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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Grüner Zeitgeist
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Grüner Zeitgeist

Hintergrund:
In amerikanischen und deutschen Medien wird eine neue "Ideologiefreie" Ökobewegung ausgerufen.

 

Wir sind die neuen Grünen

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 18.08.2006 in DIE WELT

Endlich: Die Stunde der unideologischen Grünen hat geschlagen! Dynamisch, schick, vorurteilsfrei. Von "Vanity Fair" bis "Newsweek" von "Focus" bis "Zeit" wird der neue Typus beschworen, ein "urbaner Trendsetter" der "den letzten Linksquark erleichtert über Bord wirft" (Focus). Wir beide haben uns mächtig gefreut, weil doch sonnenklar ist: Da können nur wir gemeint sein!

Maxeiner & Miersch stehen großartige Zeiten bevor. "Gute Laune statt schlechtem Gewissen" heißt es sogar in Maxeiners heimatlicher Augsburger Allgemeine, "die Welt zu retten wird jetzt schick". Das ist schon mal ein guter Anfang, auch wenn es an den Ausführungsverordnungen noch ein wenig hapert: "Ist doch toll, dass man zu zweit Spaß in der Badewanne haben kann und dabei auch noch ein gutes Gewissen". Also ähm, wir haben uns tief in die Augen geschaut und dann doch davon abgesehen.

Nun gut, die Bewegung ist noch neu. Sie kann daher nicht wissen, dass in Deutschland alles andere als Wassermangel herrscht. Es dürfte ihr auch nicht bekannt sein, dass die Kanalisation vielfach nicht mehr richtig funktioniert, weil alle versuchen, Wasser zu sparen. Während Sie oben zu zweit in der Badewanne sitzen, jagt das Wasserwerk unten gewaltige Mengen zusätzliches Wasser ins System, damit die Rohre frei bleiben und nicht zum Himmel stinken. Ideologiefrei grün wie wir sind, haben wir uns entschlossen, beim Zähneputzen das Wasser laufen zu lassen, um das frevelhafte Verhalten unserer Nachbarn auszugleichen. Wie sagt die neue Bewegung so schön: "So viel Fun beim guten Tun war selten".

Richtig, nur kann die Berücksichtigung von ein paar Fakten nicht schaden. Doch da hapert es: Neu ist bei den Lifestyle-Grünen vor allem die Attitüde, die Gedanken sind hingegen ganz die alten. Wenn El Gore zusammen mit George Clooney und Julia Roberts in "Vanity Fair" den "planetaren Notstand" ausruft, dann ist das natürlich äußerst schick, inhaltlich aber exakt der selbe apokalyptische Schmarrn wie ihn altvordere Ökofossile vom Schlage Herbert Gruhl oder Robert Jungk in den 80er-Jahren von sich gaben. Den Trendmenschen auf dem grünen Designersofa ist bisher kein einziger neuer Gedanke gekommen. Statt dessen rattern sie die alte Litanei herunter: Natur gut, Kunststoff böse. Sonne gut, Atom böse. Bio gut, Gentechnik böse. Ökourlaub gut, Billigflug böse. Das ist ungefähr so ideologiefrei wie das kommunistische Manifest.

Und deshalb wollen wir die Bewegung jetzt auf ein paar neue Ideen bringen, wie man Gutes tun und eine Menge Spaß dabei haben kann:

Steckt den gelben Sack in die graue Tonne! Selbst das Bundes-Umweltamt meint, dass dies die beste Lösung wäre. Maschinen trennen den Müll nämlich viel effizienter und billiger als das bisherige System. Wenn alle dem folgen, wird sich die neue Methode schnell durchsetzen und wir können die Milliarden für den Naturschutz ausgeben.

Achtet beim Einkauf auf wirklich ökologische Ware! Solltet ihr beispielsweise im Supermarkt ein Müller-Milch-Produkt mit einem Protest-Aufkleber "Genmilch" finden, geht zum nächsten Mitarbeiter und fragt: "Könnte ich noch mehr davon haben?". Die Großmolkerei ist ein Unternehmen, das "den alten Linksquark" ignoriert und nicht bereit war sich einem ideologischen Gentechnik-Boykott anzuschließen. Die Gentechnik verringert den Einsatz von Pestiziden, sorgt für mehr Ertrag und damit für weniger Flächenbedarf. Das entlastet die wilde Natur. Auch können neue Pflanzen helfen, Mangelerkrankungen bei den Menschen in armen Ländern zu lindern.

Und last but nor least: Bucht einen Billigflug! In Asien, Afrika oder Lateinamerika sind die Menschen dringend auf Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen. Wer dort im Urlaub lokale Händler und Restaurants bevorzugt, hilft den Menschen am meisten und trägt dazu bei, dass sie ihre Umwelt nicht mehr aus Not plündern müssen. Die teuren Öko-Lodges des grünen Jetsets nutzen ihnen leider wenig.