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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Energiesteuern
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20080607025302/http://www.maxeiner-miersch.de:80/standp2005-12-03a.htm
Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Energiesteuern

Hintergrund:
Weil Heizöl und Erdgas so teuer geworden sind, heizen viel Menschen wieder mit Holz.

 

Schuss in den Ofen

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Weihnachten steht vor der Tür und da will man es sich gemütlich machen. Draußen rieselt der Schnee und drinnen flackern die Advents-Kerzen. Maxeiner besitzt sogar einen schönen Kaminofen, dessen züngelndes Feuer die gute Stube mal wieder erwärmen sollte. Es musste also ein Sack gut getrocknetes Kaminholz her. Doch der Holzhändler hatte nur ein müdes Lächeln übrig: "Wir sind ausverkauft - und zwar auf Monate im voraus". Die verdutzte Nachfrage, wie denn das sein könne, wurde mit dem Hinweis beantwortet: "Schauen Sie sich mal die Heizölpreise an."

Eine kurze Recherche ergibt: Brennholz ist vielerorts tatsächlich kaum noch aufzutreiben. Dies war bislang nicht der Fall, obwohl gemütliche Öfen seit geraumer Zeit "trendy" sind. Jetzt haben Heizöl- und Gaspreise aber offenbar ein Niveau erreicht, das zum kreativen Heizen animiert. Die Zentralheizung wird heruntergefahren, während Kaminöfen oder Allesbrenner, die bislang nur gelegentlich und eher zum Vergnügen angefeuert wurden, plötzlich im Dauereinsatz glühen. In den Großmärkten stapeln sich Briketts aus gepressten Holzresten oder Braunkohle.

Die Umwelt freut das nicht, denn den Kaminen entweichen oft problematische Schadstoffe und reichlich Feinstäube. Der örtlichen Müllverbrennungsanlage würde so etwas nicht nachgesehen. Die "Bundesimmissionsschutz-Verordnung" sagt daher: Wer zugleich eine Heizung hat, darf seinen Ofen nur gelegentlich anwerfen (ein Gericht setzte dafür acht Tage im Monat fest). Doch wer wollte das kontrollieren? Und wer will es den Menschen verübeln, dass sie angesichts knapper Kassenlage versuchen Heizkosten zu sparen?

Dabei war doch alles so gut gemeint: Mit verteuertem Strom sollte Windkraft und Sonnenenergie gefördert werden, auf dass Deutschland umweltfreundlich erblühe. Ökosteuer und Mineralölsteuer sollten zum Energiesparen animieren und so das Klima gesunden. Doch lässt sich Energieverbrauch nicht komplett wegbesteuern - genauso wenig wie sich Hunger beseitigen lässt, indem man die Lebensmittel teurer macht. Und so ist für manchen Häuslebauer mit bescheidenem Einkommen jetzt beim Heizen der Punkt erreicht, wo er die Heizung nicht weiter abdrehen drehen kann - es sei denn, er wirft den Allesbrenner an. Das Phänomen wurde übrigens zum letzten mal in den siebziger Jahren in den USA beobachtet, als die OPEC-Staaten dem Westen kein Öl mehr liefern wollten. Vor allem ländliche Regionen entdeckten Omas Ofen wieder - und hatten plötzlich schlechtere Luft als die Bürger mancher Industriestadt.

Der Sachverhalt bestätigt eine alte Regel: Nicht alles, was gut gemeint ist, zeitigt auch positive Ergebnisse. Oft kommt das Gegenteil dabei heraus. Gesetze und Verbote, Vorschriften und Lenkungssteuern haben oft Wirkungen, die weder bedacht noch gewünscht waren. Fast neun Millionen Kaminöfen, Heizkamine und Kachelöfen sind in Deutschland im Einsatz und jedes Jahr kommen 200 000 neu hinzu. Dabei spielt auch Mode eine Rolle, immer öfter aber der Geldbeutel. Über 500 000 Tonnen Holzscheite und mehr als eine Million Tonnen Braunkohlenbriketts werden über den Brennstoffhandel sowie Verbraucher- und Baumärkte abgesetzt. Statt der süßen Vision vom solaren Zeitalter schwebt über manchem Wohnviertel ein Hauch von Braunkohle, der die sensible Nase entfernt an Leipzig vor der Wende erinnert.

Ob das die Verantwortlichen dazu animiert, einmal über die angeblich segensreiche Wirkung staatlich hochgetriebener Energiepreise nachzudenken? Das kleine Beispiel beinhaltet ja im Grunde mehrere Lehren. Erstens: Nur die Bürger in wachsenden Volkswirtschaften werden sich auf Dauer umweltfreundliche Lösungen für ihr alltägliches Leben leisten. Das ist ja eines der zentralen Probleme in Entwicklungsländern, wo Menschen oft gezwungen sind ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, indem sie Raubbau an der Natur begehen. Zweitens: Wachstum und erschwingliche Energie hängen eng zusammen. Wer auf die ohnehin steigenden Marktpreise noch staatliche Abgaben bis zur Sachmerzgrenze draufsattelt, riskiert seine Wirtschaft zu strangulieren. Und von da an wird die ganze Sache zum Schuss in den Ofen. Es fehlt das Geld für neue Technologien und bald auch das Verständnis für Umweltauflagen, die als überzogen wahrgenommen werden. Es ist in Deutschland also höchste Zeit für eine Energiepolitik, die ökologische und ökonomische Aspekte wieder etwas näher aneinander führt. Wahrscheinlich fällt den Verantwortlichen aber eine ganz andere Lösung ein: Die Kaminofensteuer.

 

 

Erschienen in Die Welt vom 03.12.2005