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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Naturschutz und grüne Gentechnik
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Naturschutz und grüne Gentechnik

Hintergrund:
Während Naturschützer und Grüne in der Bundesrepublik die Gentechnik in der Landwirtschaft verteufeln und den Ökolandbau als alleinseligmachend propagieren, fordern prominente internationale Naturschützer einen intensiveren Landbau mit Hilfe der Gentechnik. Nur so könne verhindert werden, dass künftig weitere Wildnisgebiete in Ackerflächen verwandelt werden.

 

Die Revolte der Realisten

von Dirk Maxeiner

Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus? Die Bundesregierung schrieb den ökologischen Landbau soeben als fundamentalen Bestandteil ihrer Nachhaltigkeits-Strategie fest. Das Bundesamt für Naturschutz hebt das "Potential des ökologischen Landbaus für die Artenvielfalt" hervor. Gleichzeitig macht der Leiter der Behörde gegen die Gentechnik auf dem Acker Front. Die grüne Partei stößt ins gleiche Horn. Explizit heißt es in ihrem Wahlprogramm: "Wir brauchen die so genannte grüne Gentechnik nicht". Renate Künast fordert in ihrem neuen Buch "Klasse statt Masse". Die Landwirtschaftsministerin sympathisiert in dieser Hinsicht mit dem grünkonservativen britischen Thronfolger Prinz Charles. Der besitzt ausgedehnte Bio-Ländereien inklusive Hubschrauberlandeplatz. Gemeinsam lustwandelten die Grüne und das blaue Blut bei einem Besuch über den adligen Landsitz Highgrove und erfreuten sich an den handgeschnittenen Öko-Rabatten. Die Welt scheint heil im grünen Salon.

Doch der Eindruck täuscht. Diametral entgegen gesetzte Ansichten wurden kürzlich auf einer Pressekonferenz in Washington vorgetragen. Angesichts der "Declaration in Support of Protecting Nature With High-Yield Farming and Forestry" reiben sich umweltbewußte Menschen verwundert die Augen. Es wird in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen , "welche entscheidende Rolle die eine intensive Hochertrags-Landwirtschaft und Forstwirtschaft für die Bewahrung der Natur und der Artenvielfalt bislang gespielt hat und weiterhin spielen muss". Handelt es sich um ein PR-Manöver finsterer Agro- und Gentechnikkonzerne?

Keineswegs. Eine illustre Schar verdienstvoller Umweltschützer, führender Wissenschaftler und prominenter Nobelpreisträger stört die Öko-Idylle und wagt sich mit den politisch unkorrekten Thesen an die Öffentlichkeit. Oscar Arias, Friedennobelpreisträger, ehemaliger Präsident von Costa Rica und Retter des dortigen Regenwaldes, gehörte genauso dazu wie Patrick Moore, der Mitbegründer von Greenpeace. Eugène Lapointe, früherer Generalsekretär des internationalen Artenschutzabkommens "CITES" und heute Präsident des "World Conservation Trust" unterschrieb genauso wie James Lovelock, Vater der berühmten Gaja-Hypothese. Auch der ehemalige demokratische US-Senator George McGovern, der sich heute als UN-Botschafter für die Hungernden einsetzt, reihte sich in die große Koalition ein. Angeführt wird sie von dem Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug. Er ist Vater der "grünen Revolution", jener gewaltigen Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gelang.

Ein Blick auf Borlaugs Lebenswerk zeigt, worauf sich der Appell der Washingtoner Akteure begründet. Ohne die ertragreicheren Reissorten, die im Zuge der "Grünen Revolution" in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt worden sind, hätte beispielsweise die schnell wachsende Bevölkerung Indiens nicht ernährt werden können. Die Reiserträge in Asien verdoppelten sich, die Weizenerträge vervierfachten sich. Im Jahr 2000 produzierte Indien 204 Millionen Tonnen Getreide. Mit den Techniken der sechziger Jahre hätte man die dreifache Fläche Ackerland dafür benötigt. Die weltweit durch intensive Landwirtschaft vor dem Pflug bewahrte Fläche liegt rein rechnerisch bei 12 Millionen Quadratmeilen, also in etwa 3.400 Yellowstone-Nationalparks (das entspricht der Fläche der USA plus Europa und Südamerika).

Und hier liegt das zentrale Anliegen der Unterzeichner: Es wird unmöglich sein, die verbliebenen Wälder und Wildnisgebiete des Planeten zu bewahren, wenn die Menschen bei extensiver oder traditioneller Landwirtschaft bleiben - oder gar zu ihr zurückkehren wollten. Die Experten weisen nachdrücklich darauf hin, dass die Weltproduktion an land- und forstwirtschaftlichen Produkten zur Versorgung der wachsenden Menschheit in den nächsten 50 Jahren schlicht und einfach verdoppelt werden muss. Alle Fortschritte der Biologie, Ökologie, Chemie und Technologie müssten genutzt werden, um den Landwirten, kleinen Bauern und Selbstversorgern der Welt höhere Ernten ohne Umwandlung weiterer Flächen zu ermöglichen.

Oscar Arias stellt heraus, dass in den Entwicklungsländern zwei Milliarden arme Menschen in oder in unmittelbarer Nachbarschaft der wertvollsten Wildnisgebiete leben, die wiederum drei Viertel aller Spezies des Planeten beherbergen. Brandrodung und Jagd auf "Bushmeat" sind bislang oft die einzigen Möglichkeit, eine Familie zu ernähren. Gerade die herkömmlichen. Nutzungsformen sind die zerstörerischsten. "Ohne höhere Erträge durch intensiven Anbau spielen wir die Erhaltung von Afrikas Naturschätzen gegen die Mangelernährung von Kindern aus", sagt George McGovern. Intensive genutzte und gemanagte Holzplantagen, so plädiert Patrick Moore, können wilde Wälder vor dem rasant ansteigenden Holzbedarf entlasten.

Spricht dies nun gegen den Öko-Landbau in Deutschland? Nein, im Europa der Stillegungsprämien ist Fläche zumindest derzeit kein entscheidendes Thema. Wir können uns den Ökolandbau leisten. Auch beflügelt er alleine durch seine Existenz die Umweltbemühungen der konventionellen Landwirtschaft. Wir sollten aber wissen, dass der Slogan "Klasse statt Masse" einer auf die westliche Wohlstandsgesellschaft zentrierten Sicht entspringt. Auch dagegen ist nichts zu sagen, solange man den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft nicht grundsätzlich verhindern will. Bedauerlicherweise ist dies der Fall, wie das Beispiel der grünen Gentechnik beweist. Anstatt die Forschung und Erprobung gentechnisch gezüchteter neuer Pflanzen zu fördern und zu gestalten, versucht man sie hierzulande im angeblichen Interesse der Verbraucher unmöglich zu machen. Die Einführung ertragreicherer und schädlingsresistenter neuer Sorten wird durch politische Schikanen und gezielte Angstkampagnen von Umweltorganisationen nicht nur in Europa, sondern auch in den Entwicklungsländern zurückgeworfen. Und in diesem Licht wirkt der Slogan "Klasse statt Masse" dann doch ziemlich armselig.

 

Erschienen in Die Welt vom 27.05.02