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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Attac und NPD
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024700/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2004-08-11a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Attac und NPD

Hintergrund:
Spaßguerillas von der Zeitschrift „Eigentümlich frei“ machten mit einer Fake-Seite im Internet auf Gemeinsamkeiten von NPD und Attac aufmerksam.

 

Links und rechts

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

„Globalisierung ist kein Schicksal. Für eine Welt souveräner Nationen!“, lautete das Motto einer Website, die letzte Woche für Aufregung sorgte. Denn im Weiteren hieß es: „Die historischen Differenzen zwischen Links- und Rechtssozialisten sollten endlich überwunden werden. Mit dieser Seite wollen wir darüber aufklären, dass Attac und NPD bestens zusammenpassen.“ Wir rieben uns verblüfft die Augen: Ist es schon soweit? Dann dämmerte uns, dass es sich offenbar um Satire handelte. Die Fake-Seite war von ein paar libertären Spaßguerillas ins Netz gestellt worden, um auf die Geistesverwandtschaft von Attac und NPD aufmerksam zu machen.

Als Attac-Anhänger das Machwerk entdeckten, hörte der Spaß bald auf. Auch der journalistische Freundeskreis der Globalisierungsgegner empörte sich mächtig über die Unverschämtheit. Und ein FDP-Sprecher versichtete beflissenen, dass man mit solch üblen Scherzen nichts am Hut habe. Inzwischen kann man die Seite nur noch ansehen, wenn man zuvor einen Warnhinweis abzeichnet („Ja, ich nehme zur Kenntnis, dass es sich bei der folgenden Seite um Satire handelt“).

Dabei fasst die Satire nur zusammen, was ohnehin offensichtlich ist. Mitunter genügt schon ein Blick auf die von Attac unterstützten Montagsdemonstrationen: In Magdeburg wurde der Protestzug vorige Woche von rund 100 Neonazis und Rechtsradikalen angeführt. Jeder, der die Pamphlete von linken Antiglobalisten und Nationalisten einmal nebeneinander legt, wird mühelos eine erhebliche Schnittmenge entdecken. Bis hin zum Friedensthema. „Für Frieden! Gegen US-Kriege!“, klebte die NPD in München. Bei aller Friedensliebe bringen beide Bewegungen viel Verständnis für islamistischen Terror auf. Sie interpretieren ihn als Verteidigung der moslemischen Identität gegenüber dem westlichen Kapitalismus und Kulturimperialismus.

Nur die Aktivisten selbst und die zahlreichen mit ihnen sympathisierenden Medienleute wollen das Offensichtliche nicht sehen. Sie setzen ihre Antifa-Scheuklappen auf und verschanzen sich hinter Opas politischem Lagerdenken, um die peinlichen Parallelen nicht wahrnehmen zu müssen. Doch die Parolen beider Bewegungen sind immer häufiger nicht nur ähnlich, sondern identisch. „Arbeit statt Profite!“ lautet ein Slogan der NPD. Horst Mahler, die Inkarnation dieser Konvergenz, erklärte „Die Globalisierungsfalle“, ein Kultbuch der Antiglobalisten, zur „Pflichtlektüre für jeden Patrioten.“ Der antiwestliche Eiferer, der von der RAF zur NPD wanderte, schreibt: „Der Feind aller Völker der Welt ist der Krake, das anonyme Geflecht des globalen Spekulationskapitals.“ Das könnte so in jeder Attac-Broschüre stehen. Würden die antiwestlichen Bewegungen von rechts und links zusammenwachsen, müssten sie keinen Schwenk vollziehen, sondern könnten weitermachen wie bisher. Schon heute bedienen sie sich wahllos bei jedem Ideologiesegment, das sich gegen Freihandel und offene Grenzen, gegen Amerika und Israel einsetzen lässt.

Das ganze ist nicht neu. Auch zwischen den Weltkriegen predigten Kommunisten, Faschisten und Nationalsozialisten die Abschottung der Grenzen gegen fremde Waren, ausländische Unternehmen und Einwanderer. Sie waren damals ziemlich erfolgreich damit, weil nationalkonservative Eliten ihre ökonomischen Irrtümer teilten. Der internationale wirtschaftliche Integrationsprozess, der durch den ersten Weltkrieg ohnehin unterbrochen war, wurde fast völlig zum erliegen gebracht. Wirtschaftkrisen und Armut waren die Folge. Heute ist die Situation nicht so dramatisch. Aber die protektionistischen Trugschlüsse, der Regulierungsglaube und die Verteufelung alles Amerikanischen reichen weit über das Umfeld von Attac und NPD hinaus.

Hoffentlich werden die Gemeinsamkeiten der vermeintlichen Antipoden endlich mal ein Thema, das nicht nur auf Satire-Seiten stattfindet. Denn die Erkenntnis des Dichters Ernst Jandl ist nach wie vor aktuell: „Manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein illtum.“

 

Erschienen in Die Welt vom 11.08.2004