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Diese Kosten müssen durch die gnadenlose Ausübung des Monopolrechts refinanziert werden. Das erfordert eine Kombination aus Sockelpreis und Stückpreis. Freie/quelloffene Software kennt nicht den Begriff der Stückzahl. Somit kann nur ein hoher Sockelpreis anfallen, wie z.B. 1 Million USD im Falle der MP3-Lizenzen. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand einen solchen Preis aufbringt, nur um der Öffentlichkeit freie Software schenken zu dürfen. So etwas täte nur ein Staat oder eine potente Stiftung, nicht aber ein privater Teilnehmer des Wirtschaftslebens. Somit bleibt noch die Möglichkeit, zwar freie Software (z.B. GPL) zu erlauben, aber für proprietäre Implementationen Lizenzgebühren zu verlangen. In diesem Falle werden aber meist keine hohen Lizenzeinnahmen zu erzielen sein, da man eine mächtige freie Konkurrenz zu sich selbst begünstigt. Mit einem solchen Modell der Patentverwertung lässt sich schwer gegen diejenigen ankämpfen, die ohne jegliche idealistische Belastung direkt auf Profitmaximierung unter den Regeln des Patentwesens zielen.
Genau genommen berührt dies die Hauptgefahrenquell nicht im geringsten: es wird trotzdem zahlreiche breite und triviale Patentansprüche geben, gegen die kein "Stand der Technik" zitiert werden kann. Doch es ist für beide Seiten schwierig, den wirklichen "Stand der Technik" zu ermitteln. Niemand weiß genau, ob sein Patent wirklich gültig ist. Daher wird in dem Maße, wie ein großes unübersichtliches Meer von Archiven existiert, aus dem die Geschichte der Software-Ideen mit genauem Datum rekonstruierbar ist, niemand mehr sicher sagen können, ob und inwieweit ein bestimmtes Patent gültig ist. Hieraus allein ergibt sich ein rationaler Grund für egoistische Unternehmen, die Gemeinde der Entwickler Freier Software nicht allzu unvorsichtig herauszufordern. Sie hält nämlich folgende starke Karte in den Händen:
Unter diesen Umständen erscheint es im Moment als vordringliche Aufgabe, den Entwicklungsprozess freier Software, wie er sich in CVS-Bäumen, Mailinglisten u.v.m. zeigt, mit Zeitstempel zu dokumentieren. Wo das bisher noch nicht gelingt, könnte man viele Diskussionen ins Usenet verlagern. Dort steht mit Dejanews ein glaubwürdiger Archivierungsdienst zur Verfügung. Es schadet auch nichts, vermehrt in öffentlichen Diskussionsrunden in den verschiedensten Sprachen exhibitionistische Fantasien über mögliche Softwareentwicklungen auszutauschen. All das gilt aus der Sicht von Patentprüfern als "neu und erfinderisch" und kann daher eines Tages nützlich werden.
