworfen.

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