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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Klimamacher
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Klimamacher

Hintergrund:
Viele Menschen glauben, dass das Weltklima kontrolliert und gesteuert werden könnte.

 

Welches Klima hätten Sie denn gern?

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 10.11.2006 in DIE WELT

Die Leistungen der deutschen Politik in den vergangenen Wochen sind bewundernswert. Erst wurde die Gesundheitsreform auf dem Wege der Autosuggestion gelöst, dann die Unterschicht semantisch zum Verschwinden gebracht. Außerdem musste der Weltfrieden vor deutschen Truppen gerettet werden, die einen afghanischen Totenschädel mit einem Bierkrug der Hells-Angels verwechselt hatten.

In dieser Woche eilte Deutschland entschlossen dem Weltklima zu Hilfe. Dass wir uns bereits mitten in einer Katastrophe befinden, verdeutlichte ein Lawinenabgang apokalyptischen Schrifttums, das aus einem ansonsten heiter bis wolkigen Himmel über uns hinwegdonnerte. Es handelt sich eindeutig um ein menschengemachtes Phänomen, das zyklisch vor internationalen Klimakonferenzen auftritt.

"Da das Kioto-Abkommen 2012 ausläuft, muss die EU wieder eine Vorreiter Rolle übernehmen, um zu einer guten Nachfolgeregelung zu gelangen", versicherte Angela Merkel. Dies finden wir äußerst konsequent, denn die Vorreiterrolle der EU besteht ja darin, die Vorgaben des jetzigen Kioto-Protokolls um Lichtjahre zu verfehlen (Länder wie Großbritannien, Griechenland, Irland, Österreich oder Spanien liegen bis zu 60 Prozent über den zugesagten Reduktionszielen). Die Nachfolgeregelung sollte deshalb besonders radikale Einschnitte formulieren, damit Europa auch weiterhin hohe moralische Maßstäbe setzen und sie dann erfolgreich unterbieten kann.

Eine breite Koalition steht bereit, um dieses Ziel zu verwirklichen. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, Tatort-Kommissar Peter Sodann, die Sängerin Mieze Katz sowie der Bischof von Magdeburg gehören zu einer Gruppe von Klimaexperten, die in der Berliner taz versprachen: "Wir stoppen den Klimawandel". Schade, dass unsere kulturelle Elite nicht im Holozän gelebt hat, dann hätte sie bereits die damalige Warmzeit verhindert. Der Umschwung ins warme Holozän vollzog sich abrupt in ein paar Jahren und hat etwa in Norddeutschland zu einem Temperatursprung um fünf Grad geführt. Das Klima war "außer Kontrolle", was in Zukunft nicht mehr passieren wird, da sei auch unser Umweltminister Gabriel vor. Ab sofort ist dem Klima nur noch eine Erwärmung von maximal zwei Grad erlaubt, sonst verstößt es gegen internationale Konventionen.

Wandel mögen die Deutschen nicht, Kontrolle ist viel beliebter. Wobei sich eine delikate Frage stellt: Welches Klima hätten Sie denn gern? Zwei Grad plus? Oder ein Grad minus? Und wird diese Frage demokratische entschieden? Oder durch Lobbyisten? Wir sehen eindeutig einen Zielkonflikt zwischen den Herstellern von Windrädern und Deckenventilatoren. Ganz abgesehen von internationalen Verwicklungen. Zum Beispiel mit Russland. Der sowjetische Ministerrat verkündete 1950 den "großen Stalinplan zur Umgestaltung der Natur". Wüsten sollten fruchtbar gemacht und das Klima in Sibirien gemildert werden. Holzkohlenstaub, so wurde diskutiert, sollte die Eiskappen des Nordpols gezielt abschmelzen. Jetzt sind die Russen endlich am Ziel und da will ihnen Herrn Gabriel die Heizung abdrehen?

Ist aber auch schwierig. Als Bewohner Süddeutschlands haben wir da natürlich ganz eigene Vorstellungen. Die Auswertung von Klimadaten aus dem 19. Jahrhundert ergibt nämlich eine interessante Korrelation zwischen Niederschlagsmengen, Bierpreis und Kriminalität. Das haben drei norwegische Ökonomen soeben im "Journal of Urban Economics" nachgewiesen. Aufgrund regenreicher Jahre und entsprechender Ernteschäden stieg der Roggenpreis stark an. Dies führte zu mehr Kleinkriminalität, weil die Armen Lebensmittel stehlen mussten. Andererseits stieg auch der Bierpreis, was in einer gewissen Enthaltsamkeit mündete, die sich positiv auf die Statistik für Körperverletzung, Mord und Totschlag auswirkte. Wollen wir nun mehr Regen oder nicht? Zum Glück gibt's in Bayern für solche Fragen den Volksentscheid.