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Kollektive Schutzschilder gegen Softwarepatente?
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Kollektive Schutzschilder gegen Softwarepatente?

Die Vorstellung, die Gemeinde der Entwickler freier/quelloffener Software könnten ein eigenes Patentportfolio aufbauen, muss am Widerspruch zwischen den Grundregeln der freien Software und dem Verwertung erzwingenden Ansatz des Patentwesens weitgehend scheitern. Andererseits ist die freie Welt gegenüber der proprietären in einem Punkt im Vorteil: bei der Dokumentierung und Verwertung des Standes der Technik. Die Gemeinde könnte bei kluger Vorgehensweise erheblichen Nutzen aus ihrer offenen Entwicklungsweise und aus der im Patentwesen eingebauten Rechtsunsicherheit ziehen. Sogenanntes Defensives Veröffentlichen, wie es Foresight Institute und andere vorschlagen, ist hingegen wiederum eine unglaublich törichte Idee. Die wichtigste Aufgabe zu diesem Zeitpunkt (Frühjahr 2001) ist eine konsequente Bewehrung aller Stätten der Softwareentwicklung mit Mechanismen der Zeitstempelung.
Der Erwerb und Erhalt von Patenten ist mit hohen Kosten verbunden
Motivationskosten:
Developpers find new ideas every day and are usually not interested in the tedious work of distilling these ideas into patent applications. They want to develop products and not patents, and often resent patenting on various grounds. Even though some laws guarantee them a share in revenues from the patent, this usually is not enough of a motiviation. Large companies like Siemens, IBM or SAP have therefore installed well-staffed committees of patent application experts and ample bonusses for developpers in order to overcome this problem and provide suffient incentives for developping patents.
Erwerbskosten:
According to EPO figures, a European patent costs an average of 30000 EUR in office fees, assuming that it is upheld for only 10 years and not translated to all European languages. Costs for patent attorneys are much higher and often calculated on a basis of 300 EUR per hour.
Aufrechterhaltungskosten:
Even simple litigation against one infringer or opponent will cost more than 100000 EUR/USD in lawyer fees. Often the cost is in the range of millions, and many inventors even of important basic patents have gone bankrupt over this (e.g. Goodyear). Insurance policies for patent litigation either don't exist or are astronomically high.

Diese Kosten müssen durch die gnadenlose Ausübung des Monopolrechts refinanziert werden. Das erfordert eine Kombination aus Sockelpreis und Stückpreis. Freie/quelloffene Software kennt nicht den Begriff der Stückzahl. Somit kann nur ein hoher Sockelpreis anfallen, wie z.B. 1 Million USD im Falle der MP3-Lizenzen. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand einen solchen Preis aufbringt, nur um der Öffentlichkeit freie Software schenken zu dürfen. So etwas täte nur ein Staat oder eine potente Stiftung, nicht aber ein privater Teilnehmer des Wirtschaftslebens. Somit bleibt noch die Möglichkeit, zwar freie Software (z.B. GPL) zu erlauben, aber für proprietäre Implementationen Lizenzgebühren zu verlangen. In diesem Falle werden aber meist keine hohen Lizenzeinnahmen zu erzielen sein, da man eine mächtige freie Konkurrenz zu sich selbst begünstigt. Mit einem solchen Modell der Patentverwertung lässt sich schwer gegen diejenigen ankämpfen, die ohne jegliche idealistische Belastung direkt auf Profitmaximierung unter den Regeln des Patentwesens zielen.

Wie wir sahen macht die proprietäre Natur des Patentsystems es fast unmöglich, dieses System zum Aufbau eines Schutzschildes für die Entwickler freier Software zu nutzen. Anderseits bedingt gerade die proprietäre Natur des Systems eine Schwachstelle, die man nutzen kann. Die Entwickler freier Software publizieren besonders umfangreiche Mengen von Ideen in einem frühen Stadium. Solche Publikationen sind selbstverständlich als "Stand der Technik" anerkannt. Darauf aufgebaute spätere Patente werden entkräftet, sobald die vorbekannte Idee gefunden wird.

