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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Technik und Ethik
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Technik und Ethik

Hintergrund:
Wissenschaftler und Ingenieure verbessern die Welt. Das wird jedoch in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

 

Die im Labor sieht man nicht

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 21.07.2006 in DIE WELT

Wer macht sich besonders viel Gedanken um die Menschen in den armen Ländern? Den meisten fallen dazu Kirchentage, Band-Aid-Konzerte oder Aids-Galas ein. Vielleicht auch noch Globalisierungsgegner oder Kapitalismuskritiker. Ein junger Mensch, der die Welt verbessern will, lernt: Sein Ziel lässt sich am besten als Popsänger, Ethik-Beauftragter oder Polit-Aktivist erreichen. Andere Möglichkeiten kommen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vor, weshalb wir das hier mit einigen Beispielen korrigieren wollen.

Das erste ist den Lesern dieser Kolumne vielleicht noch in Erinnerung. Vor drei Jahren berichteten wir über Wissenschaftler der Uni Hohenheim, die einen genialen Pflanzenölkocher für arme Länder entwickelt hatten. Das Pflanzenöl können die Menschen selbst produzieren, statt ihre letzten Wälder abzuholzen (zudem ist der Holzfeuerqualm extrem gesundheitsschädlich). Inzwischen stieg Bosch-Siemens in das Projekt ein und es wird die erste Kleinserie zusammen mit der Universität von Leyte auf den Philippinen produziert. Der "Protos" kostet 30 Dollar und schon einige hundert Familien kochen damit. Gleichzeitig wurde mit Hilfe der Stiftung Euronatur ein Kooperative gegründet, die Kokosöl produziert und vielen Menschen Arbeit gibt. Die findigen Deutschen Ingenieure dürfen stolz auf jeden dieser Arbeitsplätze sein. Wahrscheinlich verdanken "Protos" in zehn Jahren viele tausend Menschen einen besseren Lebensstandard. Merke: Moralischer Mehrwert lässt sich nicht nur auf Bühnen sondern auch in Labors erzielen.

Davon können auch irische Wissenschaftler erzählen, die etwas gegen Durchfallerkrankungen tun wollten, die zu den häufigsten Todesursache für Kinder in armen Ländern zählen. Schuld ist verschmutztes Wasser. Jetzt fanden die Forscher eine einfache Methode, das Übel zumindest zu lindern. Eine transparente Plastikflasche wird mit Wasser gefüllt und auf einer schwarzen Metallfolie in die Sonne gelegt. Die starke UV-A-Strahlung des Sonnenlichts zerstört die Zellen der Bakterien und sterilisiert so das Wasser. Erste klinische Studien beweisen, dass damit ernährte Kinder viel seltener erkranken. Die Einsicht ist gewiss nicht neu, aber man muss mal wieder betonen: Technisch-wissenschaftliche Kreativität und Erfindungsgeist rettet Leben und verbessert die Welt.

Das konnte auch lernen, wer die Konferenz "Microbicides 2006" In Kapstadt verfolgte. Dort trafen sich Wissenschaftler im Kampf gegen Aids. Ihre Hoffnungen ruhen auf Microbioziden, die schon bald auf den Markt kommen könnten. Sie sind in Gels und Cremes enthalten, die Frauen in der Vagina verteilen können und die verhindern, dass das HIV-Virus sich an menschliche Zellen bindet. "Inzwischen wird allgemein akzeptiert, dass in Sachen Aids-Prävention kein anderes Produkt, das so viel versprechend ist, schneller zur Verfügung stehen wird als ein Mikrobiozid", sagt die Ghanaerin Kim Dickson von der WHO. Die Zeit drängt, im südlichen ist mittlerweile jede dritte Frau zwischen 20 und 34 Jahren HIV positiv.

Wir wollen hier den Einsatz von Prominenten auf Spendengalas und Konzerten gar nicht gering schätzen, doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit und öffentliches Lob für die unbekannten Menschenretter in den Labors und Forschungseinrichtungen dürfte es schon sein. Liegt es vielleicht daran, dass man dann das Wort "Pharmaforschung" oder "Chemie" in den Mund nehmen müsste - und obendrein in einem positiven Zusammenhang? Die Vorstellung, wie die Welt verändert und verbessert werden kann, hat bei uns eine merkwürdige Schlagseite bekommen. Moralische Patentrezepte gelten allemal mehr als konkrete Verbesserungen durch Wissenschaft und Technik. Und so werden viele junge Leute, die sich in diesen Tagen für einen Beruf oder ein Studium entscheiden müssen, gar nicht bemerken, wie viele Herausforderungen in diesem Bereich auf sie warten. Und welche Chancen sie vergeben - auch die, anderen zu helfen.