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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Wissenschaftsbetrieb
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Wissenschaftsbetrieb

Hintergrund:
Staatliche Stellen wie das Umweltbundesamt fördern immer obskurere Forschungsvorhaben und Workshop-Veranstaltungen.

 

Sind Männer nachhaltig?

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Täglich landen auf unserem Schreibtisch Einladungen zu Tagungen, Konferenzen, Dialogen und Workshops. Die Abteilungen "Dialog" und "Workshop" fliegen dabei sofort in den Papierkorb und werden von dort allenfalls nach Ankündigung von erheblichen Schmerzengeldsummen wieder herausgekramt. Dialoge und Workshops sind nämlich eine Krankheit, die mit einer Therapie verwechselt werden. Besonders der behördlich-akademische Komplex ist davon befallen. Kluge Menschen haben berechnet, dass die Deutschen 4,7 Milliarden Stunden Im Stau stehen. Wie viele Stunden sie im Workshop sitzen und Dialoge führen wissen wir leider nicht. Wir vermuten aber, dass der volkswirtschaftliche Schaden noch erheblich größer ist.

Vor nicht allzu langer Zeit wurden wir vom Forschungsministerium zu einem Forschungsdialog namens "Futur" eingeladen. Hunderte Wissenschaftler, Volksvertreter und Journalisten sollten im Rahmen des großen Palavers zukunftweisende Ideen für die Arbeit von Frau Bulmahn liefern. Da wir den Schaden für die Nation in Grenzen halten wollten, verzichteten wir auf eine Teilnahme. Aber auch ohne unsere Mitwirkung kamen "wegweisende Impulse" (Bulmahn) heraus, die in vier "Leitvisionen" mündeten. Nummer eins lautet (Licht aus, Spot an, tatataah!): "Das Denken verstehen". Die übrigen sind ähnlich wegweisend.

Umweltminister Trittin und das Umweltbundesamt (UBA) wollten da nicht nachstehen. Motto: Was die Bulmahn kann, können wir schon lange. Unter Zuhilfenahme eines halben Dutzend Professoren der Universitäten Lüneburg und Bremen förderten Sie eine Workshopreihe, deren Ergebnisse soeben unter der Überschrift "Sind Männer nachhaltig?" ins Internet gestellt wurden (www.umweltbundesamt.de , siehe "Publikationen"). Bedauerlicherweise wurden wir zu dieser bahnbrechenden Veranstaltung gar nicht erst eingeladen, dabei wären wir ausnahmsweise gerne gekommen!

Der Konzeption der Workshops lag eine schwerintellektuelle "4-D-Strategie" zugrunde: "Die vier Denkrichtungen Anders, Zurück, Quer- und Umdenken". Kein Wunder, dass sowohl die Teilnehmer als auch die Professoren nachhaltig die Orientierung verloren. Auch wir müssen (räusper, räusper) zugeben, dass wir kein Wort der 200 seitigen Studie verstanden haben. Wir haben allenfalls kapiert, dass wir die Räumlichkeiten des Umwelt-Bundesamtes besser meiden sollten. Denn die "Weiterentwicklung des Gender Mainstreaming innerhalb des UBA und darüber hinaus" steht offenbar unmittelbar bevor. Es sollen ganz schnell "Aufmerksamkeitsstrukturen" gefördert werden, "zugunsten der kontinuierlichen Wahrnehmung möglicher offener oder verdeckter Verhinderungen von Nachhaltigkeits- und Gleichstellungsdenken".

Die Aktivitäten des UBA sind prinzipiell ein guter Indikator dafür, wie es um unsere Umwelt und unseren Geisteszustand steht. Es zeigt sich dabei eine auffällige Korrelation: Je mehr es mit der Umwelt bergauf geht, desto mehr geht es mit dem Geisteszustand bergab. Der Himmel über der Ruhr ist wieder blau und im Rhein schwimmen die Lachse. Heftig zugenommen haben hingegen die intellektuellen Heißluft-Emissionen.

Das hat einen einfachen Grund: Die der in den achtziger Jahren aus dem Kraut geschossenen Öko- und Umweltinstitute müssen über Wasser gehalten werden. Dialogverfahren und Workhshop-Manie sind nichts anderes als staatliche Alimentationen für die alten ideologischen Weggefährten, die im Sinne ernsthafter Forschung oder konkreter technischer Innovation nichts zu bieten haben. Und manchmal kommt es noch schlimmer. Renate Künasts "Diskurs zur grünen Gentechnik" beispielsweise, hatte vor allem ein Ziel: Die Verhinderung derselben. Während die Naturwissenschaften in Deutschland auf dem Rückzug sind und dem Land die Ingenieure ausgehen, werden gleichzeitig Millionen für sinnfreies Palaver und Gaga-Wissenschaft ausgegeben (Im Englischen gibt es dafür den schönen Ausdruck "Junkscience")

Der Irrsinn lässt sich aber noch weiter steigern. So wurden von der Universität Bonn 100 Testpersonen gesucht, die einen Berg Geschirr spülen, den sie zuvor schmutzig gemacht hatten. Auf diesem Weg wollte man nach kulturellen Unterschieden in den europäischen Spülgewohnheiten forschen. Vorschlag: Wie wäre es mit einer disziplinübergreifenden Zusammenarbeit mit dem Projekt "Sind Männer nachhaltig?". Sollte diese Kooperation zustande kommen, wären Maxeiner & Miersch nebst Ehefrauen bereit, ausnahmsweise mal selbst einen Workshop zu veranstalten: Unsere Küchen stehen euch sperrangelweit offen!

 

Erschienen in Die Welt vom 20.08.03