(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Öko-Dogmatismus
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607024921/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2005-02-16a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Öko-Dogmatismus

Hintergrund:
Die Prognosen der Ökobewegung wurden eine nach der anderen von der Realität widerlegt. Dennoch regt sich in grünen Kreisen keine Selbstkritik.

 

Lauter Redlichkeit

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Zur Zeit haben wir öfter mal das Gefühl, dass wir uns zur Ruhe setzen könnten. Leider ist dies für Freelance-Proletarier wie uns ökonomisch undenkbar. Aber wir meinen es mehr im ideellen Sinne. Denn an manchen Tagen erfasste uns bei der Lektüre deutscher Leitmedien eine verwunderte Genugtuung: Fragen und Zweifel, Kritik und Argumente, mit denen wir uns nun über ein Jahrzehnt weiträumig unbeliebt machten, werden – man glaubt es kaum - salonfähig. Seit Michael Crichtons Roman „Welt in Angst“ auch hierzulande die Bestsellerlisten stürmt, erscheinen plötzlich Interviews mit skeptischen Wissenschaftlern, werden falsche Temperaturkurven in den UN-Klimaberichten entlarvt, können Zweifel am Szenario der „Klimakatastrophe“ oder am Sinn des Kioto-Protokolls geäußert werden. Wer bisher das offizielle Grossalarm-Mantra nicht nachbetete, galt automatisch als irrer Sektierer oder blindwütiger Umweltschänder im Solde finsterer Ölkonzerne.

Erst einem amerikanischen Bestsellerautor gelang es jetzt, die deutsche Käseglocke zu lüften. Zuvor hatte dies ein Meinungskartell aus der Mehrheitsfraktion der Klimaforscher und ihnen ergebenen Journalisten zuverlässig verhindert. Und dies geht auch Wissenschaftlern gegen den Strich, die durchaus von einem menschengemachten Einfluss auf das Klima überzeugt sind. „Der Dissens ist Motor der Fortentwicklung,“ schrieben der Klimaforscher Storch und der Soziologe Stehr in einem Essay. „Das Verschweigen von Dissens und Unsicherheit zugunsten einer politisch guten Sache verbraucht Glaubwürdigkeit.“

Das Ende der Energievorräte, Bevölkerungsexplosion, Waldsterben, Müllnotstand, DDT-Gefahr und jetzt die Klimakatastrophe: Ein Öko-Thema nach dem anderen entpuppt sich als verzerrt, übertrieben oder fiktional. Bedauerlicherweise ähnelt die Reaktion der Umwelt-Lobbyisten, der vieler Marxisten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als die Arbeiter in Europa immer wohlhabender wurden, lenkten sie den Blick auf die Armut der Dritten Welt. Als dann etliche Entwicklungsländer aufholten, ignorierten sie dies. Hauptsache die gute alte Verelendungstheorie wurde konserviert.

Viel Vorrat an Glaubwürdigkeit hat die grüne Bewegung nicht mehr übrig. Der Gestus des rebellischen und idealistischen bröckelt, die Protagonisten werden von der Bevölkerung zunehmend als von Eigeninteresse geleitete, herrschende Kaste wahrgenommen. Wie fruchtbar könnte es sein, wenn sie einen großen Kongress mit selbstkritischer Rückschau auf Erfolge und Fehler der Vergangenheit einberufen würden, um daraus zu lernen. Stattdessen stürzt man sich in neue, fragwürdige Schlachten, diesmal gegen Grüne Gentechnik. Irrtümer und Fehleinschätzungen werden nicht thematisiert, sondern unter den Teppich gekehrt. Wie einst im „Neues Deutschland“ kann man nur zwischen den Zeilen ihrer Verlautbarungen erahnen, dass die alte Linie wankt, wenn etwa der Kampfbegriff „Waldsterben“ plötzlich durch „Waldschäden“ ersetzt wird.

Eine vom ideologischen Muff befreite, rationale Debatte über den Schutz der menschlichen Gesundheit und den Erhalt der Natur wäre ein Schritt in Richtung zukunftsfähiges Deutschland. Aufgeklärte grüne Kritiker werden weiterhin gebraucht, denn es sind längst nicht Probleme erledigt, und aus der Lösung der alten entstehen neue. Wenn die Umwelt-Lobbyisten die Bücher von Crichton, Lomborg oder uns als Zumutung empfinden, sollten sie einfach mal bei Wilhelm Busch nachschlagen. „Die Selbstkritik hat viel für sich,“ schrieb der Poet. Dann listet er verschiedene Vorteile auf, darunter diese beiden: „Zum zweiten denken sich die Leut, / Der Mann ist lauter Redlichkeit; / Auch schnapp ich drittens diesen Bissen / Vorweg den andern Kritiküssen.“

 

 

Erschienen in Die Welt vom 16.2.2005