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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Subventionen
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024132/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2002-09a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Subventionen

Hintergrund:
Im Bundestagswahlkampf 2002 wird trotz leerer Staatkassen das Thema Streichung von Subventionen von den beiden großen Volksparteien peinlich gemieden.

 

Wir subventionieren uns zu Tode

von Michael Miersch

Der Tabakanbau wird mit Steuergeld gefördert, um die Bauern zu stützen. Anti-Tabak Kampagnen werden gefördert, um die Raucher zu retten. Windkraft und Solarenergie werden gefördert, um das Klima zu schützen. Die Verstromung von Steinkohle wird gefördert, um dem Bergbau zu helfen. Wobei genau jenes Kohlendioxid in großer Menge frei wird, dass Wind- und Sonnenenergie einsparen sollen. Auch das neue Stadion des FC Bayern München wird mit öffentlichen Mitteln gefördert, ebenso Publikationen der Globalisierungsgegner von Attac und die Verwandlung von Wein in Industriealkohol - aus welchem Grund auch immer. Willkommen in Absurdistan. Die deutsche Krankheit und die europäische Malaise haben einen Namen: Subventionen.

Der deutsche Bundeshaushalt umfasst zirka 250 Milliarden Euro. Über ein Drittel davon wird in Form von Finanzhilfen oder Steuererleichterungen an diverse Interessengruppen ausgeschüttet. Dies ist sehr knapp gerechnet. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft kritisiert, dass bei der offiziellen Subventionsbilanz ein Großteil der Zuwendungen an die Bahn unter den Tisch fallen, ebenso die Zuschüsse im Rahmen der landwirtschaftlichen Sozialpolitik und vieles andere mehr. In seiner eigenen Berechung kommt das Institut auf ein Subventionsvolumen von 156 Milliarden Euro, welches von EU, Bund, Ländern und Gemeinden in Deutschland verteilt wird. So steht es in einem Bericht des Instituts, der kürzlich veröffentlicht wurde. Schade, dass so wenige ihn gelesen haben. Denn dieses 73-Seiten-Heft hätte die Verbreitung des IKEA-Katalogs verdient.

156 Milliarden Euro! Man stelle sich den Gewinn an politischem Handlungsspielraum vor, der entstünde, wenn eine Regierung nur zehn Prozent davon einsparen würde. Man stelle sich die Entlastung der Bürger vor, wenn sie um diesen Betrag weniger zur Kasse gebeten würden. Es gäbe kaum einen effektiveren Ansporn für Investitionen und Konsum. Würden die Subventionen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren ganz gestrichen, so eine Beispielrechnung des Instituts für Weltwirtschaft, könnten die Einkommenssteuersätze um fast zwei Drittel verringert werden. Das klingt wie eine verrückte Utopie, doch es zeigt auch welche monströsen Ausmaße die Umverteilungsmaschine inzwischen angenommen hat. Jeder EU-Bürger bezahlt Fisch, Fleisch, Brot Wein und vieles mehr nicht nur im Laden, sondern auch zusätzlich übers Finanzamt.

Dennoch ist in den Fernsehduellen von Kanzler und Kandidat das Wort Subventionen kein einzigen mal gefallen. Und noch seltsamer: In der Flut der folgenden Analysen und Umfragen ist diese merkwürdige Leerstelle niemandem aufgefallen. Die FDP mal ausgenommen, scheint sich in Deutschland kaum jemand dafür zu interessieren, wofür der Staat eigentlich das Geld seiner Bürger ausgibt. Da viele zu irgendeiner subventionierten Gruppe gehören, als Häuslebauer, als Freizeitsportler, Künstler oder Windkraftinvestoren, wollen nur wenige an dem Verteilungssystem rütteln. Denn natürlich möchte niemand, das bei der eigenen Interessengruppe gekürzt wird. Doch gleichzeitig gehören alle zu den Verlierern der Umverteilung, denn wo verteilt wird, muss auch genommen werden. Und oftmals sind geschröpfte Steuerzahler und der glückliche Subventionsempfänger ein und dieselbe Person.

Die beiden großen Volksparteien sind sich einig im Schweigen zu diesem Thema. Statt sich einen Wettbewerb im Entdecken von Einsparpotenzialen und sinnlosen Ausgaben zu liefern, überbieten sie sich in der Ankündigung neuer Förderprogramme für ihre jeweilige Klientel. Schweigst du über die Bergbaumilliarden, schweige ich über die Agrarmilliarden. Allen wohl und keinem weh. So macht sich die politische Kaste zur Geisel der Interessengruppen und manövriert sich in die eigene Handlungsunfähigkeit.

Auf internationaler Ebene sieht es leider nicht viel besser aus. Was wurde aus dem hehren Ziel des Johannesburg-Gipfels, die Agrarsubventionen der reichen Industrieländer zu verringern und dafür den armen Agrarländern besseren Zugang zu den Märkten zu gewähren? Eine laue Absichtserklärung, die den gewieften Agrarlobbyisten in Brüssel und Washington nur ein müdes Lächeln kosten wird.

Ökonomen und Biologen der Universitäten Cambridge und Sheffield haben im Jahr 1999 errechnet, dass weltweit Subventionen zwischen 950 und 1450 Milliarden US-Dollar verteilt werden, die die Natur ganz direkt belasten. Diese perverse subsidies (so das englische Fachwort) fließen in die Landwirtschaft, die Fischerei, fragwürdige Ferntransporte und andere umweltschädliche Wirtschaftsbereiche. Mit nur einem Viertel des dafür verschwendeten Geldes ließe sich nach Ansicht der britischen Forscher ein wirksamer weltweiter Naturschutz finanzieren.

Wenn der Staat bestimmte Aktivitäten begünstigt, werden andere automatisch benachteiligt. Das führt nicht nur zu einer schleichenden Demontage der Marktwirtschaft, es entstehen auch erhebliche ökonomische und ökologische Folgekosten. Die Steuerzahler müssen diese enormen Beträge aufbringen. Wenn ihnen wieder mehr Geld zur Verfügung stünde, würden es die Bürger vielleicht vernünftiger ausgeben, als es wohlmeinende Behörden heute in ihrem Namen tun.

 

Erschienen in Die Welt vom 14.09.02