Genau genommen berührt dies die Hauptgefahrenquell nicht im geringsten: es wird trotzdem zahlreiche breite und triviale Patentansprüche geben, gegen die kein "Stand der Technik" zitiert werden kann. Doch es ist für beide Seiten schwierig, den wirklichen "Stand der Technik" zu ermitteln. Niemand weiß genau, ob sein Patent wirklich gültig ist. Daher wird in dem Maße, wie ein großes unübersichtliches Meer von Archiven existiert, aus dem die Geschichte der Software-Ideen mit genauem Datum rekonstruierbar ist, niemand mehr sicher sagen können, ob und inwieweit ein bestimmtes Patent gültig ist. Hieraus allein ergibt sich ein rationaler Grund für egoistische Unternehmen, die Gemeinde der Entwickler Freier Software nicht allzu unvorsichtig herauszufordern. Sie hält nämlich folgende starke Karte in den Händen:

  1. Ein großes Arsenal möglicherweise neuheitsschädigender Publikationen, die kein Einzelner überblicken kann.
  2. Eine grundsätzliche Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit der Patentportfolios aller Marktteilnehmer. Viele davon sind Kartenhäuser, die zum Einsturz gebracht werden könnten, was dann die Investoren verscheucht und daher von den meist kurzfristig denkenden Entscheidern um jeden Preis vermieden werden muss.
  3. Eine große Gemeinde kompetenter und motivierter Softwareentwickler, die in der Lage ist, durch kollektive Kampagnen das Geschütz "Stand der Technik" gegen unfreundliche Firmen in Stellung zu bringen.

Unter diesen Umständen erscheint es im Moment als vordringliche Aufgabe, den Entwicklungsprozess freier Software, wie er sich in CVS-Bäumen, Mailinglisten u.v.m. zeigt, mit Zeitstempel zu dokumentieren. Wo das bisher noch nicht gelingt, könnte man viele Diskussionen ins Usenet verlagern. Dort steht mit Dejanews ein glaubwürdiger Archivierungsdienst zur Verfügung. Es schadet auch nichts, vermehrt in öffentlichen Diskussionsrunden in den verschiedensten Sprachen exhibitionistische Fantasien über mögliche Softwareentwicklungen auszutauschen. All das gilt aus der Sicht von Patentprüfern als "neu und erfinderisch" und kann daher eines Tages nützlich werden.

Das dümmste was Entwickler freier Software im Moment tun könnten, wäre, sich von Patentämtern in den Dienst nehmen zu lassen, um deren Suchdatenbanken aufbauen zu helfen, "damit ungültige Patente erst gar nicht gewährt werden", wie von "Foresight Institute" mit unterstützung einiger der "höchsten Opensource-Wortführer" vorgeschlagen wurde. Diese sogenannte "Defensive Veröffentlichen" ist ein Bumerang, der sowohl gegen diejenigen, die es versuchen, als auch gegen die ganze Gemeinde zurückschlägt. Vergleichen wir einmal die Wirkungen des "Defensiven Veröffentlichens" mit denen der dezentralen Zeitstempelung des Standes der Technik.

Formvollendetes Defensives VeröffentlichenZeitstempelung des normalen offenen Entwicklungsvorgangs
Patentrelevante Ideen leicht zu recherchierenPatentrelevante Ideen schwer zu recherchieren
Großer Aufwand für den Entwickler, geringer Aufwand für den Rechercheur und PatentanmelderGeringer Aufwand für den Entwickler, Großer Aufwand für die Rechercheure und Patentanmelder
Niedrigere Patentierungskosten, mehr (breite und triviale) SoftwarepatenteHöhere Patentierungskosten, weniger (breite und triviale) Softwarepatente
Unsere Softwareidee wird wahrscheinlich von niemandem patentiert werden.Unsere Softwareidee wird vielleicht patentiert, aber der Patentinhaber wird einen Schreck bekommen, sobald wir ihm unsere Prioritätsnachweise vorzeigen. Dann wird er einen hohen Bogen nicht nur um unser Projekt machen, sondern es auch tunlichst vermeiden, sich unnötig mit anderen Entwicklern freier Software anzulegen. Denn das könnte einen solidarischen Angriff nach sich ziehen, der auf einmal sein Patentportfolio schlecht aussehen lässt. Dann könnten Investoren abspringen und Aktienkurse sinken. Da ist es dann besser, das Patentportfolio nur als Bluffpotential beizubehalten und allenfalls selektiv gegen öffentlichkeitsscheue KMU einzusetzen.
Allerlei Glücksritter versammeln sich um die Datenbank der Devensiven Veröffentlichungen herum, um zu schauen, wo gerade patentrelevante Ideen entwickelt werden. Sie lassen sich dann ein paar komplementäre Ideen einfallen und patentieren diese. Diese Nachfolgepatente sind dann gültig. Unser Arbeitsfeld wird mit einem Patentdickicht blockiert.Kaum ein Glücksritter findet rechtzeitig die gesuchten Hinweise, und es bleibt genug Zeit, die komplementären Ideen selber rechtzeitig zu dokumentieren und damit zu befreien.
Patentämter können mit einiger Glaubwürdigkeit sagen: "Wir haben alles getan um Datenbanken aufzubauen und den Entwicklern freier Software die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Den kostenlosen Zugriff auf das Geistige Eigentum anderer hätte jeder gerne... Statt sich weiter zu beklagen, sollten die Entwickler sich mal lieber ein paar mehr eigene Ideen einfallen lassen und schön brav in unsere Datenbank eintragen."Patentämter müssen vielleicht anerkennen, dass der Stand der Technik im Softwarebereich nicht "bloß eine Frage der Zeit" ist.

