(Translated by https://www.hiragana.jp/)
Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Klimadebatte
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607025251/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2005-11-18a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Klimadebatte

Hintergrund:
Im britischen Oberhaus wird die Debatte um eine möglicherweise drohende Klimakatastrophe auf deutliche höherem Niveau ausgetragen als im deutschen Parlament.

 

Gepflegter Streiten

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Das britische Oberhaus wird auf diesen Seiten standesgemäß durch Lord George Weidenfeld vertreten. Unser geschätzter Kolumnisten-Kollege möge daher verzeihen, dass wir in seinem ureigensten Terrain unterwegs waren. Das lag an einer Debatte zum Thema Klima, die man mit der Überschrift "gepflegter streiten" charakterisieren könnte. Doch eins nach dem anderen.

Das Bewusstsein auf einer vom Meer umtosten Insel zu wohnen, ist tief in der britischen Seele verwurzelt. Uns so erregt die Aussicht auf steigende Meeresspiegel die Gemüter. Klimapolitik ist in Großbritannien derzeit jedenfalls ein ganz großes Thema und so tourte Maxeiner vergangene Woche auf Einladung des International Policy Network (IPN) durch diverse Londoner Think Tanks.

Bei einem Lunch erläuterte der Klimaberater der Regierung, Sir. David King, seine eher alarmistische Sicht der Dinge. Doch der Oberhausabgeordnete Lord Dick Taverne mochte auch andere Argumente gehört wissen - was eine Einladung zum Morning Tea ins House of Lords einbrachte. Taverne ist als engagierter Streiter für Freiheit, Aufklärung und wissenschaftlichen Fortschritt bekannt. Er teilt durchaus die Sorge vor steigenden Kohlendioxid-Emissionen, hält aber von symbolischer Klimapolitik herzlich wenig: "Vergesst das Kyoto-Abkommen, es ist eine bemerkenswerte Übung darin sich und der Welt etwas vorzumachen."

Dem britischen Oberhaus wird von der Verfassung unter anderem die Aufgabe zugewiesen die Regierung und ihre Gesetzesvorhaben zu kontrollieren und dafür auch unabhängigen Sachverstand zu mobilisieren. Und genau dies ist in Sachen Klima geschehen. "The Economics of Climate Change" nennt sich ein kritischer Bericht des House of Lords. Dem Kyoto-Protokoll und seiner Rationierungs-Philosophie wird darin vorgeworfen immense Kosten zu verursachen, dabei aber keinerlei Auswirkungen auf das Klima zu haben. Man schlägt stattdessen vor künftig viel mehr Wert auf Anpassungsmaßnahmen zu legen und direkt in möglichst preiswerte emissionsfreie Technologien zu investieren. Inzwischen deutet sich eine politische Trendwende an, denn der ursprüngliche Kyoto-Verfechter Tony Blair verabschiedete sich für künftige Vereinbarungen von der bisherigen Kyoto-Linie: "Ich habe meine Meinung geändert" (Merkwürdigerweise wurde darüber in Deutschland so gut wie nicht berichtet).

Die Lords und die von ihnen beauftragten Wissenschaftler scheuen sich nicht dem UN-Klimagremium IPCC politische Beeinflussbarkeit, in einigen Feldern zweifelhafte wissenschaftliche Expertise und mangelnde Kritikfähigkeit vorzuwerfen. Auch wird vor dem Risiko gewarnt, dass sich in Gestalt des IPCC ein "Meinungsmonopol" bilden könnte. Und so etwas mögen ihre Lordschaften nun überhaupt nicht. Anstatt skeptische Stimmen als Außenseiter oder Spinner zu diskreditieren, gehen sie deren Argumenten akribisch nach - mit nicht immer schmeichelhaften Ergebnissen für die etablierte Forschergilde.

Zur Förderung der Meinungsvielfalt sprach Lord Tavern dann noch eine Einladung "Below the Bar" zur Klimadebatte aus, die vergangenen Donnerstag im House of Lords stattfand. Wer die Qualität der Diskussion in Deutschland gewohnt ist, konnte da nur vor Neid erblassen. Man glaubte an der Generalversammlung eines Vereins für unabhängiges Denken beizuwohnen. Freundschaftlich im Ton geht es wunderbar zur Sache. Stellvertretend dafür nur ein kurzes Beispiel. Nachdem der ehemalige Präsident der Royal Society, Lord May, die Zukunft in düstersten Farben gemalt hatte, widersprach ihm Lord Lawson of Blaby, mit folgenden Worten:

"Der edle Lord, Lord May, spricht mit großer Leidenschaft und in der Tat großem Charme - eine starke Kombination. Dennoch muss hier in der höflichsten möglichen Weise darauf hingewiesen werden, dass er ein Serien-Alarmist ist." Und weiter: "Als der Club of Rome vor 30 Jahren eine kommende Knappheit der Ressourcen voraussagte, die das Wirtschaftswachstum innerhalb recht kurzer Zeit zum Stillstand bringen würde, wurde diese Aussage seinerzeit von Lord May aufs wärmste willkommen geheißen und unterstützt. Nun sendet er einen neuen Alarm, mit genau der gegenteiligen Vorhersage. Nämlich die steigender Kohlendioxidemissionen - aufgrund einer langen Periode weiterhin rapiden Wirtschaftswachstums. Auf diese Weise hat er beide Pferde für das Rennen gesattelt."

PS: In Bundesrat und Bundestag herrscht dagegen seit Jahr und Tag die ganz große Koalition des Klima-Alarmismus.

 

 

Erschienen in Die Welt vom 18.11.2005