Formvollendetes Defensives Veröffentlichen | Zeitstempelung des normalen offenen Entwicklungsvorgangs |
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Patentrelevante Ideen leicht zu recherchieren | Patentrelevante Ideen schwer zu recherchieren |
Großer Aufwand für den Entwickler, geringer Aufwand für den Rechercheur und Patentanmelder | Geringer Aufwand für den Entwickler, Großer Aufwand für die Rechercheure und Patentanmelder |
Niedrigere Patentierungskosten, mehr (breite und triviale) Softwarepatente | Höhere Patentierungskosten, weniger (breite und triviale) Softwarepatente |
Unsere Softwareidee wird wahrscheinlich von niemandem patentiert werden. | Unsere Softwareidee wird vielleicht patentiert, aber der Patentinhaber wird einen Schreck bekommen, sobald wir ihm unsere Prioritätsnachweise vorzeigen. Dann wird er einen hohen Bogen nicht nur um unser Projekt machen, sondern es auch tunlichst vermeiden, sich unnötig mit anderen Entwicklern freier Software anzulegen. Denn das könnte einen solidarischen Angriff nach sich ziehen, der auf einmal sein Patentportfolio schlecht aussehen lässt. Dann könnten Investoren abspringen und Aktienkurse sinken. Da ist es dann besser, das Patentportfolio nur als Bluffpotential beizubehalten und allenfalls selektiv gegen öffentlichkeitsscheue KMU einzusetzen. |
Allerlei Glücksritter versammeln sich um die Datenbank der Devensiven Veröffentlichungen herum, um zu schauen, wo gerade patentrelevante Ideen entwickelt werden. Sie lassen sich dann ein paar komplementäre Ideen einfallen und patentieren diese. Diese Nachfolgepatente sind dann gültig. Unser Arbeitsfeld wird mit einem Patentdickicht blockiert. | Kaum ein Glücksritter findet rechtzeitig die gesuchten Hinweise, und es bleibt genug Zeit, die komplementären Ideen selber rechtzeitig zu dokumentieren und damit zu befreien. |
Patentämter können mit einiger Glaubwürdigkeit sagen: "Wir haben alles getan um Datenbanken aufzubauen und den Entwicklern freier Software die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Den kostenlosen Zugriff auf das Geistige Eigentum anderer hätte jeder gerne... Statt sich weiter zu beklagen, sollten die Entwickler sich mal lieber ein paar mehr eigene Ideen einfallen lassen und schön brav in unsere Datenbank eintragen." | Patentämter müssen vielleicht anerkennen, dass der Stand der Technik im Softwarebereich nicht "bloß eine Frage der Zeit" ist. |
In diesem Falle entsteht kein vorbekannter "Stand der Technik", der das Patent zu Fall bringen könnte, sondern lediglich ein privates Vorbenutzungsrecht. D.h. der Entwickler darf seine Ideen weiterhin selber vermarkten. Er darf dieses Recht allerdings nicht veräußern.
Nicht ganz klar ist bisher, was mit dem Vorbenutzungsrecht passiert, wenn der Entwickler eines Tages seine proprietäre Software unter Opensource-Lizenz veröffentlicht. Stellt das eine Veräußerung des Rechtes auf Vermarktung der vorbenutzten Idee dar? Steht es nicht andererseits dem Vorbenutzer frei, sein "Produkt" in beliebiger Weise auf den "Markt" zu bringen und an beliebige Kunden zu "verkaufen", ohne dass diese Kunden wiederum jeder für sich eine Patentlizenz erwerben m|ssen? Man sieht, dass hier die Prämissen des Patentsystems nicht mit der Realität des Gemeingutes Information zusammenpassen.
Solange keine gegenteiligen Richtersprüche vorliegen, darf man allerdings begründet hoffen, dass es dem Vorbenutzer tatsächlich freisteht, sein Vorbenutzungsrecht im Rahmen freier Software so zu verbreitern, dass jeder das Patent umgehen kann, sofern er seine Entwicklungsarbeit wiederum in freie Software einfließen lässt.
Somit hat der Vorbenutzer einer patentierten Softwareidee eine besonders starke Stellung. Er kann entweder diese Idee für alle frei machen oder mit dem Patentinhaber eine Gegenleistung dafür aushandeln, dass er dies nicht tut. Solche Aussichten können erheblich den Anreiz zur Anmeldung schwacher Patente mindern. Für die Allgemeinheit ist somit ein Vorbenutzungsrecht immerhin etwa halb so viel wert wie eine echte Vorveröffentlichung. Auch um dieses halben Wertes willen lohnt es sich für den Vorbenutzer, seine zeitgestempeltes Entwicklungsgeschichtsarchiv mit einem gewissen Zeitverzug der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Dieses Spiel kann, wenn man es wirksam spielt, die Patentierung trivialer Innovationen riskant machen. Denn je trivialer die Innovation ist, mit desto höherer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass sich irgendwo ähnliches in einem privaten Entwicklungsgeschichtsarchiv findet.