Auch Entwickler proprietärer Software sollten ihre Arbeit Tag für Tag genau rekonstruierbar machen. Dies können sie tun, indem sie die gleichen zeitgestempelten Entwicklungsumgebungen verwenden wie die Entwickler freier Software und gelegentlich MD5-Prüfsummen in Zeitungen veröffentlichen oder in Bibliotheken hinterlegen.

In diesem Falle entsteht kein vorbekannter "Stand der Technik", der das Patent zu Fall bringen könnte, sondern lediglich ein privates Vorbenutzungsrecht. D.h. der Entwickler darf seine Ideen weiterhin selber vermarkten. Er darf dieses Recht allerdings nicht veräußern.

Nicht ganz klar ist bisher, was mit dem Vorbenutzungsrecht passiert, wenn der Entwickler eines Tages seine proprietäre Software unter Opensource-Lizenz veröffentlicht. Stellt das eine Veräußerung des Rechtes auf Vermarktung der vorbenutzten Idee dar? Steht es nicht andererseits dem Vorbenutzer frei, sein "Produkt" in beliebiger Weise auf den "Markt" zu bringen und an beliebige Kunden zu "verkaufen", ohne dass diese Kunden wiederum jeder für sich eine Patentlizenz erwerben m|ssen? Man sieht, dass hier die Prämissen des Patentsystems nicht mit der Realität des Gemeingutes Information zusammenpassen.

Solange keine gegenteiligen Richtersprüche vorliegen, darf man allerdings begründet hoffen, dass es dem Vorbenutzer tatsächlich freisteht, sein Vorbenutzungsrecht im Rahmen freier Software so zu verbreitern, dass jeder das Patent umgehen kann, sofern er seine Entwicklungsarbeit wiederum in freie Software einfließen lässt.

Somit hat der Vorbenutzer einer patentierten Softwareidee eine besonders starke Stellung. Er kann entweder diese Idee für alle frei machen oder mit dem Patentinhaber eine Gegenleistung dafür aushandeln, dass er dies nicht tut. Solche Aussichten können erheblich den Anreiz zur Anmeldung schwacher Patente mindern. Für die Allgemeinheit ist somit ein Vorbenutzungsrecht immerhin etwa halb so viel wert wie eine echte Vorveröffentlichung. Auch um dieses halben Wertes willen lohnt es sich für den Vorbenutzer, seine zeitgestempeltes Entwicklungsgeschichtsarchiv mit einem gewissen Zeitverzug der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Dieses Spiel kann, wenn man es wirksam spielt, die Patentierung trivialer Innovationen riskant machen. Denn je trivialer die Innovation ist, mit desto höherer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass sich irgendwo ähnliches in einem privaten Entwicklungsgeschichtsarchiv findet.

  • Ausstattung aller Netzorte, an denen Software entwickelt und besprochen wird, mit Zeitstempelungs-Mechanismen.
  • Leicht verständliche öffentliche Dokumentation derjenigen Software-Patente, deren Inhaber oder Lizenznehmer besonders skrupellos damit umgehen.
  • Bildung von mehr oder weniger fest organisierten Genossenschaften, deren Mitstreiter den Stand der Technik für ihre Zwecke dokumentieren, ihre Patente einbringen, und sich gegenseitig dabei helfen, diese Kampfmittel für sich und im Interesse der freien Software einzusetzen.
  • Kontinuierlich auf Öffentlichkeit und Politiker einwirken, um die Patentinflation unter Kontrolle zu bringen und dafür zu sorgen, dass keine Patente auf Softwareideen (abstrakt-logische Innovationen) mehr erteilt werden.
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© 2004/02/05 Arbeitsgruppe
deutsche Version 2003/12/16 von PILCH Hartmut