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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Ökosteuer
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Ökosteuer

Hintergrund:
Am 1. April 2001 wird die Ökosteuer zwei Jahre alt. Zeit für eine Halbzeitbilanz. Ergebnis: Der Umwelt hat die Steuer überhaupt nichts gebracht - eher im Gegenteil.

 

Realsatire Ökosteuer

von Dirk Maxeiner

Die Grünen wollen die Ökosteuer auch über 2003 hinaus weiter erhöhen. Gerhard Schröder will nicht. Beide wollen sich profilieren und spielen mal wieder Regierung und Opposition in einem. Am 1. April wird die Ökosteuer nun zwei Jahre alt. Zeit also für eine Art Halbzeit-Bilanz. Und die passt zum Datum. Sieht ganz so aus, als wolle man uns verkohlen: Der Kohlendioxidausstoß in Deutschland stieg im Jahr nach der Einführung der Ökosteuer erstmals seit fünf Jahren wieder an - und dies obwohl Deutschlands Autofahrer angesichts der hohen Spritpreise etwas weniger gefahren sind. Die Trendwende geht vor allem auf das Konto der Verbrennung von Steinkohle ( Emissionsplus 1,7 %) und Braunkohle (5,2 %) - also fossile Brennstoffe die der Staat nicht nur weitgehend von der Ökosteuer verschont sondern obendrein hoch subventioniert. Das Herzstück grüner Fiskalpolitik läßt sich somit in zwei Worten zusammenfassen: Dumm gelaufen.

Wie ein Aprilscherz klingt angesichts der steuerlichen Risiken und Nebenwirkungen, was Finanzminister Hans Eichel zur Jahreswende noch in ganzseitigen Anzeigen verkünden ließ: "Für eine verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Gesellschaft ist diese maßvolle höhere Besteuerung des Energieverbrauchs der richtige Weg", hieß es überzeugt, "denn nur so können wir die Umwelt entlasten und die Wirtschaft zur Nutzung alternativer Energien bewegen". Der Bahnspezialist Rudolf Breimeier hat in der Fachzeitschrift "Eisenbahn-Revue International" bereits weitere interessante Perspektiven aufgezeigt. Dieselöl ist für Lokomotiven mittlerweile fast doppelt so teuer wie Stein- oder Braunkohle (siehe oben). Aus seinen detaillierten Berechnungen zieht der Ingenieur genüßlich den Schluß: Die Bahn sollte sämtliche Dieselloks auf den Schrott fahren und schnellstens durch kohlebetriebene Dampflokomotiven ersetzen. Dies würde aus dem Stand zu Einsparungen von etwa 200 Millionen Mark pro Jahr führen. Endlich wieder Kohle für die Bahn! Herr Mehdorn, übernehmen Sie!

Ökologisch war bislang eigentlich nicht das Gegenteil von logisch, aber Berlin arbeitet daran. Ein Blick in den Bundeshaushalt verrät: Den siechen Bergbau subventionieren unsere Regierungsökos immerhin mit 8 Milliarden Mark jährlich. Die Einnahmen aus der diesjährigen Stufe der Ökosteuer (etwa 5 Milliarden) könnten sie praktisch gleich an die Kohlekumpel durchreichen (und vielleicht ein paar Mark für weitere ökologisch engagierte Anzeigenkampagnen abzweigen, die sich dem Kampf gegen Kohlendioxid widmen).

Das Stadium der Realsatire ist in vielfacher Hinsicht deutlich überschritten - auch weil das steuerzahlende Publikum sich seine kleinen Fluchten sucht. So steigen bei Aldi oder Lidl die Salatölverkäufe seit der Einführung der Ökosteuer rasant an. Tausende Dieselfahrer verzichten inzwischen auf die Zubereitung von Italian-Dressing und braten statt dessen mit dem Salatöl über die Autobahn. "Autobild" berichtet in einer wöchentlichen Serie über die wachsende Salatölbewegung. Die Alternativenergie kostet nur etwa eine Mark pro Liter, als landwirtschaftliches Produkt wird Speiseöl hoch subventioniert. Dies macht aus jeder Aldi-Kasse ein Instrument zur Steuerrückerstattung. Wer aus Versehen an der Zapfsäule Diesel getankt und Ökosteuer gezahlt hat, gönnt sich zum Ausgleich beim nächsten mal eine Tankfüllung Speisekraftstoff.

Noch gesteigerter Fürsorge erfreut sich Rapsöl: Ein Bauer bekommt in Deutschland 500 Mark Prämie pro Hektar, wenn er sein Land brach liegen läßt. Oft handelt es sich jedoch um eine virtuelle Stillegung. Denn laut EU darf auf der Brachfläche Rapsöl angebaut werden - ohne daß die Stillegungsprämie verlorengeht. Und für den Rapsanbau gibt's noch einmal 800 Mark Prämie pro Hektar oben drauf (kein Witz, kein Rinderwahn, sondern EU-Alltag). Der Diesel für den Traktor wird ebenfalls subventioniert. Und wenn aus der Ernte auch noch sogenannter Biosprit gepresst wird, macht der Fiskus den Gabentopf ein weiteres mal auf. Deshalb leuchten weite Landstriche Deutschlands gelb und künden von der Weisheit staatlicher Lenkungsmaßnahmen. Wir alle fördern damit nicht nur den Bauernstand sondern auch die ausgedehnten Raps-Monokulturen und den Artenreichtum der darin eingesetzten Pestizide. Um den Wahnsinn komplett zu machen: An der Agrarhochschule Kassel arbeiten Wissenschaftler inzwischen ganz ernsthaft an der Umwandlung von Tiermehl in Sprit.

Der Zweck des Staates, so sagte schon Aristoteles, ist die Verschönerung des Lebens. Die Ökosteuer ist diesbezüglich wirklich ein Tausendsassa. "Mit den Einnahmen entlasten wir die Rentenkasse und stabilisieren die Beiträge", erläutert uns das Bundesfinanzministerium einen weiteren seiner klugen Schachzüge. Ketzer versuchen dieses Vorhaben mit dem Slogan "Rasen für die Rente" zu denunzieren. Doch wer kann in Deutschland denn noch rasen? Eine vorausschauenden Verkehrspolitik hat diesem Fehlverhalten längst einen Riegel vorgeschoben. Das Land steht im Dauerstau. Und das ist gut so: Seriösen Studien zufolge werden pro Jahr etwa 14 Milliarden (!) Liter Sprit im Verkehrsstau verfeuert. Der aufgeweckte Pensionär steht deshalb an der Fußgängerampel und drückt pausenlos auf rot. Um die Dinge klarzustellen: Wir sanieren die Rentenversicherung nicht mit Vollgas sondern im Stillstand.

Und damit dies langfristig auch so bleibt, werden jetzt die Berufspendler mit einer großzügigen Entfernungspauschalen entschädigt. Je weiter jemand von seiner Arbeitsstelle wohnt, desto besser! Ab 10 Kilometer Entfernung dürfen jetzt sogar 80 Pfennig pro Kilometer von der Steuer abgesetzt werden. Der Finanzminister fördert damit nach Kräften, was der Umweltminister uns immer vorwirft: Die Zersiedlung der Landschaft.

 

Erschienen in Die Welt vom 08.03.01