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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Demographie
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Demographie

Hintergrund:
Auch im Nahen Osten sinken die Geburtenraten.

 

Patent für den Weltfrieden

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Es gibt ein Patenrezept für den Weltfrieden, das untrüglich funktionieren würde. Bedauerlicherweise ist es nicht durchführbar, denn man müsste alle jungen Männer zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr wegsperren. Auf einen Schlag wäre der Rest der Welt friedlich und entspannt. Der Bremer Völkermordforscher Gunnar Heinsohn weist seit Jahren darauf hin, das es einen historisch-statistischen Zusammenhang gibt, zwischen Kriegen, Bürgerkriegen und einem hohen Bevölkerungsanteil junger Männer ohne Karrieremöglichkeiten.

Gewalt ist größtenteils jung und männlich (übrigens auch die Opfer von Gewalt sind größtenteils jung und männlich). Frauen sind zwar auch keine Engel, wie uns die Feministinnen einst einreden wollten. Es gibt grausame Mütter und rüde Mädchengangs. Es kommt - mehr als allgemein angenommen - zu weibliche Gewalt in der Ehe. Auch waren zahlreiche Frauen an den Pogromen gegen die Tutsi-Bevölkerung Ruandas beteiligt. Doch trotz Emanzipation im Brutalen, zeigen Kriminalitätsstatistiken und das Kriegsgeschehen überall und nach wie vor, dass junge Männer in punkto Gewalttaten einsam an der Spitze liegen.

Daraus folgt, dass die Welt in einem Vierteljahrhundert friedlicher sein könnte, denn dann wird es viel weniger junge Männer geben als heute. Ein verrückter Gedanke? Erinnern wir uns: Als Paul Ehrlich 1968 vor der "Bevölkerungsbombe" warnte, wäre jeder für verrückt erklärt worden, der den heutigen Erkenntnisstand der UN-Bevölkerungswissenschaftler vorausgeahnt hätte. Doch das Gegenteil der Vorhersagen trat ein. Die Geburtenraten sinken weltweit im freien Fall. Die statistische globale Durchschnittsfrau bringt heute nur noch halb so viele Babys zur Welt wie Anfang der siebziger Jahre. Nicht nur in allen Industrieländern, auch in den Schwellenländern und sogar in vielen Entwicklungsländern sinkt die Geburtenzahl pro Frau - und der Prozess verläuft viel schneller als seinerzeit in Europa.

Mit zwei Ausnahmen: Afrika, südlich der Sahara und der arabisch-muslimische Kulturkreis. Doch selbst im Nahen Osten tut sich Auffälliges. Die Geburtenraten liegen dort zwar immer noch extrem hoch, sind aber ebenfalls rückläufig - und zwar mit rapide wachsendem Tempo. Wenn es so weiter geht, ist der Jungmännerüberschuss in einem Vierteljahrhundert vorüber. Warum, weiß keiner ganz genau. Aber man kennt drei Entwicklungen, die offenbar überall auf der Welt zu kleineren Familien führten und führen.

Erstens Verstädterung, zweitens Offenheit für die Anreize der Moderne (weniger fein ausgedrückt: amerikanische Populärkultur plus Konsumismus) und drittens - dies ist der wichtigste Faktor - ein besserer Bildungsstand der Frauen. Analphabetinnen bekommen überall auf der Welt mehr Kinder als Frauen mit Schuldbildung. Bei der Bildung der Frauen sieht es in vielen nahöstlichen Ländern zwar immer noch finster aus. Die Städte wachsen aber auch dort rasant. Die Offenheit für westliche Ideen kommt schleichend, obwohl viele Regimes es gern verhindern würden.

Noch bleibt der Nahe Osten ein demographisches Dorado für Jihadisten. 25 Millionen männliche Jugendliche leben heute zwischen Marokko und Pakistan. Zwölf Millionen Menschen haben jetzt schon keinen Job.

Historisch gab es neben Krieg und Bürgerkrieg oftmals noch einen weniger blutigen Ausweg für frustrierter junger Männer ohne Aufstiegschancen: Emigration. Europa, insbesondere England, hat seine Jungmännerwelle einst nach Amerika und Australien schwappen lassen. Doch aus nahe liegenden Gründen kann sich das alternde Europa nicht den Auswanderungsdruck der jungen Moslems öffnen. Das Resultat könnte dennoch Bürgerkrieg sein, nur eben auf europäischem Boden.

"Der Islam hat eine Generation, um die globale Theokratie zu errichten," schreibt die Asia Times, "dann kommt die demographische Barriere." Das beinhaltet eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Auch die Jihadisten-Führer kennen ihr Zeitfenster und werden ihre Endkampf-Szenarien immer fanatischer zuspitzen. Die gute: Wenn die Kinder von heute in der Lebensmitte stehen, könnte das Schlimmste vorüber sein. Dann werden auch in Kairo und Karatschi hauptsächlich Menschen mittleren Alters leben, die sich weniger für Heldentum und dafür mehr für Gesundheitsversorgung und das Ansparen einer Altersrente interessieren. Sie werden ein oder zwei Kinder haben. Und die Geschichte zeigt, dass Eltern den einzigen Sohn sehr ungern in den Krieg ziehen lassen. Ein friedliches Methusalem-Komplott.

 

 

Erschienen in Die Welt vom 09.12.2005